10 Dinge, die ich beim University:Future Festival gelernt habe

10 Dinge, die ich beim University:Future Festival gelernt habe

25.11.20

Ein Teil des Festival-Teams auf der "Main Stage"

Dies ist ein Blogpost darüber, wie das University:Future Festival 2020 gelaufen ist. Und vielleicht ist es auch ein kleiner Guide, wie man große Events digital durchführen kann. Ich war der Leiter des University:Future Festivals 2020, das vom 6.-8. Oktober 2020 stattfand. Und ich habe dabei vieles gelernt. Wer sich übers Festival informieren möchte, kann dies auf der Veranstaltungswebsite tun. Im Programm finden sich alle aufgezeichneten Videos.

ACHTUNG: Am 07.12. führen wir den Online-Austausch „Große Events digital erfolgreich umsetzen“ durch – jetzt anmelden!

Im September 2018 leitete ich zum zweiten Mal die Themenwoche “Shaping the Digital Turn” des Hochschulforums Digitalisierung (kurz: HFD). Acht Tage, 12 Veranstaltungen, knapp 1.000 Besucher*innen: Einerseits ein großer Erfolg, denn wir erreichten viele Menschen und arbeiteten mit großartigen Partnern wie dem DAAD, Wikimedia oder dem VDI. Andererseits: aus Sicht der Teilnehmenden waren es vor allem Einzelveranstaltungen. Nur für uns im HFD-Team waren sie Teil eines größeren Ganzen. 

Nach der Themenwoche setzten wir uns zusammen und entschieden: Wir wollen das Format neu denken. Wir brauchen ein Event, in dem sich alle Stakeholder-Gruppen des Hochschulforums wiederfinden. Eine Veranstaltung, die Kreativität zulässt, im besten Fall neu hervorbringt und Menschen inspiriert. Eine Art “re:publica” für die Hochschullehre im digitalen Zeitalter. Zielmarke: 1.000 bis 1.500 Menschen. Das Konzept für das University:Future Festival entstand. Wir gewannen die Unterstützung des BMBF. Wir erdachten Konzepte und Zeitpläne, wir bereiteten Calls vor und sprachen mit potentiellen Partnern. Wir überlegten uns Szenarien für künstlerische Interventionen. Und: wir mieteten die Kulturbrauerei in Berlin fürs Festival im Herbst 2020. 

Dann kam Corona. Uns war früh klar, dass ein physisches Großevent im Jahr 2020 undurchführbar wäre. Und wir mussten wieder neu denken. Was blieb: Das Datum und der Titel sowie das Ziel, alle am Thema Interessierten zusammen zu bringen. Alles andere wurde obsolet. Denn strukturell muss ein digitales Event am digitalen Format ausgerichtet sein. Und inhaltlich konnte es keine andere Entscheidung geben als einen klaren Fokus auf Hochschulen in der Covid-19-Krise. Wir setzten uns also erneut zusammen und überlegten, wie wir das Festival strukturieren. Das Ergebnis: Das virtuelle University:Future Festival, das wir im Oktober erlebt haben. Untertitel: “Learning, Systems and the New Normal”. Kernziel des Festivals war es, alle relevanten Akteure zusammenzubringen und damit den Ort zu schaffen, um über die Corona-Krise und ihre Auswirkungen zu diskutieren.

Für mich persönlich war das Festival der Kulminationspunkt eines zweijährigen Prozesses. Ich habe dabei viel gelernt. Viel Persönliches natürlich. Aber auch eine Reihe an Dingen, die – so glaube ich – für die Arbeit anderer relevant sind. Ich weiß jetzt mehr über die Logik digitaler Veranstaltungen. Ich habe einiges darüber erfahren, was schief laufen kann – und wie man es verhindert. Und ich habe einige Ideen, was wir beim nächsten Mal besser machen könnten. Das alles möchte ich gerne teilen. Vielleicht können Sie an einigen Stellen davon in Ihrer Arbeit profitieren – mich würde es freuen.

Learning 1: Digitale Events sind anders. Und haben andere Vorteile.

Ein digitales Event funktioniert anders als ein analoges. Online sind die Aufmerksamkeitsspannen oftmals kürzer; eine 90-minütige Podiumsdiskussion übersteigt die Konzentrationsfähigkeit vieler. Zudem wird ein kurzes Eintauchen ins Event für einige wenige Sessions möglich – während bei einem physischen Event die meisten Leute für ganze Tage anreisen, kann man digital auch kurz mal vorbeischauen.

Direkt zu Beginn des Shutdowns wurden viele Events in Zoom-Räumen durchgeführt. Für kleinere Veranstaltungen kann dies sehr gut funktionieren. Wir haben uns allerdings früh für eine integrierte Lösung entschieden. So konnten Teilnehmende sich wie auf einem digitalen Event fühlen und fanden sich schnell zurecht. Konkret ist es LetsGetDigital geworden, eine niederländische Veranstaltungsplattform. Besonders die Möglichkeiten zur Interaktion sowie das sehr aufgeräumte Design überzeugte uns. Im Bild: Die Startseite unseres digitalen Events.

Die Startseite der Eventplattform vom University:Future Festival

Wir haben natürlich eine Eventevaluation durchgeführt. Dort haben wir die Teilnehmenden gefragt, wie sie das digitale University:Future Festival im Vergleich zu einem vergleichbaren Vor-Ort-Event empfunden haben. Einige Ergebnisse:

  • Vergleich klassisches Event versus University:Future FestivalEs gab klar weniger Interaktionen mit anderen Teilnehmenden. 
  • Dennoch herrschte das Gefühl vor, dass man sich selbst einbringen kann – tendenziell sogar besser als analog. 
  • Die Übersichtlichkeit war beim digitalen Event deutlich besser als vor Ort. 
  • Die Teilnehmenden fühlten sich in ihrer Mehrheit genauso als Teil einer Community wie beim Vor-Ort-Event – das hat uns positiv überrascht.

Bedauerlich aus unserer Sicht ist einzig die deutlich geringer ausgefallenen Interaktionen zwischen den Teilnehmenden – hatten wir doch von Anfang an beim University:Future Festival einen Schwerpunkt unserer Arbeit auf die Schaffung von Interaktionsmöglichkeiten gelegt. Unter anderem bot LetsGetDigital als einzige Plattform eine Art “Chat-Roulette”-Funktion, in der man zufällig in kurzen Videochats mit anderen Teilnehmenden verbunden wurde. Doch trotz dieser Möglichkeiten: das Inspirieren von Interaktionen ist offenbar eine besondere Herausforderung bei digitalen Events. 

Learning für digitale Events

Ein digitales Event ist anders. Sie haben andere Vor- und Nachteile. Aufmerksamkeit funktioniert anders. Die geringere verbrachte Zeit sehe ich als Vorteil; durch die digitale Form konnten Menschen am Festival teilnehmen, die normalerweise gar nicht dabei gewesen wären. Das bedeutet aber auch: Dinge müssen immer wieder neu erklärt und eingeführt werden, da sich die Zusammensetzung des Publikums beständig ändert. 

Raum für Verbesserung sehe ich vor allem bei den Interaktionen. Beim nächsten Mal würden wir als Team noch stärker den Austausch zwischen den Teilnehmenden fördern.

Learning 2: Digital ist günstiger – aber genauso aufwändig

Das University:Future Festival hat einen Bruchteil dessen gekostet, was wir erwartet hatten – wenn man nur die Sachkosten betrachtet. Konkret hat das digitale Festival bei den Sachkosten nur etwa 40 Prozent dessen gekostet, was wir für das physische Event ausgegeben hätten. Alleine die ursprüngliche Locationmiete hat die jetzt realisierten Gesamtkosten weit überstiegen. Ein volles Catering hatten wir nur für Speaker*innen und besonders wichtige Gäste geplant, doch auch das hätte uns sehr viel Geld gekostet. Beide Punkte fielen weitgehend weg. Es kamen zwar erhebliche Kosten für die Eventplattform hinzu, diese waren aber klein im Vergleich zu den eingesparten Posten.

Anders sah es beim Personal aus. Was wir hier an Aufgaben für Logistik, Messebau und Vor-Ort-Koordination einsparten, wurde vollständig wettgemacht von der Arbeit, die die Pflege der digitalen Plattform gemacht hat. Sparen konnten wir einzig die Gelder für die Menschen, die wir für die Festivaltage für Sicherheit, Einlass, Catering und andere Servicefunktionen angestellt hätten. 

Learning für digitale Events

Digital ist deutlich günstiger – zumindest bei den Sachkosten. Beim Personal sollte man dagegen bei Digitalevents keinesfalls sparen: Digital ist etwa genauso viel Arbeit wie analog. Das bedeutet auch, dass ein hybrides Event – also eines, das digital dieselben Erfahrungen und Interaktionen bieten möchte wie analog – den Gesamtaufwand deutlich in die Höhe treiben würde.

Learning 3: Kein Zurück zum “alten Normal”

Wir sind das Hochschulforum Digitalisierung. Natürlich haben wir seit unserer ersten Großveranstaltung 2015, der Themenwoche “The Digital Turn”, alle größeren Events im Netz live gestreamt. Das war schön und gut; ein Gefühl des wirklichen “Dabeiseins” konnte sich so allerdings nicht einstellen.

Wie soll ein mögliches University:Future Festival 2021 gestaltet sein?Dass das University:Future Festival rein online stattfinden musste, war natürlich der Pandemie geschuldet. Wir haben die Teilnehmenden nach dem U:FF gefragt, wie ein mögliches Festival 2021 gestaltet sein sollte – und zwar explizit unter der Prämisse, dass Covid-19 bis dahin kein Thema mehr ist. Die Antwort: Nur 10 Prozent wollen zum “alten Normal” zurück. Immerhin fast 40 Prozent wünschen sich wie jetzt ein rein digitales Event. Und die große Mehrheit mit 47,7 Prozent wünscht sich ein hybrides Event.

Learning für digitale Events

Ein Zurück zum alten Modus der Veranstaltungsplanung kann es fürs Hochschulforum nicht geben. In Zukunft muss die Prämisse lauten: Digital first! Die Möglichkeiten zur Teilhabe und zur Interaktion müssen online dieselben sein wie offline. Wir können niemanden mehr deshalb “ausschließen”, weil eine physische Anreise nicht möglich ist.

Learning 4 – Gender und digitale Events

Geschlechterverteilung der Websitenutzer*innen des HochschulforumsWir wissen, dass die Community des Hochschulforums Digitalisierung eher weiblich ist. Exakte Zahlen gibt es natürlich nicht. Aber unsere Website-Daten bieten eine Annäherung an diese Frage. Über die Jahre 2019 und 2020 (vorher liegen keine Daten vor) hatte wir laut Google Analytics 53,7 Prozent weibliche und 46,3 Prozent männliche User (“divers” existiert hier leider nicht als Kategorie).

Auf den meisten Veranstaltungen hatten wir in der Vergangenheit mehr Männer als Frauen auf der Bühne. Auf dem Festival war es anders: Am Conference:Day dominierten Speakerinnen klar, am Workshops:Day war es exakt ausgeglichen. Eine interessante Beobachtung am Rande: bei einer binären Geschlechterbetrachtung wären wohl alle sich als “divers” definierenden Sprecher*innen in die “Weiblich-Kategorie” gerutscht. Für den BarCamp:Day liegen leider keine Zahlen vor, da viele Einreichungen spontan waren. Gefühlt waren es aber etwas mehr Männer als Frauen, die BarCamp-Sessions gepitcht haben. Hier zeigte sich zum Teil eine allzu bekannte Logik: Mitunter waren es divers besetzte Teams, bei denen der Mann dann aber den Pitch machte.

Diese insgesamt sehr erfreuliche und für das HFD repräsentative Geschlechterverteilung ist organisch entstanden: Wir haben nur wenige Top-Speaker*innen selbst angesprochen; die überwiegende Zahl der Programmpunkte basierte auf Einreichungen im Rahmen unseres Calls.

Geschlechterverteilung beim University:Future FesivalUnd wie sieht es bei den Teilnehmenden aus? Hier überwiegen Frauen eindeutig. Schon in der Vergangenheit hatten wir auf unseren Veranstaltungen fast immer mehr Anmeldungen von Frauen als von Männern. So waren bei der Themenwoche 2018 53,4  Prozent Frauen und 45,2  Prozent Männer registriert. Beim University:Future Festival waren es nun unglaubliche 58,3  Prozent Frauen und 36,4 Prozent Männer (knapp 5  Prozent haben keine Angabe gemacht). Das digitale Format hat also in besonderem Maße Frauen angezogen. 

Eine Vermutung: Frauen leisten im Schnitt deutlich mehr Care-Arbeit als Männer, kümmern sich also beispielsweise stärker um Kinder und Pflegebedürftige – und sind damit weniger flexibel, zu Veranstaltungen eigens anzureisen. Bei einer digitalen Veranstaltung entfällt dieses Problem.

Learning für digitale Events

Implizite wie explizite Genderbarrieren können digital gut abgebaut werden. Durch die digitale Form konnten wir viele Menschen erreichen, die an einem physischen Event wahrscheinlich nicht hätten teilnehmen können.

Learning 5: It’s the Learning, stupid!

Häufigkeit von "Tags" im Programm des FestivalsUm im Programm eine Einordnung der Angebote zu ermöglichen, konnten Einreichende zwischen einem und drei “Tags” für ihre Beiträge vergeben – zum Beispiel “Future:Learn” für Lernbezogene Dinge oder “Future:Gov” für politische Fragestellungen.

Es zeigte sich: Besonders groß war das Bedürfnis, sich über konkrete Fragen von Lehre und Lernen (Future:Learn) sowie Kompetenzen (Future:Skills) auszutauschen. Ähnlich zentral: Zukunftsfragen (Future:Vision) sowie Organisationsentwicklung (Future:Lead). 

Zwei Dinge haben mich überrascht:

Erstens: Es gab ganze 19 Programmpunkte zum Thema Lernarchitekturen. Das ist sehr viel: Das Thema ist deutlich klarer eingegrenzt als die vorher genannten. Die hohe Anzahl an Angeboten auf dem Festival zeigt die Breite, mit der es diskutiert wird. Übrigens: Zwischenzeitlich hatten wir im Team sogar darüber diskutiert, ob das Thema Future:Space im Pandemiejahr überhaupt sinnvoll wäre. Gut, dass wir es beibehalten haben!

Zweitens: Es gab nur 12 Programmpunkte im Bereich “Future:Gov”, in dem es um politische und rechtliche Rahmenbedingungen ging. Das ist wenig. Gerade in diesen Zeiten hätte ich persönlich mehr politische Fragen erwartet.

Learning

Lehre und Lernen im weitesten Sinne sind Kernthemen und Kernkompetenz des Hochschulforums. Das sind die Dinge, die unsere Community vor allem interessiert.

Learning 6: Wen wir erreichten. Und wen wir nicht erreichten.

Das University:Future Festival hat viele Ziele verfolgt. Mit Blick auf die Teilnehmenden hatten wir uns einige Dinge vorgenommen:

  • Über 1.500 Anmeldungen
  • Alle Statusgruppen des Hochschulforums erreichen
  • Internationalisierung: Mindestens 10 Prozent Anmeldungen aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland
  • Menschen erreichen, die bisher nichts mit dem HFD zu tun hatten

Die meisten Ziele haben wir erreicht; ich will aber gerne im Detail darauf eingehen.

Wir hatten 2.866 Anmeldungen, von denen 1.772 Personen auch tatsächlich dabei waren. Das klingt nach einer hohen No-Show-Rate – ist es aber nicht: Uns war klar, dass für viele potentielle Teilnehmende eine Anmeldung eher eine Absichtserklärung war. Das University:Future Festival war gratis; die Anmeldung kostete nur wenige Klicks. Bei physischen Events ist es in Berlin realistisch mit etwa 33 Prozent No-Show-Rate zu rechnen. Intern hatten wir daher beim digitalen Festival mit bis zu 50 Prozent No-Show-Rate gerechnet. Mit etwa 38 Prozent war sie beim digitalen Event dagegen nur knapp über dem Niveau von Präsenzveranstaltungen.

Tätigkeitsbereiche der Festivalbesucher*innenWir wollten eine Veranstaltung durchführen, die für alle unsere Communities spannend ist. Wer ist das? Unsere wichtigsten Statusgruppen sind Lehrende, Mitarbeiter*innen von Supporteinrichtungen sowie Hochschulleitungen. Hinzu kommen Studierende, Politik und Ministerien sowie Zivilgesellschaft. Wir haben dazu Zahlen erhoben, die allerdings mit einer “Prise Salz” zu lesen sind: Leider haben wir in der Anmeldemaske die Frage nach dem Tätigkeitsbereich zu spät hinzugefügt. Das bedeutet: die Zahlen sind verzerrt. Beispielsweise liegt die Annahme liegt nahe, dass Studierende sich eher spät angemeldet haben und damit in der Zählung überrepräsentiert sind. Wer dagegen in Parlamenten oder Ministerien arbeitet, plant vermutlich länger im Voraus, weshalb diese Gruppe in der Zählung wohl unterrepräsentiert ist. Zudem hatten wir wohl weitaus mehr als ein Viertel Lehrende auf dem Festival – das wissen wir aus unserer Evaluation. Auch hier scheint man sich im Schnitt früher angemeldet zu haben.

Trotz der eingeschränkten Aussagekraft: Wir haben eine diverse Community erreicht. Übrigens auch international: Während die Mehrheit (86 Prozent) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kam, hatten wir immerhin über 12 Prozent Teilnehmende außerhalb deutschsprachiger Länder.

Wurde schon vorher eine HFD-Veranstaltung besucht?Wir konnten daneben neue Personenkreise aktivieren: Die Mehrheit der Teilnehmenden am Festival hatten vorher noch nie an einer Veranstaltung des Hochschulforums teilgenommen.

Wir haben allerdings auch analysiert, wie Menschen vom University:Future Festival erfahren haben. Es zeigt sich, dass die große Mehrheit über HFD-Kanäle sowie die unserer engsten Partner zum Festival gefunden haben. Von uns geschaltete Anzeigen waren dagegen wenig erfolgreich. 

Das bedeutet zweierlei: Einerseits hat das Hochschulforum sich mit seinen vielen Partnerorganisationen ein Netzwerk aufgebaut, das es schafft, fast 3.000 Menschen für ein Festival zu mobilisieren. Das ist großartig. Andererseits haben wir wohl in erster Linie Menschen erreicht, die bereits das HFD zumindest indirekt bereits kannten und nicht komplett neue Zielgruppen erschlossen.

Learning für digitale Events

Mobilisierung funktioniert über Vertrauen und Bekanntheit. Wir haben vor allem durch uns und unsere engen Partnerorganisationen mobilisieren können. Hier liegt unsere Stärke. Dass wir außerhalb dieses Kreises weniger stark Teilnehmende anwerben konnten, ist auch eine Chance: Denn hier liegt möglicherweise ein großes Potential für zukünftige noch größere University:Future Festivals.

Learning 7: Fokus auf Support

Die Horrorvorstellung für alle, die digitale Veranstaltungen durchführen: Die Technik funktioniert nicht. Während man bei einer klassischen Veranstaltung Technikprobleme immer irgendwie umschiffen kann, bleibt im schlimmsten Fall beim Digitalevent der Bildschirm schwarz.

Nun hatte die von uns gewählte Plattform LetsGetDigital bei allen großartigen Features eine Reihe von Schwächen: Sie funktionierte nur im Chrome-Browser ohne Probleme. Und die Plattform war zum Zeitpunkt des University:Future Festivals gerade einmal ein halbes Jahr am Markt und hatte mit einigen Bugs zu kämpfen. Von anderen Veranstaltern hatten wir zudem erfahren, dass bei deren Events mit LetsGetDigital etwa 20 Prozent der Teilnehmenden es gar nicht auf die Plattform selbst geschafft hatten; aufgrund technischer Fehler waren sie im Anmeldeprozess stecken geblieben. Entsprechend groß waren unsere Bauchschmerzen. Der Vorteil: Wir waren gewarnt und konnten uns vorbereiten.

Wir haben Wochen vor dem Event entsprechend eine umfassende Supportstrategie eingeführt. Vereinfacht gesagt bestand sie aus folgenden Dingen:

  • Wir schulten Mitarbeiter*innen außerhalb des Event-Teams im Umgang mit der Plattform. Diese Kolleg*innen übernahmen dann die Moderation in allen Veranstaltungsräumen. So konnten alle Speaker*innen in allen Räumen von eine*r Moderator*in aus dem Hochschulforum begrüßt werden. Die meisten Probleme konnten die Moderator*innen direkt lösen.
  • Wir führten einen E-Mail-Helpdesk ein, so dass uns auch Leute kontaktieren konnten, wenn sie nicht auf die Plattform kamen. Dieser Helpdesk war stets mit drei Leuten besetzt, so dass wir fast alle Anfragen innerhalb von unter einer Minute beantworten konnten.
  • Wir führten einen Rückkanal fürs gesamte Hochschulforum-Team ein, um Fragen schnell und unbürokratisch beantworten zu können.
  • Wir beobachteten die Chatkanäle sowie Twitter intensiv, um auch hier schnell auf mögliche Probleme reagieren zu können.

Aufgrund dieser Strategie konnten wir die allermeisten Probleme früh erkennen und entschärfen. Wir hatten zudem das Glück, dass sich die Plattform gut entwickelt und es zu weniger technischen Problemen kam als antizipiert. Diese umfangreiche Supportstruktur aufzubauen, war allerdings ein Kraftakt. Wir haben dabei sehr von der Motivation und Hilfsbereitschaft im gesamten Kollegium innerhalb des Hochschulforums Digitalisierung profitiert.

Learning für digitale Events

Bei einem Digitalevent ist ein guter Support unerlässlich. Der Arbeitsumfang für Support ist im Digitalen um Potenzen höher als bei einem klassischen Event. Will man ein digitales Event erfolgreich umsetzen, braucht es vor allem an den Veranstaltungstagen gut geschultes und motiviertes Personal. Es ist gut, dass wir dies früh erkannt und entsprechend eingeplant haben.

Learning 8: Den Wald vor lauter Bäumen (nicht) sehen

Auf dem Screenshot sehen Sie die “Lobby” des University:Future Festivals. Dies ist der Ausgangspunkt aller Aktivitäten der Teilnehmenden. Der Lobby-Screen ist das, was Teilnehmende beim Festival am häufigsten zu Gesicht bekamen. Beim Blick auf die Evaluation sowie auf die Nutzungsanalyse der Plattform stellten wir allerdings überrascht fest: Nur eine Minderheit hat jemals auf “Showcase” (unserem Marktplatz) oder den “Creative:Space” geklickt. In unserer Befragung nach der Veranstaltung gab nur ca. ein Drittel an, diese Angebote genutzt zu haben. Auch Rückmeldungen unserer Partner spiegeln dies wider: Die Booths im Showcase waren tendenziell leider spärlich besucht.

Screenshot von der Eventplattform - "Showcase" und "Creative:Space" wurden überraschend wenig geklickt.Aufgrund der prominent platzierten Buttons ist dieses Nutzerverhalten zunächst überraschend. Es lag auch nicht daran, dass wir zu wenig auf die Angebote hingewiesen hätten. Moderation und Team haben sie immer wieder erwähnt. Es wäre aber wohlfeil, sich darauf zurückzuziehen, dass die Angebote ja gut sichtbar waren. Für mich spielen drei Erklärungen eine Rolle:

  1. Die Benennung. Während die Buttons “Programme” und “Speaker” völlig unzweideutig sind, sind die Begriffe “Showcase” und “Creative:Space” nicht selbsterklärend. Und viele Leute ignorieren Buttons, die sich nicht von selbst erklären.
  2. Das dichte Programm. Wir hatten am Conference:Day immer nur 20 Minuten zwischen den 60-minütigen Sessionblocks gelassen. Und diese 20 Minuten waren stets mit einem attraktiven Pausenprogramm gefüllt. Es gab wenig Anlass, einfach mal “frei herumzuklicken”.
  3. Das generelle Interesse: Leute sind zum University:Future Festival gekommen, um sich über das neue Normal in der Hochschullehre auszutauschen und zu informieren. Digitale Standbesuche und kreative Interventionen zählten für die Mehrheit nicht zu den Interessenschwerpunkten.

Learning für digitale Events

Nur weil eine Sache einem selbst als offensichtlich erscheint, muss es das nicht für Veranstaltungsbesucher*innen sein. Will man, dass Angebote genutzt werden, müssen die Barrieren so niedrig wie möglich sein. Bei einem digitalen Event viel mehr als beim physischen – denn ein Button lässt sich viel leichter ignorieren als ein physischer Stand. Zudem würde ich die Pausenzeiten etwas verlängern, um Teilnehmende stärker zum “explorieren” anzuregen.

Learning 9: Man kann fast alle glücklich machen, niemals alle

“Es geht auch virtuell, sogar sehr gut, wenn man sich die Mühe macht. Die kommenden Konferenzen werden es schwer haben, das, was hier das HFD auf die Beine gestellt hat, zu toppen.” 

– Dr. Maren Lübcke, HIS-HE

„Ich habe viele Offline-Tagungen besucht, auf denen ich sehr glücklich war, aber die bei Weitem nicht an das heranreichten, was ihr mit dem University:Future Festival gemacht habt. In meinen Augen habt ihr das Fenster in eine große, neue Zukunft ganz weit aufgestoßen!“ 

– Dr. Veit Larmann, Bundeswehr-Universität Hamburg

Zufriedenheit mit dem FestivalDas University:Future Festival 2020 wurde von den Teilnehmenden positiv bewertet; das zeigen auch die beiden Zitate. Ganze 93,2 Prozent sagten uns, dass sie wieder am Festival teilnehmen würden. Und auch die Gesamtzufriedenheit war gut.

Besonders gelobt wurden dabei unter anderem Stimmung, Programm, Support, Kommunikation und Moderation der Veranstaltung. Das freut uns sehr. Wichtiger als das Lob ist aber die Kritik, denn aus ihr kann man lernen und Dinge verbessern. Ein genauerer Blick auf die Kommentare zeigt: Die meisten mit dem University:Future Festival Unzufriedenen hatten Technikprobleme. Das ist in jedem Einzelfall natürlich ärgerlich; es ist aber bei einem digitalen Event schwer zu umgehen. Und auch ein Blick auf die Kritikpunkte zeigt, dass etwa die Hälfte mit Limitierungen der Plattform zu tun hatte. Hier eine Zusammenstellung der mehrfach genannten Kritikpunkte, geclustert nach Lösbarkeit.

Für uns nicht ohne weiteres lösbar, da durch Plattform vorgegeben:

  • Übersichtliche Darstellung des Programms
  • Filtern nach Zielgruppen
  • Mobile Teilnahme (per App oder Smartphone)

Für uns mit Einschränkungen lösbar:

  • Mehr Aufmerksamkeit für Showcase (siehe Learning 8)
  • Schlechte Bedienung der Plattform durch die Speaker*innen – hier hatten wir im Vorhinein viele Angebote gemacht, die aber von einer Minderheit der Speaker*innen nicht angenommen wurde. Es ergibt sich die Frage, ob man noch deutlicher hätte briefen müssen.

Für uns beim nächsten Mal lösbar:

  • (Mehr) Zeit zum Netzwerken
  • Pausen
  • Weniger Überschneidungen und Doppelungen im Programm
  • Zeit für Diskussionen

Learning für digitale Events

Mit der Entscheidung für eine Plattform entscheidet man sich immer auch für bestimmte, individuelle Einschränkungen. Und bei aller Vorbereitung kann man menschliche Fehler nie ganz verhindern. Entsprechend wird es leider immer Leute geben, die aus guten Gründen unzufrieden sind.

Mit einem ist allerdings immer zu rechnen: Dass Speaker*innen unvorbereitet sind. Eine Minderheit von ihnen ist trotz aller Briefings und Optionen zum vorherigen Ausprobieren der Plattform wenig vorbereitet und mit geringem zeitlichen Vorlauf aufgetaucht. Die Konsequenz: Schlechter Sound, Fehlbedienungen, Missverständnisse. Das ist für alle Beteiligten misslich. Meine Konsequenz für digitale Events: Wenn es organisatorisch machbar ist, sollten alle Speaker*innen zu einem Techniktest “gezwungen” werden.

Was wir beim nächsten Mal aber unbedingt besser machen müssen: Freiräume einbauen. Längere Pausen für Networking und Diskussionen sind wichtig.

Learning 10: Das University:Future Festival war als Ort des Austauschs wichtig. Und wird in Zukunft noch wichtiger.

Das University:Future Festival war das richtige Event zum richtigen Zeitpunkt: Es brauchte den einen Ort, an dem (fast) alle Menschen zusammenkommen, die sich mit der Zukunft von Hochschulbildung befassen. Und es brauchte vor allem einen Ort, um über die Erkenntnisse aus einem halben Jahr “Corona-Campus” an den Hochschulen zu sprechen. Und dieser Auseinandersetzungsprozess endet nicht jetzt – er beginnt erst. In einem Jahr wird Corona hoffentlich nicht mehr das alles bestimmende Thema sein. Die Dinge, die durch die Krise angestoßen wurden, werden aber Bestand haben und weiterentwickelt werden. 

Ich bin überzeugt: Durch das Corona-Jahr 2020 und die in diesem Zusammenhang vielfältigen neu entwickelten Lösungen kommen wir in einer anderen Phase der Arbeit an unserem Thema. 

Mein Learning

Den Ort, den wir mit dem University:Future Festival geschaffen haben – es brauchte ihn im Oktober 2020. Aber damit endet es nicht. Wir erleben momentan einen Veränderungs- und Innovationsprozess an Hochschulen, der eine ganz neue Qualität hat. Und dieser Prozess braucht Begleitung. Es braucht Orte des Austauschs. Für mich ist das University:Future Festival dieser Ort. Meine Überzeugung: So richtig und wichtig das Festival dieses Jahr war, es wird in Zukunft noch wichtiger werden. Wir stellen jetzt und in den nächsten Jahren zentrale Weichen. Das University:Future Festival ist der Ort, an dem wir über diese Weichenstellungen diskutieren können. 

Gehen wir es an!

Ein Teil des Festival-Teams auf der Main Stage

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