„Ein Upgrade ist notwendig“ – Reflexionen über das Netzwerk Hochschullehre

„Ein Upgrade ist notwendig“ – Reflexionen über das Netzwerk Hochschullehre

05.10.17

Bild von Bettina Ausserhofer

Markus Deimann schreibt in diesem Blogeintrag über seine Eindrücke und die Themen des Netzwerktreffens am 11. September 2017, sowie über seine Barcamp Session, die er im Rahmen des Netzwerktreffens angeboten hat. Hier wurde über das Bildungsverständnis im Zeitalter der Digitalisierung diskutiert.

Das Hochschulforum Digitalisierung (HFD) präsentiert sich seit Anfang des Jahres in neuem Gewand. Die alte Struktur mit thematisch klar abgegrenzten und fokussierten Expert/innengruppen wurde aufgebrochen. Als einer von drei neuen Schwerpunkten des neuen Zuschnitts wurde das Netzwerk Hochschullehre ins Leben gerufen.

Das Netzwerk versteht sich ganz im Sinne des HFD als Dialogplattform zu Themen rund um die digitale Hochschullehre. Ein Teil der Diskussion fand bereits online über das Werkzeug Mattermost statt. Darüber hinaus fand am 11.09.2017 ein großes Auftakttreffen im Quadriga Forum in Berlin statt. Dieses Treffen diente dem gegenseitigen Kennenlernen und intensiven Austausch in Formaten wie Barcamp und Workshops. Ein Teil der Themen konnte bereits vorab eingereicht werden oder direkt und spontan vor Ort angeboten. Dadurch entstand eine offene und partizipative Atmosphäre.

Bild von [https://unsplash.com/photos/NVeMwthXZY8 Ludomil Sawicki]Eröffnet wurde der Tag mit einer Einführung in die Struktur und Arbeitsweise des HFD. Dabei wurde auch auf die vergangene Arbeit zurückgeblickt, die im Abschlussbericht umfangreich dokumentiert ist. Abgeschlossen ist damit jedoch die Digitalisierung an der Hochschule keineswegs, aber erste Markierungen im Diskurs wurden gesetzt. Mit der Referenz auf den von Sascha Lobo bei Spiegel Online geforderten „digitalen Marshallplan für Deutschland“ wurde aufgezeigt, wie wichtig technisch-infrastrukturelle Voraussetzungen geworden sind. Mittlerweile hat Lobo den Marshallplan zu 13 Punkten konkretisiert. Sollten diese nicht eingehalten werden, drohe ernsthafter Schaden für unseren Wohlstand. Viel steht also auf dem Spiel.

Zweifelsohne ist ein Upgrade der technischen Grundlagen dringend notwendig, um das Internet als zentrales Instrument für private und berufliche Kommunikationen und Kollaborationen nutzen zu können. Deutlich spürbar ist dies für jeden, der zum Beispiel mit der Deutschen Bahn unterwegs ist und nicht vom kostenlosen, aber volumenbeschränkten WLAN im ICE Gebrauch machen kann. Darüber hinaus braucht es aber gute Konzepte, um webbasierte Anwendungen und Services in der Bildung nutzen zu können. Bislang wird dies noch sehr analog gedacht, das zeigt zum Beispiel der Vorschlag von Lobo für Schulbücher auf dem Smartphone. Gerade darum sind Veranstaltungen – um damit den Bogen wieder zurück zum Netzwerktag zu schlagen – wichtig, bei denen gemeinsam über digitale Lehr- und Lernformate diskutiert wird.

Barcamp Session: Das Bildungsverständnis im Zeitalter der Digitalisierung

Bild von Bettina Ausserhofer

Aus persönlicher Sicht wichtig war und ist für mich, das Thema Bildung stark zu machen und dies auch erstmal losgelöst vom Präfix „Digital“ bzw. vom Suffix „4.0“. In einer Barcamp Session bot ich deshalb eine Session, um über das Bildungsverständnis im Zeitalter der Digitalisierung zu diskutieren. Der Zuspruch und die Redefreudigkeit hat mich sehr gefreut und zeigt deutlich an, dass es hier einen großen Bedarf gibt. Mein Einstieg in das Thema war die provokante Frage, ob wir in der Digitalisierung überhaupt noch einen Bildungsbegriff brauchen, da dieser aus einem analogen Zeitalter, nämlich dem 19. Jahrhundert stammt. Die Diskussion ging dann schnell in die Richtung des Stellenwerts der Lehre an Hochschulen und das vielfach thematisierte Missverhältnis zur Forschung. Einen anderen, damit in Zusammenhang stehenden Aspekt betrifft die Ausweitung der Lernmöglichkeiten im digitalen Raum. Diese vielfältigen informellen Lernanlässe mitzuberücksichtigen ist eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft. Am Beispiel der MOOCs untersuchen wir das an der Fachhochschule Lübeck in einem Projekt des vom BMBF geförderten Programms Offene Hochschule: Aufstieg durch Bildung. Dabei geht es u.a. um Möglichkeiten der Feststellung informell erworbener Kompetenzen in MOOCs und deren Anrechnung für ein späteres Studium.

In der Session wurde dann aufbauend auf den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung die Chancen zur Potentialentfaltung, allerdings nicht im ökonomischen Sinn (Humankapital), sondern im Sinne des klassischen Bildungsbegriffs (Entfaltung der Persönlichkeit) diskutiert. Mit den Phänomenen Hate Speech und Fake News bekommt diese Persönlichkeitsentwicklung nun eine neue Qualität. Die Hochschulen haben dadurch die Aufgabe, dies produktiv zu bearbeiten. So wird u.a. der Wert des Wissens massiv in Zweifel gezogen. Die uralte Frage – Wie kommt man zu wahrem, gerechtfertigten Wissen? – stellt sich erneut mit hoher Dringlichkeit und wird uns die nächsten Jahre beschäftigen. Dazu braucht es neue Konzepte, die von einem reflektierten Bildungsverständnis ausgehen und nicht in den Pawlowschen Reflex verfallen, wie bei der Diskussion um das Pflichtfach Informatik erlebt. Stattdessen wurde betont, die Digitalisierung als Wissens- bzw. Bildungs-Werkzeug zu verstehen, dessen Gebrauch wir aber erst noch lernen müssen. Was in der analogen Welt die BILD-Zeitung war – ein populäre Boulevardblatt mit tendenziöser Berichterstattung – ist heute ein Netz aus nicht leicht durchschaubaren Webseiten, wie etwa das Breitbart News Network.

Digitalisierung, Mensch und Gesellschaft

Ebenso diskutiert wurden auch gesellschaftliche und ethische Fragen, wie etwa in Bezug auf die Auswirkungen der Automatisierung und Robotisierung für die Arbeitswelt oder die Bedeutung von Social Media für das Alltagsleben. Im Rahmen meiner Antrittsvorlesung an der FernUniversität in Hagen habe ich dies kürzlich ebenfalls thematisiert und die grundsätzliche Frage aufgeworfen, was die Digitalisierung mit uns als Menschen und mit unserer Gesellschaft macht. In der Barcamp Session wurde betont, dass die Digitalisierung eine neue und andere Form der Weltaneignung bietet und damit neue und andere Möglichkeiten zur Bildung. Damit einher geht auch eine Ablösung des Denkens in der Kategorie des physischen Raums. Man lernt heute nicht mehr nur im Hörsaal und Seminarraum, sondern auch in den Sphären der virtuellen Welt. Wie schwierig ein solches Denken ist, zeigt exemplarisch die große Beliebtheit von Learning Management Systemen, als digitalisierte Fortsetzung des physischen Raums (z.B. Seminarraum und Bibliothek), an.

Bild von Bettina AusserhoferAm Ende der Session ging es um „Lösungen“, bzw. um Ansatzpunkte, dieses Thema weiter zu diskutieren. Dabei kamen Aspekte der Strategiebildung, gemeint als Strategien, die von einem durchdachten Bildungsverständnis ausgehen, zur Sprache. Hochschulen können und sollten dabei auch ihre Mission überdenken und den klassischen Bildungsgedanken revitalisieren.

Diese kurze Zusammenfassung zeigt, wie vielschichtig das Thema Bildung – verstanden als zentrale Kategorie der Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst, mit anderen und der Welt – ist. Die Debatte dazu sollten wir weiter führen, auf so vielen Kanälen wie möglich.

 

 

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