Ergebnisse aus der Fallberatung im KI-Lab Münster: Acht potentielle Booster-Anwendungen für die Hochschulbildung

Ergebnisse aus der Fallberatung im KI-Lab Münster: Acht potentielle Booster-Anwendungen für die Hochschulbildung

08.10.25

Ergebnisse aus der Fallberatung im KI-Lab Münster: Acht potentielle Booster-Anwendungen für die Hochschulbildung - Ein Blogbeitrag von Martin Ebner und Sandra Schön

Wie lassen sich KI-Technologien künftig sinnvoll in Lehr- und Prüfungsprozesse einbinden?
Diese Frage stand im Mittelpunkt des ersten KI-Labs des HFD, das im Juli 2025 in Münster stattfand. Über 40 Expert:innen und Entscheider:innen aus Hochschulen, die sich strategisch mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz befassen, arbeiteten dort gemeinsam an praxisnahen Lösungen. Martin Ebner und Sandra Schön von der TU Graz berichten, welche Ideen für KI-gestützte Lehr- und Lernanwendungen sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen von anderen Hochschulen entwickelt haben. 

Rückblick auf das erste KI-Lab: Perspektiven und Fragestellungen aus der TU Graz

Vom 21. bis 23. Juli 2025 fand in Münster das erste KI-Lab des Hochschulforums Digitalisierung (HFD) statt. Über 40 Expert:innen und Entscheider:innen aus Hochschulen, die sich strategisch mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) befassen, kamen zusammen. Im Mittelpunkt stand die kollegiale Fallberatung: Teilnehmende brachten eigene Herausforderungen aus ihren Institutionen mit, präsentierten diese in kleinen Gruppen und erhielten im Peer-Format wertvolle Rückmeldungen und konkrete Umsetzungsideen. Flankiert wurde das Lab durch Impulse externer Expert:innen zu Themen wie Change Management, Governance und didaktische Gestaltung. Wie dieser intensive Austausch aus Sicht der TU Graz verlief, welche Fragen und Ideen wir eingebracht haben und was dabei herauskam, möchten wir hier berichten.

Fragestellung der TU Graz in der kollegialen Fallberatung

Als technische Universität mit über 13.700 Studierenden und einer starken Ausrichtung auf Innovation, Forschung und Digitalisierung sehen wir zahlreiche Implikationen durch LLM & Co. für die Hochschullehre. Wie andere Hochschulen auch beschäftigen wir uns mit strategischen Fragen wie: Welche KI-Technologien entwickeln und betreiben wir als Hochschule selbst? Welche nutzen wir im Verbund? Welche Szenarien sind nachhaltig für Lehre, Organisation und Governance?

Die konkrete Fragestellung fürs KI-Lab in Münster war bewusst offen angelegt: Wie können KI-Technologien künftig sinnvoll in Lehr- und Prüfungsprozesse integriert werden – und welche Tools oder Anwendungen könnten echte „Booster“ für Lehren und Lernen an einer technisch orientierten Universität sein?

Zur Einführung stellten wir einige Rahmenbedingungen der TU Graz vor – etwa die vorhandenen digitalen Infrastrukturen, die Nutzung von Daten aus dem Learning Management System, dem Campus-Management, dem Videoarchiv TUbe sowie dem OER-Repository und der nationalen MOOC-Plattform iMooX.at. Zudem wurde eine strukturierte Vorlage zur Beschreibung innovativer Anwendungsideen vorgestellt, die im Lab als Grundlage für die kreative Weiterentwicklung diente (siehe Abbildung). Die Teilnehmenden konnten darin unter anderem einen Titel für ihre App festhalten sowie Angaben zur adressierten Herausforderung, zum geplanten Einsatzszenario, zu den Vorteilen für Lernende und Lehrende, zu den genutzten Datenquellen (inklusive Systemen und Datentypen) machen – und bei Bedarf auch ergänzende Hinweise zum Einsatz von KI notieren.

Vorlage zur Beschreibung innovativer Anwendungsideen beim KI-Lab

Abbildung: Die Vorlage ist offen lizenziert zugänglich: CC BY 4.0 TU Graz – Educational Technology 2025 siehe: https://doi.org/10.3217/sf99a-rmy83

Und dann hieß es auch schon: Losspinnen! Ganz im Sinne des Formats haben unsere fünf Kolleg:innen in der Gruppe Ideen für mögliche „Teaching/Learning-Booster“ entworfen und diskutiert. Es ging also um Anwendungen, die potentiell von sehr vielen Hochschulangehörigen genutzt werden – nicht unbedingt solche, die noch „total neuartig” sind. Weil wir glauben, dass einige dieser Ansätze auch über unsere eigene Hochschule hinaus interessant und inspirierend sein könnten, möchten wir acht Ideen im Folgenden vorstellen – und laden herzlich zum Weiterdenken und Kommentieren ein. Einige Ideen sind ähnlich – aber nicht identisch. Achja: Wenig überraschend sind die folgenden Beschreibungen im Nachgang auch mit KI-Unterstützung aus den Handschriften der Kolleg:innen ausgelesen, formuliert worden und haben teils auch prägnante(re) App-Namen erhalten.

ExamCrafter: KI-generierte Probeklausuren aus Lehrmaterialien

ExamCrafter ist eine KI-gestützte Anwendung, die Studierenden individuell zugeschnittene Probeklausuren erstellt – basierend auf den von Lehrenden bereitgestellten Materialien wie Vorlesungsfolien, Skripten, Übungsaufgaben oder bestehenden Prüfungen. Die KI analysiert diese Inhalte und generiert daraus abwechslungsreiche Prüfungsformate, die dem tatsächlichen Leistungsniveau und Prüfungsstil der Lehrveranstaltung entsprechen. Studierende profitieren von vielfältigen Übungsmöglichkeiten, während Lehrende bei der Erstellung von Prüfungsaufgaben spürbar entlastet werden. So trägt ExamCrafter zu einer gezielten Prüfungsvorbereitung und zur Verbesserung der Lehrqualität bei.

SkillSync: Die Matching-Plattform für praxisnahe Softskill-Entwicklung

SkillSync ist eine KI-gestützte Matching-Plattform, die Studierende mit realen Praxisprojekten von Unternehmen zusammenbringt – auf Basis ihrer Interessen, Fähigkeiten und persönlicher Entwicklungsziele. Ziel ist es, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit in arbeitsnahen, gesellschaftlich relevanten Projekten gezielt Softskills wie Teamfähigkeit, Kommunikation und Problemlösungskompetenz zu fördern. Die Plattform nutzt dafür sowohl projektbezogene Daten aus Unternehmensportalen als auch freiwillig bereitgestellte Profildaten der Studierenden. Lehrende profitieren von motivierten Studierenden, die praxisbezogen arbeiten und wertvolle Erfahrungen für den Berufseinstieg sammeln. Gleichzeitig wird ein wichtiger Beitrag zur Öffnung der Hochschullehre und zur Förderung überfachlicher Kompetenzen geleistet.

LearnSphere: KI-gestützte Lernpfade durch Learning Analytics

LearnSphere ist eine adaptive Lern-App, die auf Basis von Learning Analytics personalisierte Unterstützung für Studierende bietet. Durch die Auswertung von Aktivitätsdaten aus Moodle und anderen Hochschulsystemen analysiert eine KI individuelle Lernverläufe und erkennt Muster, Lernlücken oder potenzielle Abbruchrisiken. Auf dieser Grundlage erstellt die App gezielte Empfehlungen, dynamisch angepasste Übungsaufgaben und frühzeitige Hinweise für Fördermaßnahmen. Lehrende profitieren von einer besseren Übersicht über den Lernstand in ihren Lehrveranstaltungen sowie einer spürbaren Entlastung durch automatisiertes Feedback. Ziel ist es, Studienabbrüche zu reduzieren, den Lernerfolg zu steigern und Hochschulen datenbasiert bei der Weiterentwicklung ihrer Lehre zu unterstützen.

StudyMate: Der KI-Chatbot für Lehrinhalte rund um die Uhr

StudyMate ist ein KI-gestützter Studienassistent, der Studierende jederzeit bei inhaltlichen Fragen zu einer Lehrveranstaltung unterstützt. Der Chatbot greift auf alle bereitgestellten Lehrmaterialien – wie Skripten, Foliensätze, Videos und Aufgaben – zu und beantwortet Fragen kontextbezogen und präzise. So entsteht ein verlässlicher 24/7-Support, der Lernende beim Verständnis komplexer Inhalte begleitet und ihnen ein selbstbestimmteres Lernen ermöglicht. Lehrende profitieren von einer spürbaren Entlastung, da häufige Rückfragen automatisiert und individuell beantwortet werden können. StudyMate hilft so, die Betreuung skalierbarer zu gestalten und die Lernqualität durch schnelle, zielgerichtete Unterstützung zu verbessern.

CourseCompanion: Chatbot zur Lernbegleitung in einzelnen Lehrveranstaltungen

CourseCompanion ist ein KI-gestützter Chatbot, der speziell für einzelne Lehrveranstaltungen konzipiert ist und Studierende im Lernprozess begleitet. Durch die kontinuierliche Analyse von Lerndaten – etwa Bearbeitungsverhalten in Moodle, Testergebnissen und Interaktionen – erkennt die App frühzeitig Anzeichen von Überforderung oder Rückzugstendenzen. In solchen Fällen bietet der Chatbot gezielte Unterstützung: Er schlägt Übungen vor, klärt Verständnisfragen und bietet motivierende Impulse – automatisiert und individuell angepasst. Lehrende erhalten parallel Hinweise auf potenziell gefährdete Studierende und können bei Bedarf gezielt eingreifen. CourseCompanion fördert so eine proaktive Betreuung, reduziert Studienabbrüche und stärkt den individuellen Lernerfolg direkt im Kontext einzelner Kurse.

ExamBuddy: Dein KI-Coach für die individuelle Prüfungsvorbereitung

ExamBuddy ist ein KI-gestützter Chatbot, der Studierende gezielt bei der Prüfungsvorbereitung unterstützt. Auf Basis aller verfügbaren Lehrinhalte – wie Vorlesungsskripten, Präsentationen, Aufgaben und Videos – beantwortet der Chatbot individuelle Fragen, schlägt passende Übungen vor und hilft dabei, Lernlücken zu identifizieren. Die App begleitet Studierende als digitaler Prüfungscoach durch die Vorbereitungsphase, ermöglicht personalisiertes Lernen und stärkt die Selbstwirksamkeit. Lehrende profitieren von einer deutlich reduzierten Zahl an Wiederholungsfragen und Rückmeldeschleifen, wodurch wertvolle Zeit für andere Aufgaben frei wird. ExamBuddy schafft so eine Brücke zwischen effizientem Selbststudium und einer entlasteten Lehrpraxis.

FormatFinder: KI zur Identifikation und Förderung guter Lehrformate

FormatFinder ist eine KI-gestützte Anwendung zur Analyse und Sichtbarmachung erfolgreicher Lehrformate an Hochschulen. Auf Basis von Daten aus Moodle, den Beschreibungen der Lehrveranstaltungen und der Curricula sowie Lehrveranstaltungsevaluierungen identifiziert die App wirksame didaktische Ansätze und strukturelle Merkmale, die mit positiver Lernerfahrung oder hoher Wirksamkeit verknüpft sind. Lehrende erhalten auf dieser Grundlage fundiertes Feedback sowie Impulse zur Weiterentwicklung ihrer Lehrveranstaltungen. Gleichzeitig trägt die App dazu bei, Best-Practice-Beispiele systematisch zu erfassen und hochschulweit nutzbar zu machen. Für Studierende bedeutet das: mehr Sichtbarkeit für gelungene Lehre und eine kontinuierliche Verbesserung der Lernangebote. FormatFinder unterstützt damit datenbasiert die Qualitätsentwicklung in Studium und Lehre.

TeachReflect: KI-gestützte Lehrprofilanalyse zur kontinuierlichen Weiterentwicklung

TeachReflect ist eine KI-Anwendung, die Lehrende auf ihrem Weg zu wirksamer und studierendenorientierter Lehre unterstützt. Durch die Analyse von Daten aus Lernplattformen wie Moodle, aus MOOCs, Videos, Reflexionsdokumenten und studentischen Evaluationen entsteht ein datenbasiertes, individuelles Lehrprofil. Die App identifiziert Stärken und potenzielle Entwicklungsmöglichkeiten in der didaktischen Praxis, ohne zu bewerten – sondern um wertschätzend zur Weiterentwicklung einzuladen. Sie hilft dabei, Muster im Lernverhalten und in studentischem Feedback sichtbar zu machen, und unterstützt Lehrende dabei, gezielt auf wiederkehrende Herausforderungen einzugehen. TeachReflect zielt auf Empowerment statt Kontrolle: Es geht darum, Lehrende zu befähigen, eigene Lehrstrategien weiterzuentwickeln – und so langfristig die Qualität von Lehre zu stärken.

UpdateU: KI-gestützte Weiterbildungsbegleitung für Alumni

UpdateU ist eine smarte Lern-App, die Absolvent:innen auch nach dem Studienabschluss mit aktuellem, passgenauem Wissen versorgt. Mithilfe von KI werden Inhalte aus dem früheren Studium mit neuen Materialien aus Lernplattformen wie Moodle, MOOCs, OER-Repository oder Videos kombiniert und individuell kuratiert – abgestimmt auf den beruflichen Kontext und Weiterbildungsbedarf der Nutzer:innen. So wird lebenslanges Lernen aktiv unterstützt und der Kontakt zur Hochschule bleibt lebendig. Lehrende profitieren davon, dass ihre Lehrinhalte nachhaltig genutzt und weiterentwickelt werden, ohne dass sie dauerhaft in die Betreuung eingebunden sind. Das Weiterbildungsteam der Universität weiß, welche Themen nachgefragt werden und kann passgenaue Angebote entwickeln. UpdateU macht Hochschulwissen so dauerhaft und nachhaltig zugänglich – flexibel, bedarfsgerecht und zukunftsorientiert.

… Und wie geht’s weiter?

Die Mischung aus Workshops, Expert:innen-Inputs und Peer‑Feedback bot einen idealen Rahmen, um im Rahmen der Auszeit vom Berufsalltag an der TU Graz gemeinsam mit großartigen Kolleg:innen systematisch weiterzudenken. Die acht Anwendungsideen und sonstige Aha- und Oha-Momente aus dem Lab werden wir nun mit Kolleg:innen an der TU Graz weiterdenken.

Uns hat das KI-Lab geholfen, besser zu verstehen, welche Herausforderungen wir mit anderen Hochschulen teilen – und wo sich auch Unterschiede zeigen. Und es hat natürlich auch Spaß gemacht, die anderen Gruppenteilnehmer:innen bei deren mitgebrachten KI-Fällen zu beraten und bei den sonstigen KI-Lab-Programmteilen mitzumachen.

Besonders wohltuend war, dass Themen wie Digitale Souveränität, OER und ethische Fragestellungen vielen ein zentrales Anliegen waren und der Wunsch nach Kooperation und gemeinsamen Lösungen deutlich artikuliert wurde. Das KI-Lab hat hier sicherlich eine wertvolle Grundlage für weiteren Austausch geschaffen. Und: Es ist noch nicht vorbei – im Dezember steht ein Update auf dem Programm, auf das wir schon gespannt sind.

Das Beratungsteam “Super 8”: Vielen Dank an Sebastian Bothe-Dröge (FH Münster), Julia Jochim (EURO-FH), Thomas Leoni (FH Wiener Neustadt), Christine Meier zu Farwig (Hochschule Osnabrück) und Susanne Schorer (Universität Oldenburg) fürs gemeinsame Ideenentwickeln und an Jens Tobor (Hochschulforum Digitalisierung) für die Notizen bei der Fallberatung und die Kommentare zum Beitrag! (Außerdem im Bild: Martin Ebner und Sandra Schön, beide TU Graz)

KI Lab 2025 - Mehr Infos

Autor:innen

Martin Ebner, Priv.-Doz. Dr., Leiter der Abteilung Lehr- und Lerntechnologien an der Technischen Universität Graz und Leiter der nationalen MOOC-Plattform iMooX.at der österreichischen Hochschulen. Arbeitsschwerpunkte in der Forschung: Bildungsinformatik, KI in der Hochschullehre, MOOCs, Open Educational Resources und Digitale Grundbildung.

Sandra Schön (@sandra_schoen) forscht an der Technischen Universität Graz am Institute of Interactive Systems and Data Science und ist ehrenamtlich in Projekten des gemeinnützigen Bildungsvereins BIMS e.V. aktiv.

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