Good Practice: Hybride Lehre in der Campus Week als Role Model für die Lehre der Zukunft?

Good Practice: Hybride Lehre in der Campus Week als Role Model für die Lehre der Zukunft?

19.06.24

Hybride Lehre ist und bleibt ein aktuelles Thema an deutschen Hochschulen. Johann Mai berichtet von zwei verschiedenen hybriden Lehrformaten, die an der Professional School der Leuphana Universität Lüneburg im Rahmen der Campus Week umgesetzt werden. 

Die Lehre der Zukunft ist hybrid“ (Stifterverband 2021) – davon war die Mehrheit der Hochschulleitungen in Deutschland laut Hochschulbarometer Ende 2021 überzeugt. Auch nach dem Abklingen der Corona-Pandemie bleibt das Konzept der synchronen Hybridität (interaktive Zuschaltung von Online-Teilnehmenden in einen Präsenzraum am Campus) in vielen Hochschulbereichen aktuell, da es die Vorteile von Analogität und Digitalität zusammenbringt und in einer Gesellschaft, die fortlaufend digitalisiert wird, bewährte Konzepte mit neuen Möglichkeiten verbindet.

 

Als Hochschuldidaktiker mit Schwerpunkt digitale Lehr-Lerninnovationen beschäftige ich mich im Rahmen des StIL-geförderten Projekts “DigiTaL – Digital Transformation Lab for Teaching and Learning” intensiv mit der Frage, wie hybride Veranstaltungen technisch und didaktisch hochwertig, aber niedrigschwellig umsetzbar sind. Zwei der gemeinsam mit meinem Projektteam entwickelten, konkreten Anwendungsfälle von hybriden Lehrformaten an der Professional School der Leuphana Universität Lüneburg möchte ich in diesem Beitrag exemplarisch vorstellen. Nach einer kurzen Erläuterung des Kontextes (Warum hybrid?) zeige ich anhand der beiden Settings die Umsetzung in Lehrveranstaltungen (Wie hybrid?).

Kontext: Die Campus Week der Professional School

Die Professional School ist als Weiterbildungsbereich der Leuphana Universität Lüneburg Anbieter vieler Studienangebote, die sich an berufsbegleitende und häufig nicht-traditionelle Studierende richten. Aufgrund beruflicher, familiärer oder sonstiger privater Verpflichtungen ist es ihnen oft nicht möglich, alle Präsenzveranstaltungen ihres Studienprogramms vor Ort auf dem Campus wahrzunehmen. Um diesen Studierenden dennoch die Teilhabe an Inhalten und Austausch zu ermöglichen, bietet die Professional School bereits viele Präsenzveranstaltungen in synchron hybrider Form an.

Ein mittlerweile bewährter Anwendungsfall hybrider Formate ist die Campus Week der internationalen Master-Onlinestudiengänge „Arts and Cultural Management“ (MACUMA) und „Governance and Human Rights“. Bei diesen international ausgerichteten Studiengängen kommt neben den genannten Verpflichtungen hinzu, dass viele Studierende im Ausland wohnen und zusätzlichen Reise- und Organisationsaufwand auf sich nehmen müssten, um nach Lüneburg zu kommen.

Zu den Herkunfts- und Aufenthaltsländern der Studierenden des Studiengangs MACUMA der Professional School (siehe Abb.1) gehören viele Staaten, aus denen eine Einreise nach Deutschland mit erheblichen Kosten sowie ggf. langwierigen Visafragen verbunden wäre. Darüber hinaus schont jede nicht angetretene Flugreise das Klima. All diese Aspekte sprechen in vielen Fällen für eine Online-Teilnahme in hybrider Form.

Die Abbildung zeigt eine Weltkarte, auf der ein Großteil der Staaten auf allen Kontinenten grün markiert ist.
Herkunftsländer der Studierenden des Studiengangs MACUMA in Grün

Gleichzeitig möchte die Professional School ihren Studierenden die Möglichkeit geben, sich einmal im Jahr während der Campus Week vor Ort in Präsenz zu sehen und sich persönlich zu vernetzen. Um diese beiden heterogenen Bedarfe in Übereinstimmung zu bringen, bietet sich eine hybride Durchführung der Campus Week an.

Die Campus Week der Professional School versammelt verschiedene Kohorten der beiden Studiengänge während einer Woche auf dem Campus der Leuphana Universität Lüneburg. Entsprechend breit gefächert und herausfordernd sind die Gegebenheiten während der Lehrveranstaltungen, die sich in Gruppengröße und Interaktionsgrad teils erheblich unterscheiden. Dafür wurden von unserem Projektteam verschiedene technische Settings entworfen, die jeweils für kleinere wie größere Gruppen anwendbar und durch die genutzte Mobiltechnik auch modular anpassbar sind.

Exemplarisch möchten wir zwei Setups vorstellen: zuerst für eine kleine Gruppe von 6-8 Studierenden vor Ort sowie anschließend für eine mittelgroße Gruppe von ca. 15-20 Studierenden vor Ort. Die Gruppengröße der jeweils online teilnehmenden Studierenden ist eher zweitrangig, da diese gemeinsam via Zoom auf Bildschirmen zu sehen sind und das technische Setup daher kaum beeinflussen.

Kleine Gruppe: Workshop Insel-Setting

Das Workshop-Setting besteht technisch aus einem Laptop, einer Meeting Owl (oder einer anderen 360°-Kamera, z.B. Kandao Meeting Pro) sowie zwei kleinen Zusatzmonitoren. Ziel dieses Settings ist es, die Gruppe vor Ort möglichst nah abzubilden sowie ein freies Sprechen ohne zusätzliche Mikrofone zu ermöglichen. Darüber hinaus sollen die Online-Teilnehmenden in der Mitte einer Tischinsel auf kleinen Monitoren zu sehen sein. Dies hat gegenüber einem separaten, großen Monitor den Vorteil, dass die Online-Teilnehmenden direkt angeschaut werden, wenn mit ihnen gesprochen wird.

Die Abbildung zeigt eine Grafik, auf das Seminarsetting schematisch skizziert wird: Die Tische sind rechteckig zu einer Insel angeordnet, die Studierenden sitzen um die Insel herum. In der Mitte findet sich eine Meeting Owl mit zwei Zusatzbildschirmen.

Skizze des Workshop-Settings mit Meeting Owl und Zusatzmonitoren

Die Abbildung zeigt die reale Umsetzung der Grafik: Eine Tischinsel mit Meeting Owl und Zusatzbildschirmen in der Mitte. Sechs Stühle stehen unbesetzt um die Insel herum. Im Hintergrund ist eine Videokonferenz auf einem Beamer zu sehen.

Aufbau im Vorfeld

Die Abbildung zeigt eine Tischinsel mit Meeting Owl und Zusatzbildschirmen in der Mitte. Auf den Zusatzbildschirmen sind online Zugeschaltete zu sehen. Fünf Studierende sitzen um die Insel herum. Am vorderen Ende der Insel sitzt ein Dozent. Im Hintergrund ist eine in Zoom geteilte Präsentation zu sehen.

Einsatz im Workshop

Die Abbildung zeigt eine Tischinsel mit Meeting Owl und Zusatzbildschirmen in der Mitte. Auf den Zusatzbildschirmen sind online Zugeschaltete zu sehen. Fünf Studierende sitzen um die Insel herum. Im Hintergrund ist der Dozierende online zugeschaltet auf dem Beamerbild zu sehen.

Das Setting lässt sich auch mit zugeschalteter Lehrperson und SHK-Unterstützung umsetzen

Die Abbildung zeigt den View der Online-Teilnehmenden über die Meeting Owl in den Präsenzraum. Der Dozent sowie zwei Studierende sind per Split-Screen groß in der Zoom-Kachel zu sehen.

Sicht der Online-Teilnehmenden über die Meeting Owl

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Da sowohl das Mikrofon als auch die Lautsprecher für den Seminarraum durch die Meeting Owl abgedeckt werden, ist keine zusätzliche Hybridtechnik nötig. Die Meeting Owl wird einfach über den Zusatzlaptop in Zoom ausgewählt. Dazu wird das Bild auf den beiden Zusatzmonitoren dupliziert, sodass alle Seiten der Tischinsel die Online-Teilnehmenden in Zoom sehen können. Die Präsentation wird auf dem Dozierenden-Laptop über den Beamer angezeigt und in Zoom geteilt, sodass sie auch online zu sehen ist.

Die in den Zoom-Raum übertragene Audioqualität ist bei der Meeting Owl im Vergleich zu dem im Raum vorinstallierten Richtmikrofon erheblich besser:

Tonbeispiel Richtmikrofon

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Tonbeispiel Meeting Owl

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Die deutlich verbesserte Tonqualität ist insbesondere für die Interaktion mit den Online-Teilnehmenden wichtig. Diese können sich erst ermutigt fühlen, an einer Diskussion teilzunehmen, wenn sie auch alle Wortbeiträge deutlich verstehen und sich darauf aufbauend selbst beteiligen können.

Da das Workshop-Setup ein unkompliziertes Setting ist, das mit wenig Aufwand in jedem Seminarraum mit Beamer- oder Displayanschluss umzusetzen ist, bietet es sich in vielen unterschiedlichen Kontexten mit bis zu 10-12 Teilnehmenden vor Ort an – so z.B. auch für Veranstaltungen außerhalb der Lehre wie Besprechungen auf Mitarbeitenden-Ebene oder Workshops/Schulungen.

Mittelgroße Gruppe: Seminar mit Tischreihen

Im Vergleich zum Workshop-Setup ist das Seminar-Setting für eine mittelgroße Gruppe vor Ort ausgelegt. Aufgrund der größeren räumlichen Dimensionen werden die vorab installierte PTZ-Raumkamera sowie die Raumlautsprecher in den Leuphana-Seminarräumen genutzt. Die mobilen technischen Bestandteile setzen sich aus einem Zusatzlaptop, einem mobilen Display mit angehefteter PTZ-Kamera sowie einem Catchbox-Wurfmikrofonsystem zusammen.

Die Abbildung zeigt eine Grafik, auf das Seminarsetting schematisch skizziert wird: Die Tische sind in Reihen angeordnet, vorne steht neben dem Beamer ein Zusatzbildschirm mit Kamera. Eine weitere Kamera ist rechts oben im Raum vorinstalliert. Zwei mobile Catchboxen liegen vorne bei der/dem Dozent:in sowie auf den Tischreihen der Studierenden.

Skizze des mittelgroßen Seminarsettings mit Zusatzmonitor und Catchbox

Die Abbildung zeigt die Skizze real umgesetzt. Eine Dozentin steht vorne und spricht zu vier Tischreihen mit Studierenden. Auf dem Zusatzbildschirm sind Online-Teilnehmende zu sehen. Im Hintergrund zeigt ein Beamer die Präsentation.

Das Setup in Aktion

Die Abbildung zeigt das Setting aus der Sicht einer hinteren Tischreihe. Wir sehen vorne zwei Dozent:innen mit der gelben Catchbox sowie rechts die Online-Teilnehmenden auf einem Monitor. Im Hintergrund ist eine Präsentation auf dem Beamer geteilt.

Ansicht auf das Setting von einer hinteren Tischreihe aus

Die Abbildung zeigt das Setting aus der Sicht einer hinteren Tischreihe von rechts. Wir sehen vorne einen Dozenten mit der gelben Catchbox sowie links die Online-Teilnehmenden auf einem Monitor. Im Hintergrund ist eine Präsentation auf einem Display geteilt.

Das Setting ist auch für eher frontale Lehrsituationen nutzbar

Die Abbildung zeigt den View der Online-Teilnehmenden über die beiden Kameras in den Präsenzraum mithilfe zweier Zoom-Kacheln. Rechts ist die Dozentin auf einem Stuhl sitzend groß abgebildet, links sind die Tischreihen mitsamt der Studierenden vor Ort zu sehen.

Online-View auf die Studierendengruppe vor Ort sowie rechts auf die Lehrperson

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Die größere Gruppe vor Ort wird nunmehr nicht mehr einzeln im Bild eingefangen, sondern wird über die Kamera auf dem Zusatzbildschirm in der Gruppe abgebildet (siehe Online-Ansicht). Der/die Dozierende wird dabei mit der vorinstallierten Raumkamera einzeln abgebildet und bleibt somit als Person mit großem Redeanteil bzw. als Moderator:in gut zu sehen.

Ebenfalls ist der/die Dozierende stets zu hören, da er/sie entweder mit einem Klippmikrofon oder einer eigenen Catchbox ausgestattet ist. Die Studierendengruppe teilt sich eine Catchbox und kann diese zur jeweils sprechenden Person herumreichen bzw. werfen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Studierenden möglichst nur mit einer Catchbox vor sich sprechen. Die bunte Box sorgt neben der Audioübertragung in den Zoom-Raum zusätzlich für Orientierung, da die jeweils sprechende Person im Seminarraum gut über die Kamera auffindbar bleibt.

Auch hier ist die in den Zoom-Raum übertragene Audioqualität mit der Catchbox im Vergleich zu dem im Raum vorinstallierten Richtmikrofon wesentlich besser:

Tonbeispiel Richtmikrofon

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Tonbeispiel Catchbox

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Fazit und Ausblick

Das Feedback auf die hybride Umsetzung der Campus Week war sowohl vonseiten der Studierenden als auch vonseiten der Dozierenden durchweg positiv. Die hohe Qualität der audiovisuellen Übertragung ließ die Hemmschwelle sinken, mit der jeweils anderen Online/vor Ort-Gruppe zu interagieren. Dadurch war eine nahezu gleichwertige Teilhabe an den Lehrveranstaltungen möglich.

Festzustellen ist jedoch auch, dass sich alle Beteiligten noch an diese Art der Lehre, die unterschiedliche Lebensrealitäten vereinigen kann, gewöhnen müssen. Der technische und organisatorische Aufwand ist vor allem bei den ersten hybrid durchgeführten Veranstaltungen nicht zu unterschätzen und müsste durch Routinen abgefedert werden. Diese Gewöhnungszeit fehlt zwar bei einer jährlichen Blockveranstaltungswoche wie der Campus Week – ist jedoch bei wöchentlichen Lehrveranstaltungen, die mit klareren organisatorischen und didaktischen Abläufen arbeiten, durchaus vorhanden. Daher liegt das enorme Potenzial der Hybridlehre tatsächlich nicht nur bei einzelnen Blockveranstaltungen oder kurzfristigen Hybridlösungen, sondern vor allem auch in der dauerhaften Verankerung von hybriden Settings im regulären Lehrbetrieb der grundständigen und weiterführenden Lehre.

Autor

Johann Mai (Leuphana Universität Lüneburg), hat Literatur- und Sprachwissenschaften in Heidelberg, Hamburg und Bordeaux studiert. Seit 2021 arbeitet er an der Weiterentwicklung von digitalen Lehr-Lerninnovationen mit Schwerpunkt Verbindung von Technik und Didaktik. Arbeits- und Interessensgebiete: Hybride Formate, Digitale Tools, Künstliche Intelligenz.

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