Online-Studium & Arbeit im HFD – Zwei Welten? Ein Reality Check der Studentischen Mitarbeitenden des HFD

Online-Studium & Arbeit im HFD – Zwei Welten? Ein Reality Check der Studentischen Mitarbeitenden des HFD

31.03.21

Meme Abbildung vom festgefahrenen Containerschiff Ever Given im Suezkanal. Riesiges Schiff: Job, Prüfungen. Kleiner Bagger: Du.

In unserem Fokusmonat Digitale Campuskultur haben wir insbesondere die Situation von Studierenden beleuchtet und dabei in Blogbeiträgen und Podcast-Folgen die sozialen und kulturellen Aspekte des Studiums in der Vordergrund gerückt: Wie funktioniert Partizipation digital, was wollen wir für die Zeit nach Corona mitnehmen, was fehlt Studierenden gerade am meisten und wie kann man mehr Raum für soziale Einbindung schaffen? 

In den letzten Wochen überschlagen sich die Nachrichten über die dritte Welle, Oster-Lockdown und die aktuelle Kombination aus Impfdebakel, Einschränkungen im Privatleben und das Fehlen einer Langzeitstrategie bringt viele Menschen in Deutschland an und über die Grenzen ihrer Frustrationstoleranz. In Kommentarspalten zu aktuellen Corona-Beschlüssen fällt bereits länger auf: Studierende fühlen sich offensichtlich in den öffentlichen Diskussionen in ihren Bedürfnissen übergangen. Oft wird scheinbar vergessen, dass viele von uns seit Beginn der Pandemie im harten Lockdown sind und ihr Leben von Grund auf umkrempeln müssen – Online-Vorlesungen und Seminare, Präsenz-Prüfungen oder Online-Proctoring, Lehrende mit mehr oder weniger Motivation für digitale Lehre – bei alledem haben wir wenig mitzureden und müssen uns ständig anpassen. Im Gegensatz zu Schüler*innen wird bei uns (und im Übrigen auch bei Auszubildenden, die häufig noch weniger Plattformen haben) davon ausgegangen, dass wir über die notwendigen technischen und emotionalen Mittel verfügen, um mehrere Semester Online-Studium erfolgreich zu bewältigen.

Was dabei häufig übersehen wird: viele haben ihre WG-Zimmer in den Uni-Städten aus finanziellen oder sozialen Nöten wieder gegen das Elternhaus eingetauscht. Viele haben ihre Jobs in der Service-Branche verloren. Die Bibliotheken und Mensen als zentrale Orte des normalen Studierenden-Alltags sind zu. Studienanfänger*innen fehlt häufig der Anschluss und Absolvent*innen gehen in wirtschaftlich angespannten Zeiten auf Jobsuche oder werden im Home Office eingearbeitet. Erhebungen zur allgemeinen Situation von Studierenden am Beispiel Berlin hat der rbb hier sehr treffend zusammengefasst. 

Wir studentischen Mitarbeiter*innen beim Hochschulforum Digitalisierung befinden uns dabei in einem interessanten Spannungsfeld. Wir alle managen Arbeit und Studium im Home Office. Wir alle erhalten im Arbeitskontext einen Einblick in die Möglichkeiten der digitalen Hochschulbildung, aber wir kommen auch aus unterschiedlichsten Studiengängen und bringen daher ganz verschiedene Eindrücke und Erfahrungen aus der Realität an den Hochschulen mit. Diese wollen wir hier mit euch teilen, ganz nach dem Motto Hier sind wir„.

Portrait von Carla von Hörsten aus dem Team Strategie und Netzwerk, die im Bachelor Politik, Verwaltung und Organisation an der Universität Potsdam studiert.

Hi, ich bin Carla und seit Juni 2020 studentische Mitarbeiterin im HFD. Dort arbeite ich in der Peer-to-Peer-Strategieberatung und in der Betreuung des Netzwerkes. Und so wie alle Studis im HFD repräsentiere ich die Schnittstelle zwischen den Theorien & den Projekten des HFD und der Realität an der eigenen Universität. Ein Nebenjob als Mitgestalter*in, für den man viel Multitasking können muss, der aber nie langweilig wird.

Und wie sieht meine Realität derzeit aus? Ich studiere Politik, Verwaltung und Organisation im Bachelor an der Universität Potsdam und zwei Semester Online-Studium sind nun rum. Viele freuen sich über die Ortsungebundenheit und den damit gesparten Weg zur Uni. Da ich fünf Minuten vom Unigebäude entfernt wohne, ist dies nicht wirklich ein Vorteil für mich und umso mehr fehlen mir die Bibliothek, die Uni-Räume und die Mensa, die so nah und doch so fern scheinen. 

Es wirkt so als wäre kurz vor dem Ende meines Bachelor-Studiums die Zeit stehen geblieben. Alles digital und alle verunsichert. Praktika und Auslandssemester wurden abgesagt, Nebenjobs gestrichen. Und dann? Soll man darauf warten, dass man sie nachholen kann? Soll man direkt einfach mit seiner Abschlussarbeit anfangen? Arbeitserfahrungen während des Studiums sind so wichtig und in der jetzigen Situation rar. Auch bei mir wurden viele Pläne über den Haufen geworfen, doch ich hatte das Glück im HFD anfangen zu können. Nach einem komplett digitalen Onboarding habe ich bis heute die wenigsten Kolleg*innen schon einmal in Person gesehen und bin erstaunt, wie schnell man sich daran gewöhnen kann. Schlussendlich habe ich durch das HFD sehr viel digitales Know-how gewonnen und mir eine Selbstsicherheit in der Verwendung von diversen digitalen Tools aufgebaut, die mein Studium heute sehr bereichert.

Worauf ich mich am meisten nach Corona freue und was mir derzeit am Studierenden-Alltag am meisten fehlt ist Input und Inspiration. Ich vermisse es Leute zu treffen und mich mitreißen zu lassen. Ihr geht in die Mensa? Ok, ich komme mit. Volleyball? Voll gerne. Nicht immer komplett selbst bestimmen, was man als nächstes tut, sondern ab und zu mal den Plan des Tages umwerfen. Das ist für mich ein großer Teil des Studiums und solche spontanen Momente kommen im Home Office nicht zustande. Sich einfach von anderen Leuten inspirieren und in die Spontanität hinein leben.

Portrait von Judith Goetsch aus dem Kommunikations-Team, die im Bachelor Nordamerikastudien an der FU Berlin studiert

Ich bin Judith und frisch seit November 2020 im Kommunikationsteam des HFD. Auch ich wurde fast komplett online eingearbeitet und befinde mich aktuell in den letzten Zügen meines Bachelor-Studiums Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin.

Ich habe ein ziemlich ereignisreiches Jahr hinter mir. Im Januar 2020 bin ich nämlich für mein Auslandssemester die USA geflogen, das dann coronabedingt kürzer ausfiel als erwartet und erhofft. Ende März war ich dann wider Erwarten nicht mehr in Chapel Hill, North Carolina sondern in Hannover, Niedersachsen.  Nach meinem Flug zurück in die Heimat hatte ich von einem auf den anderen Tag plötzlich Zoom-Seminare mit sechs Stunden Zeitverschiebung  – und das alles vom Dachboden meiner Eltern aus. Ich habe quasi einen sechswöchigen Crashkurs in Sachen Remote Learning absolviert, bevor das digitale Sommersemester an den deutschen Universitäten überhaupt anfing. Dennoch bin ich sehr dankbar für die Zeit, die ich an der UNC hatte und schätze es sehr wert, dass ich vor Ausbruch der Pandemie das Abenteuer Auslandsstudium zumindest noch teilweise in Präsenz erleben konnte.

Am Präsenz-Studium fehlt mir momentan am meisten die Bibliothek und der Kontakt zu anderen Studierenden auf dem Campus. Gefühlt liegt der Fokus im Studium seit dem ersten Online-Semester mehr auf dem Inhalt und dadurch bin ich sicherlich fachlich vorangekommen – ich habe mehr weiterführende Literatur gelesen und auch die Hemmschwelle mit Lehrpersonen in Kontakt zu treten ist geringer geworden. Allerdings ist die Universität ja auch nicht nur da, um uns zu „effizienten Studiermaschinen“ zu machen, wie Ludwig Lorenz es in unser campus.digital Folge zum digitalen Auslandsstudium so hervorragend ausdrückte. 

Für mich persönlich stehen in nächster Zeit meine Bachelor-Arbeit und Bewerbungen für Master-Plätze an und ich tue mich sehr schwer mit wichtigen Entscheidungen. In diesen Zeiten empfinde ich es als sehr herausfordernd, Pläne für meine akademische und berufliche Zukunft zu machen und ich weiß, dass es vielen anderen ähnlich geht. Wie soll ich mich entscheiden wenn viele dafür wichtige Faktoren gar nicht vorhersehbar oder planbar sind? 

Durch die Arbeit beim HfD habe ich schon viel über digitale Lehre gelernt und dadurch einen Selbstwirksamkeits-Effekt erlebt, der mich schon durch schwierige Uni-Tage mit Zoom-Frust geführt und zum Projekt Digitale Campuskultur inspiriert hat. Ich erlebe aber auch in meiner Arbeit und Gesprächen mit anderen Studierenden inner- und außerhalb des Hochschulforums eine wachsende Unzufriedenheit mit dem digitalen Studium. Was dringend fehlt, ist meiner Ansicht nach eine Perspektive zurück zur Präsenz und aus meiner Sicht als HFD-Mitarbeiterin besonders, dass wir dabei die Learnings aus dem vergangenen Jahr und vielleicht auch einige Vorteile der digitalen Lehre im Hinterkopf behalten, um das Studium zum Beispiel barriereärmer zu gestalten. Die Innovation darf nicht aufhören, nur weil die Krise irgendwann vorbei sein wird.

Portrait von Aline Röttger aus dem Team Strategie & Netzwerk, die im Master Sprache-Medien-Gesellschaft an der Europa Universität Viadrina studiert

Ich bin Aline, seit Juni 2020 studentische Mitarbeiterin beim Hochschulforum Digitalisierung und Studentin an der Europa-Universität Viadrina im Master “Sprache-Medien-Gesellschaft”. Als sogenannte “Pendlerin” hat das digitale Studieren seit März 2020 natürlich einen großen Vorteil für mich: Ich spare mir den Fahrtweg und damit auch eine Menge Zeit! 

Gleichzeitig hat mich bei meiner letzten Tour nach Frankfurt (Oder) wieder eine starke Sehnsucht nach einem “richtigen Studentenleben”, Kursen in Präsenz und einem lebendigen Campusleben überkommen. Auch wenn es mich ehrlich gesagt überrascht hat, dass das Umswitchen auf Online-Lehre größtenteils gut funktioniert hat, gibt es von Kurs zu Kurs und Lehrperson zu Lehrperson doch auch deutliche Unterschiede, welche einerseits von der Anzahl der Teilnehmenden, andererseits von der didaktischen Herangehensweise der Lehrperson abhängen. Am meisten fehlt momentan allerdings der (informelle) Austausch – sowohl mit Studierenden als auch mit Lehrpersonen. Eine der größten Herausforderungen während des digitalen Semesters war für mich bisher die Abgabe meiner Bachelorarbeit. Zwar durfte diese online erfolgen, jedoch waren die dafür geltenden Formalitäten bis kurz vor der Abgabe nicht geklärt.

Durch meine Stelle beim HFD arbeite ich viel mit der studentischen Zukunfts-AG, den DigitalChangeMakern, zusammen und bin dort momentan auch selbst in einem Projektteam eingebunden. Von dem Austausch mit solch engagierten Studierenden, die sich für studentische Partizipation und die Verbesserung von Lehre und Lernen einsetzen, nehme ich viel Inspiration und Motivation mit!

Portrait von Lavinia Hoesch aus dem Event-Team, die im Master Wirtschaftskommunikation an der HTW Berlin studiert

Ich bin Lavinia und arbeite seit Mai 2020 im Event-Team des Hochschulforums Digitalisierung. Ich studiere im Master Wirtschaftskommunikation an der HTW Berlin und schreibe aktuell meine Masterarbeit.

Da ich mich bereits am Ende meines Studiums befinde, war für mich die Umstellung auf den digitalen Lehrbetrieb vergleichsweise einfach umsetzbar. Klar fehlt mir der analoge Uni-Betrieb, aber der Verzicht auf eine Stunde Fahrtzeit nach Schöneweide hat durchaus auch seine positiven Seiten. Für mich war die größte Herausforderung, sich einen Alltag und die tägliche Routine von zuhause aus zu schaffen. Mit Homeoffice, Masterarbeit und dem Versuch einer Work-Life-Balance musste ich gerade zu Beginn der Pandemie ganz schön jonglieren. Mir persönlich hat eine räumliche Trennung von Arbeits- und Lebensbereich geholfen. So kann ich morgens mein Schlafzimmer verlassen und mich auf “den Weg zur Arbeit” in einen anderen Raum begeben. 

Im Hochschulforum Digitalisierung wurde ich, wie viele meiner Kolleg*innen, vollends digital eingearbeitet und konnte mich mit dem U:FF 2020 gleich einer neuen, digitalen Herausforderung stellen. Entstanden ist ein erfolgreiches digitales Festival, das mir persönlich eine ganz neue Perspektive auf die Eventbranche eröffnet hat! 

Nach Corona freue ich mich vor allem auf den analogen Austausch im Team, wünsche mir aber, dass wir uns ein Stück der jetzigen Flexibilität beibehalten. 

Portrait von Laura Wittmann aus dem Kommunikations-Team, die im Master Sprache-Medien-Gesellschaft an der Europa Universität Viadrina studiert

“Und, was studierst Du?” “Sprache – Medien – Gesellschaft im Master an der Viadrina in Frankfurt Oder, seit einem Semester.” “Ah, schön dort?” “Keine Ahnung.”

Für die meisten Menschen aus dem Jahr 2019 hätte dieser Dialog wahrscheinlich Fragen aufgeworfen. “Keine Ahnung?” Tatsächlich. Ich war noch nie auf dem Campus, an dem ich seit einem halben Jahr studiere.

Im letzten Jahr schrieb ich gerade meine Bachelor-Arbeit, als viele meiner Freund*innen die ersten Erfahrungen in der Online-Lehre sammelten. So war ich zwar nicht mit überforderten Dozierenden oder hakenden Online-Konferenz-Tools konfrontiert, dafür machte mir jedoch die Schließung der Bibliothek und der fehlende Austausch in den Mensa-Pausen zu schaffen. Eine wissenschaftliche Arbeit ohne freien Zugang zu Literatur zu verfassen, ist das eine, sich im engen WG-Zimmer oder am Küchentisch mit einer Armlänge Abstand zum Kühlschrank zu disziplinieren, das andere.

Um viele Nerven leichter freute ich mich schließlich mit dem Abschluss in der Tasche auf einen – immerhin – akademischen Tapetenwechsel. Denn sind es nicht vor allem die ersten und letzten Semester im Studium, die diese Lebensphase so besonders machen? Neuer Ort, neue Kontakte, neue Möglichkeiten – ob man will oder nicht. Der Sog des Neuen zieht erst einmal alle auf den Campus, ob für etwas mehr Durchblick im Modulwust oder das Freibier bei der Kneipenrallye. Im Online-Modus ist aus diesem Sog ein laues Lüftchen geworden, das sich ohne große Anstrengung ignorieren lässt. Man muss wirklich wollen, um auf dem digitalen Campus anzukommen. Zumindest solange, wie digitale Stadtrallyes kreativer Fachschaftsräte, interaktive Tools zur Unterstützung im Distanzstudium oder die Offenheit für alternative Prüfungsformate im Onlinemodus “nur” Good-Practice-Beispiele bleiben.

Es sind die Eindrücke während meiner Arbeit im Kommunikationsteam des HFD auf der einen Seite, die mir zeigen, was möglich ist, wenn wir uns trauen, auszuprobieren und voneinander zu lernen. Auf der anderen Seite sind es immer wieder frustrierte Diskussionen mit anderen Studierenden darüber, warum Reisen nach Mallorca und Friseurbesuche möglich sind, während Klausuren nicht oder nur unter extrem verschärften Auflagen mit maximal 20 Studierenden in einem riesigen Hörsaal, Maske, quasi Toilettenverbot und einwöchiger Quarantäne der Klausurblätter (?!) möglich sind. Die Liste ist lang und die Probleme sind mindestens ebenso vielfältig, wie die Studienordnungen Deutscher Universitäten.

Solange die Anliegen der Studierenden perspektivlos auf das krisenpolitische Abstellgleis geschoben werden, wird die Motivation sich zu engagieren, wie wir sie im HFD täglich sehen, von dieser angestauten Frustration bedroht. 

Morgen fahre ich das erste Mal auf meinen Campus, vielleicht hilft ja das To-Go-Angebot der Mensa, um neue Energie zu tanken.

 

Fazit

Mitten in der dritten Welle bleibt die Unsicherheit für Studierende noch eine Weile bestehen und das betrifft auch uns im Arbeits- und Studienalltag. Lösungen für Studierende in Not müssen her und es bleibt spannend abzuwarten, wie die Realität an den Hochschulen im dritten digitalen Semester aussehen wird. Wir bleiben am Ball und sorgen im HFD, gemeinsam mit den Digital Changemakern und unserer Community dafür, dass Studierendenstimmen im HFD und darüber hinaus gehört werden – schließlich geht es hier um unsere Zukunft.

Meme Abbildung vom Suezkanal. Riesiges Schiff: Job, Prüfungen. Kleiner Bagger: Du.

 

 

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