„Die Zukunft des Lernens ist Miteinander“ – Interview mit Deborah Schnabel von Creative Learning Space
„Die Zukunft des Lernens ist Miteinander“ – Interview mit Deborah Schnabel von Creative Learning Space
17.01.18Was macht eine ideale Lernatmosphäre aus? Wie ist die Lernatmosphäre an deutschen Hochschulen und welche Schritte sind notwendig, um einen offenen Lernraum zu gestalten? Um diese Fragen geht es im Interview mit Dr. Deborah Schnabel, Gründerin von Creative Learning Spaces. Als promovierte Psychologin ist sie Expertin für die Konzeption und Durchführung verschiedener Lernsettings und lehrt und forscht zu Personal, Organisation und Bildung. Das Interview fand im Rahmen der HFD Winter School 2017 in Berlin statt.
Was ist ein Learning Space?
Deborah Schnabel: Ein Learning Space kann prinzipiell überall sein. Learning Spaces sind nichts, was nur im formellen Rahmen passieren kann. Lernen kann überall passieren und passiert sowieso überall, auch im informellen Rahmen. Das heißt wir müssen den Begriff “Learning Space“ neu verstehen und neu definieren. Natürlich gibt es auch formelle Bildungsrahmen und Kriterien für deren Neukonzeption.
Was sind das für Kriterien?
Ein guter Learning Space im formellen Bildungsrahmen ermöglicht ein Lernen, das sich sehr nahe am Menschen bewegt. Für mich liegt die Zukunft des Lernens im miteinander und voneinander Lernen, sei es digital oder analog. Wir brauchen natürlich bestimmte Bedingungen, die diese Interaktionen ermöglichen. Wenn wir uns heute Hochschulen oder Schulen anschauen, dann finden wir noch sehr häufig starre Bildungsräume. Es gibt dort einen Vorlesungssaal oder Klassenraum, wo der Lehrende vorne steht, es gibt einen Experimentierraum, das ist allerdings ein ganz anderer Raum, und dann gibt es den Werkraum, wo man händisch arbeiten kann. Das sind alles separate Räume. Daran merkt man sehr schön, dass diese unterschiedlichen Lernsettings noch sehr voneinander getrennt sind. Ideal wäre es, wenn man ein flexibles Lernen ermöglicht. Wenn also der Lernende selber entscheiden kann, wie und was er lernen möchte und dies auch durch die Gegebenheiten im Raum unterstützt wird. Ich meine dies im Sinne eines fließenden Überganges vom experimentieren zum inspiriert werden, ohne jemanden zu haben der einem sagt, welcher Raum wann und für welchen Unterricht frei ist.
Wie empfindest Du die Lernatmosphäre an deutschen Hochschulen?
Sehr unterschiedlich. Es kommt sehr stark darauf an, welches Format gerade gespielt wird. Insgesamt sind wir noch zu stark im formellen Lernen verfangen und dadurch besteht eine Atmosphäre, die mehr mit „ich muss“ als mit „ich will“ und „ich will selber gestalten“ zu tun hat. Das finde ich oft ein wenig schade und ich glaube, die Atmosphäre könnte verbessert werden, wenn wir uns eben mehr auf dieses Miteinander und Voneinander konzentrieren würden. Sobald Menschen miteinander interagieren und mitgestalten, hebt sich auch die Qualität der Atmosphäre. Die Art und Weise, wie wir lernen und wie wir den Raum gestalten, beeinflusst auch automatisch die Atmosphäre und bisher machen wir da noch zu wenig. Es gibt in diesem Bereich bereits Entwicklungen in Form von Makerspaces oder offenen Lernräumen. Wenn wir diese Entwicklung weiter fördern, steigt auch die Lernatmosphäre.
Wie kann eine ideale Lernatmosphäre gestaltet werden?
Ich glaube, generell muss man einfach mutiger sein und sich raus trauen. Ein Raum ist natürlich auch ein Schutzraum. Man ist da in seiner gewohnten Atmosphäre, man kennt das Setting, man erkennt zum Beispiel sofort, wo man stehen muss. Wenn ich als Professor in einen Raum komme, dann weiß ich, dass ich mich nach vorne stelle, da steht der Laptop, da ist die Leinwand hinter mir. Wenn man aber mutig genug ist, das völlig aufzubrechen, und zuzulassen, dass sich das Lernsetting „on stage“, quasi an dem Tag, an dem ich in den Vorlesungsraum reingehe, verändern kann und dass ich das mit den Studierenden gemeinsam gestalten kann, dann schaffen wir es, eine andere Lernatmosphäre zu befördern. Auch wenn dies bedeutet, dass wir uns ein bisschen aus unserer Komfortzone heraus bewegen müssen.
Welche konkreten Maßnahmen würden Sie vorschlagen?
Ich würde erstmal den Vorlesungsraum wie er ist aufbrechen, also die Bestuhlung und die Art und Weise wie die Perspektiven im Raum angeordnet sind. Wir haben ja nicht immer die Möglichkeit, alles neu zu bauen und müssen zunächst mit dem arbeiten, was wir haben. Dabei können wir beobachten, was passiert, wenn ich Studierende anders sitzen lasse, was passiert, wenn ich nicht vorne stehe, sondern mich mit den Studierenden in eine Gruppe rein setze und mit ihnen interagiere, mich mit ihnen über ein Thema unterhalte. Was passiert, wenn ich eine Gruppe so anleite, dass ich mich ein Stückchen weit überflüssig mache, indem ich Input beisteuere und das Ganze nur noch mit begleite. Der digitale Raum ist für mich ebenfalls ein Lernraum im weitesten Sinne. Hier geht es darum, den Lernraum jedes einzelnen Studierenden zu nutzen und zuzulassen, dass jeder seinen eigenen Lernraum ins große Ganze einbringen kann. Damit meine ich seinen Content, die Orte, wo er recherchiert, die YouTube-Kanäle, die er abonniert. Dies alles sollte man in diesen großen Raum integrieren und dafür auch offen sein. Das sind die ersten zwei Tipps, die auch schnell umsetzbar sind.
Wer könnte diese Veränderungen anstoßen?
Das ist eine sehr gute Frage. Vor allem deshalb, weil wir gerade wenn wir mit Lehrenden und dem Support über diese Themen sprechen, sehr häufig und verständlicherweise den Hinweis bekommen, dass diese Veränderung auch von anderer Stelle her mitgewünscht werden muss. Es ist zwar ein Prozess, der Bottom-up angestoßen werden kann und muss, aber irgendwo müssen auch Top-down-Entscheidungen kommen. Wir brauchen also Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, so zu arbeiten, wie wir arbeiten wollen. Hier müssen wir viel mehr an einem Strang ziehen und Wege finden, wie wir Argumentationslogiken für die Bedeutung unserer Anliegen liefern können, sodass uns auch aktuelle Entscheidungsträger verstehen. Wenn Studierende gemeinsam mit den Lehrenden, dem Support, aber auch mit den Entscheidern an Hochschulen Hand in Hand arbeiten, dann schaffen wir es, etwas zu verändern. Diese Veränderung nur von einer Seite anzustoßen, wird aus meiner Sicht schwer werden.
Kennen Sie Best Practice-Beispiele für gute Lernatmosphäre an deutschen Hochschulen?
Ich würde mir tatsächlich wünschen, mehr Best Practice-Beispiele zu kennen und mir da auch Wege wünschen, wie diese sichtbarer gemacht werden können. Ich kenne in diesem Zusammenhang keine Paradebeispiele für die perfekte Umsetzung der Dinge, über die wir hier reden. Wenn es sie gibt, würde ich mir wünschen, darüber mehr zu erfahren. Es gibt allerdings Beispiele an Hochschulen, die einzelne Themen schon sehr, sehr gut vorantreiben. Vielleicht liegt auch gerade darin der Weg, kleinere Innovationen zu schaffen, um dann zusammen zum Großen zu kommen.