Botanische Exkursionen: Audiounterstützte Selbstlern-Exkursionen fördern Integration und Flexibilität
Botanische Exkursionen: Audiounterstützte Selbstlern-Exkursionen fördern Integration und Flexibilität
03.12.24von Florian Goedecke und Friedemann von Lampe
Florian Goedecke und Friedemann von Lampe haben ein innovatives Lehrformat erprobt, das Botanik-Exkursionen mit Audio- und Bildmaterial anreichert. Die Autoren stellen im Blogbeitrag vor, wie bei den Exkursionen das Kennenlernen von Vegetation und Pflanzenarten mit dem Erkunden des Geländes anhand ortsgebundener Aufgaben in einem Gesamt-Konzept zusammenwirken.
Neue Unterrichtsansätze während der Pandemie
Während der Pandemie mussten Dozierende ihre Lehrmethoden anpassen. Einige dieser Formate sind wieder verschwunden, während andere inzwischen zu einem zentralen Bestandteil des Unterrichts geworden sind. Exkursionen in großen Gruppen waren untersagt, sodass Lehrende für Botanik und Vegetationskunde neue Ansätze entwickelten. Dazu gehörten a) Präsentationsfolien mit oder ohne Audiokommentar; b) vorbereitete Wege im Umfeld der Universität mit botanischen Namensschildern; und c) die Verwendung von Apps (z. B. Actionbound und GöTours) mit Bildern und Aufgaben, welche an reale Koordinaten gebunden sind.
Das hier vorgestellte Format zum individuellen Kennenlernen von Pflanzenarten im Kontext verschiedener Umweltaspekte vor Ort war an Audiodateien gebunden. Dieses Format hat sich im Hinblick auf Aktivierung, Integration und Flexibilität als vorteilhaft erwiesen und ist auch nach der Pandemie anwendbar.
Wie werden botanische Exkursionen durchgeführt?
Bei botanischen Exkursionen stellen Dozierende in der Regel Pflanzenarten vor, sowie ihre Erkennungsmerkmale, ihre Umwelt-Ansprüche und Beziehungen zu menschlichen Aktivitäten. Aber es geht um mehr als bloße Wissensvermittlung. Enthusiasmus der Dozierenden, kleine Anekdoten, die Beteiligung der Studierenden und das Eingehen auf spezifische Fragen und Interessen sind entscheidend.
In der Regel schreiben die Studierenden Feldprotokolle mit Artenlisten und Informationen über den Standort, und eine Begehung vor Ort ist dabei von zentraler Bedeutung. Bei größeren Gruppen kann es jedoch vorkommen, dass Studierende den Anschluss verlieren oder Erklärungen nicht folgen können. Schmale Wege und schwieriges Gelände können insbesondere für Menschen mit Beeinträchtigungen Schwierigkeiten bereiten, und die Integration internationaler Studierender hängt von den sprachlichen Fähigkeiten der Dozierenden ab.
Audioexkursionen als neues Format
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat unser Fachbereich ein neues Lehrformat für Selbstlern-Exkursionen entwickelt. Die Studierenden erhielten GPS-Dateien, einen PDF-Guide mit Bildern und Informationen zu Pflanzenarten sowie eine Reihe von Audiodateien im mp3-Format. Um eine hohe Qualität der Audiodateien zu gewährleisten, wurden die Aufnahmen mit einem professionellen Mikrofon gemacht und anschließend nachbearbeitet. Sie bieten umfassende Informationen, z. B. über Geologie, Böden, Auswirkungen des Klimawandels, Pflanzenkrankheiten und Bewirtschaftungsmethoden. Um die Teilnehmenden aktiv einzubinden, wurden spezifische Beobachtungsaufgaben erarbeitet und integriert.
Der erste Lernpfad wurde im Jahr 2020 am Westerberg im Göttinger Stadtwald (Demant & Goedecke) entwickelt. Eine weitere Exkursion in den Solling (Bergmeier, Utermann & Goedecke) beinhaltete Aufnahmen aus dem Feld sowie Beiträge lokaler Experten. Im Jahr 2021 wurde eine zweisprachige Audioexkursion zum Teichgebiet um Walkenried eingerichtet (von Lampe & Goedecke).
Der folgende Ausschnitt gibt einen Einblick in die Audioexkursion und beschreibt die Teichkaskade des Exkursionsgebietes. Sie können die Audiodatei hier zusammen mit den Begleitmaterialen herunterladen, um eine genauere Vorstellung von der didaktischen Gestaltung der Audioexkursion zu erhalten.
Beispiel
Die Beispielaufnahme der Station 2 beschreibt die Teichkaskade des Exkursionsgebietes.
Eine Übersicht der Stationen und Aufgaben (hier ein Ausschnitt) ordnet die Audiodateien den entsprechenden Stationen und dazugehörigen Aufgaben zu.
Eine Übersichtskarte skizziert die Exkursionsroute und wird zusätzlich zu einem GPS-Track bereitgestellt. Die Beispielaufnahme (Station 2) befindet sich im nordöstlichen Uferbereich des Andreasteiches.
Das Begleitmaterial ergänzt die Karte um Wegbeschreibungen und erhält zusätzliches Informationsmaterial zum Verständnis der Exkursionsinhalte. Das Begleitdokument steht unter der Lizenz CC-BY-SA 4.0.
Die Aufnahme der Audiobeiträge geschieht vor Ort mit Blick auf das Exkursionsgebiet, um Studierenden die Orientierung bei der selbständigen Exkursion zu erleichtern.
In botanischen Exkursionen werden Pflanzenarten in Beziehung zu ihrer Umwelt vorgestellt. Das Exkursionsgebiet um Walkenried ist geprägt durch eine Kaskade an Teichen und umgebenden Waldbereichen, die zahlreiche Pflanzenarten beheimaten.
Was soll für die Zukunft erhalten bleiben?
Einige wichtige Aspekte sind auch zukünftig vorteilhaft. Insbesondere große, heterogene Gruppen können von dem asynchronen Selbstlern-Format profitieren. Es ermöglicht ein individuelles Lerntempo und vertiefte Beobachtungen und kommt so unterschiedlichen Lernstilen und -geschwindigkeiten entgegen (siehe Feedback der Studierenden unten). Das Format bietet außerdem Flexibilität, da es in reguläre Lehrveranstaltungen integriert oder von Studierenden genutzt werden kann, die nicht an den angebotenen Exkursionen teilnehmen können. Die Aktivierung der Studierenden durch vorbereitete Aufgaben während der Audioexkursionen ist von entscheidender Bedeutung, da sie die Lernerfahrung verbessert und Lücken in der Interaktion füllt. Dieses Format hat sich in schwierigen Zeiten bewährt. Mit der richtigen Vorbereitung kann es auch über die Pandemie hinaus als flexibles und integratives Unterrichtselement eingesetzt werden.
Das sagen die Teilnehmenden
Autoren
Florian Goedecke studierte Biologie an der Universität Göttingen mit dem Schwerpunkt Botanik und promovierte dort zu Verteilung von Pflanzenarten im Mittelmeerraums. Von 2010 bis 2024 gab er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Vegetationsanalyse und Phytodiversität Exkursionen, Geländeübungen und GIS-Kurse. Derzeit koordiniert er das Projekt Bürgerwissenschaften für Biodiversität mit der die Plattform „Fokus Vielfalt“ für die Abteilung Naturschutzbiologie.
Friedemann von Lampe absolvierte sein Studium in Biodiversität, Ökologie und Evolution an der Universität Göttingen sowie in Landschaftsnutzung und Naturschutz an der HNE Eberswalde. In seiner Funktion als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Vegetationsanalyse und Phytodiversität an der Universität Göttingen widmet er sich neben verschiedenen Lehrtätigkeiten auch einem Promotionsprojekt zur Makrophytenvegetation in niedersächsischen Stillgewässern. Nebenberuflich ist er in der Leitung von Natur- und Erlebnis-Camps für den WWF engagiert.