Offene Bildungsressourcen (OER) an Hochschulen: Die Einführung eines Hochschulzertifikats als österreichischer Weg zur Sichtbarmachung von Kompetenzen und Aktivitäten

Offene Bildungsressourcen (OER) an Hochschulen: Die Einführung eines Hochschulzertifikats als österreichischer Weg zur Sichtbarmachung von Kompetenzen und Aktivitäten

01.08.24

Auch an österreichischen Hochschulen spielen offene Bildungsressourcen (OER) eine wichtige Rolle, um Wissen mit der Gesellschaft nachhaltig und zugänglich zu teilen. Die Sichtbarmachung von entsprechenden Kompetenzen und Aktivitäten erfolgt dort durch eine OER-Zertifizierung der Hochschulen. Wie dieses Zertifizierungsverfahren entwickelt wurde und welche Erfolge dabei bereits erzielt wurden, berichtet Sandra Schön in diesem Gastbeitrag.

Der Auftrag der UNESCO Empfehlung zu Offenen Bildungsressourcen des Jahres 2019 ist eindeutig: Nationen weltweit sind aufgerufen, systematisch die Aktivitäten zu Open Educational Resources (OER) zu unterstützen und auch zu monitoren. In Österreich hat man im Rahmen der Initiative „Open Education Austria Advanced“ nun Infrastrukturen ausgebaut und auch ein Zertifizierungsprogramm eingeführt. 

Beim österreichischen Universitätsprojekt „Open Education Austria Advanced“ wurde unter der Leitung der Universität Wien an den Universität Graz, der Universität Innsbruck sowie der Technischen Universität Graz systematisch die Infrastruktur zu offenen Bildungsressourcen seit Frühjahr 2020 nun vier Jahre lang erweitert: So wurden OER-Repositorien an den Universitäten aufgebaut bzw. überarbeitet und die dort veröffentlichten OER sind nun zentral im oerhub.at recherchierbar (Ebner et al., 2023). Ein Arbeitspaket des Projekts unter der Leitung der TU Graz in Kooperation mit dem Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) begleitete die Entwicklung und Einführung eines Zertifizierungsverfahrens für Hochschulen beim Verein Forum Neue Medien in der Lehre Austria (fnma). 

Offene Bildungsressourcen spielen für österreichische Hochschulen aus Perspektive der digitalen Bildung und der rechtssicheren Nutzung von Bildungsressourcen wie auch im Hinblick auf Open Science eine wichtige Rolle, um einerseits Wissen mit der Gesellschaft zugänglich und nachhaltig zu teilen und andererseits im Wettstreit um Fördermittel im Hinblick auf Wirkung und Nachhaltigkeit der Projektergebnisse erfolgreich zu sein.

OER-Aktivitäten an österreichischen Hochschulen durch eine OER-Zertifizierung zu fördern und sichtbar zu machen, wurde bereits 2017 in einem Whitepaper von fnma beschrieben (Ebner et al., 2017). Beim offiziellen Projektstart der Implementierung der OER-Zertifizierung beim Forum Neue Medien in der Lehre Austria wurde dennoch ab April 2020 zunächst gründlich recherchiert, welche ähnlichen Entwicklungen es bereits gibt (Schön et al., 2021). Parallel wurde mit Stakeholdern der österreichischen Hochschullandschaft diskutiert, ob die im Whitepaper genannten Kriterien hilfreich sind, um einerseits die „richtigen“ Aktivitäten zu fördern – also solche, die die Einführung von OER nachhaltig unterstützen – und andererseits auch ein transparentes, effizientes Verfahren zu gewährleisten. Gleichzeitig wurden auch entsprechende Verfahren und Prozesse entworfen – beispielsweise die Unterstützung eines internationalen Beirats, der für die Prüfung der Anträge und Konzepte von Hochschulen zuständig ist und in der Pilotphase die Implementierung auch kritisch begleitet. Bein der Entwicklung ist beispielsweise auch die Entscheidung getroffen worden, dass es keine zentral koordinierten Weiterbildungsangebote oder zentrale Kompetenzvalidierungen erfolgen sollen. Die entsprechenden Vorschriften und Anforderungen an Weiterbildungen an Hochschulen erschienen hier als grundsätzlich ausreichend, entsprechend prüft der Beirat nun die Weiterbildungskonzepte hinsichtlich konkreter Anforderungen der OER-Zertifizierung, beispielsweise der Adressierung des entwickelten OER-Kompetenzprofils. (Schön et al., 2023)

Ab 2022 startete dann die praktischen Umsetzung: Die Anmeldung für die Prüfung der einzelnen Kriterien für das Hochschulzertifikat „Certified OER Higher Education Institution“  stand zunächst Pilotpartner:innen, ab Herbst 2022 allen österreichischen Hochschulen offen. Nach Anmeldung zur Prüfung überprüft der unabhängige Beirat nun die Erfüllung der folgenden drei Kriterien, die jeweils einzeln geprüft und ggf. bescheinigt werden und auch über einen längeren Zeitraum hinweg schrittweise nachgewiesen werden können:

  • Die Hochschule verfügt über ein OER-Qualifizierungsangebot und bekennt sich öffentlich und strategisch zu offenen Bildungsressourcen (OER).
  • Die Hochschule bietet ein eigenes OER-Repositorium oder eine geeignete Verbundlösung in Kooperation mit anderen Hochschulen an, wo OER auffindbar veröffentlicht werden können.
  • Die Hochschule verfügt über eine definierte Anzahl von OER-zertifizierten Mitarbeiter:innen. Die Anzahl der notwendigen Mitarbeiter:innen mit dem Zertifikat richtet sich nach der Anzahl der Studierenden.

Welche Unterlagen für diese Prüfung vorzulegen sind und wie die Prüfung der Unterlagen durch einen unabhängigen internationalen Beirat erfolgt, ist ebenso wie alle ausgehändigten Bescheinigungen über erfolgreiche Prüfungen auf der Website www.OER-Zertifikat.at nachzulesen. Wenn österreichische Hochschulen dort einen Account anlegen, erhalten sie dort auch einen Überblick über alle ihre Anträge und Hochschulangehörige, die das Zertifikat bereits erhalten. 

Grundsätzlich steht es allen österreichischen Hochschulen offen, Weiterbildungskonzepte durch den Beirat akkreditieren zu lassen. Nach Nennung und Zustimmung der Teilnehmer:innen erhalten diese das Zertifikat „OER Practitioner | OER-Praktiker:in“. Auf diese Weise wurden bereits 11 Weiterbildungskonzepte akkreditiert, wobei an 4 Hochschulen auch externe Personen weitergebildet wurden.

Im Mai 2022 wurden die ersten Teilzertifikate für Hochschulen in den Räumlichkeiten des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung durch den OER-Beirat feierlich überreicht. Und kurz darauf stand fest, dass sich sowohl die Universität Graz als auch die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik als erste Hochschulen Österreichs „Certified OER Higher Education Institution“ nennen dürfen: Beide Hochschulen konnten dem unabhängigen internationalen Beirat eine adäquate OER-Policy, ein eigenes OER-Repositorium sowie eine ausreichende Zahl OER-kompetenter Mitarbeiter:innen nachweisen. 

Ende Juni 2024 haben bereits 172 Personen das fnma Zertifikat „OER Practitioner | OER-Praktiker:in“ erhalten. Die meisten davon sind Angehörige von 23 unterschiedlichen österreichischen Hochschulen, das Zertifikat haben aber auch schon einige Lehrer:innen und zwei Mitarbeitende einer ausländischen Hochschulen erhalten.

Abbildung: Gesamtzahl der ausgehändigten Personenzertifikate „OER Practitioner | OER-Praktiker:in“ von fnma in den ersten sieben Quartalen seit der Einführung Ende 2022.

Die Fortführung der erfolgreich eingeführten OER-Zertifizierung bei fnma ist durch eine Förderung durch das BMBWF bereits bis Ende 2025 gesichert und steht somit österreichischen Hochschulen und ihren Angehörigen weiterhin kostenfrei zur Verfügung. Mehrere laufende Weiterbildungen lassen einen weiteren, stetigen Zuwachs an Personenzertifikaten erwarten. Mehr Information zur Zertifizierung und die Zertifikatsträger:innen finden sich auf der Website www.oer-zertifikat.at.

  • Zur Website zur OER-Zertifizierung: https://OER-Zertifikat.at 
  • Zum Projektvorhaben der OER-Zertifizierung: https://www.fnma.at/projekte/eigene-projekte/aufbau-der-nationalen-oer-zertifizierungsstelle 
  • OER-Arbeitsgruppe der fnma: https://www.fnma.at/arbeitsgruppen/open-educational-resources 
  • Projekt „Open Education Austria Advanced”: https://www.openeducation.at/ 
  • Ebner, M., Ganguly, R., Gröblinger, O., Hackl, C., Handle-Pfeiffer, D., Kopp, M., Neuböck, K., Schmölz, A., Schön, S., & Zwiauer, C. (2023). Handlungsfelder und attraktive Lösungen für Open Educational Resources im österreichischen Hochschulraum: Ergebnisse aus dem Projekt Open Education Austria Advanced . Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 18, 181-198. https://doi.org/10.3217/zfhe-SH-HL/10
  • Ebner, M., Kopp, M., Hafner, R., Budroni, P., Buschbeck, V., Enkhbayar, A., Ferus, A., Freisleben-Teutscher, C. F., Gröblinger, O., Matt, I., Ofner, S., Schmitt, F., Schön, S., Seissl, M., Seitz, P., Skokan, E., Vogt, E., Waller, D. & Zwiauer, C. (2017). Konzept OER-Zertifizierung an österreichischen Hochschulen. Forum Neue Medien in der Lehre Austria. URL: https://fnma.at/content/download/991/3560 
  • Schön, S., Ebner, M., Berger, E., Brandhofer, G., Gröblinger, O., Jadin, T., Kopp, M., Steinbacher, H-P., & Zwiauer, C. (2021). OER Certification of Individuals and Organisations in Higher Education: Implementations Worldwide. Open Praxis, 13(3), pp. 264–278. DOI: https://doi.org/10.5944/openpraxis.13.3.265
  • Schön, S., Ebner, M., Berger, E., Brandhofer, G., Edelsbrunner, S.; Gröblinger, O., Hackl, C., Jadin, T., Kopp, M., Neuböck, K., Proinger, J., Schmölz, A., & Steinbacher, H.-P (2023). Development of an Austrian OER Certification for Higher Education Institutions and Their Employees. In: Otto, D., Scharnberg, G., Kerres, M., Zawacki-Richter, O. (eds) Distributed Learning Ecosystems . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38703-7_9

Autorin:

Profilbild von Sandra Schön

Sandra Schön (@sandra_schoen) ist Wissenschaftlerin bei Salzburg Research und ehrenamtlich in Projekten des gemeinnützigen Bildungsvereins  BIMS e.V aktiv.

Dossier offene Bildungsressourcen

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