Warum es sich trotzdem lohnt – Hybride Lehre post-Corona

Warum es sich trotzdem lohnt – Hybride Lehre post-Corona

13.12.23

In der oberen Hälfte ist auf rosanem und türkisem Hintergrund zu sehen, wie eine Person an einem Laptop arbeitet. Titel des Blogbeitrags: "WARUM ES SICH TROTZDEM LOHNT. HYBRIDE LEHRE POST-CORONA". Untertitel: "Ein Gastbeitrag von Enrico Behne, Tilman-Fietz-Bockard, Andreas Günther, Samira Herb-Cless, Ann-Kristin Matthé, Carlotta Richter und Dr. Tobias Thelen". Logo rechts unten: Hochschulforum Digitalisierung.

Hybride Lehre hat sich während der Corona-Pandemie nicht nur als eine sinnvolle (Not-)Lösung etabliert, sondern bietet darüber hinaus viel Potential. So ist es möglich, mittels hybrider Szenarien die Internationalisierung von verschiedenen Studiengängen nachhaltig zu gestalten. Das DAAD-Förderprogramm „Internationale Programme Digital“ („IP Digital“) förderte im Zeitraum 2020 bis 2022 insgesamt 19 Digitalisierungsprojekte, die sich mit genau dieser Herausforderung beschäftigten. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche wertvollen Erfahrungen die Autor:innen aus dem zweijährigen Förderprogramm ziehen.

Erfahrungen aus internationalen Masterstudiengängen im DAAD-Förderprogramm IP Digital

Der enorme Digitalisierungsschub während der COVID-19-Pandemie hat es deutschen Hochschulen ermöglicht, internationale Studiengänge auch online erfolgreich umzusetzen. Mit dem Förderprogramm „Internationale Programme Digital“ („IP Digital“) des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) konnten im Zeitraum zwischen 2020 und 2022 aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 19 Digitalisierungsprojekte unterstützt werden. Ziel war es, vollständig aus der Ferne studierbare Masterstudiengänge zu etablieren und den Übergang von digitaler Ad hoc Lehre hin zu nachhaltiger digitaler Internationalisierung in Post-Corona-Zeiten zu gestalten. Hierzu wurden Studiengangkonzepte erprobt, in denen internationale Onlinestudierende und Präsenzstudierende in Deutschland synchron in hybriden Lehr- und Lernszenarien, d.h. zeitgleich und unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, zusammengebracht wurden. In den zwei Jahren Förderlaufzeit haben die Hochschule Flensburg, die Universität Leipzig, die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und die Universität Osnabrück wertvolle Erfahrungen gesammelt, welche sie nun mit der interessierten Hochschulcommunity teilen möchten.

Die Umsetzung von hybriden Szenarien gilt bereits in homogenen Studierendengruppen als Herausforderung. In den Projekten kam die Besonderheit erschwerend hinzu, Studierende in den Lehrbetrieb zu integrieren, die nicht mit den Gegebenheiten und Personen vor Ort vertraut sind. Die vier Hochschulen haben dazu abhängig von den individuellen Anforderungen sehr unterschiedliche technische Lösungsansätze entwickelt:

  1. Livestreaming von großen Veranstaltungen bietet sich aus Hörsälen an, die mit Vorlesungsaufzeichnungstechnik ausgestattet sind. Die Universitäten Osnabrück und Oldenburg verwenden hierzu die Open-Source-Lösung Opencast, die mit den Lernmanagementsystemen gekoppelt wird. In diesem Szenario gibt es keine Audio- und Videoübertragung für Rückfragen; die Interaktion mit den Onlineteilnehmenden erfolgt über einen parallelen Textchat.

  2. Wenn für die Durchführung von wiederkehrenden Studienangeboten vorwiegend derselbe Raum genutzt werden kann, bietet sich fest installierte Technik an, wie sie die Hochschule Flensburg für einen mittelgroßen Raum (ca. 40 Personen) und die Universität Leipzig für einen kleinen Raum (ca. 20 Personen) einsetzen. Wichtig sind die Tonübertragung (zentrales Deckenmikrofon oder mehrere Tischmikrofone), die Möglichkeit zur Erfassung der Situation im Raum inkl. etwaiger Tafelbilder (Kamera an der Rückwand oder Videokonferenzhardware) und die Sichtbarkeit der Onlinestudierenden über einen großen separaten Bildschirm. Für die Betreuung der Technik während der Veranstaltung hat sich die Unterstützung durch eine Hilfskraft bewährt.

  3. Für die Lehrenden zwar aufwendiger, qualitativ weniger hochwertig und interaktiv, dafür jedoch sehr viel flexibler, ist die Verwendung mobiler Technik für kleine bis mittelgroße Räume (ca. 20–50 Teilnehmende). Die Universität Oldenburg setzt z.B. einen interaktiven Touchscreen auf einem Rollständer mit einer Full-HD-PTZ-Kamera ein. Diese wird per Fernbedienung gesteuert und verfügt über eine Nachverfolgungsfunktion für die Lehrperson. Wortbeiträge der Studierenden werden über ein kostengünstiges und einfach handzuhabendes Wurfmikrofon-System eingefangen. Für den jeweils 20-minütigen Auf- und Abbau der mobilen Technik wird eine Person benötigt, die mit der Technik vertraut ist.

Diese Erfahrungen verdeutlichen bereits: „Hybride Lehre“ bedeutet sowohl für Lehrende als auch für die Servicestrukturen der Hochschulen erheblichen Mehraufwand. Hinzu kommen didaktische Herausforderungen für Lehrende, die Kursinhalte (Lernziele, Prüfungsformate, Feedback etc.) anpassen und zudem die Integration der internationalen Remote-Studierenden leisten sollen: Ein dreifach fremdes Setting (Technik + fremde Kultur + fremde Menschen) schafft bei Studierenden wie bei Lehrenden Hemmnisse.

Beispielhafte Darstellung einer hybriden Veranstaltung. Copyright: Universität Osnabrück

Eine solche Anpassung und Umsetzung in der Breite zu realisieren, konnte mithilfe von Personal- und Sachmitteln der Projektförderung erstmals erprobt werden. An der Universität Osnabrück ist so z. B. eine „Teaching Toolbox“ entstanden, die Lehrende bei der Reflektion zur Form, den Lernzielen, den Prüfungsformen und der sozialen Interaktion in der Lehrveranstaltung unterstützt (https://teaching-toolbox.uni-osnabrueck.de/).

Durch die epidemiologischen Maßnahmen und die vollständige Verlagerung der akademischen Studien- und Arbeitswelt in den virtuellen Raum, ergab sich zunächst die große Chance, Hochschullehre anders zu denken. Mit zunehmender Lockerung der Einschränkungen war jedoch ein sehr starker Drang der Lehrenden zurück zu reinen Präsenzformaten zu verzeichnen. Dem stand der Wunsch der Studierenden gegenüber, möglichst durchgängig zwischen Vor-Ort- und Onlineteilnahme wählen zu können. In internationalen Studiengängen profitieren Studierende außerdem besonders zu Studienbeginn von hybriden Formaten, da diese ihnen den regulären Start des Studiums auch bei verspäteter Einreise nach Deutschland z.B. aufgrund von Visumsproblemen ermöglichen. An den beteiligten Hochschulen hat dies oft den Ausschlag gegeben, dass Lehrende entgegen eigenen Befürchtungen den Spagat gewagt haben und hybride Lehre regelmäßig einsetzen.

Ein zentraler Aspekt, der für alle hier vorgestellten Projekterfahrungen von wesentlicher Bedeutung ist, betrifft die (aktive) Einbeziehung der Onlinestudierenden in die hybriden Lernsituationen. So gab es an allen Hochschulen von den Studierenden selbst organisierte Kommunikationskanäle (WhatsApp, Telegram, Signal, Facebook etc.). Auch die Hochschulen haben mit Angeboten von Study Buddies (Hochschule Flensburg), Mentoring-Teams oder informelleren Angeboten wie Online-Walk-In-Hours, Game Nights und zusätzlichen Reading-Clubs (Universität Osnabrück) zur sozialen Vernetzung der internationalen und Präsenz-Studierenden beigetragen. In den jeweiligen hybriden Lernsituationen wurden bevorzugt Gruppenarbeiten zur Einbindung der Onlinestudierenden genutzt und über entsprechende Konferenzplattformen mittels Breakout-Räumen organisiert. Wichtig ist es, der Situation angemessene und authentische Interaktionsformen zu finden.

Auf Hybridveranstaltungen vorbereitet zu sein, ist nicht nur von Vorteil bei internationalen Studiengängen. Sie bieten auch die Möglichkeit auf unvorhergesehene Situationen im Lehralltag reagieren zu können wie z.B. Einreisesperren im Kontext internationaler Krisen. Gleichermaßen stellen sie für die regulären Vor-Ort-Studierenden eine hochwillkommene Ergänzung dar und erweitern die Teilnahmemöglichkeiten am Lehrbetrieb stark. Insgesamt führt die Option zur Online-Teilnahme der Erfahrung nach nicht zu einer geringeren Anwesenheit vor Ort, weil die Studierenden die höhere soziale Interaktionsqualität in Präsenzformaten schätzen.

Hybride Lehre kann Studierende und Lehrende über Ortsgrenzen hinweg verbinden, benötigt aber gut ausgewählte und ausgewogene Instrumente. Die Situation der jeweiligen Hochschule, des jeweiligen Studiengangs und der jeweiligen Studierendenpopulation sollte bei der Gestaltung berücksichtigt werden. Die Erfahrungen aus den „IP Digital“-Projekten soll Mut machen, digitale Studienangebote zu entwickeln, und geben Anstoß für zukünftige Projekte.

 

Einen detaillierten Erfahrungsbericht und Ergebnisse aus den digitalen Förderprogrammen finden Sie auf der Website des DAAD.

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Ein Kommentar

  1. Zunächst einmal: Toler Artikel mit super Strukturierung, ließ sich total gut lesen!
    Zum Thema: Ich habe zwar „nur“ aus einem Bacehlorstudium zu berichten aber auch mir hat die digitale Lehre (bzw. die hybride Lehre) während der coronabedingten Auszeit der Präsenzlehre geholfen extrem viel Zeit, die ich vorher über mein Studium vertrödelt habe, wieder aufzuholen. Ich konnte mehr Kurse an einem Tag belegen, weil ich zuhause viel besser ausgeruht war und daher besser und länger aufnahmefähig war. Auch die Pausen konnte ich daheim besser zur Entspannung nutzen, weil ich nicht von einer Seite des Campus zur anderen rennen musste. Zusätzlich, wie hier im Text auch erwähnt, wurde ich zu mehr Kursen zugelassen, weil die Personenbeschränkungen von kleinen Seminarräumen nicht mehr vorhanden waren.

    Durch ein hybrides Angebot können potenziell auch Studenten ggf. wieder aktiv mit ins Boot geholt werden, die sonst ein Urlaubs- oder Krankheitssemester hätten anmelden müssen. Ich sehe also beinahe nur Vorteile. Wenn jetzt noch der Ausbau der Netze und digitalen Infrastruktur voran käme, würde ich noch optimistischer darauf blicken. 🙂