Campus von Morgen? Eine HFD-Delegationsreise in die Niederlande

Campus von Morgen? Eine HFD-Delegationsreise in die Niederlande

18.01.24

In der oberen Bildhälfte ist ein VW-Bus auf einer Weltkugel abgebildet. Titel des Blogartikels: "CAMPUS VON MORGEN?". Untertitel: "Eine HFD-Delegationsreise der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) in die Niederlande". Logo rechts unten: Hochschulforum Digitalisierung.

Wie sehen innovative Ansätze und effektive Lösungen für die Weiterentwicklung des digitalen Lernens und Lehrens aus? Und was sind die Erfolgsfaktoren? Fünf ausgewählte HFD-geförderte Delegationsteams stellten sich der Herausforderung, eine „Peer Learning Journey“ zu konzipieren, um im Ausland Informationen zu sammeln, sich mit internationalen Partnern zu vernetzen und Good Practices in Deutschland zu teilen. Im November 2023 unternahm die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) eine wegweisende Delegationsreise, um sich für die Gestaltung ihres zukünftigen Campus in St. Augustin inspirieren zu lassen. 

Die Idee

 

Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) bekommt ein neues Gebäude! Das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft hat für unseren Campus St. Augustin einen erhöhten Flächenbedarf von 6000 Quadratmeter für Lehre und Forschung anerkannt und stellt 42 Millionen Euro zur Verfügung.

​Damit stellt sich für uns natürlich sofort die Frage: Wie soll das neue Gebäude aussehen? Wie befördern wir mit dem Neubau die digitale Transformation in Lehre und Forschung? Zwei Dinge sind klar:

  • Nicht „more of the same“, also keine weiteren Einzelbüros und Vorlesungsräume, sondern das bauen, was an der Hochschule noch fehlt: Raum für studentisches Arbeiten in Gruppen, Kreativbereiche, Makerspace und Labore mit flexiblen Aufteilungen.
  • Und bei der Planung wollen wir von Anfang an alle Sichtweisen in der Hochschule berücksichtigen: Studierende, Lehre, Forschung, Hochschulverwaltung und Hochschulleitung.

Und so trafen wir uns an einem Dienstagnachmittag im November 2023 auf Gleis 3 am Bahnhof Siegburg/Bonn und warteten auf den Zug Richtung Utrecht, um in den Niederlanden Anregungen und Erfahrungen für das neue Gebäude zu sammeln.

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Station 1: TU Delft

 

Als wir einen Besuch bei der Delft University of Technology anfragten, dachten wir zunächst an die beeindruckende Bibliothek. Aber gleich im Vorgespräch wurde klar, dass Delft viel mehr zu bieten hat. Hier wird sich seit langer Zeit Gedanken gemacht, wie Räume für gute Lehrbedingungen gestaltet werden können. Das „Cookbook Education Spaces“ dokumentiert diese Überlegungen und stellt Verbindungen zwischen Lehrsituationen und geeigneten räumlichen Bedingungen her. Dabei wird auch auf physiologische und ergonomische Aspekte eingegangen und geeignete Position und Größe von Präsentationsflächen beschrieben, damit von allen Plätzen Sichtbarkeit mit bequemer Kopfhaltung gegeben ist.

Was das in der Praxis bedeutet, konnten wir im Echo Building sehen. Große helle Räume, vorzugsweise Drehstühle statt fester Sitzreihen, um flexible Lernsettings zu ermöglichen, freundliche Farben, Steckdosen am Tisch. Und auch die Bibliothek haben wir dann noch angeschaut. Hier wird der Wandel zur Digitalisierung deutlich. Kaum gedruckte Bücher, stattdessen Laptops, Arbeitsplätze, Virtual Reality Studio und mehr.

Energieeffizienz durch Erdwärmepumpen mit kaltem und warmen Potential
Energieeffizienz durch Erdwärmepumpen mit kaltem und warmen Potential

Station 2: Utrecht University

 

Auch in Utrecht hat man sich strategische Überlegungen für Lehre gemacht und im Utrecht Educational Model festgehalten. Dazu gehört unter anderem ein hochschulweites „Uniform Timeslot Model“, bei dem alle Modulgrößen gleich sind und somit interdisziplinäre Lehre erleichtert wird. Für praktische Arbeiten steht ein MakerSpace zur Verfügung, der an den Werkstattbereich angegliedert ist. Dadurch ergibt sich ein Zusammenwirken von frei zugänglichen Geräten und spezialisierten Maschinen, die durch eingewiesenes Personal bedient werden.

Im Vening Meinesz Building konnten wir moderne Arbeitsräume und ein forschungsfreundliches Arbeitsumfeld sehen. Während das Erdgeschoss frei zugänglich ist, sind die oberen Bereiche nur per Chipkarte erreichbar. Hier sind auf jedem Stockwerk freundliche Begegnungsbereiche mit Kaffeeautomat und Sitzbereich. Forschung lebt vom Austausch und der erfolgt hier zwanglos mit digital buchbaren Besprechungsräumen.

Station 3: Wageningen University und Research

 

Wageningen fokussiert sich auf Umweltwissenschaften und die Verbindung zur Agrarwissenschaft wird sofort beim Betreten des Aurora Building deutlich. Im Lichthof stehen Bäume und von den Brüstungen der Stockwerke hängen Pflanzen. Schon an den anderen Stationen haben wir den Begriff Aufenthaltsqualität diskutiert und hier sind wir durch die großzügige Raumgestaltung und die freundliche Raumatmosphäre erneut beeindruckt.

In den Lehrräumen konnten wir verschiedene Beispiele für Flexibilität in der Nutzung erfahren. Das begann bei höhenverstellbaren Tischen und Monitoren, die sich in der Raumumrandung versenken lassen. Ein Raum bot ein Traversensystem, an dem Optik und Sound frei montiert werden kann. Die Laborräume werden für verschiedene Fachdisziplinen genutzt, indem mobile Schränke in einem Vorbereitungsraum mit den benötigten Materialien ausgestattet werden und in den Laborraum gebracht werden können.

Begrünter Lichthof im Aurora Building, Wageningen
Begrünter Lichthof im Aurora Building, Wageningen

Station 4: Rotterdam

 

In Rotterdam lag der Fokus unseres Besuchs auf Nachhaltigkeit im Bau und Betrieb der Gebäude. Dazu besuchten wir zwei neue Gebäude, das C Building der Rotterdam Business School sowie das Langeveld Building der Erasmus University. Hier wurde deutlich, welche Möglichkeiten bestehen, wenn gleich beim Bau auf Nachhaltigkeit geachtet wird. Die Klimatisierung erfolgt durch Erdwärmepumpen, die ein kaltes und ein warmes Potential im Erdboden nutzen. Im Winter und Sommer werden diese Potentiale in unterschiedlicher Richtung betrieben und können so kühlen und heizen. Die Luftführung im Gebäude ist ebenfalls beim Bau besonders beachtet worden. Lufttürme auf dem Dach können den Wind als Ventilation nutzen und nur bei Windstille müssen Ventilatoren einspringen. Im C Building war auch auffällig, dass Sichtkontakt zwischen den kleinen Arbeitsräumen besteht. So wird ein ein ruhiges Arbeitsklima hergestellt, ohne das Gefühl des Alleinseins aufkommen zu lassen.

Im Langeveld Building fallen massive Baumstämme als tragende Elemente direkt ins Auge. Uns wurde erklärt, dass dies nicht nur nachhaltig, sondern bei den momentan hohen Stahlpreisen auch preislich konkurrenzfähig ist. Und auch Flexibilität in der Raumnutzung konnten wir erneut sehen. Durch ein Grundraster der Gebäude können kleine, mittlere oder große Räume gebildet werden, je nachdem, für welche Nutzung gerade Flächen benötigt werden. Dadurch sollen Anmietungen reduziert und vorhandene Flächen vorrangig genutzt werden.

Massive Baumstämme als tragende Elemente im Langeveld Building, Rotterdam
Massive Baumstämme als tragende Elemente im Langeveld Building, Rotterdam

Was ist uns aufgefallen?

 

Alle besuchten Hochschulen und Gebäude hatten ihre besonderen Aspekte, aber viele Themen sind uns immer wieder begegnet und aufgefallen.

Um digitale Möglichkeiten zu nutzen, sind uns viele kleine Dinge aufgefallen:

  • Wir sahen verschiedene Lösungen für Steckdosen am Arbeitsplatz, damit Studierende ihre mobilen Geräte nutzen können.
  • Raummanagement mit elektronischen Displays, bei denen auch freie Räume für studentisches Arbeiten signalisiert werden.
  • Chatboxen, also schallgeschützte „Telefonzellen“, um ungestört mit eigenen Geräten zu telefonieren oder an einer Videokonferenz teilzunehmen.

Unser Eindruck war, dass ein Mittelweg sinnvoll ist. Ein hochflexibler Raum, der sich in mehrere Bereiche aufteilen lässt und leicht umgebaut werden kann, hört sich in der Theorie gut an. In der Praxis ist Flexibilität in diesem Ausmaß nicht nötig. Besser scheint klare Zuordnung verschiedener Raumgrößen, die dann beispielsweise für 4, 8, 30 und 100 Personen nutzbar sind. Eine Ausstattung mit beweglichen Stühlen und Whiteboards an den Wänden ermöglicht dabei unterschiedliche Lernszenarien.

Ein weiterer Punkt, der während unserer Reise besonders hervorstach, ist die Akustik in den Räumen. Uns wurde deutlich, dass sie einen erheblichen Einfluss auf die Lernatmosphäre hat, weil sie maßgeblich dazu beiträgt, dass Lernende sich besser konzentrieren können und eine förderliche Lernumgebung vorfinden. Akustische Elemente, die den Schall absorbieren, waren auch optisch oft ansprechend gestaltet, in bunten Farben oder aus warmen Materialien wie Holz.

Für ein bestehendes Gebäude ist Neutralität beim Kühlen und Heizen schwierig zu erreichen. Da wir einen Neubau planen, haben wir ganz andere Möglichkeiten und eine Vorstellung davon, was machbar ist. Wir haben aber auch gesehen, dass Energieeffizienz Geld kostet. Dies wird im Betrieb eingespart, und wir müssen es nun schaffen, dieses Prinzip mit der Budgetplanung zu ermöglichen.

Wie sieht es nach der Corona-Zeit mit Präsenz an der Hochschule aus? Wir haben den Begriff „Sticky Campus“ gehört und nutzen ihn seitdem in unseren Diskussionen. Studierende sollen sich gerne an der Hochschule aufhalten und das Gefühl haben, sie verpassen etwas, wenn sie zu Hause bleiben. Auch dafür haben wir Beispiele gesehen und möchten diese auf unsere Hochschule übertragen.

Sie planen auch eine Delegationsreise? Können wir empfehlen! Hier ein paar Tipps für die Planung:

  • Wir waren mit acht Personen unterwegs und das hat gut geklappt. Wir konnten im Großraumtaxi gemeinsam fahren und im Restaurant zwei Tische aneinanderstellen.
  • Wir hatten ein festes Quartier in Utrecht, fußläufig zum Bahnhof. Wir sind am Dienstagnachmittag angereist und Samstag früh zurückgefahren und hatten somit drei Tage für vier Stationen. An einem Tag hatten wir zwei Stationen, was mit Taxi-Transfer gut machbar war, ansonsten sind wir mit der Bahn gefahren. Der Zeitplan sollte nicht zu voll sein, damit Zeit für Gespräche und Reflexion in der Gruppe bleibt.
  • Fotos und Notizen machen. Die Tage waren voller Eindrücke und die Bilder haben uns im Nachgang geholfen, uns auch an Details zu erinnern. Das Abendessen haben wir für Reflexionen zum Tag genutzt und hier hielten wir Stichworte als Notiz fest.
  • Diversität bringt viele Sichtweisen zusammen. Die Studierenden haben auf Steckdosen für Laptops geachtet, die Leiterin Facility Management auf Arbeits- und Brandschutz, die fahrradbegeisterte Dekanin auf Fahrradfreundlichkeit und andere auf noch viele weitere Aspekte. So ergab sich ein Gesamtbild reich an Facetten. Gleichzeitig entstand wechselseitig Verständnis für die verschiedenen Sichtweisen und Verantwortlichkeiten.

Wie geht es weiter?

 

Vier Stationen an drei Tagen waren voller Eindrücke und wenn man sieht, was für tolle Ideen umgesetzt wurden, kann man neidisch oder frustriert sein. Aber langsam. Wir haben natürlich innovative Hochschulen besucht und jeweils die innovativsten Gebäude gesehen. Wenn man sich das klar macht, fällt einem auf, dass es auch an der eigenen Hochschule schon vorwärts geht. Unsere Bibliothek wurde gerade mit hoher Aufenthaltsqualität neugestaltet und installiert ebenfalls Chatboxen für ungestörte Gespräche.

Für den Neubau haben wir viele Ideen mitgenommen, aber auch Anregungen bekommen, die vorhandenen Gebäude besser zu nutzen. Auf welchen Flächen können wir bessere Aufenthaltsqualität bieten? Wie kriegen wir mehr Steckdosen an die Arbeitstische? Wenn die Chatboxen in der Bibliothek genutzt werden, können wir überlegen, sie an weiteren Orten zu installieren.

Wir hatten die Gelegenheit, an den verschiedenen Hochschulen mit ganz unterschiedlichen Funktionsträger:innen zu sprechen (Member of the Board, Facility Manager, Architect, Advisor, Project Manager, etc.). So konnten wir gezielt Rückfragen zu den verschiedenen Baumaßnahmen stellen, was für unsere Planungen ebenfalls sehr hilfreich sein wird. Auch haben alle Hochschulen zugesagt, uns im Anschluss an die Reise für Rückfragen zur Verfügung zu stehen. So können langfristig hilfreiche Beziehungen geknüpft werden.

All das werden wir innerhalb der Hochschule weiter diskutieren und auch außerhalb. Das University:Future Festival im Juni 2024 ist sicher eine gute Gelegenheit dafür.

Delegation und Autorenteam (v.l.n.r): · Iris Groß, Dekanin Ingenieurwissenschaften und Kommunikation · Christopher Bruce Falke, Student, Fachschaft Informatik · Kai Sebastian Bühner, Student, Vorsitzender Studierendenparlament · Ute Schmitz, Leitung Dezernat Facility Management, Bauen und Sicherheit · Angela Fischer, Kanzlerin · Armin Ehrhardt, Bibliotheksleiter · Remi Maier-Rigaud, Vizepräsident Forschung · Marco Winzker, Vizepräsident Lehre
Delegations- und Autorenteam (v.l.n.r)

Die Autor:innen von links nach rechts:

  • Iris Groß, Dekanin Ingenieurwissenschaften und Kommunikation
  • Christopher Bruce Falke, Student, Fachschaft Informatik
  • Kai Sebastian Bühner, Student, Vorsitzender Studierendenparlament
  • Ute Schmitz, Leitung Dezernat Facility Management, Bauen und Sicherheit
  • Angela Fischer, Kanzlerin
  • Armin Ehrhardt, Bibliotheksleiter
  • Remi Maier-Rigaud, Vizepräsident Forschung
  • Marco Winzker, Vizepräsident Lehre

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2 Kommentare

  1. Cornelia Al-Naqib sagt:

    Ich wünsche der H-BRS weiterhin viel Erfolg!

  2. Fabian Heuel sagt:

    Großartig! Glückwunsch zu den guten Eindrücken und danke für die inspirierende Aufbereitung.