Transparenz als Gelingensbedingung guter Partizipation

Transparenz als Gelingensbedingung guter Partizipation

24.03.23

Auf der linken Seite ist eine bunte Illustration zu sehen, die unter anderem eine Videokonferenz sowie Schreibuntensilien abbildet. Rechts steht: Blogbeitrag: Transparenz als Gelingensbedingung guter Partizipation. Ein Gastbeitrag von Ute von Lojewksi. Unten rechts ist das Logo des HFD zu sehen.

Hochschulen sind – auch in ihrem Leitungsverständnis – besondere Organisationen und verlangen eine besondere Führungskultur. Partizipation gilt vielen als Mittel der Wahl für die akademische Selbstverwaltung. Aber was macht gute Partizipation aus? Ute von Lojewski berichtet von ihren Erfahrungen als ehemalige Hochschulleitung der FH Münster. Der Beitrag ist erstmals in der dritten Ausgabe des HFD-Magazins strategie digital zum Thema “Partizipation” erschienen.

Auf der linken Seite ist eine bunte Illustration zu sehen, die unter anderem eine Videokonferenz sowie Schreibuntensilien abbildet. Rechts steht: Blogbeitrag: Transparenz als Gelingensbedingung guter Partizipation. Ein Gastbeitrag von Ute von Lojewksi. Unten rechts ist das Logo des HFD zu sehen.

Nach 18 Jahren Hochschulleitung, davon 13 Jahre in der Funktion der Präsidentin, und einigen gut überstandenen Wiederwahlen, sollte ich eigentlich wissen, wie eine erfolgreiche Partizipation gelingen kann. Aber ich habe trotzdem noch Mitglieder meines ehemaligen Präsidiumsteams befragt, was sie dazu zu sagen haben. Nachfolgend das Ergebnis meiner Recherchen und Überlegungen in vier Handlungsempfehlungen, die sich an Hochschulentscheider:innen richten und dabei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben und deren Wahrheitsgehalt eher evidenzbasiert ist.

Echte Dialoge zulassen

Egal ob Hochschulrat, Senat, Fachbereichskonferenz oder informelle Arbeitsgruppe, immer gilt: Respektvolles Zuhören, offenes Diskutieren und sorgfältiges gemeinsames Abwägen verbessern die zu treffenden Entscheidungen, machen sie transparent und erhöhen deren Akzeptanz in der Hochschule.

Dies gilt besonders für den Umgang mit der „zweiten Führungsebene“ – den Dekan:innen und Leitungen der Servicebereiche. Hier sitzen die Expert:innen, die nah am Geschehen sind – also bitte nicht mit fertiger Meinung in die Sitzungen gehen! Stattdessen: Fragestellung und Ziel benennen, nicht aber die Lösung. Dann gut zuhören und vor allem später Entscheidungen treffen, die sich aus dem Gespräch ergeben haben. Nichts ist frustrierender für Diskussionspartner:innen, als wenn bei der letztendlichen Entscheidung ihres Gegenübers die vorherige Beratung unberücksichtigt bleibt. Ist es doch einmal nötig, anders zu agieren als es sich in der betreffenden Sitzung abgezeichnet hat, sollte die Abweichung unbedingt mit guter Begründung und persönlicher Ansprache erläutert werden. Aber: Das alles kostet Zeit. Zeit, die sich viele nicht nehmen – mit fatalen Folgen. Frustration stellt sich ein: „… warum haben wir uns da den Mund fusselig geredet?“, „… machen ja doch, was sie wollen!“ Jede:r von uns hat das sicher auch schon in anderen Zusammenhängen – etwa im Gespräch mit Ministerien – erlebt. Gut vorgetragene Argumente verpuffen, eine Beteiligung wird zur Pseudo-Partizipation, Resignation folgt. Ein Beispiel für einen partizipativen Prozess mit hoher Transparenz ist die Anwendung des Gegenstromverfahrens – wie es z. B. die FH Münster bei der strategischen Hochschulentwicklungsplanung standardmäßig einsetzt (die Abbildung können Sie im vollständigen Magazinbeitrag einsehen). Hier wird der Dialog in diversen Iterationsschleifen bis zu einem gemeinsamen Ergebnis geführt.

Flache Hierarchien schaffen

Je mehr Ebenen zwischen Hochschulleitung und Basis liegen, desto schwerer ist es, letztere zu erreichen und mitzunehmen. Eine Partizipation weiterer Kreise wird deutlich erschwert, die wechselseitige Information und die Transparenz der Entscheidungsprozesse leiden. Dadurch entsteht einerseits die Gefahr, dass verschiedene Hochschulebenen inkonsistent handeln, da sie wechselseitig zu wenig übereinander wissen. Andererseits mangelt es „unten“ (z. B. in den Fachbereichen) an Verständnis für das, was „oben“ (z. B. die Hochschulleitung) entscheidet – mit fatalen Folgen für eine vertrauensvolle Hochschulkultur. Je mehr Ebenen existieren, umso größer ist die Gefahr von „Flaschenhälsen“ im Kommunikationskanal. Flache Hierarchien begünstigen also Partizipation, da Entscheidungen im Team entstehen. Ein partizipatives Vorgehen macht den Abstimmungsprozess sehr zeitaufwändig, ist aber angesichts besserer Ergebnisse unbedingt lohnenswert. An der FH Münster mit ihren 15.500 Studierenden und ca. 1.250 Mitarbeiter:innen gibt es – oft belächelt – 13 Fachbereiche. Jede Fachbereichskonferenz wird dadurch zu einem Diskussionsforum mit mindestens 14 Sichtweisen! Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich dadurch viele verschiedene Fachkulturen gesehen fühlen und Fachspezifika möglichst weitgehend berücksichtigt werden können.

Betroffene zu Beteiligten machen

Neben der formalen Kommunikation über Gremien liegt ein unschätzbarer Wert im Nutzen der informellen Kommunikation, also im Schaffen von Gesprächsanlässen außerhalb der formalen Wege. Denn „Partizipation bedeutet außerdem, dass die Menschen ihre Erfahrungen und Wertvorstellungen in die gemeinsame Arbeit einbringen. Dadurch machen sie sich die Vorhaben zu eigen und übernehmen die Verantwortung für ihren Erfolg (Ownership)“ (BMZ, 2022). Auch an der FH Münster wird das Prinzip, „Betroffene zu Beteiligten“ zu machen, an vielen Stellen gepflegt. Feste Arbeitsgruppen, etwa zur Beratung in Fragen der Internationalisierung oder Digitalisierung, sind ebenso wie offene Treffen, Hochschultage und -dialoge zum Content Management, zur Didaktik oder zu anderen Themen bunt gemischt mit Vertreter:innen aus den verschiedenen Statusgruppen – von den Professor:innen über die Mitarbeiter:innen bis zu den Studierenden – mit und ohne Amt. Grundlage all dieser Aktivitäten ist die gegenseitige Wertschätzung; der zeitliche Aufwand wird gerechtfertigt durch die Erkenntnis, dass gemeinsame Überlegungen und ihre Ergebnisse hochschulweit transparent und besser akzeptiert werden. Ein Beispiel dafür ist die ganztägige Open-Space-Veranstaltung zu Beginn des oben bereits erwähnten HEP-Prozesses an der FH Münster: Bei der Strategieentwicklung für die Jahre 2021 bis 2025 sind wir als Hochschulleitung mit ersten Ideen in den Tag gegangen; unsere Ingenieur:innen legten aber größeren Wert als bis dahin vorgesehen auf eine prominente Platzierung des Themas Zukunftstechnologien. Dies hat dann Eingang in den Hochschulentwicklungsplan gefunden und so wurden etwaige Widerstände gegen die hochschulweiten Ziele für die nächsten fünf Jahre deutlich vermindert. Auch in der Literatur, z. B. zum Change Management, wird der vorgeschlagene Weg als wichtiger Schritt zum Verhindern von Widerständen bei Änderungsprozessen genannt.

Teamgeist (vor)leben

Eltern wissen, sie sind Vorbilder für ihre Kinder – wie sie leben, prägt das kindliche Verhalten. Vergleichbares gilt auch für Hochschulleitungen: Die Hochschulmitglieder beobachten ihre Leitung genau und sind sehr sensibel. Sie merken sofort, wenn keine Einigkeit im Präsidiums-/Rektoratsteam besteht oder seine Mitglieder „heimlich Wein trinken und öffentlich Wasser predigen“. Ein „eingeschworenes“ Leitungsteam wirkt authentisch und kann vom Rest der Hochschule Vertrauen und Solidarität erwarten. Und wieder gilt: Die Zeit ist auch hier der limitierende Faktor, aber gut investiert! Strategietagungen im kleinen Team, gerade zu Anfang einer Amtsperiode, helfen, einen Grundkonsens für die gemeinsame Arbeit zu schaffen, wöchentliche Sitzungen mit wechselseitigen schriftlichen sowie mündlich erläuterten Berichten lassen alle Mitglieder des Teams gut informiert sein und gemeinsam getroffene Entscheidungen fördern die Harmonie. Dies gilt auch und gerade für eine möglichst enge und vertrauensvolle Kommunikation mit dem/der Kanzler:in, der/die dann wiederum die Präsidiumsüberlegungen in die Dezernent:innenrunde trägt.

Zum Teamgeist gehört auch, sich nicht abzuschotten, sondern möglichst viele Hochschulmitglieder an den Überlegungen des Kernteams zu beteiligen – wieder eine Frage der Transparenz. Informationen zu teilen heißt nicht nur persönlich zu kommunizieren (s. o.), sondern auch schriftlich. Dabei sollte keine Informationsflut, aber auch kein Eindruck von „Geheimniskrämerei“ entstehen. Beispiele für empfängergerechte Informationen an der FH Münster sind etwa der monatliche Newsletter an die komplette Hochschulöffentlichkeit, Weitergabe der wöchentlichen Präsidiumsprotokolle und des halbjährigen Management-Reports an die zweite Leitungsebene in Wissenschaft und Verwaltung oder der schriftliche ausführliche Bericht an den Senat mit der Möglichkeit zur Nachfrage (die Abbildung können Sie im vollständigen Magazinbeitrag einsehen).

Einige abschließende Worte

Nach diesen vier Handlungsempfehlungen zu guter Partizipation drängen sich vier Fragen auf; hier der Versuch kurzer Antworten:

Gilt das zuvor Geschriebene auch in einer zunehmend digitalen Welt?

Die schnelllebige digitale Welt verlangt mehr denn je nach Partizipation und die oben genannten Punkte funktionieren auch dort als Gelingensbedingung: Dialogisches Beteiligen gelingt auch bei Videokonferenzen durch Break-Out-Sessions und Umfragetools, dem Teamgeist tut eine gemeinsame Gruppe bei einem Messengerdienst gut, kollaborative Plattformen fördern hierarchieübergreifendes Arbeiten etc. Gute Partizipation vereint in ihren Methoden das Beste aus der analogen und digitalen Welt.

Kann man Partizipation lernen?

Der Führungsstil wird sicherlich stark durch die Persönlichkeit beeinflusst und den Charakter eines Menschen zu ändern, ist schwer bis unmöglich. Im partizipativen Tun geht es aber eher um so etwas wie eine Grundhaltung (die man sich sehr wohl aneignen oder zu eigen machen kann) und etwas „Handwerkszeug“, das jede:r im Hochschulalltag einsetzen kann.

Gibt es Gefahren der Partizipation?

Offen in der Meinungsbildung zu sein und trotzdem nicht als zögerlich oder entscheidungsschwach wahrgenommen zu werden, ist ein schmaler Grat. Ein solches Agieren erfordert ein gewisses Selbstbewusstsein der Hochschulleitung: Wie viel einfacher ist es, sich vorab eine Meinung zu bilden und diese dann nur noch zu verkünden – aber wie viel schlechter ist dieser Weg in Bezug auf den langfristigen Erfolg der Entscheidung!

Was ist das Fazit?

Eine gute Partizipation ist nur etwas für „fleißige“ Hochschulleitungen, denn sie verlangt Transparenz, diese wiederum erfordert zeitaufwändige umfassende Information und Kommunikation. Dazu darf ich abschließend einen sehr verehrten Kanzlerkollegen zitieren, der bei seiner Verabschiedung meinte: “80 % der Zeit habe ich Gespräche mit Leuten geführt, der Rest war einfach!”

Den vollständigen Beitrag inklusive Abbildungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe von strategie digital. Sie möchten mehr zum Thema Partizipation an Hochschulen lesen? In der dritten Ausgabe von strategie digital finden Sie zudem weitere Beiträge, Fallbeispiele und Interviews rund um dieses Thema. 

Die kommende Ausgabe von strategie digital widmet sich dem Thema Lernräume und wird voraussichtlich im September/Oktober 2023 erscheinen. Sie möchten diese und keine weiteren Ausgaben mehr verpassen? Melden Sie sich hier für unseren Verteiler an und wir informieren Sie über neue Veröffentlichungen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert