Generative KI in der Hochschulkommunikation: Ein Game Changer?

Generative KI in der Hochschulkommunikation: Ein Game Changer?

26.10.23

Wie wird Generative KI in der Hochschulkommunikation eingesetzt? Dr. Justus Henke vom Institut für Hochschulforschung (HoF) gibt, basierend auf einer neuen Studie, erste Einblicke und erläutert die längst noch nicht ausgeschöpften Potentiale generativer KI-Tools. Dabei wird deutlich: Schnelligkeit und Effizienz sind nicht die einzigen Aspekte, die für den Einsatz Generativer KI in der Hochschulkommunikation sprechen. 

Die Digitalisierung hat nahezu jeden Teil unseres Lebens verändert, einschließlich der Hochschulwelt. Mit dem Aufstieg neuartiger, generativer Künstlicher Intelligenz (KI), wie etwa ChatGPT, erreichen diese Entwicklungen einen neuen Höhepunkt. Sie basieren auf großen, maschinell vortrainierten Sprachmodellen und haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir mit Computern interagieren, zu revolutionieren. Mit ihr können unterschiedlichste Inhalte und Medien mittels einfacher Texteingaben – sogenannte Prompts – in natürlicher Sprache erstellt werden. Dies wird auch beträchtlichen Einfluss auf die Art, wie Hochschulen künftig kommunizieren, haben. Sie können Antrieb für innovative Kommunikationsstrategien sein, etwa um bestimmte Zielgruppen leichter zu erreichen. Einige Hochschulen nutzen generative KI bereits für Kampagnen und Social Media, andere jedoch erkennen noch nicht die vielfältigen Möglichkeiten dieser Technologie. Schauen wir uns die Nutzung von generativer KI in der Hochschulkommunikation und seinen Potenziale also etwas genauer an.

Zielsetzungen der Hochschulkommunikation

Ein zentrales Ziel von Hochschulkommunikation ist es, Wissen transparent und offen zu vermitteln. Ob es um die neuesten Forschungsergebnisse geht oder um Informationen für Studierende, die Kommunikation dient als Brücke zwischen der Institution und ihrer Öffentlichkeit. Dabei ist es eine fortwährende Herausforderung, komplexe Informationen verständlich und zugänglich zu machen. Zugleich ist Hochschulkommunikation immer auch strategisch an den Interessen der Organisation orientiert. Daher dienen viele der Kommunikationsaktivitäten auch dem Ruf der Hochschule, etwa um attraktiv für Studienbewerber:innen zu sein oder Kooperationen mit der Wirtschaft anzubahnen. Insofern ist auch Öffentlichkeitsarbeit und PR ein ebenso bedeutsamer Baustein der Hochschulkommunikation.

Die derzeitige Lage

Laut unserer Studie vom Juni dieses Jahres (Henke 2023) scheint generative KI in der Hochschulkommunikation noch nicht wirklich Fuß gefasst zu haben. In unserer Umfrage gaben 101 deutsche Hochschulen hierzu Auskunft. Sie gaben an, dass KI-Tools in der Hochschulkommunikation vor allem für Übersetzungen regelmäßig genutzt werden. Bei der Nutzung generativer KI zeigen sich indes erhebliche Unterschiede: Während 40% der Hochschulen bereits Erfahrung mit ChatGPT gesammelt haben, nutzen nur 22% es regelmäßig. KI-gestützte Übersetzungstools wie DeepL sind im Vergleich dazu bei 73% der Kommunikationsabteilungen im regelmäßigen Einsatz. Interessanterweise gaben aber 40% der privaten Hochschulen an, ChatGPT regelmäßig zu nutzen. Aber warum diese Zurückhaltung?

Ein erster Schlüssel zur Antwort sind die Erwartungen, die mit KI-Tools verbunden werden. Die die Kommunikationsabteilungen steht die Zeiteinsparung bei der Erstellung von Inhalten mit großer Zustimmung klar im Vordergrund. Erstaunlicherweise sehen nur wenige einen Nutzen in personalisierter Kommunikation und nur wenige sehen eine Qualitätsverbesserung der Kommunikation durch KI. Die Zufriedenheit mit der Nutzung dieser Tools ist allenfalls mittelmäßig bislang.

Hindernisse und Bedenken

Oft geht es den Kommunikator:innen also mit Blick auf generative KI primär um Effizienz und Schnelligkeit – das schnelle Beantworten von Anfragen oder das automatisierte Versenden von Nachrichten. Dabei wird jedoch übersehen, dass generative KI das Potenzial hat, die Qualität der Kommunikation erheblich zu verbessern.

Allerdings gibt es auch Bedenken hinsichtlich Ethik, Datenschutz, Urheberrecht und Transparenz über die in den Modellen verwendeten Daten. Die Vorstellung, eine Maschine könnte mit Studierenden oder der Öffentlichkeit kommunizieren, wirft Fragen auf: Ist das ethisch vertretbar? Wie echt ist diese Kommunikation? Der Datenschutz ist ein kritisches Thema, insbesondere in Europa mit seiner strengen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch KI-Systeme kann heikel sein, wenn sie europäische Server verlassen und von privatwirtschaftlichen Unternehmen zum Trainieren der Sprachmodelle genutzt werden. Auch bestehen Unsicherheiten, ob ein Sprachmodellen ein Bias eingebacken ist, also Wertvorstellungen eines westlich-geprägten Mainstreams zulasten anderer Perspektiven priorisiert.

Diese Bedenken decken sich mit Debatten um Einsatz von KI in der akademischen Lehre und Forschung. Auch dort werden diese Aspekte kritisch erörtert und es gibt Rufe nach sorgfältiger Regulierung, um etwa Prüfungen und Autorenschaft an die Veränderungen anzupassen. Schließlich ist das derzeit noch ein mangelndes Verständnis für generative KI und ihre Möglichkeiten ein bedeutendes Hindernis. Nicht alle Entscheidungsträger an Hochschulen erkennen bereits, was generative KI kann und wie sie sinnvoll eingesetzt werden kann.

Das ungenutzte Potenzial

Generative KI bietet weit mehr als nur Effizienz. Sie kann die Kommunikation zielgerichteter machen und genau die richtigen Personen ansprechen. Stellen Sie sich vor, wie ein Chatbot basierend auf generativer KI individuelle Fragen von Studierenden in Echtzeit beantwortet und dabei genau auf deren Bedürfnisse eingeht. Oder wie Anfragen aus der Öffentlichkeit oder der Wirtschaft zielgerichtet Informationen aufbereitet und Ansprechpartner in der Hochschule vermittelt werden. Bisher kaum erreichte Gruppen können entsprechend ihrer Interessen und Voraussetzungen bedarfsgerecht erreicht werden, denn die KI-Werkzeuge können die Kommunikationsangebote mühelos daran anpassen. KI hat folglich das Potenzial, nicht nur die Effizienz, sondern vor allem die Qualität der Kommunikation zu steigern.

Durch generative KI können auch Visualisierungen, sei es in Form von Bildern oder Videos, erstellt werden, die komplexe Themen verständlich darstellen. Und durch die Analyse großer Datenmengen können Kommunikationskampagnen strategisch geplant und optimiert werden. Durch personalisierte, zielgerichtete und evidenzbasierte Kommunikation können Hochschulen ihre Beziehung zu Studierenden, Alumni, Mitarbeitenden und den verschiedenen Zielgruppen in der Öffentlichkeit stärken und vertiefen.

Ein Blick in die Zukunft

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Die Einführung und Integration generativer KI in akademischen Umgebungen wird deren Kommunikationshorizont erweitern. Zunächst wird KI in der Lage sein, Routineaufgaben zu übernehmen. Dies wird den Arbeitsalltag erheblich erleichtern und Mitarbeitenden ermöglichen, sich auf kreative und strategische Aspekte zu konzentrieren. Doch generative KI wird noch mehr leisten: Sie kann als Katalysator für Kreativität fungieren, indem sie inspirierende Vorschläge und Ideen liefert.

Aber ist das Forderungsgeräusch nach ständiger Weiterbildung und der Etablierung neuer Richtlinien tatsächlich der goldene Weg oder nur eine Reaktion aus Unsicherheit? Die wirkliche Stärke in der Nutzung generativer KI liegt möglicherweise nicht im puren Wissensaufbau von KI-generierten Inhalten, sondern in der Fähigkeit, gezielte und sinnvolle Prompts zu generieren. Die Prompts sind an die Bedarfe und Workflows von Organisationseinheiten oder Lehrenden ausgerichtete Vorlagen, mit denen man die in der jeweiligen Situation benötigten Inhalte „on demand“ leicht erstellen kann. So kann jederzeit eine hohe Passung an die konkreten Anforderungen sichergestellt werden, ohne weitgehend ungenutzte, weil zu unkonkrete, Wissenselemente zu ausufernden Bibliotheken aufzuhäufen. Anstelle traditioneller Weiterbildungsszenarien könnten kollegiale Beratungen und Fallbesprechungen, inspiriert durch praxisbewährte Prompts, effektivere Lernmomente bieten. Ein gutes Lehrendenkollegium weiß, dass regelmäßige Fallbesprechungen einen enormen Wert haben.

Die Strategien zur Integration von generativer KI könnten sich über das bloße „Was tun?“ hinaus ausdehnen und konkrete „Wenn-Dann“-Szenarien beinhalten, um Probleme zu antizipieren und Lösungsansätze zu skizzieren. Solche KI-Policies bieten ein adaptives Framework, das flexibel auf die schnellen Veränderungen und neue Technologien reagieren kann.

Richtlinien werden auch künftig unerlässlich sein, insbesondere wenn es darum geht, ethische Grundsätze sicherzustellen und Diskriminierung durch Sprachmodelle zu vermeiden. Diese Richtlinien sollten jedoch nicht erstickend oder überregulierend sein. Vielmehr sollten sie nur das regeln, was tatsächlich geregelt werden muss, und Raum für Anpassungen lassen, wenn sich die Technologie weiterentwickelt und neue Erkenntnisse gewonnen werden. In diesem Sinne könnte generative KI nicht nur die Kommunikationslandschaft von Hochschulen revolutionieren, sondern auch den Weg für eine dynamischere und anpassungsfähigere Bildungsumgebung ebnen.

Referenzen

Justus Henke (2023): Hochschulkommunikation im Zeitalter der KI: Erste Einblicke in die Nutzung und Perspektiven generativer KI-Tools (HoF-Arbeitsbericht 122), Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg 2023, 53 S. URL: https://www.hof.uni-halle.de/publikation/hochschulkommunikation-im-zeitalter-der-ki/

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2 Kommentare

  1. Der Bericht bringt wichtige Details jenseits der typischen Abwehrhaltungen zur Sprache. Neben Automation und Schnelligkeit kann ich aus unserer Arbeit definitv die Perspektive der Qualitätssteigerung bestätigen. Richtig eingesetzte KI kann die Qualität von Knowledge Management erheblich verbessern.

  2. Vincent sagt:

    Ein wirklich aufschlussreicher Artikel, Dr. Henke! Es ist spannend zu sehen, wie generative KI nicht nur die Effizienz, sondern auch die Qualität in der Hochschulkommunikation steigern kann. Das erinnert mich an die Art und Weise, wie moderne Technologien in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, um sowohl Leistung als auch Nachhaltigkeit zu verbessern. Dr. Kuoppamäkis Einblick in die Praxis bestätigt dies. Mich würde interessieren, wie Sie die Anwendung generativer KI in anderen Sektoren, wie beispielsweise in umweltbewussten IT-Firmen, sehen.
    Gibt es dort ähnliche Potenziale oder Herausforderungen?