Education is Sharing: Die Bedeutung von Open Education für die Hochschullehre

Education is Sharing: Die Bedeutung von Open Education für die Hochschullehre

08.05.24

Blog: "Education is Sharing". Untertitel: "Die Bedeutung von Open Education für die Hochschullehre. Ein Beitrag von Dr. Markus Deimann und Pauline Rinne". Logo rechts unten: 10 Jahre Hochschulforum Digitalisierung.

Inhaltsverzeichnis

    Bericht über die HFD-Delegationsreise an die TU Delft

    Wenn es um Open Educational Resources (OER) geht, führt kein Weg an der TU Delft vorbei. Wie kaum eine andere Hochschule in Europa steht sie für einen Openness-Ansatz in der Hochschulwelt, den sie seit 2007 konsequent verfolgt. Für Dr. Markus Deimann und Paulina Rinne vom Kooperationsnetzwerk OER (KNOER) war die HFD-Delegationsreise eine ideale Gelegenheit, um sich an der TU Delft genauer umzuschauen, sich mit den niederländischen Kolleg:innen auszutauschen und sich von den Good Practices inspirieren zu lassen. Was sie an der TU Delft beim Open Education Day erlebt haben und mit welchen Empfehlungen sie für die deutsche Hochschul-Community zurückgekommen sind, erzählen sie in diesem multimedialen Reisebericht mit vielen Fotos, Audios und Videos.

    Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von video.vcrp.de zu laden.

    Inhalt laden

    Hintergrund

    Die Ausschreibung des Hochschulforum Digitalisierung (HFD) für Delegationsreisen zur Förderung des internationalen Community Austauschs hat sofort das Interesse innerhalb des Kooperationsnetzwerks OER (KNOER) geweckt. So bot die Ausschreibung eine sehr gute Möglichkeit, eine besondere Maßnahme zur Förderung von offenen Bildungsmaterialien (OER) in der Hochschullehre genauer kennenzulernen. Dabei handelte es sich um den Open Education Ambassador Award der TU Delft, der seit 2022 vergeben wird. Da es in der deutschen OER-Landschaft in der Vergangenheit ebenfalls Versuche gegeben hat, durch Preise die Wertschätzung und Aufmerksamkeit von OER zu fördern (siehe z.B. hier), bot sich mit der Reise an die TU Delft die Aussicht, tiefer in die Hintergründe eines systematisch geplanten und durchgeführten OER-Preises einzutauchen. Auch ist die TU Delft eine in der Open-Education-Bewegung besonders exponierte Institution (siehe dazu unten: TU Delft: Eine Open-Education-Erfolgsgeschichte).

    Bildergalerie:

    TU Delft

    TU Delft: Eine Open-Education-Erfolgsgeschichte

    Wie kaum eine andere Hochschule in Europa, steht die TU Delft für einen Openness-Ansatz in der Hochschulwelt, den sie seit 2007 konsequent verfolgt. In diesem Jahr startete die TU Delft ein erstes Pilotprojekt nach dem Vorbild des Massachusetts Institute of Technology (MIT), das 2001 begann, seine Kurse (inklusive Begleitmaterialien) kostenfrei ins Netz zu stellen (siehe hier). Zur damaligen Zeit, während des Dot-Com-Booms, war die Entscheidung des MIT im wahrsten Sinne des Wortes “revolutionär”, meint das lateinische Wort “revolutio” doch eine Umdrehung oder Wendung. Während die meisten Hochschulen versuchten, mit Bildung Geld zu verdienen, ging das MIT den entgegengesetzten Weg und bot fast alle seiner 2000 Kurse im Rahmen der neu gegründeten Initiative OpenCourseWare (OCW) umsonst an.

    Während das MIT also alle seine Bildungsressourcen offen zur Verfügung stellte, verfolgte die TU Delft einen Ansatz des allmählichen und stetigen Wachstums, der sich auf eine starke Unterstützung und die Entlastung von Lehrenden im Veröffentlichungsprozess konzentrierte. Mit dieser ersten Initiative für offene Bildung wollte die TU Delft den Zugang zu Wissen verbessern, indem OER über das Internet zur Verfügung gestellt und gleichzeitig ein Qualitätsimpuls gesetzt wurde. Das ist begründet durch zwei Annahmen:

    • Wenn Lehrende ihre Ressourcen mit der Welt teilen, sind Sie besonders sorgsam
    • Wenn Lehrende und Ihre Kolleg:innen auf der ganzen Welt ihre Materialien offen miteinander teilen und so die Wiederverwendung der Ressourcen ermöglichen, stehen ihnen dadurch qualitativ hochwertige Bildungsressourcen zur Verfügung, die die Anwendung neuer Erkenntnisse ermöglichen.

    Eine Übersicht der Openness-Entwicklungen an der TU Delft im Zeitraum 2007 bis 2017 zeigt die untenstehende Abbildung.

    Verbunden mit diesen vielfältigen Ansätzen ist das Ziel, dadurch nicht nur die Hochschulen, sondern die Gesellschaft insgesamt beeinflussen zu können, indem Offenheit systematisch in die Kernprozesse der TU Delft integriert wurde, um dadurch Wissen und Erkenntnisse mit anderen zu teilen und mit internationalen Partner:innen zusammenzuarbeiten. In diesem Sinn wird Hochschulbildung als öffentliches Gut verstanden, an dem möglichst viele Menschen auf möglichst unbeschränkte Weise partizipieren sollten.

    Ein zentrales Dokument für die gelebte Openness ist die TU Delft Open Educational Resources (OER) Policy. Darin wird unter anderem die Bekenntnis zu einer Lehrpraxis, für die die Nutzung von OER die Norm und nicht die Ausnahme ist, artikuliert. Auch finden sich Anreize für Lehrende, mit denen die Erstellung und Verbreitung von OER gefördert wird, z.B. im Zusammenhang mit Einstellungen oder Beförderung.

    Eine ähnliche strukturbildende Bedeutung wie die OER-Policy hat der TU Delft Strategic Plan Open Science. Hierbei wird der unbeschränkte Zugang zu Forschungs- und Lehr/Lernmaterialien zusammengedacht und als strategische Leitplanke für die Hochschulentwicklung genutzt. Dafür notwendig sind vielfältige, aufeinander aufbauende Anreizsysteme, von denen wir zwei nachfolgenden vorstellen:

    🔓📚 Open Textbook Publishing

    Die TU Delft bietet seit 2018 eine Plattform für (kosten-)frei zugängliche Lehrbücher (Lizenzmodell CC-BY 4.0), die von ihren Angehörigen erstellt und in der Lehre eingesetzt werden. Neben klassischen Lehrbüchern gibt es neuerdings auch Interactive Textbooks. Autor:innen werden durch ein Support-Team begleitet und beraten zu Themen wie Formate, Metadaten, DOI, etc. Genau solche Unterstützung erwiesen sich als wirksam und so konnten bisher bereits 32 Lehrbücher und 5 Interactive Textbooks publiziert werden, mit über 60.000 Downloads im Jahr 2023.

     

     💰 Open Education Stimulation Fund

    Für innovative Projekte, die sich auf die Erstellung von OER und auf die Entwicklung bzw. Einführung von offenen Lehrmethoden (Open Educational Practices, OEP) fokussieren, bietet die TU Delft Fördermöglichkeiten von bis zu 20.000 EUR für Vorhaben mit einer Laufzeit von einem Jahr. So können beispielsweise Open Interactive Textbooks über den Fund gefördert werden.

    Detaillierter Reiseablauf

    Vor Beginn des Open-Education-Day trafen wir uns mit Prof.in Ena Voûte, Prorektorin für internationale Angelegenheiten an der TU Delft, zu einem einführenden Gespräch über Aktivitäten der TU Delft, die im Zusammenhang mit unserer Reise standen.

    Der Open Education Day wurde auf Anfrage des KNOER-Netzwerks von der TU Delft organisiert und führte zu folgendem Programm.

     

    📥 Die dazugehörigen Präsentationen finden sich hier.

    Die umfangreichen Eindrücke des Open-Education-Day wurden am folgenden Tag vertieft. Dazu fand zum einen ein Online-Austausch mit Kolleg:innen aus dem Kooperationsnetzwerk OER (KNOER) statt sowie ein vertiefendes Gespräch mit Bea de los Arcos zur Open Textbook Initiative und dem Open Education Award statt. Ein Video aus diesem Gespräch ist hier hinterlegt.

    Abschließend besuchten wir noch das eindrucksvolle “Baukunst”-Gebäude und reflektierten unsere Eindrücke mit einer Audio-Aufzeichnung.

    Interview mit Bea de los Arcos

    Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von video.vcrp.de zu laden.

    Inhalt laden

    Empfehlungen für die deutsche Hochschul-Community

    Im Folgenden ziehen wir eine Bilanz unserer Reise an die TU Delft und formulieren dazu einige Empfehlungen, die aus unserer Sicht anschlussfähig für die deutsche Hochschul-Community und die deutsche Hochschulpolitik sind. Wir gehen dabei von der folgenden, grundlegenden These aus.

    Open Education hat eine strategische Bedeutung für die zukünftige Entwicklungen von Hochschule insgesamt und für die Zukunft der Hochschullehre im Besonderen

    Die Hochschullehre steht vor vielfältigen und großen Herausforderungen (siehe dazu exemplarisch und zusammenfassend die Empfehlungen des Wissenschaftsrats für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre). Im Kern geht es dabei um eine dauerhafte Qualitätsverbesserung der Lehre und der Studienbedingungen. Open Education kann hier ein wirksames Instrument werden, indem

    • die Wertschätzung und Reputation für die Lehre gegenüber der Forschung erhöht wird. Dazu lässt sich etwa analog zum Citation Index in der Wissenschaft ein Index, der die Häufigkeit der Nutzung von OER misst und Lehrenden mit einem hohen OER-Index in eine vorteilhaftere Position bei Bewerbungs- bzw. Berufungsverfahren bringt.
    • ein deutschlandweiter Open-Education-Award für Hochschullehrende vergeben wird, der das individuelle Engagement und Commitment für die Öffnung von Bildung als wirksames Mittel für mehr Chancengerechtigkeit öffentlichkeitswirksam würdigt.
    • sich das Engagement einer Hochschule für Open Education (und Open Science) in den Indikatoren, die für Hochschulrankings oder die Zuweisung von finanziellen Mitteln wichtig sind, niederschlägt (z.B. Anzahl der angebotenen OER, Anzahl der nachgenutzten OER).
    • Offene Lehr- und Lernmaterialien den Normalzustand der Lehrmittelversorgung darstellen und Lehrende und Studierende gleichermaßen von den in OER eingeschriebenen Freiheiten (z.B. zur Veränderung und zur weiteren Verbreitung) profitieren. Lehr- und Lernmaterialien können so leichter über Learning Management Systeme zirkulieren und den eigenen Bedarfen besser angepasst werden. Durch die so entstehende Vielfalt ist die Chance größer, dass Studierende die für sie passenden Inhalte finden und nicht von einer kleinen und zum Teil kostenpflichtigen Auswahl an Lehrbüchern abhängig sind.
    • auf Basis von OER flexible und nachfrageorientierte Studienmöglichkeiten geschaffen werden. Diese Angebote können mittels Micro-Credentials zertifiziert werden und schaffen dadurch Reputationsgewinne für die Hochschulen, dadurch dass sie an einem weltweit größer werdenden Bildungsmarkt teilnehmen. Wie in der für die HRK beauftragten Studie aus dem Jahr 2023 “Microcredentials auf Hochschulniveau. Ansätze zum Umgang mit einem bildungspolitischen Trend”, argumentiert, erfordert die Gestaltung von digitalen Angeboten einen erheblichen Aufwand, der allerdings durch Rückgriff auf OER-Materialien gesenkt werden kann. Dieser Effekt lässt sich durch hochschulübergreifende Zusammenarbeit, wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen bei der Erstellung von OERContent.nrw, noch weiter steigern.

    Darüber hinaus trägt Open Education dazu bei, Hochschulen in Zeiten multipler Krisen in ihrem bildungspolitischen Auftrag und zur Sicherung der Demokratie in der Gesellschaft zu stärken:

    • durch den offenen Zugang zu Lehr- und Lernmaterialien sowie zu aktuellen Erkenntnissen aus der Forschung (Open Access) übernehmen die Hochschulen Verantwortung als Bildungseinrichtung, die prinzipiell allen Menschen offensteht und schaffen wichtige Voraussetzungen für die anstehenden sozialen und technologischen Innovationen in der Gesellschaft. Indem OER- und Open-Access-Portale einen stetig steigenden Pool an vielfältigen Materialien präsentieren, lässt sich die Aufmerksamkeit für Lehre und Wissenschaft steigern und deutlich machen, wie viel Innovationskraft in den Hochschulen steckt.
    • durch offene Angebote und mehr Beteiligungsmöglichkeiten können Hochschulen besser auf die Erwartungen und Bedürfnisse der Gesellschaft eingehen. Insbesondere im Zusammenhang mit der digitalen Transformation oder der Fachkräftegewinnung braucht es neue, durchlässigere und insgesamt offenere Angebote als bisher.

    Interviews mit Michiel de Jong und Willem van Valkenburg

    Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von video.vcrp.de zu laden.

    Inhalt laden

    Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von video.vcrp.de zu laden.

    Inhalt laden

    Video-Mitschnitt vom HFD-Hangout am 20. März 2024:

    Dr. Markus Deimann und Paulina Rinne haben am 20. März 2024 in einem HFD-Hangout ausführlich von Ihrer Reise berichtet. Wenn Sie den Termin verpasst haben, können Sie sich den etwa 30-minütigen Video-Mitschnitt ab sofort bei Youtube anschauen:

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert