Online-Lehre aus Lehrendenperspektive – Erfahrungen von Teilnehmenden am Innovationswettbewerb Deutschland 4.0
Online-Lehre aus Lehrendenperspektive – Erfahrungen von Teilnehmenden am Innovationswettbewerb Deutschland 4.0
23.02.22Das Hochschulforum Digitalisierung ist Co-Initiator des Innovationswettbewerbs Deutschland 4.0 von ekipa, bei dem Studierenden, Forscher:innen und Startups unterschiedlicher Disziplinen dazu aufgerufen sind, neue Konzepte und Innovationen für relevante gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Wir haben teilnehmende Professor:innen zu ihren Erfahrungen mit digitaler Lehre interviewt.
Interview mit Anne Füßl von der TU Ilmenau
Anne Füßl ist seit April 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin/Doktorandin an der Technischen Universität Ilmenau (Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Medien, Fachgebiet Wirtschaftsinformatik für Dienstleistungen). Ihre Forschungsschwerpunkte sind „Business Process Analysis“ und „Consulting Research”.
Warum war das Programm Deutschland 4.0 interessant für Ihre Lehre?
Im Rahmen unserer Lehrveranstaltung „Grundlagen der Wirtschaftsinformatik in Dienstleistungsunternehmen“ lernen die Studierenden die Rolle von IT-Systemen in Dienstleistungsprozessen kennen und thematisieren u.a. die Besonderheiten digitaler Dienstleistungen. Die interdisziplinäre Entwicklung innovativer Lösungskonzepte bot unseren Studierenden praxisnahe Einblicke in unterschiedliche Dienstleistungsbranchen. Sie lernten digitale Arbeitsformen im praktischen Einsatz kennen und spürten die zukünftige Relevanz digitaler Dienstleistungen.
Welche Schwierigkeiten kamen bei der Online-Lehre auf?
Aufgrund der fortwährenden pandemischen Lage sind sowohl Studierende als auch Lehrende grundsätzlich vertraut im Umgang mit hybrider oder reiner Online-Lehre. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die reine Online-Lehre und virtuelle Zusammenarbeit einen erhöhten Kommunikations- und Erklärungsbedarf erfordert. Bei der Präsentation der Ergebnisse/Pitches sehe ich verstärkt Defizite in der Beteiligung an Diskussionsrunden.
Welche Potentiale sehen Sie in der interaktiven Online-Lehre?
Der Einsatz von Konferenzsystemen und kollaborativen Tools, wie bspw. virtuelle Whiteboards, ermöglichen schnelle Kommunikationswege und stellen transparente Zusammenarbeit sicher. Trotz räumlicher Trennung wurden sowohl kreative als auch gut strukturierte Lösungskonzepte entwickelt. Als Teil hybrider Lehrformate können sich neue Formen der Interaktion für Übungen/Seminare ergeben, indem studentische Aufgaben orts- und zeitunabhängig bewältigt werden.
Wie wurde aus Ihrer Perspektive die veränderte Lehre aus Studierendensicht wahrgenommen?
Die kollaborative Zusammenarbeit mit Hilfe virtueller Whiteboards (Mural) nahmen unsere Studierenden als bereichernde Neuerfahrung war. Die Studierenden begrüßten die Bearbeitung aktueller Fallstudien von Unternehmen aus der Wirtschaft. Sie hatten Freude bei der Entwicklung und Präsentation ihrer innovativen Lösungskonzepte.
Welche zukünftigen Herausforderungen sehen Sie bei der Digitalisierung der Lehre?
Ich sehe grundlegend die Gefahr in einer verminderten aktiven Beteiligung der Studierenden innerhalb reiner Online-Lehre. Weniger selbstmotivierte Studierende fühlen sich ggf. nicht abgeholt. Digitale Lehre setzt ein Mindestmaß an Selbstdisziplin und intrinsischer Lernmotivation voraus, wodurch der Lernerfolg maßgeblich beeinflusst wird.
Wie hat der praktische Ansatz mit Anwendungsfällen die Lehre für Sie und die Studierenden verändert?
Wesentliche Veränderungen betrafen die Bearbeitung realer Problemstellungen sowie die studentische Zusammenarbeit im interaktiven Online-Lehrformat. Die Teilnahme an einem Innovationswettbewerb haben die Studierenden sowie ich, als Übungsleiterin, positiv wahrgenommen. Theoretisch vermittelte Vorlesungsinhalte konnten mit unternehmensbezogenen Fallstudien verknüpft und vertieft werden.
Interview mit Ronny Baierl & René Thamm von der HTW Dresden
Prof. Dr. Ronny Baierl ist Inhaber der Professur für Schlüsselqualifikationen sowie Institutsdirektor des Zentrums für fachübergreifende Bildung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören insbesondere Fragestellungen der innovationsorientierten Unternehmensführung sowie des unternehmerischen Denkens, Entscheidens und Handelns.
René Thamm ist seit 2015 Professor für Internes Rechnungswesen, Finanz- und Umweltcontrolling an der HTW Dresden. Gleichzeitig ist er Studiendekan für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an der HTW. Er befasst sich in der Forschung mit der Finanzierung von Start-ups durch Venture Capital, mit Anreiz- und Steuerungsmechanismen in dezentralen Unternehmen sowie mit Aspekten einer nachhaltigen Unternehmensführung im interkulturellen Kontext.
Welche Schwierigkeiten kamen bei der Online-Lehre auf?
Wir hatten das Modul bereits zu Semesterstart als hybride Lehrveranstaltung mit Präsenzterminen und virtuellen Teilen konzipiert. Daher war der Wechsel auf reine Online-Lehre in unserem Fall mehr oder weniger unkompliziert möglich. Dennoch hätten wir uns gewünscht, insbesondere bei den Coaching-Terminen mit den Studierenden im realen Raum zusammenarbeiten zu können. Schließlich bekommt man so auch einiges beim Gang durch die Stuhlreihen mit, was einem im virtuellen Raum verborgen bleibt.
Welche Potentiale sehen Sie in der interaktiven Online-Lehre?
Bezogen auf den Innovationswettbewerb mit ekipa liegt das größte Potenzial eindeutig in der grundsätzlichen Durchführbarkeit. Ohne eine virtuellen Zusammenschaltung zur Kick-off-Veranstaltung und zu den beiden Design-Thinking-Workshops wäre das Format – aufgrund der geografischen Entfernung und unseres parallelen Angebots in vier Studiengruppen – schlichtweg nicht realisierbar gewesen. Im allgemeineren Sinne lässt sich dies auf andere Einbindung von Externen – beispielsweise in Form von Gastvorträgen – übertragen. Des Weiteren sehen wir die Notwendigkeit, unseren Studierenden vermehrt digitale Schlüsselkompetenzen zu vermitteln. Dies sollte aus unserer Sicht im Idealfall eingebettet in die jeweiligen Fachinhalte erfolgen.
Wie wurde aus Ihrer Perspektive die veränderte Lehre aus Studierendensicht wahrgenommen?
Die hier angesprochene ‚Veränderung‘ ist interessanter Weise bei den derzeitigen Drittsemestern der Übergang von der bisher rein virtuellen zur anfänglichen Präsenzlehre; also vermutlich genau andersrum als mit der Fragestellung intendiert. Dieser Übergang gelang unproblematisch und wurde von den Studierenden durchaus ersehnt. Allerdings konnten wir anfänglich eine gewisse (vermutlich aus dem virtuellen in den realen Raum übertragene) Zurückhaltung der Studierenden bei Interaktionsaufforderungen feststellen.
Welche zukünftigen Herausforderungen sehen Sie bei der Digitalisierung der Lehre?
Zum einen gibt es ein vielerorts spürbares Spannungsfeld zwischen Praktikabilität der Plattformen und dem Datenschutz. Zum anderen führt die schlichte Vielzahl an Möglichkeiten zu einem breiten Angebot an nutzbaren Diensten, die im Sinne einer möglichst hohen Heterogenität in der Hochschullehre zwar prinzipiell zu begrüßen sind, von den Studierenden aber häufig als „Wirrwarr“ wahrgenommen werden.
Wie hat der praktische Ansatz mit Anwendungsfällen die Lehre für Sie und die Studierenden verändert?
Unsere Veränderung zeigt sich vor allem in der (Fortsetzung der) konsequenten Umorientierung vom Referent zum Coach. Aus Studierendensicht zeigt die problemlösungs- und projektorientierte Lehre sehr deutlich, dass auch bereits in der Frühphase des Studiums wertvolle Lösungskonzepte entwickelt werden können. Insofern liegt hier durchaus ein Beitrag zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der internalen Kontrollüberzeugung vor.
Weitere Informationen zu dem Innovationswettbewerb Deutschland 4.0 finden Sie hier bei ekipa.