Open for all: Learning Management-Systems und OER in der Hochschullehre
Open for all: Learning Management-Systems und OER in der Hochschullehre
06.09.19Jede Hochschule nutzt sie, (nahezu) jede*r Lehrende und Studierende ist regelmäßig hier angemeldet: Learning-Management-Systeme (LMS). Im Rahmen der Initiative “University Network for Innovation in a Digital age” (Uni-D) haben wir im Juli einen Workshop zu Open-Source-LMS sowie Open Educational Ressources (OER) durchgeführt. In diesem Artikel berichten einige der Teilnehmer*innen über die Ergebnisse.
Der Workshop: LMS und OER gemeinsam denken
Kooperationen im Hochschulbereich gewinnen immer mehr an Bedeutung. Gerade vor dem Hintergrund neuer technologischer Entwicklungen und innovativer Ansätze wird es wichtiger, technische Angebote und Know-how hochschulübergreifend nutzbar zu machen. Im Netzwerk für die Hochschullehre des HFD angebotene Präsenz- und Online-Formate ermöglichen Lehrenden, Hochschulmitarbeitenden und Studierenden bereits viele Möglichkeiten zum Austausch und zur Zusammenarbeit.
Anknüpfend ans Netzwerk für die Hochschullehre bietet das Hochschulforum Digitalisierung mit der Initiative University Network for Innovation in a Digital age (UNI-D) seit Juli 2019 einen Rahmen, um gemeinsam mit relevanten Akteur*innen Lösungsansätze für konkrete länderübergreifende Herausforderungen zur Digitalisierung in Studium und Lehre zu entwickeln. Mit wechselnden Partnern wird hierzu eine Reihe von Praxis-Workshops zu unterschiedlichen Themen veranstaltet. Zur jeweiligen Schwerpunktsetzung werden Impulse aus der Community aufgegriffen und die Ergebnisse einer Umfrage zu netzwerkübergreifender Zusammenarbeit im Kontext digitaler Hochschulbildung bzw. Hochschuldidaktik analysiert, die im Rahmen des Forschungsprojekts „Bridging“ der TU Hamburg durchgeführt wird.
Eröffnet wurde die UNI-D-Veranstaltungsreihe am 12. Juli 2019 mit einem Workshop zur Förderung von Open-Source-LMS und der Analyse von Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit derzeit entstehenden OER-Portalen auf Länderebene. LMS werden an deutschen Hochschulen heute flächendeckend genutzt. Damit stehen die Plattformbetreibenden jeweils vor vergleichbaren Herausforderungen. Sie sehen sich zudem mit der Forderung konfrontiert, LMS mit entstehenden OER-Portalen zu verknüpfen.
Damit lag der Fokus des Workshops auf zwei spezifischen Themenbereichen. Zunächst wurde die Bedeutung der Vernetzung und des Austauschs innerhalb der Open-Source-LMS-Community diskutiert und Ansätze für die gemeinsame Gestaltung der digitalen Infrastruktur an deutschen Hochschulen erarbeitet. Parallel dazu wurden aus Perspektive verschiedener Landesinitiativen Erwartungen in Hinblick auf die Nutzung von LMS für die Entwicklung von OER-Portalen zusammengetragen.
Die Open-Source-LMS-Community braucht Vernetzung und Schnittstellen
ILIAS, Moodle und Stud.IP – das sind die Open-Source-Lern- und Bildungsplattformen, die zusammen an über 90 Prozent aller deutschen Hochschulen eingesetzt werden. Damit stellen sie einen tragenden Teil der offenen Bildungsinfrastruktur in Deutschland dar, die von ihren Communities in Eigenregie und meist ohne nennenswerte Förderung durch Politik und Bildungseinrichtungen weiterentwickelt werden.
Bislang hatten diese Communities untereinander wenig Berührungspunkte. Im Rahmen des Workshops trafen sich nun erstmals Vertreterinnen und Vertreter der Lernplattformen, um sich besser kennen zu lernen und auszutauschen. Die Überraschung am Ende des ersten Teils: Die Plattformen brauchen sich nicht als Konkurrenz zu begreifen, da ihre Ausrichtung jeweils unterschiedlich ist und jede Plattform einen anderen Bedarf abdeckt. Ebenso schnell stand fest: Die Wünsche für zukünftige politische und technische Entwicklungen weisen so viele Gemeinsamkeiten auf, dass die Plattformen gerne zusammenarbeiten wollen.
Ein wichtiges Thema ist dabei die Vernetzung und der offene Austausch von Lernmaterialien über Plattform-Grenzen hinweg. Zusammen skizzierte die Workshop-Gruppe eine Lernlandschaft der Zukunft, in der Anwender*innen im Mittelpunkt stehen, ohne von einer Plattform abhängig zu sein. Dabei waren alle Beteiligten aber auch einig, dass die Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Hochschulen, wie Datenschutz und Datensicherheit, Urheberrechtsfragen und Archivierungspflichten ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.
Learning-Management-Systeme und OER: Ein wichtiges Zusammenspiel
Ein zweiter Fokus des Workshops lag auf der Bedeutung von LMS für die Entwicklung und Nutzung von offenen Bildungsmaterialien (OER). So werden in verschiedenen Bundeslandinitiativen zu Digitalisierung in der Lehre zunehmend Vernetzungsmöglichkeiten von LMS für die Entwicklung und Verfügbarmachung von OER diskutiert, um Lehrenden den Schritt hin zur Entwicklung und Nutzung freier Bildungsmaterialien zu vereinfachen. Ganz konkret geht es hier um Infrastrukturfragen, bspw. inwieweit Lehr- und Lerninhalte in den existierenden LMS deutscher Hochschulen mit den entstehenden OER-Portale vernetzt werden können. Der Hintergrundgedanke: Lehrende könnten in den Systemen, die ihnen vertraut sind, offene Bildungsmaterialien direkt nutzen oder entwickeln, die dann – so eine mögliche Vision – unter freien Lizenzen anderen Lehrenden und Lernenden zur Verfügung gestellt werden können.
Im Rahmen des Workshops haben die Teilnehmenden zunächst die verschiedenen Landesinitiativen analysiert, die teils dezidiert die Nutzung von LMS im Rahmen der Entwicklung der OER-Landesportale berücksichtigen (oft im Sinne einer LMS-Repository-Verknüpfung). In diesem Zusammenhang identifizierten LMS-Akteure als auch OER-Erfahrene gemeinsam verschiedene Potenziale aber auch Hindernisse. Neben einer Infrastruktur, die bereits nah an der gewohnten Arbeitswelt der Lehrenden angesiedelt ist, weisen die bestehenden Learning-Management-Systeme auch eine hohe Flächendeckung in Deutschland und somit eine hohe Durchdringung der technischen Infrastruktur an deutschen Hochschulen auf. Ganz konkret bedeutet dies für OER: LMS sind Orte der Nachnutzung und potenziell auch Orte der Erstellung von Lehr- und Lernmaterialien.
Mögliche Hindernisse liegen insbesondere in den rechtlichen Rahmenbedingungen (Urheberrecht, Datenschutz) und der Formulierung gemeinsamer Standards (u.a. Metadaten-Standards, offene Austauschformate für interaktive Inhalte, Gradebooks für das Aufnehmen der Ergebnisse) als auch das Kreieren gemeinsamer Use-Cases und Zielstellungen. In Bezug auf einen möglichen OER-Metadatenstandard für den Hochschulbereich werden derzeit die Aktivitäten intensiv verstärkt.
Grundsätzlich gilt: Technisch ist fast alles umsetzbar (mit entsprechendem Entwicklungsaufwand). Nicht zuletzt steht hier aber die offene Frage im Raum, wie Lehren, Lernen und Prüfen unter Bedingungen der Digitalisierung überhaupt stattfinden sollte. Und zwar mit Bezug zur derzeitigen als auch zukünftigen Lehr/Lern-Infrastruktur. Wo lohnt es sich, Fördergeld und Energie zu investieren, welche Experimente sollten gewagt werden? Dies wasserfallartig vorzudefinieren erscheint eher aussichtslos. Nachhaltige Lösungen müssen deshalb von den jeweils technischen Entwicklungsständen an den Hochschulen ausgehen und Anwendungsgewonheiten von Nutzern berücksichtigen.
Von dieser Prämisse ausgehend setzt man in NRW auf einen dialogischen Ansatz: Über die Kooperationsgemeinschaft Digitale Hochschule NRW (DH.NRW) etablieren die Mitgliedshochschulen eine gemeinschaftliche Servicestruktur für die digitale Transformation, die u.a. ein verstärktes Teilen offener Lehr- und Lerninhalte über die Grenzen der Hochschulen hinweg vorsieht. Ziel eines Vorhabens ist es dort, ein kooperatives Content-Netzwerk für digitales Lehren und Lernen zu schaffen, das OER über eine gemeinsame Plattform zur Verfügung stellt. Die OER-Plattform wird dabei Bestandteil des “Online-Landesportals für Studium und Lehre” werden – ein weiteres Kooperationsvorhaben der DH.NRW. Mit einer aktuell ausgeschriebenen Förderlinie “OER-Content.nrw” fördern DH.NRW und NRW-Wissenschaftsministerium die Produktion von OER verbunden mit der ausdrücklichen Anforderung, dass produzierte digitalen Lehr-/Lernangebote mit verschiedenen Lern-Management-Systemen interoperabel sein müssen. Leichte Auffindbarkeit und Verfügbarkeit sind zentrale Argumente für die Verknüpfung von OER-Plattform und LMS.
Sowohl Baden-Württemberg als auch Hamburg haben mit unterschiedlichen, zentralen OER-Portal-Ansätzen bereits vorgelegt und ihre Erfahrungen mit den jeweils anderen OER-Initiativen geteilt. Die jeweiligen Landespolitiken unterstützten die länderübergreifende Verfügbarkeit der offenen Inhalte. Eine bundeslandübergreifende Vernetzung der Portale ist also zu erwarten.
Dies zeigt, dass die Verknüpfung von LMS und OER-Landesportalen einerseits ein technischer, vor allem aber ein sozialer Prozess ist. Dieser Prozess muss die Entwicklungsteams der LMS, OER-Landesportale sowie allen weiteren beteiligten Stakeholdern an den Hochschulen einschließen. Hierbei muss natürlich gelten: Offenes Denken, neue Experimente und flexible Infrastrukturansätze können in Synergie mit Weiterentwicklungen an Learning Management Systemen wichtige Impulse und Möglichkeitsräume für Studierende, OER-Erstellende sowie für Kooperation zwischen Lehrende schaffen. Mögliche Beispiele sind die Plattform der Hamburg Open Online University mit OER-Veröffentlichungsmöglichkeiten, die Gitlab-Ansätze an der TU Hamburg-Harburg oder fachkulturell-gewachsene Lösungen wie die Social-Learning-Umgebung KISDspaces oder der Virtual Linguistics Campus an der Universität Marburg. All dies gilt es im Kontext von OER zu explorieren.
Nur durch kooperative und kollaborative Prozesse kann ein Beitrag dazu geleistet werden, bestehende Infrastrukturen und Erfahrungswerte zu behalten und eine neue Struktur und Kultur einer freien und offenen Bildungsinfrastruktur hochschulübergreifend zu entwickeln, von der letztendlich Lehrende als auch Studierende der jeweiligen Hochschule profitieren.
Fazit: Es wurden Brücken gebaut
Am Ende des Workshops gingen die Vertreterinnen und Vertreter der Open-Source-LMS mit dem Gefühl auseinander, im Workshop Brücken geschlagen zu haben. Und zwar untereinander, aber auch zwischen den OER-Landesportalen und evtl. in Zukunft auch zwischen den lokalen Infrastrukturen der Hochschulen. Darauf wollen alle Beteiligten jetzt in mehreren gemeinsamen Arbeitsgruppen hinwirken.
Die Workshop-Dokumentation liegt hier.