Maschinenbaulehre 4.0 – Wie Podcasts und Co. die Lehre im Maschinenbau innovieren (können), und was es dazu braucht

Maschinenbaulehre 4.0 – Wie Podcasts und Co. die Lehre im Maschinenbau innovieren (können), und was es dazu braucht

03.02.23

Nachdem die erste Runde der Peer-to-Peer-Fachbereichsberatung sich im vergangenen Jahr mit der Betriebswirtschaftslehre auseinandergesetzt hatte, steht in der zweiten Runde das Fach Maschinenbau im Fokus. Das HFD begleitet die Fachbereiche Maschinenbau der TU Berlin und der Uni Bremen ein Jahr lang bei der intensiven Auseinandersetzung mit der strategischen, methodischen und inhaltlichen Weiterentwicklung von Studium und Lehre im Kontext der Digitalisierung.

Im Rahmen der Fachbereichsberatung finden Workshops statt, die nicht nur den ausgewählten Fachbereichen, sondern allen interessierten Lehrenden im Maschinenbau offenstehen. Am 17. Oktober nahmen 40 Personen am ersten Workshop teil, der sich mit digitalen Methoden in der Lehre im Maschinenbau beschäftigte. Neben einem Impulsvortrag von Tobias R. Ortelt von der TU Dortmund wurde in Kleingruppen diskutiert, wieso digitale Methoden wichtiger Bestandteil einer zukunftsfähigen Ausbildung im Maschinenbau sind und welche Methoden und Formate die Lehre im Maschinenbau bereichern können. Auch Chancen und Herausforderungen rund um digitale Methoden wurden besprochen. Natürlich gingen auch in diesem Workshop mit 40 Teilnehmenden die Meinungen hier und da auseinander. Eine Generalisierung der Erkenntnisse des Workshops für den gesamten Maschinenbau wagen wir deshalb nicht. Trotzdem möchten wir in diesem Beitrag drei Erkenntnisse aus dem Impulsvortrag und der anschließenden Diskussion vorstellen:  

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg

Zugegeben: Jede:r, der/die sich mit Digitalisierung in der Hochschullehre beschäftigt, würde hier ergänzen, dass es nicht den einen Weg, sondern eine Vielzahl möglicher Wege gibt, auf denen jeweils ganz eigene Hindernisse liegen. Die Sache mit dem Willen und dem Weg ist also nicht so einfach, wie es das Sprichwort suggeriert. Und trotzdem bleibt das Bestreben, digitale Methoden in der Lehre (auch nach den Corona-Semestern) einzubinden, eine essenzielle Voraussetzung, um den Studiengang ‘Maschinenbau’ zukunftsweisend zu gestalten. Alle Teilnehmer:innen des Workshops signalisierten uns diese Bereitschaft. Das gilt für diejenigen, die bereits erfolgreiche Erfahrungen mit einzelnen digitalen Lehrmethoden gemacht haben, aber eben auch für all jene, die zuvor vielleicht noch wenige Berührungspunkte zu digitalen Methoden hatten. Hierzu scheint auch der kollegiale Austausch über Lehrerfahrungen eine neue Dynamik angenommen zu haben, die weiter auszubauen ist. Abseits dieser positiven Grundhaltungen bleiben allerdings noch viele Fragen unbeantwortet. Es wird z.B. nach einer zielführenden Einbindung oder nach der ‘richtigen Balance’ zwischen digitalen und analogen Methoden gefragt. Immer im Fokus steht dabei die Frage nach dem Mehrwert und der Umsetzbarkeit. Das führt uns zur zweiten Erkenntnis.

Bitte drei einfach umzusetzende Ansätze, danke!

Während im Workshop anhand einiger Beispiele über eben diese Umsetzbarkeit digitaler Methoden diskutiert wurde, kam bei einigen Lehrenden der nachvollziehbare Wunsch nach einfachen, didaktisch und methodisch spannenden Ansätzen für die eigene Lehre auf, die unkompliziert in die eigenen Seminare und Vorlesungen eingebunden werden können. Der Haken an der Sache: Diese leichten Lösungen bekommt man selten präsentiert, und Copy and Paste ist in der Lehre oft nicht möglich. Lösungen, die zum eigenen Lehrstil, dem eigenen Seminar und den eigenen Lehrinhalten passen, muss man meist selbst erarbeiten oder zumindest anpassen. Folgende drei Gründe, die diese notwendigen Schritte in der Lehrgestaltung im Maschinenbau erschweren, konnten wir in unserer Diskussion aufdecken. 

Erstens werden zeitliche Ressourcen benötigt, die viele nicht in erforderlichem Maße haben. Beispielsweise beschränken verschiedenste Rollenüberschneidungen zwischen Lehre, Forschung und Gremienarbeit das Zeitkontingent für die Lehrgestaltung stark, wodurch die experimentelle Beschäftigung mit neuen Methoden in der Maschinenbaulehre oftmals nicht im gewünschten Maße verfolgt werden kann. Findet eine solche Beschäftigung trotzdem statt – so wurde in den Diskussionen deutlich – geschieht das meist durch Opferung der eigenen Freizeit. Wenn in so einem Fall die positive Rückmeldung der Studierenden auf sich warten lässt, ist nur verständlich, dass die Bereitschaft bei Lehrenden schnell sinkt. In diesem Sinne ein Hinweis an Studierende: Loben Sie Ihre Lehrenden gerne ab und zu, auch diese brauchen positives Feedback. 

Zweitens sind es nicht nur die Studierenden, die ihre Wertschätzung gegenüber Verbesserungen in der Lehre offener kundtun können. Eine viel größere Verantwortung haben hier die Hochschulen mit ihren vorhandenen oder (noch) nicht vorhandenen Anreizsystemen zur Förderung digitaler Transformationsprozesse in der Lehre. Erst wenn diese über ihren meist ‘symbolischen Charakter’ hinausgehen, aktivieren sie zielführendes Engagement in der Breite.  So weist der Verein Deutscher Ingenieure  (VDI) in der Studie ‘Ingenieurausbildung für die Digitale Transformation’ darauf hin, dass Motivations-/Anreizsysteme in der Maschinenbaulehre oft nicht mehr vermitteln als symbolische Wertschätzung (z. B. die Verleihung von Lehrpreisen), was nicht ausreiche, um “die notwendigen strukturellen Innovationen in der Lehre  […] in ausreichendem Maße” zu befördern (Gottburgsen et al. 2019: 31).

Drittens scheint die Akzeptanz für die Erprobung neuer Formate und Methoden tendenziell abzunehmen, denn während in den Corona-Semestern noch eine Art Experimentiermodus vorherrschte, der, begründet durch die pandemischen Umstände, von allen Hochschulakteur:innen toleriert wurde, weisen einige Aussagen aus der Diskussion darauf hin, dass die Experimentierfreude mit Rückkehr an den Campus sinkt. So scheint der (latente) Druck vorzuherrschen, jene ‘Lernerfolge’ bei den Studierenden reproduzieren zu müssen (vor allem sichtbar in Form summativer Prüfungsergebnisse), die vor Corona üblich waren, denn nun stehen theoretisch wieder alle Möglichkeiten zur Verfügung, die Lehre  ‘wie gewohnt’ zu praktizieren. Das stellt eine verlockende Sicherheit aufseiten der Lehrenden dar. Experimentieren bedeutet hingegen, dass vielleicht auch mal etwas nicht wie erwartet klappt. Die vermeintliche Sicherheit, die das Zurückfallen in alte Lehrgewohnheiten vermitteln mag, ist allerdings tückisch: Sie bremst die Entwicklung innovativer, (digitaler) Methoden aus, die das learning-outcome der Studierenden potenziell sogar verbessern könnten. Das wissen die Teilnehmer:innen unseres Workshops; und dennoch macht es verständlich, warum der Bedarf an leicht adaptierbaren und bereits bewährten Methoden in der digitalen Lehre so hoch ist. 

Präsenzlehre erweitern statt ersetzen

Wir erwähnen es immer wieder, denn die Unsicherheiten diesbezüglich sind beachtlich: Personen, die sich mit digitaler Lehre zu beschäftigen beginnen, verstehen Digitalisierung oftmals als Voll-Digitalisierung und versuchen in Diskussionen, eine Lanze für die Präsenzlehre zu brechen. Dass die Präsenzlehre ein unverzichtbarer Teil der Hochschulen ist, darüber herrscht weitestgehend Konsens. Mit Blick auf die digitale Transformation von Hochschulen sollte der Diskurs jedoch darüber hinausgehen: Neben der Frage, in welchen Bereichen eines Studiums Studierende durch Präsenzelemente den größten Nutzen erlangen, sollte parallel erkundet werden, in welchen Momenten digitale Elemente einen Mehrwert und eine Bereicherung der Präsenzlehre bedeuten. Das Ziel ist also nicht, die Präsenzlehre zu 100 % in den digitalen Raum zu kopieren. Vielmehr muss eine offene sowie konstruktive Auseinandersetzung erfolgen, die darauf abzielt, herauszufinden, wo digitale Methoden die Präsenzlehre ergänzen können und eine qualitativ hochwertige Weiterentwicklung der Lehre bedeuten, die Vorteile für Studierende und Lehrende bietet. Eine erfahrene Stimme aus der Praxis ist unter anderem der Referent des Workshops, Tobias R. Ortelt, der in seinem Vortrag genau darauf einging. Laut Herrn Ortelt können digitale Methoden wie z.B. Remote Labore und virtualisierte Labore zeit- und ortsunabhängig genutzt werden und einen ersten theoretischen und sicheren Umgang mit Laborausstattung trainieren, bevor später an “den echten” Maschinen gearbeitet wird. Remote Labore bieten eine hohe Wirtschaftlichkeit, gerade wenn es um Experimente mit teuren Materialien geht, die mit Mitteln der Hochschule in realen Laborszenarien unvorstellbar wären. Zudem ermöglicht eine quasi unbegrenzte Wiederholbarkeit den Studierenden ideale Voraussetzungen, um Theorie und Praxis zu verknüpfen und zu vergleichen, um so ein besseres Verständnis der Prozesse zu erlangen. Natürlich gilt, die Remote Labore nur als Ergänzung zu den unersetzbaren Laborerfahrungen im “real life” zu verstehen. 

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Darüber hinaus ist es wichtig zu betonen, dass mit digitalen Methoden im Maschinenbau eben nicht allein die teure Anschaffung von Remote Laboren impliziert ist (die meist nicht im Entscheidungsrahmen einzelner Lehrender liegt), sondern auch ‘niedrigschwellige’ Methoden von hoher Wirkung für die Lehre sein können. Lehrende können in ihrem eigenen Wirkungskreis damit beginnen, darüber nachzudenken, welche niedrigschwelligen Möglichkeiten wie z.B. Podcasts oder Lernvideos im Zusammenspiel mit dem Flipped Classroom in der eigenen Lehre einfach zu integrieren sind. 

Fazit: Dinge gemeinsam bewegen

Mit Rückblick auf den Workshop wird ein weiteres Mal deutlich, welch hohe Relevanz und Dringlichkeit der fachliche Austausch für Lehrende hat. Während der kollegiale und hochschulübergreifende Austausch über die Lehre im Maschinenbau nur vereinzelt ausgeprägt schien, nehmen wir gegenwärtig verstärkt wahr, dass Lehrende ihre Erfahrungen aus den Lehrveranstaltungen gerne teilen und sich dadurch gegenseitig bereichern. Dies muss weiter vorangetrieben werden, denn ein offener Umgang mit positiven sowie negativen Lehr- und Lernerfahrungen  erleichtert und beschleunigt eine zukunftsorientierte Transformation der Lehre im Maschinenbau  – muss das Rad doch nicht jedes Mal neu erfunden werden. 

Auch wenn Herangehensweisen und Ansätze für die Lehre mit digitalen Methoden oft nicht eins zu eins übernommen werden können, so stellen Workshopformate, wie der zu den ‘digitale Methoden in der Lehre im Maschinenbau’,  Plattformen dar, auf welchen neben vielen weiteren Fragezeichen auch einige Ideen und Lösungsansätze generiert werden können – und zwar über den Diskurs an den eigenen Hochschulen hinaus.  

Eine Möglichkeit, um der Nachfrage an Vernetzung und Best-Practice-Beispielen nachzukommen, sind die Erkenntnisse und Diskussionen der AG zur Digitalisierung in Fachbereichen, kurz DiF-Maschinenbau. Über ein Semester lang erarbeiten Expertinnen und Experten aus der Fachkultur und allen Hochschulebenen eine Handreichung, die einen Überblick über den Stand der Digitalisierung im Fach und Entwicklungspotenziale aufzeigen soll, einen niedrigschwelligen Einstieg in neue Lehre eröffnen möchte und gleichzeitig gelungene Beispiele, Projekte und Netzwerke vorstellt. Mit einer Veröffentlichung dieser Handreichung ist im Frühjahr 2023 zu rechnen. Flankiert wird die Handreichung durch Blogbeiträge und Impulsvorträge aus verschiedenen Fachperspektiven. Falls Sie Interesse an den vielfältigen Aktivitäten der Community haben empfehlen wir daher, den Blog des HFD im Auge zu behalten.

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3 Kommentare

  1. Laura Krone sagt:

    Wir wollen neue Maschinenbaukomponenten herstellen. Gut zu lesen, dass dies in der Industrie 4.0 sehr wichtig ist. Das müssen wir unbedingt ausprobieren.

  2. Mia sagt:

    Gibt es die Digitalisierung auch schon im Sondermaschinenbau? Ich suche momentan nach einem Service für Sondermaschinenbau. Hoffentlich erreiche ich die Firma per Mail.

  3. Laura Krone sagt:

    Mein Mann arbeitet in der Baugruppenfertigung. Interessant, dass es hier auch die Digitalisierung starken Einfluss hat. Das hat er noch nie erwähnt.