EU AI Act: Wie wird Deutschland KI-kompetent? Herausforderungen und Chancen für die Hochschullehre

EU AI Act: Wie wird Deutschland KI-kompetent? Herausforderungen und Chancen für die Hochschullehre

25.03.25

Mit dem AI Act hat die EU ein verbindliches Regelwerk für den Einsatz Künstlicher Intelligenz geschaffen – mit weitreichenden Folgen auch für Hochschulen. Ob in Lehre, Forschung oder Verwaltung: KI-Systeme müssen künftig Anforderungen genügen, die Sicherheit, Transparenz und ethische Standards gewährleisten sollen. Mike Bernd und Michael Kirchner vom KI-Campus erläutern in diesem Beitrag, welche konkreten Auswirkungen der AI Act auf den Hochschulalltag hat und welche Kompetenzen jetzt besonders gefragt sind.

Die KI-Verordnung (Englisch: AI Act) ist das von der Europäischen Union verabschiedete Gesetz zur Regulierung von KI-Systemen in Europa. Ziel des AI Acts ist die Einführung von menschenzentrierter und vertrauenswürdiger Künstlicher Intelligenz. KI-Systeme sollen sicher, transparent und ethisch eingesetzt werden. Auch Hochschulen sind davon in vielen Bereichen betroffen: Sie setzen KI in der Forschung und Lehre ein, nutzen es in administrativen Prozessen und treten als potenzielle Anbieter und Betreiber von KI-Systemen auf. 

Damit Hochschulen die Vorgaben des AI Acts erfüllen können, bedarf es auf verschiedenen Ebenen Rahmenbedingungen, die im Einklang damit stehen. Im Vordergrund stehen hierbei Aspekte wie die Regulierung genutzter KI-Systeme, eine Qualitätssicherung beim Einsatz von KI sowie eine Verpflichtung zur Transparenz im Sinne der Darlegung standardisierter Prozesse bei der Nutzung der Technologie. Nicht zu vergessen ist ferner der Auftrag der Entwicklung von KI-Kompetenzen bei Mitarbeitenden und Studierenden, worauf Artikel 4 in der Verordnung verweist. Dies steht im Einklang mit dem Positionspapier der Kultusministerkonferenz, in dem der Einsatz und die kritisch-reflektierte Auseinandersetzung mit KI ein zentraler Baustein des Hochschulstudiums bildet (vgl. KMK 2025: 6).  

Doch wie können Hochschulen in Deutschland diese Transformation systematisch angehen? Und welche konkreten Herausforderungen und Chancen ergeben sich für den Bereich der Hochschullehre? 

Bereich

Exemplarische Kernfragen

Lehre & Didaktik Wie integrieren Lehrende KI in Lehrveranstaltungen? Wie vermitteln sie ethische und rechtliche Aspekte von KI?
Studierende Welche Kompetenzen benötigen Studierende im Umgang mit KI? Wie wird die Nutzung von KI in Prüfungen reguliert?
Verwaltung Welche Standards gelten für den Einsatz von KI in Verwaltungsprozessen? Wie wird der Datenschutz sichergestellt?
Forschung Wann greift das Forschungsprivileg des AI Acts? Wie werden Dual-Use-Risiken bewertet?
IT-Infrastruktur Welche technischen Anforderungen gelten für den Betrieb von KI-Systemen? Wer überwacht deren Compliance? Wie gewährleistet man die Datensicherheit?

Es zeigt sich, dass die Anforderungen bei der Bereitstellung und Nutzung von KI ein übergreifendes Handeln in den Strukturen der Hochschulen erforderlich machen.  Insbesondere die Lehre erfordert ein aktives Mitwirken und die Zusammenarbeit von Mitarbeitenden aus vielen Bereichen. Denn Hochschulen stehen vor Herausforderungen auf zwei Ebenen:  KI-Kompetenzen zu vermitteln und gleichzeitig als Anbieter und Betreiber von KI-Systemen den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. 

Regulatorische Anforderungen und ihre Bedeutung für deinen Hochschulalltag

Der AI Act führt ein risikobasiertes Regulierungssystem ein: Je höher das Risiko eines KI-Systems, desto umfassender die Anforderungen.

Nehmen wir ein typisches Beispiel aus dem Hochschulalltag: Ein KI-System, das bei der Bewertung von Studienleistungen unterstützt, kann unter der Kategorie „hohes Risiko“ eingeordnet werden, da es sich um ein System handelt, welches im Bildungsbereich eingesetzt wird und Bewertungsprozesse potenziell direkt beeinflusst. Als Lehrender entsteht damit die Anforderung, die Grundprinzipien solcher Systeme zu verstehen und ihre Ergebnisse nachvollziehen zu können. 

Die Kultusministerkonferenz betont in ihrem aktuellen Positionspapier die strategische Bedeutung dieser Anforderungen: „KI-Expertinnen- und Expertenwissen – (KILiteracy) – der Lehrenden wird als Voraussetzung für die „nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung von KI-Kompetenzen der Studierenden“ betrachtet (vgl. KMK, 2025: 6).  

Konkret gibt Artikel 4 des AI Acts vor, dass Personal und andere Personen, die im Auftrag der Hochschule „mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind, über ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz verfügen.“ 

Dabei müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden: 

  • Technischen Kenntnisse und Erfahrungen 
  • Ausbildung und absolvierte Schulungen 
  • Der spezifische Kontext, in dem die KI-Systeme eingesetzt werden 
  • Die Zielgruppe, für die das KI-System bestimmt ist  

Darüber hinaus haben Hochschulen eine pädagogische Verantwortung, Studierende zum kritischen Umgang mit KI zu befähigen. Diese ergibt sich neben dem AI Act aus dem grundsätzlichen Bildungsauftrag, datenschutzrechtlichen Vorgaben und den Qualitätsstandards wissenschaftlichen Arbeitens. Viele Hochschulen reagieren darauf bereits mit systematischen Weiterbildungsangeboten. Beispiele wie die Richtlinien der Universität Jyväskylä zeigen, dass es nicht nur um Compliance geht, sondern auch um die Entwicklung zukunftsrelevanter Kompetenzen (vgl. Using AI-based applications in studies – JYU’s instructions and guidelines, n.d.).  

Die drei Dimensionen der KI-Kompetenz: Mehr als nur technisches Wissen

Der AI Act definiert drei Dimensionen der KI-Kompetenz in Artikel 3 als „die Fähigkeiten, Kenntnisse und das Verständnis, die es Anbietern, Betreibern und Betroffenen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Rechte und Pflichten ermöglichen, KI-Systeme sachkundig einzusetzen sowie sich der Chancen und Risiken von KI und möglicher Schäden, die sie verursachen kann, bewusst zu werden.“ 

In der Praxis lässt sich diese Definition in drei zentrale Dimensionen aufteilen (vgl. Laupichler et al. 2023): 

1. Grundverständnis von KI

Die Auseinandersetzung mit KI lässt sich im Kontext des Kompetenzerwerbs mit dem Erlernen einer neuen Fachsprache vergleichen, deren grundlegendes Vokabular zunächst angeeignet werden muss. Dieses umfasst das Verständnis elementarer Konzepte wie maschinelles Lernen, die grundlegende Funktionsweise neuronaler Netze oder Bias in KI-Systemen. Das klingt zunächst komplex, ist aber vergleichbar mit dem Erlernen der Grundbegriffe deines Fachgebiets. An vielen Hochschulen entstehen bereits niedrigschwellige Einführungsangebote, die Basiswissen vermitteln. Der KI-Campus bietet mit KI für alle in diesem Bereich ein offenes und kostenfreies Lernangebot an, welches von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entwickelt wurde und welches an weiteren Hochschulen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung genutzt wird.  

2. Kritische Einordnung von KI

Diese Dimension geht über das reine Faktenwissen hinaus. Sie soll dazu befähigen, KI-Systeme und ihre Ausgaben kritisch zu hinterfragen. Wie verlässlich sind die Ergebnisse? Welche ethischen Fragen wirft der Einsatz auf? Das CRAFT-Framework (Liu et al., 2025) bietet hier eine hilfreiche Struktur: 

  • Culture: Wie passt KI in die akademische Kultur? 
  • Rules: Welche Regeln und Richtlinien müssen beachten werden? 
  • Access: Wie wird ein fairer Zugang zu KI-Tools sichergestellt? 
  • Familiarity: Wie werden routinierte Handlungskompetenzen entwickelt? 
  • Trust: Wie wird Vertrauen im Umgang mit KI aufgebaut? 

Diese Struktur als mögliche Orientierungshilfe kann bspw. durch den „Critical AI Literacy Framework“ (Hauck et al. 2025) um zentrale sozio-technische Komponenten ergänzt werden. Von besonderer Relevanz ist dabei die systematische Integration einer EDIA-Perspektive (Equality, Diversity, Inclusion, Accessibility), die potenzielle Bias-Effekte und Zugangshürden analytisch adressiert. Diese Erweiterung korrespondiert mit der Position der KMK, die eine breite Verankerung ethischer Prinzipien als Grundlage der KI-Nutzung fordert (vgl. KMK 2025: 6). Das Framework operationalisiert diesen Anspruch durch die Definition spezifischer Kompetenzfelder wie „AI concepts and applications“, „Learning and teaching with AI“ sowie „AI in society“. Diese werden jeweils durch konkrete Lernziele und Praxisbeispiele unterfüttert, wodurch eine systematische Integration von KI-Literacy in hochschulische Bildungsprozesse bei gleichzeitiger Berücksichtigung fachkultureller Spezifika ermöglicht wird. Diese mehrdimensionale Konzeption kritischer KI-Kompetenz kann damit als Grundlage für die reflektierte Implementierung von KI-Systemen im akademischen Kontext herangezogen werden.  

3. Praktische Anwendung von KI

Hier geht es um den konkreten Einsatz von KI-Tools im jeweiligen Fachgebiet. Bereits in der Breite vieler Fachdisziplinen nutzen Lehrende und Studierende generative KI zu verschiedensten Zwecken. Sie unterstützt beispielsweise bei Recherchen, der Erstellung von Texten und Präsentationen, der Vorbereitung und Planung von Lehrveranstaltungen und auch bei der Entwicklung und Korrektur von Prüfungen. In Bereichen wie der Medizin wird erprobt, wie sie bei der diagnostischen Entscheidungsfindung unterstützen können, die Rechtswissenschaften explorieren die Einschätzungsfähigkeit bei Urteilen und in der Ethik nutzt man sie zur Entwicklung und Bewertung ethischer Dilemmas. Daher müssen Möglichkeiten, Grenzen und Herausforderungen wie Datenverzerrungen (Data Bias), Halluzinieren und eine intransparente Entscheidungsfindung (Black-Box-KI) der jeweiligen KI-Modelle durch die Nutzenden kompetent eingeschätzt werden können. 

Es ist im Bildungsangebot somit ein handlungsorientierter Ansatz erforderlich, bei dem die Nutzungsszenarien von KI an der Hochschule bekannt sein müssen, um eine adäquate Praxisorientierung zu schaffen. Für gängige Anwendungen wie Perplexity, ChatGPT und Co. bietet der KI-Campus mit dem Prompt-Labor 2.0  einen Online-Kurs, der Lehrende für die Nutzung von generativer KI fit macht. Flankierende virtuelle Austauschformate von KI-Campus und Hochschulforum Digitalisierung bieten zudem die Möglichkeit, eigene Erfahrungen im Umgang mit den Anwendungen zu teilen. 

Strukturelle Voraussetzungen: Wo der Hochschulbereich ansetzen kann

Um die Entwicklung von KI-Kompetenzen und -Expertisen dauerhaft und nachhaltig an der Hochschule aufzubauen, ist neben der Bereitstellung eines umfangreichen und fachspezifischen Bildungsangebots auch der Aufbau eines KI-Ökosystems notwendig, das u.a. auch am AI Act ausgerichtet sein sollte. Der Innoversity-Leitfaden zur nachhaltigen Gestaltung von Lehrinnovationen betont: Eine erfolgreiche Transformation erfordert eine „offene Lehr- und Innovationskultur“ sowie konkrete „Unterstützungsstrukturen“ (Oevel et al. 2018). Im Folgenden einige Eckpunkte: 

Eine strategische KI-Governance aufbauen

Hochschulen müssen ein systematisches Innovationsmanagement für KI etablieren, das sowohl Top-Down- als auch Bottom-Up-Prozesse berücksichtigt. Wie der Innoversity-Leitfaden betont, ist gerade „die Verknüpfung von Top-Down- und Bottom-Up-Ansätzen entscheidend für den nachhaltigen Erfolg“ (Oevel et al. 2018: 10). Dies ermöglicht es, zentral gesteuerte Themen und Projekte zu verfolgen und gleichzeitig innovative Projekte aus der Basis sichtbar zu machen. 

Technische Infrastruktur bereitstellen

Die KMK (2025) fordert in ihrem Positionspapier „einen bundesweit sicheren und komfortablen Zugang zu generativer KI für Studierende, Lehrende und Forschende„. Dies erfordert:  

  • Bereitstellung datenschutzkonformer KI-Tools  
  • Aufbau sicherer Testumgebungen  
  • Integration in bestehende Lernmanagementsysteme 

Ein Beispiel für eine übergreifende Bereitstellung dieser Art ist das bwGPT, vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert wird. bwGPT ermöglicht es Hochschulangehörigen, über eine benutzerfreundliche Chat-Oberfläche kostenlos und direkt mit dem Hochschulaccount auf ein leistungsstarkes Sprachmodell von OpenAI (ChatGPT-4o) oder verschiedene Open-Source-Modelle von der „Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen“ (GWDG) zuzugreifen. Hierbei werden keine Informationen über einzelne Nutzende weitergegeben, sodass nicht festgestellt werden kann, welche Person eine bestimmte Anfrage gestellt hat.  

Support Strukturen (weiter-)entwickeln

Kontinuierlicher Support ist essenziell für Lehrende und Verwaltung: 

  • Technische Beratung (z.B. durch Rechenzentren) 
  • Didaktische Beratung für den KI-Einsatz in der Lehre  
  • Rechtliche Beratung zu bspw. Datenschutz, AI Act, Prüfungen 

Qualitätssicherung etablieren

Der AI Act verlangt nicht nur den Aufbau von Kompetenzen, sondern auch deren Nachweis. Hochschulen sollten daher: 

  • Klare Qualitätsstandards für den KI-Einsatz definieren 
  • Dokumentationssysteme für KI-Kompetenzen aufbauen 
  • Regelmäßige Evaluationen durchführen 

Ressourcen bereitstellen

Die Entwicklung von KI-Kompetenzen erfordert zeitliche und monetäre Ressourcen. Die KMK (2025) empfiehlt daher, im Rahmen der vom BMBF ausgerufenen KI-Kompetenzoffensive die Bereiche Studium und Lehre einzuschließen und „die zentralen Handlungsbedarfe durch länderübergreifende Abstimmung adäquat zu adressieren.“ (KMK 2025: 6) 

Besonders wichtig ist dabei: Die Strukturen müssen nachhaltig angelegt werden. Der Innoversity-Leitfaden warnt ausdrücklich davor, Innovationen nur in „begrenzten Nutzungs- und Anwendungsrahmen“ zu belassen oder nach einer Projektphase „wieder verschwinden“ zu lassen (Oevel et al. 2018: 2). 

Von der Theorie in die Praxis: So wird deine Hochschule zur lernenden KI-Organisation

Die Umsetzung des AI-Acts mag auf den ersten Blick wie eine gewaltige Aufgabe erscheinen. Doch gerade, weil KI eine so dynamische Technologie ist, braucht es einen systematischen Ansatz, der über einzelne Schulungsmaßnahmen hinausgeht. Um einen solchen systematischen Ansatz zu entwickeln, müssen Hochschulen selbst zu lernende Organisationen werden und „Formen finden, wie sie neues Wissen für die Bewältigung neuer Anforderungen über die Grenzen ihrer formalen Verwaltungsstrukturen hinaus generieren und für ihre Mitarbeitenden nutzbar machen“ (Fuhrmann et al. 2020a: 215). Der Erfolg hängt weniger von einzelnen Förderprogrammen oder technischen Lösungen ab, sondern vielmehr von einem systematischen Change-Management. Kerres (2018) verweist darauf, dass selbst hohe Mittelzuwendungen allein nicht zum erhofften Durchbruch führen, wenn die Implementation nicht strategisch verankert wird. 

Für die KI-Transformation lässt sich aus den Erfahrungen der Digitalisierung an Hochschulen lernen. Das sechsstufige Phasenmodell des Innoversity-Leitfadens wurde daher für den Kontext der KI-Kompetenzentwicklung zu vier Kernphasen verdichtet, die die besonderen Herausforderungen des AI-Acts adressieren: 

Phase 1: Bestandsaufnahme und Vision entwickeln

Ausgangspunkt stellt eine Ist-Stand Analyse der aktuellen Situation an der jeweiligen Hochschule dar. In diesem Kontext können zwei wichtige Gruppen von Innovatoren unterschieden werden. Die „First Wave“ ist durch Neugier und einen spielerischen Zugang motiviert (vgl. Kerres 2018). Sie schafft wichtige Leuchtturmprojekte, tendiert aber dazu, sich schnell neuen Themen zuzuwenden. Die „Second Wave“ orientiert sich stärker am konkreten Nutzen und sucht den Austausch. Für eine erfolgreiche KI-Transformation braucht es beide Gruppen. 

Eine systematische Analyse des Ist-Standes kann sich dabei auf u.a. an folgenden Fragestellungen orientieren: 

  • Welche KI-Systeme sind bereits im Einsatz und wer sind die Pioniere/Promotoren? 
  • Wo stehen die verschiedenen Akteure in Bezug auf ihre KI-Kompetenzen? 
  • Welche informellen Lernstrukturen existieren bereits? 

Phase 2: Communities of Practice aufbauen

Die Erfahrung mit Innovationen und Projekten im Kontext der Digitalisierung des Hochschulbereichs zeigen: Reine Top-down oder Bottum-up-Strategien greifen oftmals zu kurz. Kerres (2018) empfiehlt daher eine pragmatische Position, die beide Ansätze verbindet. Communities of Practice (CoP) bieten dafür einen idealen Rahmen. Sie verbinden die Experimentierfreude der sogenannten „First Wave“ mit dem Bedarf nach Austausch der „Second Wave“.  

Eine CoP im Bereich „KI-Kompetenz“ könnte bestehen aus: 

  • Lehrenden verschiedener Fachbereiche, die KI in ihrer Lehre einsetzen  
  • Mitarbeitenden aus Rechenzentrum und E-Learning-Support 
  • Interessierten Studierenden  
  • Verwaltungsmitarbeitenden, die KI-Tools nutzen 

Die praktische Umsetzung der CoP-Methode zeigt sich bundesweit bereits in vielversprechenden Ansätzen. Ein Beispiel ist die Community of Practice „KI in der Hochschullehre nutzen“ der FernUniversität Hagen. In Kooperation mit dem KI-Campus hat die FernUniversität seit 2021 dieses Format systematisch entwickelt und stetig ausgebaut, um den Wissenstransfer zu KI in der Hochschulbildung zu stärken. Die CoP organisiert sich in sogenannten „Open Think Tanks“ (OTT) – offenen Austauschformaten, die wie Zukunftswerkstätten funktionieren. Hier werden praxisnahe Fragestellungen zu KI diskutiert und innovative didaktische, ethische und technische Ansätze entwickelt, erprobt und reflektiert. 

Was diese CoP besonders wertvoll macht, ist ihre Offenheit für alle Interessierten, um einen interdisziplinären Austausch zu fördern. In regelmäßigen virtuellen Treffen, die einen niedrigschwelligen Einstieg ermöglichen, werden Erkenntnisse systematisch dokumentiert und in die Hochschulen zurückgespielt. Diese Form des strukturierten, aber offenen Austauschs stellt sicher, dass sowohl Bottom-up-Impulse aus der Praxis als auch strategische Top-down-Perspektiven gleichermaßen berücksichtigt werden. 

Phase 3: Systematischen Kompetenzaufbau gestalten

Wie die KMK (2025) betont, braucht es eine „verstärkte Zusammenarbeit der zahlreichen Initiativen„. Besonders wertvoll für die Zusammenarbeit verschiedener Initiativen sind bereits bestehende Open Educational Resources (OER). Diese frei zugänglichen und nachnutzbaren Bildungsmaterialien ermöglichen es Hochschulen, auf vorhandene Expertise aufzubauen und Synergien zu nutzen. Plattformen wie der KI-Campus stellen beispielsweise qualitätsgesicherte Lernressourcen zur KI-Kompetenzentwicklung bereit, die von allen Hochschulen genutzt und an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden können. Durch die offene Lizenzierung dieser Materialien wird nicht nur Doppelarbeit vermieden, sondern auch ein gemeinsamer Wissensfundus geschaffen, der kontinuierlich weiterentwickelt werden kann. Dies ist besonders wichtig, da die Dynamik der KI-Entwicklung eine ständige Aktualisierung der Lehrmaterialien erfordert – eine Aufgabe, die durch verteilte Expertise und geteilte Ressourcen besser zu bewältigen ist. 

Mit Blick auf den systematischen Kompetenzaufbau bedeutet dies konkret: 

  1. Entwicklung von gestaffelten Weiterbildungsangeboten für einen progressiven Kompetenzaufbau: 
  • Grundlagenmodule für alle Hochschulangehörigen 
  • Vertiefungsmodule für spezifische Anwendungsbereiche 
  • Expertenmodule für Entscheidungsträger, Forschung usw. 

  2. Vielfältigkeit an Lernformaten und Ressourcen nutzen: 

  • Online-Selbstlernkurse für Grundlagen 
  • Präsenzworkshops für praktische Übungen 
  • Peer-Learning in (hochschulübergreifenden) Fach-Communities 

Phase 4: Kulturwandel verankern

Die nachhaltige Integration von KI-Kompetenzen erfordert einen tiefgreifenden Kulturwandel. Kerres (2018) warnt davor, sich zu sehr auf den Projektcharakter von Innovationen zu fokussieren. Stattdessen sollte die KI-Transformation als Daueraufgabe begriffen werden, die in der Strategie der Hochschule verankert ist.  

Ein systematischer Kulturwandel erfordert dabei Maßnahmen auf mehreren Ebenen: 

1. Lehr- und Prüfungskultur anpassen 

Wie Salden et al. (2023) aufzeigen, reicht es nicht aus, KI-Tools einfach zu verbieten oder zuzulassen. Stattdessen braucht es eine grundlegende Neuausrichtung der Lehr- und Prüfungskultur: 

  • Integration von KI-Literacy in Curricula: Wie weiter oben im Abschnitt „Die drei Dimensionen der KI-Kompetenz“ erläutert, bedarf es klarer Lernziele für den Umgang mit KI-Tools, von der Funktionsweise über die praktische Anwendung bis zu rechtlichen Rahmenbedingungen (vgl. Salden et al., 2023). Dies umfasst sowohl das grundlegende Verständnis von KI-Systemen als auch die kritische Beurteilung ihrer Möglichkeiten und Grenzen.  
  • Neue Prüfungsformate: Stärkung kompetenzorientierter Prüfungen, die „nicht bloß evtl. flüchtiges und punktuell auswendig gelerntes Wissen“ überprüfen (Salden et al., 2023: S. 15; ebd. S.17)

2. Governance-Strukturen etablieren 

Die TUM KI-Strategie (vgl. Hofmann/Alexander Braun 2024: 25–26) betont die Bedeutung eines strukturierten Datenschutz- und Governance-Rahmens: 

  • Datenschutzkonforme KI-Nutzung: Entwicklung klarer Vorgaben für den Umgang mit personenbezogenen Daten 
  • Ethische Leitlinien: Verankerung von Transparenz, Fairness und Verantwortlichkeit 
  • Qualitätssicherung: Integration von KI-bezogenen Aspekten in bestehende Systeme 
  • Rechtliche Rahmenbedingungen: Es wird empfohlen, die Prüfungsordnungen anzupassen, um spezifische Regelungen für die Nutzung von KI-Tools in den jeweiligen Studiengängen zu ermöglichen (vgl. Salden et al., 2023: S. 38-39).

3. Technische Infrastruktur aufbauen 

 Die TUM KI-Strategie (vgl. Hofmann/Alexander Braun 2024: S. 17) definiert konkrete Anforderungen an die technische Basis: 

  • Bereitstellung einer nachhaltigen Computerinfrastruktur 
  • Integration in bestehende IT-Systeme der Hochschule 
  • Sicherstellung von Datenschutz und IT-Sicherheit 

Gewährleistung der Energieeffizienz der Systeme 

KI-Integration in der Hochschulverwaltung

Auch in der Verwaltungsarbeit ergeben sich Chancen, z.B. bei der Prozessautomatisierung, Textbearbeitung oder Entscheidungsunterstützung. Schrittweise Implementierung und Einbeziehung aller Beteiligten sind hier zentral (vgl. Hofmann/Alexander Braun 2024). 

Ein Leuchtturmprojekt für die Integration von KI in Hochschulverwaltungsprozesse ist der an der TUM School of Management entwickelte Chatbot „pAIge“. Dieses studentisch getriebene Projekt entstand durch die Zusammenarbeit verschiedener Stakeholder aus Hochschule und Industrie und dient primär der Entlastung des Studierendensupports. Der Chatbot beantwortet häufig gestellte Fragen und verbessert die Servicequalität durch unmittelbare Verfügbarkeit. Besonders bemerkenswert ist der partizipative Entwicklungsansatz: Studierende entwickelten die Lösung für Studierende – eine Herangehensweise, die für nachhaltige Akzeptanz sorgt. Das Projektteam führte umfassende Bedarfsanalysen durch, speiste administrative Informationen in die Wissensbasis ein und optimierte kontinuierlich die Antwortqualität. Dieses Beispiel zeigt, wie KI-gestützte Prozessautomatisierung nicht nur Verwaltungskapazitäten freisetzt, sondern auch zur Positionierung der Hochschule als Innovationstreiberin beiträgt und gleichzeitig wertvolle Praxiserfahrungen für Studierende ermöglicht. 

Für einen vertieften Einblick in das Projekt steht die aufschlussreiche Fallstudie als Videobeitrag auf dem YouTube-Kanal des KI-Campus zur Verfügung, in dem Henri Zalbertus und Jan Plüer ihre Erfahrungen bei der Entwicklung und Implementierung des GenAI-Copiloten an der TUM School of Management detailliert vorstellen. 

Fazit

Die Integration des AI Acts in den Hochschulalltag bedeutet weit mehr als reine Compliance. Sie erfordert einen ganzheitlichen Kompetenzaufbau und einen strategischen Kulturwandel, der sowohl technische als auch ethische und didaktische Aspekte berücksichtigt. Hochschulen, die diese Transformation aktiv gestalten, legen damit nicht nur den Grundstein für zukunftsfähige Lehre und Forschung, sondern positionieren sich auch als Vorreiter in der verantwortungsbewussten Nutzung von KI. 

Ob Lehrende, Studierende, Forschende oder Mitarbeitende in der Hochschulverwaltung – alle sind aufgefordert, KI nicht nur zu nutzen, sondern sie reflektiert zu verstehen, kritisch zu hinterfragen und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Nur so wird die deutsche Hochschullandschaft KI-kompetent und den Anforderungen des EU AI Acts gerecht. 

Artikel 3: Definitionen | EU-Gesetz über künstliche Intelligenz (n.d.): [online] https://artificialintelligenceact.eu/de/article/3/. 

Artikel 4: KI-Kompetenz | EU-Gesetz über künstliche Intelligenz (n.d.): [online] https://artificialintelligenceact.eu/de/article/4/. 

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Autoren

Mike Bernd koordiniert beim KI-Campus den Bereich Lernangebote und Ideenwettbewerbe. Zuvor war er als Manager für Qualitätssicherung bei Kiron Open Higher Education sowie als Instructional Designer an der HAW Hamburg tätig. Während seiner Zeit als Stellvertretender Projektleiter an der University of Shanghai for Science & Technology entwickelte er hybride Kursformate im Kontext der digitalisierten Lehre. Mike Bernd studierte u.a. Sozial- und Kulturanthropologie an der Freien Universität Berlin und Sinologie an der Humboldt Universität zu Berlin.

Michael Kircher ist Contentmanager beim KI-Campus des Stifterverbandes. Als Mediendidaktiker und Pädagoge liegt sein Fokus auf der Gestaltung digitaler Lernangebote. Mit dem Team in Heilbronn baut er den KI-Campus-Hub Baden-Württemberg auf. Dazu gehören die regionale Vernetzung und die (Weiter-)Entwicklung der Lernangebote des KI-Campus im Dialog mit den Projektpartnern.

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