Working Out Loud – Peer-Coaching für eine neue Offenheit in Wirtschaft und Wissenschaft

Working Out Loud – Peer-Coaching für eine neue Offenheit in Wirtschaft und Wissenschaft

18.02.21

Die Wissenschaft vernetzt sich! Allein das Hochschulforum für Digitalisierung bietet verschiedene Plattformen für wissenschaftlichen Austausch und Inspiration. Nicole Engelhardt (FernUniversität Hagen) und Nancy Warbeck (HHN) haben nun das Angebot auf HFDnet um einen weiteren Channel ergänzt: Working Out Loud (WOL). Sie wollen wissen, worum es dabei geht oder wie diese Methode im Hochschulumfeld eingesetzt werden kann? Dieser Blogbeitrag stellt die Methode WOL vor und geht auf Einsatzgebiete in der Hochschule ein.

 

Gestaltung hybrider Lehr- und Lernräume, Strategien im Umgang mit Open-Science und Open Education, Entwicklung neuer Vernetzungsmöglichkeiten für Studierende, Anpassung an veränderte Kompetenzanforderungen des Arbeitsmarktes (21st Century Skills) sind nur einige der aktuellen Herausforderungen an Hochschulen, die uns – egal an welcher Einrichtung wir uns befinden, in Zeiten der Digitalisierung und der Pandemie treiben und verbinden [1, 2]. Um nicht nur zu bestehen, sondern diese Herausforderungen schnell lösen zu können, müssen Netzwerke entstehen, in denen wir uns gemeinsam austauschen, zusammenarbeiten und voneinander lernen können.

Dabei ist nicht verwunderlich, dass eine Peer-Coaching Methode wie Working Out Loud, die dabei unterstützt, seine eigene Arbeit sichtbar zu machen und Expert:innennetzwerke aufzubauen aktuell gefragter ist denn je. Aber worum geht es bei diesem „lauten Arbeiten“ und was hat das mit Wissenschaftskommunikation zu tun? Wo findet die Methode bereits Anwendung? Und wie funktioniert ein Circle?

Überblick

  1. Worum geht es bei Working Out Loud?
  2. Wo findet Working Out Loud bereits Anwendung?
  3. Wie funktioniert ein WOL Circle?
  4. Neugierig geworden? Dann einfach ausprobieren!
  5. Ausblick: WOL für Lernende

Worum geht es bei Working Out Loud?

Bryce Williams, ein IT-Spezialist, beschrieb den Begriff 2010 erstmals in seinem Blog „When will we Work Out Loud? Soon!“ Dabei geht es darum, die eigene Arbeit sichtbar zu machen und über transparente, dialogfähige Tools (Soziale Netzwerke oder Intranet) zu berichten – kurz: es geht um nach außen gerichtetes Arbeiten, um über aktuelles Wissen diskutieren und dieses weiterentwickeln zu können. Durch diesen Austausch können relevante Netzwerke aufgebaut werden, die dabei helfen, ein Ziel schneller zu erreichen. Darüber hinaus sind sie wesentlicher Bestandteil für das Entdecken neuer Themen, für die Entwicklung von Innovation und für die persönliche Weiterentwicklung. [3, 4]

Illustration Schrift auf Paper: "Think outside the box. Working Out Loud #WOL"

Aus diesem Ansatz entwickelte John Stepper, ein langjähriger Manager der Deutschen Bank, 2015 eine gleichnamige Selbstlern- und Peer-Coaching-Methode, um mit Hilfe seines individuellen Ziels, die Unterstützung durch die Circle Teilnehmer:innen und den sogenannten Circle-Guides

  • „nach außen gerichtetes Arbeiten“ zu erlernen,
  • Gleichgesinnte auf das persönliche Projekt oder eine Idee aufmerksam zu machen,
  • sich mit ihnen in Bezug auf das selbst gesteckte Ziel zu vernetzen und auszutauschen (Aufbau von Expert:innennetzwerken) und
  • sich somit seinem Ziel schneller anzunähern.

In regelmäßig stattfinden Treffen mit den Circle Mitgliedern kann ich mir bei Working Out Loud folgende Skills aneignen:

  • selbstorganisiertes und vernetztes Lernen,
  • Grundlagen zum Aufbau vertrauensvoller Beziehungen,
  • ein vernetztes Kommunizieren über Fächergrenzen hinweg,
  • das sichtbare Arbeiten auf Sozialen Plattformen auf dem Weg zum Ziel,
  • die digitale Zusammenarbeit in einem Netzwerk mit einer klaren Fokussierung auf die persönliche Zielsetzung.

Mit Hilfe dieser Skills überwinden wir unsere Hochschulgrenzen und unser Abteilungsdenken („Silodenken“). Ein kollegialer, fakultäts- und abteilungsübergreifender Austausch fördert aufgrund der diversen Erfahrungen großartige Ergebnisse zu Tage.

Darüber hinaus können wir durch eine sichtbare (Wissenschafts-)Kommunikation Studierende gewinnen, Aufmerksamkeit für das eigene Forschungsgebiet oder Projekt für künftige Förderung generieren, Kontakte zu regionalen und überregionalen Kooperationspartner:innen für die eigenen Lehr- und Forschungsprojekte anbahnen sowie die Gesellschaft an unserer Forschung beteiligen und Innovationen vorantreiben [5, 6].

Wo findet Working Out Loud bereits Anwendung?

WOL hat sich als Graswurzelbewegung in den letzten Jahren in vielen deuten Unternehmen ausgebreitet.

WOL in Unternehmen: Firmenlogos von Unternehmen

Bei Unternehmen, wie Bosch, BMW, Siemens oder der Sparkasse wird WOL mittlerweile gelebt und erhält ein unglaubliches Feedback, wie beispielsweise von Christoph Kübel, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Robert Bosch GmbH:

„Um die vernetzte Welt erfolgreich zu gestalten, müssen wir über jegliche Grenzen hinweg zusammenarbeiten, einander unterstützen und voneinander lernen. […] Die Working Out Loud Circle Methode bietet Mitarbeitern, vernetztes Arbeiten zu erleben und die eigenen Fähigkeiten darin auszubauen.”

WOL ist zu einer Bewegung geworden, die auch im Hochschulumfeld Einzug gehalten hat und die sich in mehreren Communitys #WOL4Education [7] oder #WOL4HS sammelt. Sichtbare Aktivitäten sind darüber hinaus beispielsweise bei der PH Heidelberg, der HFT Stuttgart, der Universität Göttingen oder der Fernuniversität Hagen zu erkennen.

Dabei handelt es sich zumeist um persönliches Engagement, wie auch an der Hochschule Heilbronn. Im letzten Jahr konnten dort die ersten fünf Circles mit 18 Interessierten aus der Hochschule und Unternehmen der Region Heilbronn gegründet werden. Kristina Epple und Kerstin Steimle, beide Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Doktorandinnen, schrieben dazu folgendes:

Kristina Epple: „WOL-Circle-Treffen sind für mich wie das Drücken einer „Pause-Taste“ im Alltagsstress. Man nimmt sich bewusst eine Stunde Zeit für etwas, das einem wichtig ist. In dieser Stunde ist Zeit zum Träumen, Inspirationen sammeln und dafür Ideen freien Lauf zu lassen. […]“

Kerstin Steimle: „[…] Was mir unglaublich bei meiner Promotion hilft ist das Netzwerk, das man sich in diesem engen Kreis aufbaut und die Motivation, die einem die anderen Gruppenmitglieder geben, sich auch mal von außen Unterstützung zu holen. Auf der anderen Seite erkennt man, dass man auch selbst schon etwas bieten kann, also seine eigenen Erfahrungen nicht verstecken muss und anderen helfen kann, das ist unglaublich motivierend. […]“

Diese Circles sollten nicht nur die Vernetzung und den Austausch fakultätsübergreifend fördern, sondern auch Lehrbeauftragte mehr in die Hochschule integrieren und Unternehmen aus der Region mit der Hochschule verbinden. Dieses Ziel wurden innerhalb der Circles erreicht und es entstanden großartige Projekte und Beziehungen. Wie es zu diesen fünf Circles kam, darüber berichtet ein Blogbeitrag bei den Musterwandlern: „Hoch(schule) lebe das Netzwerk!“.

Doch wie finde ich die richtigen Personen, Gleichgesinnte, die mir bei meinem aktuellen Ziel, Thema oder Projekt weiterhelfen können? Wie schaffe ich es, zu diesen Personen einen Kontakt aufzubauen und für mein Vorhaben zu gewinnen? Die lernbegleitenden Guides von WOL liefern zu diesen Fragen wertvolle Tipps zum direkten ausprobieren.

Wie funktioniert ein WOL Circle?

  • 3 – 5 Personen
  • 1 Ziel pro Person
  • 1 Stunde pro Woche
  • 1 Leitfaden (Guide) pro Woche
  • 12 Wochen
  • analog und/oder digital

Vier bis fünf Menschen bilden eine Circle – aus einer Organisation oder darüber hinaus. Dabei ist es von Vorteil, wenn man sich nicht kennt. Jede teilnehmende Person formuliert ihr persönliches Ziel. Es kann sich dabei um ein berufliches Ziel handeln, muss es aber nicht. Es kann darum gehen, ein Problem zu lösen, eine Herausforderung zu meistern, sich neues Wissen oder eine neue Fähigkeit anzueignen. Laut dem ZBW könnten “Forschende oder Bibliotheken mit WOL Open Science praktizieren. Dazu gehört, etwa in Blogposts oder Tweets nicht nur die eigenen Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, sondern von Beginn an auch über Ziele und Arbeitsschritte zu berichten.”

Dieser Circle trifft sich eine Stunde in der Woche, über zwölf Wochen hinweg – analog oder digital oder im Wechsel und jedes Mitglied berichtet über die stetige Entwicklung seines Ziels. Begleitet werden die Treffen durch die Circle-Guides, in denen zum einen Techniken und Tools aufgezeigt werden, um sich die eingangs beschriebenen, neuen Fähigkeiten selbstständig anzueignen. Zum anderen bieten die Guides eine Reihe von Geschichten und Übungen, die zur Reflexion der eigenen inneren Haltung in Bezug auf ein digitales, offenes, freigiebiges, kollaboratives und vernetztes Arbeiten anregen.

Die Arbeit mit den Guides kann auf zwei Wegen stattfinden: entweder arbeitet die Gruppe diese in der gemeinsamen Stunde durch oder man vereinbart, sich bereits vorher mit ihnen zu beschäftigen. Das „Wie jeder lernt“ steht dabei im Vordergrund und sollte aus diesem Grund immer individuell bleiben. Das heißt, auch wenn man sich mal nicht auf ein Treffen vorbereiten konnte, ist das vollkommen in Ordnung. Die Hauptsache ist, dass jeder in der gemeinsamen Stunde aufmerksam ist, aktiv zuhört und bereit ist, sich einander zu unterstützen, um den jeweiligen Zielen näher zu kommen.

Damit bietet WOL allen Teilnehmenden Zeit und Raum, um sich mit ihren eigenen persönlichen Zielen zu beschäftigen und mit Menschen zu umgeben, die sie bei deren Erreichung inspirieren und unterstützen. Die Grundlage hierfür ist, sich in diesem Netzwerk offen und transparent auszutauschen und einen Mehrwert für das ganze Netzwerk zu erzeugen, z.B. durch Einbringen von Ideen, Wissen, oder Erfahrungen und dazu Feedback zu bekommen, um mit- und voneinander zu lernen und zu profitieren. Ähnlich eines Erfolgsteams, wie es 2009 von Prof. Dr. Anja Frohnen in einem Artikel über Promotionserfolgsteams beschrieben wurde, fungieren der Circle und die Guides

„als motivierende Zielkontrolle; bietet den einzelnen Mitgliedern Feedback, Rat und Erinnerung, […] übernimmt Motivationsfunktion, wertschätzt und honoriert die kleinen Schritte auf dem Weg zu den größeren Zielen […]. [Dabei werden] kreative Prozesse und Impulse angestoßen […], um so innovative Forschungsergebnisse zu ermöglichen.“ 

Man erlebt sich dabei selbst als Knoten in einem Netzwerk und wird sich seiner Stärken bewusst. Von ähnlichen Erfahrungen berichten Brindusa Dumitrescu und Margareta Jäger, die in zwei verschiedenen Circles teilgenommen haben:

Brindusa Dumitrescu (Projektmanagerin Jäger & Jäger GmbH) schrieb: „John Stepper sagte, dass ein WOL-Circle 12 Wochen dauert, aber das stimmt nicht … WOL ist für das Leben […]. Durch das Programm lernten wir uns nicht nur kennen, sondern wurden (glaube ich) zu Freunden. […] Wir erlebten schnell die Auswirkungen von WOL und lernten viel über uns selbst, unsere Ziele und Prioritäten. Für mich war WOL eine große Chance, auf mein individuelles Ziel hinzuarbeiten. […]. Mein Fazit ist, dass sich dieses Konzept so stark in meinem Geist und meiner Seele verankert hat, dass ich mich entschlossen habe, mit meinem 2. WOL-Circle weiter zu machen.“

Margareta Jäger (Geschäftsführerin, Jäger & Jäger GmbH): „[…] Wir sind als vier Frauen in diesen WOL-Circle gestartet und haben als Powerfrauen-Dream-Team den Circle beendet. Zwischenzeitlich hat sich die WOL-Zeit auch auf unsere Geschäftsbeziehungen ausgedehnt. Von der gegenseitigen Unterstützung und dem gemeinsam Erlebten sind wir am Ende so begeistert, dass wir unbedingt noch gemeineinsam ein Projekt auf die Beine stellen wollen und werden […].“

Neugierig geworden? Dann einfach ausprobieren!

Um einen eigenen Circle zu gründen oder einem bereits bestehenden beitreten zu können, kann man den offiziellen Circle Finder nutzen. Sucht man beispielsweise nach weiteren Teilnehmer:innen für einen Circle, kann die Community in der WOLLinkedIn-Gruppe oder bei Twitter angesprochen werden oder zukünftig in der HFD-Community über HFDnet. Den Zugang zu den Guides erhält man auf der WOL-Webseite.

Let’s Work Out Loud!

Ausblick: WOL für Lernende

„Um in der VUCA-Welt [8] nicht nur zu bestehen […]“, sondern diese aktiv mitgestalten, sich persönlich weiterzuentwickeln, Wissen lebenslang erweitern und komplexe Aufgaben schnell lösen zu können, müssen wir Netzwerke aufbauen können, in denen wir uns austauschen sowie von- und miteinander lernen können. Zu den zentralen Aufgaben der Bildungsinstitutionen gehört es, diese Netzwerkbildung „[…] bei ihren Lernenden zu initiieren und zu fördern.“. Vor allem das vergangene Semester hatte gezeigt, dass Studierende, die in den ersten Semestern in der Teamzusammenarbeit Schwierigkeiten haben, unterstützt werden müssen. Wir als Hochschul-Angehörige können diese Netzwerke bewusst organisieren und mitgestalten.

Prof. Dr. Nicole Ondrusch aus der Fakultät IT der Hochschule Heilbronn erprobt und untersucht im aktuellen Wintersemester 2020/21 anhand ihres Erstsemester:innenkurses „Software Engineering“ die Einführung und Nutzung von WOL. Dafür wurden über 60 Studierende in WOL-Gruppen eingeteilt, die jeweils von einem Tutor oder einer Tutorin begleitet, unterstützt und motiviert werden. In den Treffen unterstützen sich die Studierenden gegenseitig in der Erreichung ihrer Ziele und reflektieren diese. Die Ergebnisse der Untersuchung sind noch nicht vollständig ausgewertet, jedoch haben sowohl die Tutor:innen als auch die Student:innen einstimmig festgestellt, dass die Circles den Einstieg ins Studium und das Kennenlernen erleichtert haben.

Gleichzeitig setzte Dr. Julia Schönbrunn in ihrem Kurs an der Fakultät „International Business“ der HHN die Methode parallel zur Vermittlung der Theorien zu Autonomie und Sozialkapital bei 50 internationalen Masterstudent:innen ein – dabei konnten die Studierenden direkt selbst erleben, was im Kontext New Work an Kompetenzen erforderlich ist und diese eigenständig entwickeln.

Über diese individuellen Erfahrungen mit Working Out Loud bei Studierenden berichten wir gerne in einem folgenden Beitrag.

Weiterführende Links:

Fußnoten

[1] Die Hochschullehre in Zeiten der Disruption. In: Relatris Blog und Fundstücke. https://blog.relatris.ch/2019/04/19/die-hochschullehre-in-zeiten-der-disruption/.

[2] Durch Teilen wachsen – die #WOL Methode. In: Volkmar Langer. https://volkmar-langer.de/teilen-wol/.

[3] New Learning. Working Out Loud (WOL). In: HR Performance Institut. https://www.hr-performance-institut.de/itm/working-out-loud-wol/.

[4] About. Working Out Loud. https://workingoutloud.com/en/about.

[5] Fünf Gründe für Wissenschaftskommunikation in Forschungsprojekten. In: Wissenschafskommunikation. https://www.wissenschaftskommunikation.de/fuenf-gruende-fuer-wissenschaftskommunikation-in-forschungsprojekten-16215/.

[6] Die Ziele der Wissenschaftskommunikation – Sind es nur sechs? In: Wissenschaft kommuniziert. https://wissenschaftkommuniziert.wordpress.com/2015/10/13/die-ziele-der-wissenschaftskommunikation-sind-es-nur-sechs/.

[7] Working Out Loud im Bildungskontext. In: Medium. https://medium.com/wol-rhein-ruhr/wol4education-ec163a1b7c89.

[8] VUCA ist ein Akronym für die englischen Begriffe volatility ‚Volatilität‘ (Unbeständigkeit), uncertainty ‚Unsicherheit‘, complexity ‚Komplexität‘ und ambiguity ‚Mehrdeutigkeit‘. Es beschreibt schwierige Rahmenbedingungen der Unternehmensführung.

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