/imagine Gestaltungsmacht – Warum digitale Souveränität für Hochschulen zur Zukunftsfrage wird
/imagine Gestaltungsmacht – Warum digitale Souveränität für Hochschulen zur Zukunftsfrage wird
12.06.25
Digitale Werkzeuge sind heute Grundvoraussetzung für Bildung, Forschung und Verwaltung. Doch wer kontrolliert die Infrastruktur, auf der das Hochschulsystem basiert? Und wie groß ist die Abhängigkeit von großen Tech-Unternehmen, die ihre Macht immer unverblümter politisch nutzen? Beim University:Future Festival 2025 wurde deutlich: Digitale Souveränität ist keine technische Randfrage, sondern eine strategische Kernherausforderung für Hochschulen – nicht zuletzt im Kontext künstlicher Intelligenz.
Digitale Infrastrukturen als Machtfrage
In seinem Vortrag „Raus aus der Cloud: Digitale Souveränität mit Open Source“ zeigte Klaus Knopper, warum proprietäre Softwarelösungen langfristig in digitale Abhängigkeit führen – und wie Hochschulen mit Open-Source-Strategien wieder Kontrolle über ihre Infrastruktur gewinnen können. Anhand alltäglicher Anwendungen wie Videokonferenzen, Office-Tools oder Identitätsmanagementsystemen machte er deutlich, wie problematisch bestehende Cloud-Lösungen rechtlich, technisch und ethisch sein können – etwa durch Intransparenz, einseitige Lizenzbedingungen oder Zugriffe ausländischer Behörden auf Nutzerdaten. Open-Source-Software ermögliche nicht nur mehr Sicherheit und Resilienz, sondern auch rechtliche Konformität und langfristige Gestaltungsfreiheit.
Eine besonders eindringliche Analyse lieferte Markus Beckedahl mit seiner Keynote „Mehr Autonomie wagen – Warum digitale Souveränität jetzt wichtiger ist als je zuvor“. Seine These: Wer digitale Werkzeuge nicht mehr kontrolliert, verliert die Freiheit, Lehre und Forschung unabhängig zu gestalten. Beckedahl warnte vor einer neuen Welle digitaler Abhängigkeit – insbesondere durch KI, die von wenigen US-Konzernen dominiert wird. Der CLOUD Act und weitreichende Datenspeicherung durch Plattformanbieter seien reale Gefahren für die Wissenschaftsfreiheit. Souveränität bedeute nicht, alles selbst zu machen, sondern es tun zu können. Open-Source-Lösungen wie Nextcloud oder BigBlueButton seien Investitionen in Transparenz, Kontrolle und gemeinsame Ökosysteme. Sein Appell: „Der Weg ist lang, aber er beginnt vielleicht genau hier und genau jetzt. Insofern: Wagen Sie mehr Autonomie – für die Freiheit von Forschung, Lehre und für die Demokratie.“
Gestaltung statt Abhängigkeit: Wege zur digitalen Selbstbestimmung
Martin Wan plädierte in seiner Keynote „KI first, Bedenken second?“ für einen reflektierten, souveränen Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Hochschulen dürften Denkprozesse nicht unbesehen an Blackboxes auslagern. Digitale Souveränität bedeute, die Grenzen von KI zu verstehen, sinnvolle Einsatzfelder zu definieren und eigene Leitlinien zu entwickeln – nicht nur technisch, sondern auch ethisch, didaktisch und rechtlich. Grundlage seines Vortrags war das HFD-Arbeitspapier „Künstliche Intelligenz: Grundlagen für das Handeln in der Hochschullehre“. Es fordert: Hochschulen sollen strategiefähig bleiben, Deskilling vermeiden und digitale Mündigkeit fördern. Oder wie Wan formulierte: „Wer versteht, dass KI nicht versteht, kann die Gefahren besser erkennen.“
Eine pointierte Perspektive auf digitale Abhängigkeit lieferten Cornelis Kater und Christian Friedrich mit ihrer Session „/imagine The Fully Licensed University“. Ausgehend von einem satirischen Szenario – einer Hochschule, die vollständig durchlizenziert und kommerzialisiert ist – entwickelten sie eine Kritik an marktgetriebenen Infrastrukturen. Lock-in-Effekte, Intransparenz und der Verlust didaktischer Freiräume seien reale Gefahren. Als Gegenentwurf stellten sie das Open Source Development Network (OSDN) vor – ein Kooperationsprojekt für datenschutzkonforme, strategiefähige Plattformalternativen. Ihr Plädoyer: „Strategiefähigkeit bedeutet, dass eine Hochschule in der Lage ist, Optionen zu bewerten und sich für eine zu entscheiden.“
Strategien für mehr Eigenständigkeit im Hochschulalltag
Auch jenseits technischer Systeme stellt sich die Souveränitätsfrage – etwa bei der strategischen Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. In der Session „Digital und nachhaltig? Wie Hochschulen beides strategisch verbinden“ präsentierten Theresa Sommer (HFD) und Anna Gehlke (CHE Consult) eine explorative Studie. Sie zeigt: Viele Hochschulen versuchen zunehmend, beide Transformationsprozesse gemeinsam zu denken – etwa durch Green IT, nachhaltige Beschaffung oder KI-gestützte Emissionsanalysen. Doch Digitalisierung kann auch neue Zielkonflikte erzeugen – etwa durch steigenden Energieverbrauch. Die Studie betont: Dort, wo Digitalisierung an übergeordnete Werte gekoppelt ist, entstehen Räume für souveränes, reflektiertes Handeln. Entscheidend sei, diese integrierte Perspektive strukturell abzusichern – durch Governance, Ressourcen und eine fördernde Kultur.
Einen ähnlichen Gedanken griff die internationale Session „Strengthening the Impact of Centres of Teaching and Learning“ auf. Vertreter:innen aus Finnland, den Niederlanden und Deutschland zeigten, wie hochschuldidaktische Zentren (CTLs) durch strategische Zusammenarbeit und Wissenstransfer zu Schlüsselfiguren der digitalen Transformation werden. Netzwerke wie „Digivisio 2030“, NPuls oder UNIC helfen dabei, Qualitätsstandards zu entwickeln und digitale Bildungsangebote kontextsensibel weiterzuentwickeln. CTLs fungieren dabei als Brücken zwischen Strategie und Praxis – und stärken so die Fähigkeit von Hochschulen, digitale Bildungsprozesse aktiv und souverän zu gestalten.
Fazit: Digitale Souveränität ist eine gemeinsame Gestaltungsaufgabe
Das University:Future Festival 2025 hat gezeigt: Digitale Souveränität ist eine Zukunftsfrage – nicht nur für IT-Abteilungen, sondern für das gesamte Hochschulsystem. Sie entscheidet darüber, wie frei Lehre und Forschung gestaltet werden können, wie vertrauensvoll Datenverarbeitung gelingt und ob Hochschulen aktive Akteurinnen im digitalen Wandel bleiben. Souveränität braucht Ressourcen, Strategien und Allianzen – vor allem aber den politischen Willen, Gestaltungsräume nicht zu verlieren, bevor sie entstehen. Die digitale Hochschule der Zukunft entsteht nicht durch passives „Nutzer:innen-Sein“, sondern durch kritisches Verstehen, aktives Mitgestalten – und den Mut, eigene Wege zu gehen.