Uni im Corona- Modus: Medienkompetenz und das Ende der Verbindlichkeit im Onlinesemester

Uni im Corona- Modus: Medienkompetenz und das Ende der Verbindlichkeit im Onlinesemester

23.10.20

Schnell raus hier, Breakout-Räume.

„Der gute Wille der Studierenden und Dozierenden nach aktivierender Lehre und Lernen durch digitale Angebote ist zumeist vorhanden. Die Misere beginnt nicht erst bei der Anwendung von digitalen Tools und Services, sondern bereits bei der Verfügbarkeit von Hard- und Software.“ Ein Kommentar über Medienkompetenz und das Ende der Verbindlichkeit im Onlinesemester von Linda Budde und Jana Panke von der Leibniz Universität Hannover.

Technik, Software, Know-how? Alles Aufgabe der Studierenden?

„Muss ich das hier in der Cloud speichern?“ und „Kannst du mir die Dateien noch mal schicken? Ich hab` kein Programm zum PDF-Runterladen!“: Kein Witz – diese und andere Bemerkungen sind im letzten Semester, dem Corona-bedingten Digitalsemester, häufig vorgekommen und zeugen in meinen Augen von einer ausbaufähigen Kompetenz im Umgang mit grundlegenden Funktionen digitaler Medien. Medienkompetenz wird im Zeitalter der Digitalisierung als Grundfähigkeit einer modernen Gesellschaft mit fächerübergreifender Relevanz angesehen (Kerres, 2017).  Ist es dann nicht Aufgabe einer Universität, diese zu fördern? Gerade in den Onlinesemesterzeiten ist dies meiner Meinung nach unabdingbar, um dem Studienerfolg keine unnötigen technischen Herausforderungen entgegenzustellen.

Der gute Wille der Studierenden und Dozierenden nach aktivierender Lehre und Lernen durch digitale Angebote ist zumeist vorhanden. Die Misere beginnt nicht erst bei der Anwendung von digitalen Tools und Services, sondern bereits bei der Verfügbarkeit von Hard- und Software. Im Onlinesemester heißt es ganz selbstverständlich “Use/Bring your own Device”, am besten mitsamt entsprechenden Programmen, wie zum Beispiel dem Microsoft-Office-Paket.  Damit wird Bildung voraussetzungsvoller, denn der Erfolg der Lehre wird vom ökonomischen Status der Studierenden bzw. deren Eltern abhängig gemacht. Um diesem Ausgrenzungsprozess entgegenzuwirken, ist es unabdingbar, Studierenden die notwendige Hard- sowie Software kostenfrei und in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen.

Sind Hard- und Software verfügbar und einsatzbereit, liegt es derzeit am eigenverantwortlichen Engagement und Interesse der Studierenden, wie viel Know-how sie im Umgang mit digitalen Medien haben. Vieles wird in der Uni vorausgesetzt, was in früheren Lebensphasen nicht in dem Maße gefordert war. Um die unterschiedlichen Level der Medienkompetenz der Studierenden einander anzugleichen, ist es erforderlich, dass Studierende ihr Wissen zum Thema Medienkompetenz, digitale Medien und Datenschutz auffrischen und erweitern. Eine Möglichkeit dafür wären regelmäßig stattfindende On-Demand-Formate.“

So, Hardware und Software: Check! Medienkompetenz: Check! Das Onlinesemester kann weitergehen, oder? Naja fast, denn es geht um mehr als um die Verfügbarkeit von Hard- und Software und die Fähigkeit zur Anwendung von digitalen Medien: Im Onlinesemester ist mir klar geworden, dass es auch neuer Normen im digitalen Umgang miteinander bedarf:Schnell raus hier, Breakout-Räume.

„Als nächstes werde ich Sie in Breakout-Räume einteilen und da diskutieren Sie bitte in Kleingruppen…“ Und zack, fünf Teilnehmende weniger im Onlineseminar. Dies ist eine Erfahrung, die im jetzigen Onlinesemester leider häufiger vorgekommen ist und ich als respektlos den Dozierenden gegenüber empfinde. Im Präsenzsemester wäre man ja auch nicht aus dem Raum gerannt, sobald eine unattraktiv erscheinende Aufgabe gestellt wurde. Es scheint so, als wäre mit dem Verlust der Präsenz im Unibetrieb auch ein Stück weit die Verbindlichkeit verloren gegangen. Dies zeigt sich nicht nur im Umgang mit Dozierenden, sondern auch mit Kommiliton*innen: Die Vorteile der flexibleren Zeiteinteilung durch das Onlinestudium werden durch die erschwerte Absprache kompensiert, denn wenn um 23 Uhr wild in WhatsApp-Gruppen gespamt wird, weil eine gemeinsame Abgabe naht und aufgrund der individualisierten Tagesrhythmen kein vorheriges Absprechen möglich war, dann ist ein Anstieg des Cortisollevels vorprogrammiert. Flexibilisierung heißt eben auch, dass alles immer potenziell möglich ist.

Damit digitales Arbeiten trotzdem möglichst stressfrei gelingt, ist es sinnvoll, nicht nur anderen gegenüber verbindlich zu sein, sondern auch sich selbst gegenüber. Sich so zu organisieren, dass der Uniworkload nicht erst kurz vor knapp mitsamt Nachtschichten erledigt wird, ist im Onlinesemester sicherlich schwieriger.

Halleluja, das Onlinesemester bietet ganz schön viele Herausforderungen in technischer, anwendungsbezogener und sozialer Hinsicht! Doch ich bin mir sicher: Mit starken Nerven, einer stabilen Internetverbindung und gegenseitiger Rücksichtnahme schaffen wir auch das nächste Semester mit Corona!

 

Kerres, M. (2017) Digitalisierung als Herausforderung für die Medienpädagogik: „Bildung in einer digital geprägten Welt“. In: Fischer, Christian (Hrsg.) Pädagogischer Mehrwert? Digitale Medien in Schule und Unterricht. Münstersche Gespräche zur Pädagogik, Münster: Waxmann.

 

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