Wahlprogramme im Check: Teil IV Meinung – Der Stellenwert der Hochschulen

Wahlprogramme im Check: Teil IV Meinung – Der Stellenwert der Hochschulen

17.09.21

Die Bundestagswahl 2021 steht kurz bevor. Um einen Überblick zu bieten, haben wir die Wahlprogramme zu den Themen Bildungs- und Hochschulpolitik sowie zur Digitalisierung gecheckt. Wie soll das Bildungssystem der Zukunft aussehen? Wie möchten die Parteien die Hochschulen finanziell ausstatten? Was können Studierende hinsichtlich des BAföG in den kommenden Jahren erwarten? Und welche Vorschläge bringen die Parteien für den Netzausbau mit, damit alle an digital gestützter Lehre teilnehmen können?

In unserer Analyse haben wir die sechs Parteien einbezogen, die derzeit im Bundestag vertreten sind. Zur thematische Einordnung der Inhalte folgen auf die Analyse zwei Meinungsbeiträge. In diesem Beitrag beschäftigt sich Julius-David Friedrich, Projektleiter Hochschulforum Digitalisierung beim CHE, mit dem Stellenwert der digitalen Hochschulbildung.

Dieser Meinungsbeitrag von Julius-David Friedrich erschien zuerst auf den Seiten des CHE Centrums für Hochschulentwicklung.

Wahlzettel

Die Herausforderungen

Von der Corona-Pandemie wurde an deutschen Hochschulen im Regelfall unter digitaler Hochschulbildung die Anreicherung der klassischen Präsenzlehre verstanden. Hierfür war eine technische Ausstattung an Hochschulen grundlegend vorhanden, aber es gab personelle Engpässe in Supportstrukturen wie z.B. Medienzentren. Im März 2020 haben alle deutschen Hochschulen flächendeckend auf Onlinelehre umgestellt. Doch dieser Kraftakt hat deutlich gemacht, wie hoch der Unterstützungs- und Qualifizierungsbedarf von Lehrenden und weiteren Hochschulmitarbeitenden für digitale Lehre ist. Schließlich sammelte rund die Hälfte der Lehrenden im vergangenen Jahr erstmalig digitale Lehrerfahrungen. Trotz guten Krisenmanagements der Hochschulen fehlt eine nachhaltige digitale Strategie auf Basis der Erfahrungen der vergangenen Monate. Offen ist auch die Frage, wie die Zukunft der Lehre vor einer durch Digitalisierung geprägten Welt an Hochschulen aussehen soll.  

Die Lösungsansätze in den Wahlprogrammen

Der Fokus bei Digitalisierung und Bildung in den Wahlprogrammen liegt schwerpunktmäßig im Schulbereich. CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke wollen, dass digitale– bzw. Medien-Kompetenzen bei Schüler*innen gefördert werden. Dies soll u.a. durch eine bessere Lehrer Aus- und Fortbildung erreicht werden. Zur Digitalisierung an Hochschulen finden sich nur wenige Aussagen in den Wahlprogrammen. Die CDU setzt vor allem auf eine Plattform, die bestehende und neue digitale Bildungsangebote bündeln und für alle Menschen verfügbar machen soll. Die SPD bleibt vage, was beim Thema Digitalisierung und Hochschule passieren soll. Sie betont: „Universitäten und Fachhochschulen sollen bei der Digitalisierung unterstützt werden, Innovationen in der Lehre soll gefördert und ihre forschungspolitische Relevanz gestärkt werden“. Die FDP möchte eine European Digital University (EDU) gründen. Die EDU soll „die digitalen E-Learning-Angebote der beteiligten staatlichen und privaten Hochschulen aller EU-Mitgliedstaaten zusammenfassen“. Die Linke fordert für den Ausbau der digitalen Infrastruktur an Hochschulen neben einem Hochschuldigitalpakt, eine Digitalisierungsoffensive für alle Hochschulen sowie die Erleichterung des Zugangs zu Fort- und Weiterbildung für digitale Lehr- und Lernangebote. Die Grünen wollen „über eine Digitalisierungspauschale die IT-Infrastruktur an Hochschulen stärken und die IT-Barrierefreiheit einfordern, Aus- und Weiterbildung der Lehrenden ausbauen und digitale Beratungs- und Betreuungsangebote für Studierende ausweiten“. Die AfD äußert sich gar nicht zur Digitalisierung an Hochschulen. 

Position des CHE

Es ist richtig, Lehrerbildung als Hebel zu begreifen, um digitale Kompetenzen frühzeitig bereits bei Schüler*innen zu vermitteln. Digitale Kompetenzen müssen dafür verpflichtend in den Curricula der Lehramtsstudiengänge verankert werden. Es ist positiv, dass nahezu alle Parteien diesen Aspekt in ihren Wahlprogrammen aufgreifen. Daneben ist die Förderung bzw. der Ausbau von IT-Ausstattung und technischer Basisinfrastruktur an Hochschulen die Grundvoraussetzung für digitale Bildung. Im Vergleich zu Schulen war an Hochschulen bereits vor der Corona-Pandemie die technische Ausstattung vorhanden. Doch Digitalisierung ist mehr als Technik und das Bereitstellen von Plattformen. Es geht bei digitaler Bildung vor allem auch um Methoden (Lernformate) und Inhalte (digitale Kompetenzen und Curricula fürs digitale Zeitalter). Hierfür müssen sowohl Studierende wie auch Lehrende Kompetenzen aufbauen. Hierzu finden sich bis auf wenige Ausnahmen wenig konkreten Ansätze in den Wahlprogrammen. Last but not least: Digitalisierung ist kein Sparmodell. Nachhaltige und gute digitale Lehre ist eine Daueraufgabe. Die Weiterentwicklung der Lehre und gleichzeitiges Sparen schließen sich aus. Entsprechend müssen Strukturen (z.B. Medienzentren) und Personal verstetigt und nachhaltig finanziert sein.  Die SPD, wie auch die Linken und die Grünen, fordern grundsätzlich mehr entfristete Stellen an Hochschulen, es bleibt aber offen, ob hiermit z.B. auch zusätzliches Personal in Supportstrukturen gemeint ist.

Fazit

Die ausschließliche Online-Lehre während der Corona-Pandemie war ein Notbetrieb und kann keine Dauerlösung sein. Die Lehre der Zukunft basiert im Regelfall auf „blended Ansätzen“ – also analogen und digitalen Lerninhalten. In Zukunft gilt es, das Lernen in den Mittelpunkt zu stellen und an einer guten „Blended University“ zu arbeiten. Hierfür sind politische Weichenstellungen und Gestaltungswille gefordert. Positiv ist, dass das Thema digitale Bildung in allen Programmen angekommen ist, aber vor allem mit dem Fokus Schule. Zum Thema Hochschule und digitale Bildung finden sich nur wenig Aussagen in den Wahlprogrammen und die konkrete Ausgestaltung bleibt weitestgehend offen. Für eine nachhaltige Verankerung von digitaler Bildung in der Breite der Hochschulen braucht es aber ein klares Bekenntnis der Politik. Hier wäre es wünschenswert, dass dieser Themenbereich in der kommenden Legislaturperiode stärker in den Mittelpunkt rückt. Bildungspolitik ist natürlich im Kern Länderpolitik und hier müssen entsprechende Rahmenbedingungen insbesondere auf dieser Ebene geschaffen werden. Digitalisierung hört jedoch nicht an der Landesgrenze auf und auch der Bund sollte durch eine koordinierende, vernetzende und fördernde Rolle dem Thema weitere Rückendeckung geben.

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