New Work: Hype oder nachhaltiger Wandel? Ein Interview mit Prof. Dr. Arjan Kozica

New Work: Hype oder nachhaltiger Wandel? Ein Interview mit Prof. Dr. Arjan Kozica

17.06.25

Sharepic. Obere Hälfte: Zwei Grafiken vor hellblauem Hintergrund; 1. Grafik links: hinter einem Tisch, steht eine Person, zwei sitzen, über ihren Köpfen sind Sprechblasen und eine große Glühlampe, die aufleuchtet; 2. Grafik rechts: drei Personen halten große Puzzle-Stücke in den Händen und schauen sich dabei an. Untere Hälfte: Text: "Blog - New Work an Hochschulen - Hype oder nachhaltiger Wandel? Ein Interview mit Prof. Dr. Arjan Kozica" Unten rechts: Logo Hochschulforum Digitalisierung.

Was bedeutet New Work wirklich – und wie kann es in der komplexen Realität von Hochschulen gelebt werden? Prof. Dr. Arjan Kozica sieht in New Work mehr als ein kurzlebiges Schlagwort, sondern eine Einladung zur partizipativen Gestaltung von Arbeitswelten – auch und gerade an Hochschulen. Im Interview mit Anne Prill (HFD/CHE) spricht er über Experimentierräume, ein (neues) Führungsverständnis und darüber, warum Zusammenarbeit über Statusgrenzen hinweg der Schlüssel für echte Veränderung ist.

Herr Kozica, Sie forschen und lehren zum Thema New Work. Was fasziniert Sie daran und was sind Ihre bisherigen Forschungserkenntnisse?

Seit meinem Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr München bin ich fasziniert davon, wie wir uns in Organisationen koordinieren und zusammenarbeiten. Arbeit macht für die meisten von uns einen großen Teil unseres Lebens aus. Sie ist allein deshalb ein wichtiges Gestaltungsfeld. Außerdem muss Arbeit – aus organisatorischer Perspektive betrachtet – klar strukturiert und koordiniert werden. Nur weil ein Unternehmen Mitarbeiter:innen angestellt hat, wird es noch nicht produktiv. Vielmehr muss das Zusammenwirken gestaltet werden, und das folgt einer eigenen, einer organisationalen Logik. Zwischen der individuellen Perspektive einer guten und gerechten Arbeit sowie den Funktionserfordernissen der Organisation bewegt sich mein Denken. New Work als aktuelle Diskussion passt da genau rein und stellt die Frage, wie Arbeit gut und produktiv gestaltet werden kann. In diesem Kontext forschen wir, wie New-Work-Konzepte implementiert werden können. So haben wir durch Aktionsforschung einen Ansatz ausgearbeitet, wie mit Experimentierräumen New-Work-Ansätze umgesetzt werden können. 

New Work: Hype oder nachhaltiger Wandel?

Wie definieren Sie persönlich „New Work“? Sehen Sie es als vorübergehende Managementmode oder als tiefgreifende Veränderung in der Hochschullandschaft? ​

Mit New Work ist für mich die Hoffnung verbunden, Arbeitswelten demokratischer und gerechter zu gestalten. Als promovierter Unternehmensethiker ist mir diese Perspektive wichtig. Deswegen sehe ich es nicht als Manko an, dass New Work im Kern ein normatives Konzept ist – unter das sich viele positive Vorstellungen packen lassen, wie beispielsweise gemeinsam auf Augenhöhe zusammenarbeiten, orts- und zeitunabhängiges Arbeiten, Selbstbestimmung und Empowerment, Sinn in der Arbeit sowie eine Experimentier- und Lernkultur. Diese Themen sind “Dauerbrenner” und werden in Zukunft als normative Orientierungen relevant bleiben – auch für Hochschulen. Insofern ist das, wofür New Work steht, keine Managementmode. Der Begriff allerdings hat durchaus Züge einer Managementmode und wird sich abnutzen. In einigen Branchen vielleicht sogar recht schnell. Denn wenn sich (vorübergehend) der breite Fachkräftemangel abmildert hat, und die Verhandlungsmacht der Jobbewerber:innen sinkt, werden sich die durchsetzbaren Ansprüche der Bewerber:innen für ihre Arbeitsbedingungen ändern. Dann ist New Work plötzlich nicht mehr das Thema. Dort, wo es um Annehmlichkeiten geht (wie Massagen am Arbeitsplatz), finde ich das akzeptabel. Arbeit darf eine (vertretbare) Zumutung sein: Arbeitsplätze können nicht nur nach individuellen Bedürfnissen gestaltet werden; die Produktivität der Unternehmen beziehungsweise – an Hochschulen – die Leistungsfähigkeit sind ebenso wichtig. Gleichwohl gilt: Dort, wo Arbeit beispielsweise zu psychischen Belastungen führt, bleibt es für mich ein wichtiger Anspruch, New Work zu leben. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten!

Anschlussfähigkeit von Hochschulen an New Work

Inwiefern sind die Strukturen von Hochschulen anschlussfähig an New-Work-Prinzipien? Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie hierbei? ​

In vielerlei Hinsicht sind Hochschulen sehr anschlussfähig an Überlegungen von New Work, denn Hochschulen sind demokratisch verfasste Institutionen, in denen alle Statusgruppen (Professor:innen, Verwaltungsmitarbeitende, der akademische Mittelbau und die Studierenden) partizipativ mitgestalten und Entscheidungen treffen zumindest in zentralen Angelegenheiten wie der strategischen Ausrichtung oder Angelegenheiten der Lehre. Zudem werden an Hochschulen schon seit jeher Prinzipien von New Work gelebt: Scheitern und daraus Lernen ist normal (man denke an die vielen nicht geförderten Projektanträge und abgelehnten Paper) und orts- und zeitunabhängiges Arbeiten ist für das akademische Personal die Regel. Es gibt aber Herausforderungen: Die Statusunterschiede werden teilweise zelebriert, statt auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Und auch Machtmißbrauch durch Professor:innen ist leider immer wieder vorhanden. Die partizipativen Strukturen laden zu dysfunktionaler Mikropolitik ein, bei der die besten Strippenzieher:innen ihre Interessen durchsetzen. In Verwaltungsbereichen sind die Arbeitsbedingungen zudem meist viel “traditioneller” als für das akademische Personal, beispielsweise was das Thema Vertrauensarbeitszeit und mobiles Arbeiten angeht. Insofern gibt es noch viel zu tun.

Forschung vs. Verwaltung: Unterschiedliche Welten?

Wie unterscheiden sich Ihrer Meinung nach die Bereiche Forschung und Verwaltung in Bezug auf die Implementierung von New-Work-Praktiken?​

In Hochschulen existieren mit dem akademischen Bereich und dem Verwaltungsbereich mindestens zwei Bereiche, deren Arbeitswelten unterschiedlich gestaltet sind. Das ist teilweise erklärbar und durchaus funktional für die Organisation Hochschule. Forschende brauchen den Freiraum (inhaltlich, aber auch von der Ausgestaltung ihrer Arbeit her, wie beispielsweise. Arbeitszeit und -Ort). Hier gibt es für die Professor:innen mit der Freiheit der Forschung und Lehre ja sogar einen grundgesetzlich geschützten Bereich, der eben auch die Frage der Arbeitsgestaltung betrifft. Und dies kommt einigen Ansätzen von New Work sehr nahe. Zugleich müssen die Hochschulen sicherstellen, dass zum Beispiel administrative Prozesse umgesetzt und die Betreuung der Studierenden durch Studienbüros und Prüfungsämter gewährleistet wird. Hier gibt es geregelte Arbeitszeiten, weniger Flexibilität und Mitsprache. Damit unterscheidet es sich, wie New Work in den verschiedenen Bereichen implementiert werden kann. Ein Beispiel dazu: Während es bei der Verwaltung um mehr Freiheit geht (zeit-/ortsunabhängiges Arbeiten),  wäre die Stoßrichtung beim akademischen Personal eventuell, sich mehr auf Präsenz am Hochschulstandort/Campus einzustellen, um gemeinsam vor Ort an spannenden Projekten zu arbeiten. 

Zusammenarbeiten ist hierbei ein wichtiges Stichwort: Die zahlreichen Herausforderungen an Hochschulen wie die Umsetzung neuer Lehr-/Lernformate, inter- und transdisziplinäre Forschung, der agile Aufbau von neuen Studiengängen oder die Ausbildung von Sonderforschungsbereichen lassen sich nur gemeinsam mit unterschiedlichen Akteuren der Hochschule bewältigen. Verwaltungsbereiche und der akademische Bereich müssen damit zunehmend zusammen agieren, und nicht nebenher. Die Diskussionen um den “Third Space” – also die Mitarbeitenden, die in Forschung und Lehre eng eingebunden sind, aber eben nicht zum akademischen Personal gehören – verdeutlicht dies. Prinzipien des New Work wie Augenhöhe, gemeinsames Experimentieren, Scheitern und Lernen passen hier sehr gut als Orientierungspunkte für die Zusammenarbeit, auch wenn sich die Welten Forschung, Lehre und Verwaltung dadurch nicht grundsätzlich auflösen werden (auch weil sie eben organisational funktional sind, wie wir Organisationsentwickler:innen gerne sagen). Hier besteht ein relevantes Handlungsfeld für mehr New Work an Hochschulen! 

Statusgruppen und ihre Rolle im Wandel

Wie können die verschiedenen Statusgruppen innerhalb einer Hochschule (Professorenschaft, wissenschaftliche Mitarbeitende, Verwaltung, Studierende) in den Transformationsprozess zu New Work eingebunden werden?​

Viele innovative Ansätze und strategisch relevante Entwicklungen an Hochschulen können nur dann umgesetzt werden, wenn die verschiedenen Statusgruppen gemeinsam handeln. Trotz der unterschiedlichen Arbeitswelten und Lebensrealitäten der Professorenschaft, der akademischen Mitarbeitenden, der Verwaltungsangestellten und Beamten sowie der Studierenden gilt: Sie müssen in der Zusammenarbeit New Work leben.

Professor:innen sollten Verwaltungsmitarbeitende nicht herablassend behandeln. Und Verwaltungsmitarbeitende sollten ein Verständnis für die Nöte von Professor:innen haben, die sich nicht täglich mit Verwaltungsprozessen beschäftigen und sich mitunter schwer tun, sich auf diese einzulassen. Wenn sich beide Seiten in ihrer Unterschiedlichkeit anerkennen und ihre jeweiligen Machtkarten nicht ausspielen, gelingt eine konstruktive Zusammenarbeit. New Work muss hier also gemeinsam gelebt werden. Und damit auch partizipativ eingeführt werden. 

Wie das gelingt? Dafür gibt es kein Erfolgsrezept. Aber erprobte Ansätze. Einer davon ist es, die Energie auf strategische Initiativen zu legen, in denen New Work gelebt wird. Startet man beispielsweise eine Excellenzinitative, dann wäre dies eine tolle Gelegenheit, die dafür erforderlichen Kooperationen, Abstimmungen und Projekte unter das Paradigma “New Work” zu stellen. Und dann wäre strikt darauf zu achten, dass die Zusammenarbeit ohne Statusallüren funktioniert und alle Beteiligten einen gemeinsamen gesellschaftlich relevanten Purpose in der Initiative erkennen. So können Keimzellen in der Organisation entstehen, in denen Prinzipien des New Work gelebt werden. 

New Work und Studierende

Wie können Studierende von New-Work-Prinzipien profitieren? Gibt es Initiativen an Ihrer Hochschule, die darauf abzielen?

Innovative Lehr-/Lernkonzepte gehen davon aus, dass Studierenden nicht die simplen “Empfänger:innen” des vom Lehrenden gesendeten Wissens sind. Auch wenn die klassische Vorlesung (wenn gut gemacht) ihre Berechtigung behält: Ein Trend ist die transformative Lehre, bei der kollaborativ und gemeinsam von Studierenden, Lehrenden und Praxispartner:innen gemeinsam an Zukunftsherausforderungen gearbeitet wird. Solche Projekte zeigen, dass sich die Beziehungen untereinander verändern: Lehrende werden zu Lernbegleiter:innen und Prozessberater:innen, die eine hohe Rollenflexibilität brauchen, zum Beispiel wenn sie zwischen fachlichem Input und coachender Lernbegleitung wechseln. Damit kommen Fragen der Zusammenarbeit in den Blick:  Nehmen Professor:innen die Studierenden ernst? Können Studierende von der Fantasie Abstand nehmen, die Professor:innen müssten “alles” in ihrem Fachgebiet wissen? Haben beide Gruppen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit psychologischer Sicherheit und Empowerment? Das sind Fragen, die eben auch unter dem Stichwort New Work verhandelt werden. Insofern profitieren Studierende davon, wenn sich Hochschulen dem New-Work-Paradigma annähern und dieses in die Lehre ausstrahlt. 

New Work und Hochschulkultur

Inwieweit beeinflusst New Work die bestehende Hochschulkultur? Wo sehen Sie Synergien oder Grenzen?

Die Hochschulkulturen sind in meiner Wahrnehmung eine bemerkenswerte Mischung aus Innovationsorientierung, Neugier, Partizipation als Grundwert und positivem Gestaltungsdrang, aber eben auch Beharrungstendenzen, Rivalitäten, Statusdünkel und Missgunst. Sofern meine Beobachtungen zutreffen, bieten die bestehenden Kulturen damit sehr viele Ansatzpunkte, um New-Work-Prinzipien wie Experimentieren, Empowerment und demokratische Prinzipien breiter zu leben. Zugleich zeigen die Schattenseiten der Hochschulkulturen auf, dass es notwendig ist, sich stärker mit New Work an Hochschulen zu beschäftigen. New-Work-Initiativen stoßen dabei allerdings schnell an Grenzen, wenn sie nicht kultursensibel gestaltet und eingeführt werden. Selektive Ansätze – wie eine Richtlinie zum Thema mobilen Arbeiten zur Stärkung der Zeit- und Ortsautonomie der Beschäftigten – lassen sich dabei in den Hochschulstrukturen gut realisieren. Umfassendere – und nebulösere Ansätze – wie Empowerment und Augenhöhe lassen sich nicht direkt flächendeckend einführen. Hier braucht es kultursensible Maßnahmen, wie bspw. die erwähnten Keimzellen in der Organisation, in denen die avisierten Prinzipien des New Work gelebt werden. So können Gegenkulturen zu den vorherrschenden kulturellen Paradigmen etabliert und die kulturell gewünschten Ausprägungen der Zusammenarbeit gefördert werden.

New Leadership: Führung im Wandel

Wie verändert sich die Rolle von Führungskräften in Hochschulen im Kontext von New Work? Welche Kompetenzen sind besonders wichtig?​

Führungskräfte an Hochschulen führen sehr unterschiedlich – und mitunter auch gar nicht. Es gibt Bereiche an Hochschulen, in denen wissen Mitarbeitende nicht, wer eigentlich ihr:e Chef:in ist – sie arbeiten einfach vor sich hin, mal hier im Projekt, mal dort, und so richtig kümmert sich niemand um die Personalführung. Die Auswirkungen: Verträge werden unangemessen spät verlängert, und Entwicklungsgespräche gibt es nicht. Es kommt daher immer wieder vor, dass es in Forschungsgruppen, Lehrstühlen oder Fakultäten mehr (klassische) Führung bedarf. Damit meine ich, dass klare Entscheidungen zu Aufgabenverteilungen und Qualitätsstandards getroffen, mit den (akademischen) Mitarbeitenden Ziele vereinbart, Personalentwicklungsgespräche geführt und die Aufgaben im Team ordentlich verteilt werden. Und, dass sich jemand um die Konflikte kümmert, die unweigerlich entstehen. Dazu braucht es Führungskompetenzen, wie kommunikative Fähigkeiten, Konfliktlösungen und Kenntnis der grundlegenden Personalführungsinstrumente. Zudem und noch wichtiger als die spezifischen Kompetenzen: Es braucht ein klares Rollenverständnis der Führungskräfte und eine entwickelte Führungsidentität. Nicht wenige (offiziellen) Führungskräfte fühlen sich in ihrer Rolle nicht wohl und weichen der eigentlichen Führungsarbeit aus. In New-Work-Kontexten an Hochschulen verändert sich nun die Rolle der Führung: Die klassische Führung kann – je nach Kontext – beispielsweise verschoben werden in Richtung begleitender Führung von selbstorganisierten Forschungs- oder Studiengangsteams. Damit sollte ein “aufgeräumtes” und gut geklärtes Rollenverständnis der Führungskräfte einhergehen, und kein erneutes Ausweichen vor wichtigen Führungsaufgaben mit Verweis darauf, man “arbeite hier nach Prinzipien des New Work”.

Persönliche Erfahrungen mit New Work

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit New Work gemacht, sei es innerhalb oder außerhalb der Hochschule? Wie haben diese Ihre Sichtweise geprägt?​

New Work habe ich bereits im Studium kennengelernt. Seit dieser Zeit beschäftigen mich Haltungsfragen wie die konstruktivistische Perspektive auf die Welt, ein humanistisches Menschenbild, Experimentieren (um aus dem Scheitern zu lernen), sowie Dialog (um gemeinsam klüger zu werden). Das sind alles Themen, die im Kontext von New Work diskutiert werden.  Seit meinem Ruf an die Hochschule Reutlingen haben wir neun Experimentierräume für New Work in verschiedenen Organisationen begleitet und evaluiert. Was wir dort gesehen haben: Es braucht effektive Methoden, um New Work in der Praxis zu implementieren. Denn von “ganz alleine” ändern sich Organisationen meist nicht in diese Richtung.

Zukunftsausblick: New Work an der Hochschule Reutlingen

Welche konkreten Schritte plant die Hochschule Reutlingen, um Elemente von New Work zu integrieren? Welche Ziele verfolgen Sie dabei?​

Die Hochschule Reutlingen hat sich bislang noch nicht spezifisch mit dem Thema New Work beschäftigt, aber einige Entwicklungen in diese Richtung unternommen. Wir haben zum Beispiel eine Dienstvereinbarung für mobiles Arbeiten und uns an das Thema Kulturentwicklung angenähert. Im September 2025 wird sich das Präsidium unter neuer Präsidentin aufstellen. Es werden Themen anstehen, die die Zusammenarbeit betreffen. Ein New-Work-Prinzip ist es als Organisation, kollektive Lernstrukturen zu etablieren und sich immer wieder selbst zu erneuern. Und hier besteht Handlungsbedarf: Während es uns mit Blick auf strukturelle Reformen gut gelungen ist, uns zu erneuern – wir haben gerade aus strategischen Überlegungen heraus eine sechste Fakultät gegründet – braucht es jetzt ergänzend eine umfassendere Selbstreflexion, welchen gesellschaftlich relevanten Purpose wir verfolgen (Hochschulidentität) und wie wir als Hochschulangehörige miteinander arbeiten wollen, um den Purpose zu realisieren.

Eine letzte Frage

Welche Entwicklungen im Kontext von „New Work“ wünschen Sie sich persönlich für die Hochschulen?

Wenn ich mit einem Appell oder einer Wunschvorstellung enden darf, dann folgender: Hochschulen sind Laboratorien für gesellschaftliche Verhältnisse. Sie bilden durch ihre partizipativen Governancestrukturen die Möglichkeiten ab, demokratische Prinzipien zu leben. Das ist in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen und Polarisierungen eine wichtige Möglichkeit, um sich für Demokratie einzusetzen. Dazu gehören insbesondere die Studierenden, die sich an vielen Hochschulen nur bedingt partizipativ in den Strukturen einbringen, weil die Möglichkeiten fehlen, aber auch weil vorhandene Möglichkeiten durch die Studierenden nicht wahrgenommen werden. Zudem ist es für die demokratische Institution “Hochschule” wichtig, dass sich die Mitarbeitenden und Professor:innen einbringen – allerdings nicht durch dysfunktionale Mikropolitik und Interessensdurchsetzungen. Vielmehr sollen sie Teil einer deliberativen Hochschuldemokratie sein, in der um die besten Wege gerungen wird, Dialoge genutzt werden, um gemeinsam klüger zu werden und das Experimentieren neuer Ansätze und Ideen erlaubt ist. Auf diese Weise fühlen sich alle Hochschulangehörgen empowert, für einen gemeinsamen Purpose (der in der Hochschulidentität verankert ist) aktiv einzustehen. Was hat das nun mit New Work zu tun? Wenn man – wie ich es tue – bei New Work vor allem auch auf die demokratischen und teilhabeorientierten Bestandteile schaut, dann sehr viel. Denn unter dem Stichwort New Work diskutieren wir, wie wir in unseren Arbeitswelten zusammen(!)arbeiten. Dass Hochschulen New Work derzeit verstärkt diskutieren, freut mich daher sehr. 

Autor:

Prof. Dr. habil. Arjan Kozica ist Professor für Organisation und Leadership an der ESB Business School (Reutlingen), Privatdozent an der Universität der Bundeswehr München und Vizepräsident der Hochschule Reutlingen. Schwerpunkte seiner Forschung sind die Transformationen von Arbeitswelten und Organisationen. Als Redakteur der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung (ZOE) arbeitet er aktuell an einem Themenschwerpunkt zur Organisationsentwicklung an Hochschulen. Als Major der Reserve ist er zudem an der Führungsakademie der Bundeswehr in der Führungskräfteentwicklung aktiv.

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