„Es geht darum, einen Mehrwert für die Studierenden zu generieren“ – Interview mit Michael Folgmann von ProLehre Medien und Didaktik der TU München
„Es geht darum, einen Mehrwert für die Studierenden zu generieren“ – Interview mit Michael Folgmann von ProLehre Medien und Didaktik der TU München
06.02.18Was bedeutet E-Learning und worin besteht der Mehrwert für Studierende? Wie können Lehrende unterstützt werden und was bedeutet die Fusion des Medienzentrums und der hochschuldidaktischen Einrichtung an der TU München? Im Interview mit Michael Folgmann, Koordinator für dezentrale eLearningberatung und -services an der TU München, geht es um diese Fragen und mehr. Das Interview fand im Rahmen der HFD Winter School 2017 in Berlin statt.
Was bedeutet E-Learning für Sie?
Michael Folgmann: Wenn es um E-Learning geht, denke ich in der heutigen Hochschullandschaft daran, dass über Digitalisierung gesprochen wird, und darüber, wie digitale Medien eingebunden werden können. Ich denke dabei an Konzepte wie MOOCs, Flipped Classroom und Inverted Classroom. Aber eben nicht nur an solche, die rein online-basiert sind, sondern auch an solche, die die Möglichkeit bieten, in Präsenzveranstaltungen neue Elemente wie zum Beispiel Liveabstimmungssysteme einzubauen. Woran ich nicht denke, ist das, was E-Learning früher einmal war, zum Beispiel das klassisches Computer-based Training (CBT) oder das Web-based Training (WBT), in dem einfach Inhalte durchgelesen wurden und am Ende ein Kreuz gemacht wurde. Bei mir geht es um die Aktivierung der Teilnehmenden, also um die aktive Einbindung der Studierenden und um die Fragestellung, wie Medien aktiv dazu genutzt werden können, um die Lehre zu verbessern.
Wie gelingt es, Studierende bei E-Learning Formaten am Ball zu halten?
Damit Studierende bei E-Learning-Formaten am Ball bleiben, müssen sie aktiv eingebunden werden, zum Beispiel über den Einsatz digitaler Medien. In Präsenzveranstaltungen kann ich mit den Studierenden aktiv kommunizieren, aber wenn ich dann versuche, mein Konzept aus der Präsenz auf eine Onlineveranstaltung zu übertragen, funktioniert das meist nicht mehr. Hier muss ich die Stärken von E-Learningangeboten ausschöpfen. Diskussionsforen sind dafür ein gutes Beispiel. Hier kann ich auch solche Studierenden einbinden, die sonst vielleicht nichts sagen würden, weil die Diskussion zu schnell läuft. Die haben jetzt ausreichend Zeit, um sich ihre Argumente zu überlegen und können diese dann posten. So kann ich eine ganz andere Art der Kommunikation schaffen. Das kann ich natürlich auch mit Aufgaben verbinden und Foren als Kommunikationsmittel einsetzen, ebenso wie Blogs oder Wikis Instrumente aus dem E-Learning Bereich darstellen. Ich denke, dass es darum geht, die richtigen Methoden zu finden, die dann einen Mehrwert für die Studierenden generieren. Der Sinn dahinter muss sichtbar werden, speziell bezüglich digitaler Medien.
Und wie gewinnt man mehr Lehrende für E-Learning Formate?
Wie Lehrende dafür gewonnen werden können, E-Learning Formate zu nutzen, ist noch eine offene Frage. Es gibt in diesem Zusammenhang viele Leuchttürme in der Hochschullandschaft, die verdeutlichen, was alles möglich ist. Gleichzeitig wird hier eine große Diskrepanz im Vergleich zur Basis der Hochschulen deutlich. Momentan gibt es nur einige wenige, die wirklich intensiv mit digitalen Medien arbeiten und diese auch sinnvoll einsetzen. Die große Masse macht in diesem Bereich vergleichsweise wenig. Deshalb würde ich auch nicht sagen, dass es viele gibt, die E-Learning schlecht einsetzen. Es gibt vor allem die Guten, und dann die, die gar nichts machen. Es geht nicht nur um digitale Medien, sondern um Lehre allgemein. Es gibt Lehrende, die das Konzept ihrer Vorlesung oder ihres Seminars nehmen, so wie es ist und einfach so weitermachen wie zuvor. Das ist nun einmal der einfachste Weg. Manche Lehrenden haben unter Umständen gar nicht das Interesse, etwas an ihrer Lehre zu verbessern. Wir müssen irgendwie an diese Lehrenden herankommen und dafür gibt es natürlich Möglichkeiten. Trotzdem bleibt es schwierig sie zu aktivieren.
Wie treten Sie konkret an Lehrende heran?
Wir versuchen möglichst individuell auf die Lehrenden zuzugehen. Das heißt, dass wir nicht einfach in einer Professorenrunde oder einer Fakultätsratssitzung unsere Angebote zum Beispiel bezüglich der Nutzung von Lernplattformen oder Plugins anpreisen. Das geht quasi durchs eine Ohr rein und durchs andere Ohr wieder raus. Danach haben die Lehrenden nichts Konkretes, mit dem sie arbeiten können. Wir müssen die Lehrenden vielmehr möglichst konkret ansprechen und ihnen ein Angebot machen. Zum Beispiel eine konkrete Methode oder ein konkretes Konzept, das ich in aller Kürze vorstellen und möglichst gut durchführen kann. Ein Beispiel dafür wäre ein Liveabstimmungssystem wie Tweedback, Pingo oder Kahoot. Wenn ich etwas vorführe und gar nicht über meine Services spreche, sondern dieses konkrete Beispiel präsentiere, dann erziele ich eine ganz andere Wirkung. Auf einmal unterhält sich die Professorenschaft über die Frage, die ich beispielhaft in meiner Präsentation gestellt habe, und die Lehrenden merken, dass das wirklich etwas für die Lehre bringt. Das kann ganz schnell eingesetzt werden – und damit habe ich dann einen Anker bei den Lehrenden gesetzt. Sie haben jetzt eine Vorstellung davon, was in unserer Einrichtung gemacht wird. Später muss ich von mir aus wieder auf die Lehrenden zu gehen und nachfragen, ob das Tool eingesetzt worden ist bzw. schon mal ausprobiert wurde. Im Gegensatz zu zentralen Angeboten, bei denen meist nur jene erreicht werden, die sowieso schon engagiert sind, ist das individuelle Gespräch wichtig, um auch diejenigen zu erreichen, die vielleicht nicht von Beginn an ein starkes Interesse an unseren Angeboten hatten.
Wie lassen sich Webinare verbessern?
Was ich bei Webinaren kritisiere, ist die Beobachtung, dass oftmals einfach nur klassische Formate auf das Webinarformat übertragen werden. Ich kann einen 20-minütigen Vortrag, den ich vor einem Publikum halte, nicht einfach eins zu eins in ein Webinar übertragen. Die Aufmerksamkeitsspanne bei Webinaren ist noch viel geringer als bei einer normalen Präsenzveranstaltung und dementsprechend muss noch stärker darauf geachtet werden, das Publikum zwischendurch zu aktivieren, damit die Leute am Ball bleiben und mitgenommen werden. Deswegen müssen Webinare kürzer sein und aus kleinen Einheiten bestehen, mit denen man arbeiten kann, beispielsweise 15 Minuten-Webinare, bei denen man einfach so nebenher mitmachen kann. Dann ist auch die Konzentration da. Dafür müssen die zentralen Informationen pointiert vermittelt und nicht abendfüllend alle Informationen geliefert werden, die in dem jeweiligen Zusammenhang verfügbar sind. Wir bieten Webinare zum Beispiel auch in Hinblick auf die Aktivierung der Lehrenden an und zeigen Good Practice-Beispiele aus der Lehre. Da sprechen Lehrende über ihre Lehre und wie sie vielleicht auch digitale Medien einsetzen. Das ist authentisch, erprobt und zeigt die Erfahrung der Lehrenden in Form einer 15- bis 20-minütigen Einheit, in die man sich mal kurz reinschalten kann.
Wie können Hochschulen Lehrende gut unterstützen?
Ich denke, dass wir die Lehrenden durch die hochschuldidaktischen Einrichtungen oder auch durch die Medienzentren, je nach Zuständigkeit und benötigter Didaktik, bereits gut unterstützen. Neben dem zentralen Kursprogramm müssen wir die Leute von der Hochschule aus systemisch erreichen und hier zum Beispiel auch Neuberufene sofort, vielleicht sogar verpflichtend und im Rahmen von Kursangeboten oder Mentoring-Programmen, mit an Bord holen. Darüber hinaus müssen wir an alle Lehrenden herantreten, damit wir in die Fläche gehen können. Mein Fokus liegt weniger darauf, einzelne, nach außen strahlende Leuchtturmprojekte, hochzuziehen. Es geht für mich eher darum, an die 80 bis 90 Prozent, die noch nicht viel machen, heranzukommen. Gerade die Lehrenden, die zum Teil auch eine Promotion anstreben, sind meist erst seit kürzerer Zeit an der Hochschule und die brauchen Zeit, bis sie in der Lehre soweit sind, um für unsere Angebote wieder aufnahmefähig zu sein und sich Gedanken bezüglich der Verbesserung und Weiterentwicklung der eigenen Lehre zu machen. Wir wollen unter anderem an diese Leute herankommen.
Ist die Fusion des Medienzentrums und der hochschuldidaktischen Einrichtung an der TU München ein Vorbild für andere Hochschulen?
Ich glaube, das ist ein Muss! Das Problem bei einem Medienzentrum ist, dass der Fokus auf der so genannten digitalen Didaktik liegt. Und ich glaube, diese digitale Didaktik gibt es so eigentlich gar nicht. Es gibt Methoden, die mit digitalen Medien durchgeführt werden können, aber das ist ein sehr eng fokussierter Bereich. Wenn ich nur mit diesem Fokus auf Lehrende zutrete, dann fehlt etwas. Ich mag auch den Begriff E-Learning nicht, weil der so eng auf den Einsatz von digitalen Medien fokussiert. Faktisch sollte dieses komplette Portfolio an Methoden und Konzepten bei allen Hochschuldidaktikern vorliegen. Dann würde die Frage nicht lauten, ob ich etwas Digitales machen möchte. Die Frage würde von der Didaktik ausgehen: Wie möchte ich vorgehen, welche Methode möchte ich einsetzen? Und: Ist das vielleicht mit digitalen Medien besser zu bearbeiten? Habe ich da Mehrwerte? Kann ich eine Methode vielleicht überhaupt erst mit digitalen Medien durchführen? Stichwort Peer Review: Die effiziente Durchführung ohne großen Organisationsaufwand geht letztendlich nur mit digitalen Medien. Und so gesehen ist es ganz richtig, dass Hochschuldidaktik und Medienzentrum zusammen geführt werden und alles aus einer Hand geliefert wird, anstatt parallel zu arbeiten. Wenn derselbe Lehrende einmal an den Hochschuldidaktiker herantritt und dann noch mal an den digitalen Didaktiker, stellen Lehrende zu Recht die Sinnfrage.