Ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht

Ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht

10.05.17

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Schon lange wird es gefordert, nun soll es kommen: Ein Wissenschaftsurheberrecht, das unter anderem Probleme wie im vergangenen Jahr zum Unirahmenvertrag lösen soll. Ein Regierungsentwurf liegt inzwischen vor. Prof. Dr. Gabriele Beger von der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg erläutert einige Neuerungen und zieht für uns Bilanz.  

Nächste Woche wird aller Voraussicht die erste Lesung des „Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG)“ im Deutschen Bundestag aufgerufen. Das Vorhaben, ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht nach Maßgabe der Europäischen Vorgaben vorzulegen, ist Gegenstand der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD. Um dieses Versprechen einzulösen, muss man sich sputen, denn im September des Jahres endet bekanntlich die Legislaturperiode dieser Regierung.

In den zurückliegenden Jahren wurden Ansätze diskutiert, wie das Vorhaben am besten umzusetzen sei: Von einer Generalklausel nach dem us.am. Fair Use Modell als zusammenfassende Schranke wie von der Berliner Professorin Durantaye vorgeschlagen. Durchgesetzt hat sich die Zusammenfassung derzeit verstreuter Schranken unter den Überschriften Bildung, Wissenschaft, Bibliotheken  (vor allem §§ 46, 47, 51, 52, 52a, 52b, 53 (2) und (3), 53a) in einem neuen Abschnitt 6 im Teil I des Urheberrechtsgesetzes.

Sorge um Nulltarif-Mentalität unbegründet

Bild Aufgeschlagenes BuchSeit Anfang des Jahres sind dazu zahlreiche Stellungnahmen aller am Urheberrecht beteiligten Kreise (Institutionen und Interessenverbände) beim Justizministerium eingegangen. Von großer Zustimmung bis zur völligen Ablehnung ist alles vertreten. Die Nutzerseite lobt die Klarheit und die damit einhergehende Rechtssicherheit, die Verwerterseite prangert die Null-Tarif-Mentalität der Nutzer an. Grund für eine Analyse des Für und Wider:

Insgesamt kann der Gesetzentwurf als sehr praxisnah und ausgewogen bezeichnet werden. Die von Verlagsseite aus vorgetragenen Befürchtungen, dass mit dem neuen Abschnitt 6 elementar in den Primärmarkt eingegriffen wird und dies zum Nulltarif geschieht, bleiben unbegründet. Das Gesetz führt keinen Nulltarif ein und die Vergangenheit hat belegt, dass eine Pauschalvergütung sogar meist eine höhere Einnahme verspricht, als eine aufwendige Einzelvergütung es vermag.

Der Gesetzentwurf besticht durch die Vermeidung von unbestimmten Rechtsbegriffen und unbürokratischen Vergütungsregelungen, ohne eine Nulltarif-Mentalität zuzulassen. So finden sich nunmehr Prozentangaben zu den zulässigen Nutzungsumfängen anstelle der Begriffe „kleine Teile“ und „Teile“. Bis auf wenige Ausnahmen unterliegen die Anwendungen einer Pauschalvergütung, die anhand von Repräsentativerhebungen berechnet werden soll. Diese Praxis hat sich u.a. bei der sog. Bibliothekstantieme seit 1972, aber auch seit 2007 beim elektronischen Semesterapparat nach § 52a für alle Werkarten – ausgenommen Text – bewährt.

Schranke zum Text- und Data-Mining

Tatsächlich neu ist eine Schranke zum Text- und Data Mining (§ 60d) nach dem Britischen Vorbild, um eine automatisierte Auswertung von Ursprungstexten zu nicht kommerziellen Zwecken durchführen zu können. In der Schrankennorm für Bibliotheken werden Maßnahmen, die der Bestandserhaltung dienen privilegiert. So ist es künftig möglich ein gut erhaltendes Werkstück auszuleihen, um es als Vorlage für eine Archivkopie zu verwenden und dass eine etwaige Bearbeitung elektronischer Dokumente bei der Migration ohne Zustimmungserfordernis durchgeführt werden kann. Klargestellt wird auch, dass eine vorherige Recherche nach Lizenzangeboten entfallen soll, es sei denn, der Nutzer hat bereits vor der Nutzung einen Lizenzvertrag abgeschlossen. Diese Abkehr vom Vorrang des Vertrages vor der Nutzung von Schranken soll jedoch nicht auf den Kopienversand auf Bestellung ausgeweitet werden.

So bleibt die Kritik aus den Reihen der Nutzerseite nicht aus. Es wird zwar anerkannt, dass der neue Abschnitt 6 mit seiner Zusammenfassung und Ausweitung von Möglichkeiten, die das EU Recht zulässt, ein Fortschritt ist, bedauert aber zugleich, dass es zu keiner flexiblen zukunftsorientierten Generalklausel kam, die sich technischen Neuerungen durch Rechtsprechung anpassen kann.  Diese Kritik ist teilweise berechtigt, aber verkennt auch, dass Interessenabwägung immer auch etwas mit Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten zu tun hat.

Endlich Rechtssicherheit

Es bleibt deshalb zu wünschen, dass der Gesetzentwurf den Bundestag noch vor der Sommerpause unverändert passiert. Es ist an der Zeit, dass das jahrelange Tauziehen um einzelne Schranken ein Ende hat und Bildung und Wissenschaft mit hoher Rechtssicherheit im Dienste der Weiterentwicklung der Gesellschaft tätig werden können. Dazu zählt ein privilegierter und unbürokratischer Zugang zu bestehendem Wissen, um neues schaffen zu können. Das Klagen von Wissenschaftsverlagen, nicht an der angemessenen Vergütung für Schrankenregelungen beteiligt zu sein, muss an anderer Stelle gelöst werden und kann nicht zulasten moderner Nutzungsregelungen für Bildung, Wissenschaft und Gedächtnisorganisationen aufgerechnet werden.

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