Auf dem Weg zu einer interoperablen Hochschullandschaft

Auf dem Weg zu einer interoperablen Hochschullandschaft

20.02.24

Viele Hochschulangehörige träumen davon, plattformübergreifend auf umfassende Daten zugreifen und nahtlos mit anderen Lehrenden von verschiedenen Hochschulen zusammenarbeiten zu können. Studierende würden ebenfalls von einer einzelnen hochschulübergreifenden Plattform, an der sie sich anmelden können, profitieren. Und auch Hochschulmitarbeitende in der Verwaltung sehnen sich mitunter nach effizienteren Verfahren für die Anerkennung erbrachter Leistungen.

Der European Digital Education Hub arbeitet derzeit an einer wichtigen Initiative, die sich genau dafür einsetzt – nämlich der Entwicklung eines europäischen Interoperabilitätsrahmens für die Hochschulbildung.

Channa van der Brug hat die Fortschritte dieser Initiative seit ihrem Start im September 2023 genau verfolgt und sich dabei auf die Erkenntnisse der HFD-Studie „Interoperabilität in der Hochschulbildung“ gestützt. Im Gespräch mit der HFD-Redaktion berichtet sie von den erzielten Fortschritten und deren Bedeutung.

User Journeys und Anwendungsfälle

Der Rahmen soll die gemeinsame Nutzung von Bildungsdaten und -ressourcen innerhalb und zwischen Universitäten verändern. Er wurde von einer internationalen Gruppe im Hub (einem von der Europäischen Kommission betriebenen MS-Teams-Kanal) formuliert und zielt auf die Interoperabilität auf organisatorischer Ebene ab, insbesondere für die über 500 Universitäten in den europäischen Universitätsallianzen.

Die Hauptfrage, die die Gruppe zunächst beantworten musste, lautete: Wie können Lernende, Lehrkräfte und Verwaltungsmitarbeitende die verschiedenen Hürden der Interoperabilität überwinden? Die gemeinsame Nutzung und Verschiebung von Bildungsinhalten, anderen Lernressourcen und Daten zwischen verschiedenen Personen, Institutionen und digitalen Plattformen ist keine leichte Aufgabe. Um die Bildung kollaborativer und für alle zugänglicher zu machen, musste sich der Hub zunächst ein klares Bild von den Hauptproblemen der verschiedenen Benutzergruppen machen und herausfinden, wie die verschiedenen Benutzerströme aussehen.

Um einige Beispiele zu nennen: Lehrende sind bestrebt, sich einen ganzheitlichen Überblick über die Leistungen und Bedürfnisse der Studierenden zu verschaffen. Daher benötigen sie Plattformen, die Daten aus verschiedenen Quellen integrieren, und Systeme, die es ihnen ermöglichen, die Fortschritte der Studierenden effektiv zu verfolgen und zu fördern. Auch die Lernenden benötigen leicht zugängliche Systeme. Systeme, die eine flexible und dennoch sichere Verwaltung von personenbezogenen Daten ermöglichen. Von den Support-Mitarbeitenden wissen wir, dass die Lizenzierung, Daten für die Einschreibung und die Ausstellung von Zeugnissen sowie Metadaten über Lernmaterialien von zentraler Bedeutung sind. Neun Anwendungsfälle wurden inzwischen entwickelt, und Arbeitsgruppen mit mehr als 100 Teilnehmenden beginnen mit der Kartierung der technologischen Lösungen und Standards.

Was ist eure Vision und wer gehört zu dieser Gruppe?

Wir begannen mit der Formulierung von Leitprinzipien und der Festlegung detaillierter, konkreter Ziele. Das Manifest zum Interoperabilitätsrahmen für das Hochschulwesen, abrufbar [hier], fasst unseren Auftrag und unsere Werte zusammen. Zu den Mitwirkenden gehören Mitglieder der Allianz, Expert:innen von interuniversitären virtuellen Campus wie CHARM, CIVICA, EPICUR, CIRCLE-U sowie Vertreter von EdTechs und Standardisierungsorganisationen wie Instructure, Oracle, Moodle, 1EdTech und europäischen Projekten (GEANT, EMREX, EQAR, um nur einige zu nennen). Das deutsche Fachwissen ist gut vertreten, unter anderem durch die Mitglieder der Allianz, ORCAnrw und das Netzwerk Digitale Nachweise.

Konkrete Ziele klingen sinnvoll. Wie werden die deutschen Universitäten davon profitieren?

Das Framework bietet ein praktisches, modulares Toolkit, das zeigt, wie bereits existierende Standards angewendet werden können, um Systeme, Lösungen und technische Komponenten zu verbinden. Es wird einen umfassenden Fahrplan für die Operationalisierung und Umsetzung enthalten, so dass es sich nicht nur um ein Konzept handelt, sondern um eine greifbare Handreichung, die von den Universitäten getestet werden kann.

Hochschulallianzen sind mit erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich der technischen und organisatorischen Konzepte konfrontiert, die für die Verwirklichung der Interoperabilität erforderlich sind. Dieser Rahmen ist von entscheidender Bedeutung, da er Klarheit und Orientierung für ihre Bemühungen schafft. Er erhöht nicht nur die Transparenz, sondern schafft auch die Grundlage für Governance-Diskussionen zwischen der Hochschulgemeinschaft, dem Privatwirtschaft und den politischen Entscheidungsträger:innen. Er dient im Wesentlichen als Leitfaden für den komplexen Weg zur Interoperabilität.

Warum ist dies aus Sicht des HFDs wichtig?

Wir sehen eine integrale Rolle der deutschen Universitäten in dieser Interoperabilitätsinitiative, insbesondere angesichts ihrer Beteiligung an 51 europäischen Allianzen – von Arqus bis U!Reka. Diese Universitäten stehen beispielhaft für den Geist der Innovation und der Zusammenarbeit, den der Rahmen fördern soll. Interoperabilität geht jedoch über die Technologie hinaus; es geht darum, eine neue Kultur der Zusammenarbeit zu fördern, die integrativ, vernetzt und dynamisch ist. Die Angleichung unterschiedlicher Organisationskulturen und Arbeitsabläufe ist jedoch eine Herausforderung. Es ist notwendig, dass Universitäten sich anpassen und neuen kooperativen Lösungen und Methoden gegenüber aufgeschlossen sind. In den letzten zehn Jahren hat das HFD maßgeblich dazu beigetragen, digitale Transformationsprozesse wie diesen im Hochschulbereich zu begleiten. Wir glauben, dass es wichtig ist, Orientierung zu bieten, Anreize zu schaffen, Agenden zu aufzusetzen und Informationen bereitzustellen, um Prozesse erfolgreich zu gestalten.

Wann wird es diesen Interoperabilitätsrahmen geben?

Eine der größten Herausforderungen liegt in der Abstimmung der unterschiedlichen Technologie- und Bildungssysteme der Allianzen und ihrer Mitglieder. Wir wissen, dass einzelne Allianzen einheitliche Konzepte für das Datenmanagement entwickeln (gemeinsame Kurse, gemeinsame Registrierung, gemeinsame Lernumgebungen, gemeinsame Zeugnisse), wobei die Individualität jeder Einrichtung gewahrt bleibt.

Es ist jedoch nicht leicht zu erkennen, welche Lösungen die Mitglieder nutzen und welche Optionen verfügbar, geeignet und zukunftsfähig sind. Die Europäische Kommission ist sich dessen bewusst und möchte dies durch die Bottom-up-Entwicklung des Rahmens unterstützen.

Derzeit arbeiten die Arbeitsgruppen an der Kartierung von Lösungen, wobei eine technologische Analyse der Faktoren, die die identifizierten Anwendungsfälle ermöglichen, bald folgen wird. Bis Februar 2025 wollen wir eine Referenzarchitektur für den „Europäischen Interoperabilitätsrahmen“ prüfen.

Warum bist du so überzeugt davon, dass dies ein wichtiger Schritt ist?

Unser Bildungssystem ist ein öffentliches Gut und verdient tatkräftige Unterstützung. Interoperabilität ist der Schlüssel zu einem flexiblen, leicht zugänglichen Bildungssystem, das auf breitere gesellschaftliche Bedürfnisse eingehen kann (z. B. auf Qualifikationsdefizite oder Engpässe auf dem Arbeitsmarkt). Keine einzelne Institution kann diese Herausforderungen allein bewältigen, und der „kollektive Problemlösungsansatz“, der Teil der Rahmenentwicklung ist, ist entscheidend.

Insbesondere in Deutschland, wo die Datenschutzgesetze streng sind und die Digitalisierung regional unterschiedlich schnell voranschreitet, wird dieser Rahmen auch ein wichtiger Katalysator sein. Er wird die laufenden Digitalisierungsbemühungen unterstützen, um sicherzustellen, dass unsere Institutionen international wettbewerbsfähig bleiben.

Im Moment arbeitet ihr also an Anwendungsfällen und User Journeys. Wo kann ich weitere Infos finden und kann auch ich einen Beitrag leisten?

Wir freuen uns über Ihre Teilnahme! Bis Februar 2025 wird es Informationsveranstaltungen, Online-Konsultationen, virtuelle Präsentationen, Workshops und vieles mehr geben, die alle über den European Digital Education Hub organisiert werden. Interessierte aus verschiedenen Bereichen der Universität sind eingeladen, sich an der Interoperabilitätsarbeitsgruppe zu beteiligen [hier]. Bei allgemeinen Fragen wenden Sie sich bitte an die Community Manager des Hubs unter edeh-support@stifterverband.de oder direkt an mich unter channa.vanderbrug@stifterverband.de, um über die Beteiligung zu sprechen.

EDEH HEIO Meeting 1st February – The HE Interoperability Puzzle

Bild aus dem Miroboard des EDEH HEIO Meetings vom 1. Februar 2024, Visual Workspace for Innovation

Ansprechpartnerin

Profilbild von Channa van der Brug

Channa van de Brug

Channa van der Brug ist internationale Programmmanagerin beim Hochschulforum Digitalisierung für den Stifterverband. Der Stifterverband ist einer der Konsortialpartner, die dieses Projekt am Hub unterstützen, neben Partnern wie dem DAAD, Deloitte Consulting, KIC und SURF.

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