Die linguistische Transkriptanalyse kollaborativ gestalten

Die linguistische Transkriptanalyse kollaborativ gestalten

26.09.24

Autorin: Anna Scarcella

Ein digitales Whiteboard ist weit mehr als nur eine Tafel – Text, Bilder und mediale Inhalte lassen sich von einer Vielzahl von Usern zeitgleich dynamisch, kollaborativ und lebendig verknüpfen und gestalten. Autorin Anna Scarcella zeigt anhand eines Beispiels aus der linguistischen Transkriptanalyse, wie sich Studierende im Whiteboard gemeinsam einer Fragestellung nähern können und sich die Perspektivvielfalt innerhalb der Studierenden einfangen lässt.

Insbesondere ab dem zweiten Semester des Studiums, nachdem erste fachliche Grundlagen bereits gelegt sind, beginnt für die Angewandte Linguistik und/oder Kommunikationswissenschaft die Arbeit am sprachlichen Material. Ob in mündlicher oder schriftlicher Form, Studierende sollen sich nun verstärkt mit den Besonderheiten von Sprache in ihrem jeweiligen Kommunikationszusammenhang beschäftigen.

Da die gemeinschaftliche Bearbeitung von Aufgabenstellungen im Rahmen der Transkriptanalyse hohes Potenzial birgt (z.B. Einbezug der Perspektivvielfalt, gemeinsame Wissensgenerierung), habe ich selbst in meiner Lehre versucht, Arbeitsaufträge zu formulieren und Bedingungen für die Bearbeitung von Aufgaben zu schaffen, die kollaboratives Arbeiten ermöglichen. Dies schien insbesondere in Zeiten der digitalen Semester eine große Herausforderung zu sein, der mit entsprechenden digitalen Lösungen aber begegnet werden kann. Das Tool Collaboard ist – wie auch andere digitale Whiteboards – ein Beispiel für eine solche Lösung. Das Tool ermöglicht es Ihnen und Ihren Studierenden, zeitgleich und gemeinsam zu schreiben, zu zeichnen und externe Inhalte, wie bspw. Textmaterial oder Transkriptausschnitte einzufügen und mit Text oder farblichen Markierungen zu annotieren. Es funktioniert also ähnlich wie ein analoges Whiteboard oder eine Tafel, hat aber den Vorteil, dass alle Nutzer*innen von ihrem Endgerät darauf zugreifen und Inhalte parallel einfügen sowie einsehen können.

In dem unten abgebildeten Beispiel ist ein in das Whiteboard hochgeladenes Transkript (Originalformat PDF) zu sehen, das am linken Rand zusätzlich mit Aufgabenstellungen für die Bearbeitung des Transkripts in einer Arbeitsgruppe von beispielsweise vier Personen versehen ist. Der inhaltliche Kern der Aufgabenstellung bezieht sich auf die Erarbeitungen von Funktionen eines sprachlichen Mittels (hier „but“) in seinem kommunikativen Zusammenhang und der getätigten Äußerung. Auf den vorgefertigten Karten unter der jeweiligen Frage bzw. Aufgabenstellung können Studierende einzelne Ergebnisse, die sie gemeinsam durch die Analyse des Transkripts erarbeiten, festhalten. Die Aufgabenstellung selbst enthält bereits Vorschläge, wie Markierungen im Transkript erfolgen können (Farbe und Form), um eine gute Nachvollziehbarkeit innerhalb der Arbeitsgruppe, aber auch im Nachgang für Studierende anderer Arbeitsgruppen zu gewährleisten.

Die Aufgaben auf der digitalen Arbeitsfläche sind mit verschiedenen Farben kategorisiert. Das Transkript besteht aus Text mit Metadaten zum Transkript und zu den sprechenden Personen. In der unteren, rechten Ecke ist ein Miniaturüberblick des gesamten Whiteboards zu sehen.
Abbildung 1: Selbsterstellter Screenshot der in Collabard aufbereiteten Arbeitsfläche. Diese besteht aus den Aufgaben (links) und aus einem transkribierten Gespräch (rechts). Erstellt mit Genehmigung von Collaboard. CC BY-SA 4.0.

Bevor die konkrete Analyse des Transkripts in Gruppenarbeit beginnt, besteht die Möglichkeit, ausführlicher über den Entstehungskontext des sprachlichen Ausgangsmaterials zu sprechen. Hierfür eignet sich besonders die Funktion, frei im Whiteboard Text zu verfassen und einzelne Textinhalte miteinander zu verknüpfen. So kann, wie unten abgebildet, eine durch Verbindungen visualisierte Form der handlungstheoretischen Auseinandersetzung mit der Kommunikationssituation als Ganzes erfolgen:

Auf dem Whiteboard sind zahlreiche Textelemente zu erkennen, die durch Linien miteinander verknüpft sind und ein Netz aus Ideen bilden. Ein roter Kreis markiert einen Teil der entstandenen Mindmap. Links ist ein Transkriptausschnitt zu sehen.
Abbildung 2: Selbsterstellter Screenshot weiterer Inhalte der Arbeitsfläche in Collaboard. Erstellt mit Genehmigung von Collaboard. CC BY-SA 4.0.

Im Anschluss an die nähere Betrachtung der Kommunikationssituation, in der die im Transkript festgehaltenen Äußerungen entstanden sind, kann die eigentliche Analyse des Transkriptes beginnen. Diese wird durch die nebenstehenden Fragen bzw. Aufgabestellungen (s.o.) geleitet. Der Vorteil an der Nutzung des Tools Collaboard oder anderer digitaler Whiteboards mit ähnlichen Funktionen ist, dass alle Studierenden der Arbeitsgruppe parallel mit farblichen Markierungen und Anmerkungen am Transkript arbeiten können. Gleichzeitig können Sie als Lehrperson den Fortschritt der Gruppenarbeit in Echt-Zeit beobachten und Studierende innerhalb des Kurses können das Vorgehen der anderen Arbeitsgruppen im Nachhinein durch Einsicht in die Analyse am Transkript nachvollziehen.

Im linken Teil des Bildes ist das Transkript mit verschiedenen blauen, grünen und roten Markierungen zu sehen. Die rechte Seite zeigt die Antworten in auf blauen, grünen und roten Notizzetteln der drei Aufgaben mit den von den Teilnehmenden.
Abbildung 3: Selbsterstellter Screenshot in Collaboard, der zeigt, wie eine Gruppe die Aufgabe gelöst und das Transkript annotiert hat. Erstellt mit Genehmigung von Collaboard. CC BY-SA 4.0.

Für die Vorstellung der Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen im Plenum liegen dann für alle sichtbar die Ergebnisse auch in visueller Form vor, werden gespeichert und können zu einem späteren Zeitpunkt erneut abgerufen werden. Dies erleichtert anderen Studierenden, der Ergebnispräsentation bzw. der Diskussion im Plenum zu folgen, da sie nicht zeitgleich mitschreiben müssen. Ergebnisse, die in dem Whiteboard gesammelt werden, können außerdem schnell und unkompliziert wieder bearbeitet und umsortiert werden, sollte eine Nachjustierung bzw. Korrektur einzelner Inhalte durch Sie als Lehrperson notwendig sein. Falls die Erkenntnisse zu einem späteren Zeitpunkt in Ihrem Seminar noch einmal relevant oder aber für weitere Analyseschritte verwendet werden sollten, so können Sie sie jederzeit wieder mit dem bereits vorliegenden Arbeitsstand abrufen und die Bearbeitung fortlaufend weiterführen.

Zusätzlich zu den hochgeladenen Transkripten und leitenden Fragen bzw. Aufgabenstellungen für die Analyse kann in dem Whiteboard ein fester Platz vorstrukturiert werden, an dem Studierende Fragen, auf die sie während der Bearbeitung gestoßen sind, hinterlegen können. Dies hat den Vorteil, dass die Fragen für eine Nachbesprechung fixiert sind und nicht vergessen werden. Ggfs. können auch kurze Antworten auf andersfarbigen Karten als Lösungen oder Hilfestellungen formuliert werden.

Das Bild zeigt erneut die gelösten Aufgaben, das Transkript sowie darunter vier braune, leere Kästen als Platzhalter für Fragen.
Abbildung 4: Selbsterstellter Screenshot der gelösten Aufgaben mit Platzhalter für mögliche Fragen. Erstellt mit Genehmigung von Collaboard. CC BY-SA 4.0.

Das digitale Whiteboard kann für einzelne Aufgaben im Seminarkontext genutzt werden oder aber veranstaltungsbegleitend als nachhaltige Sammlung aller Erkenntnisse, die Sie mit Ihren Studierenden gemeinsam festhalten, dienen. So könnten Sie also auch einen zentralen Ort der Ergebnissicherung von Gruppenarbeiten oder Plenumsdiskursen schaffen. Das digitale Whiteboard ermöglicht es somit, den Wissenserwerb von Studierenden zu begleiten, die Zusammenarbeit unter Studierenden zu fördern und Sie als Lehrperson bei der Strukturierung und Aufbereitung von Inhalten zu unterstützen.

Über die Autorin:

Anna Scarcella arbeitet im Verbundprojekt Co³Learn als Mediendidaktikerin, berät und begleitet Lehrende beim Einsatz von digitalen Tools in kollaborativen Lehr-/Lernszenarien und bringt ihre Lehrerfahrung in die Arbeit des Projektes ein.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Verbundprojektes Co³Learn der Technischen Universität Braunschweig, Georg-August-Universität Göttingen und Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Laufzeit 01.08.2021 – 31.12.2025). Das Ziel des Projektes ist es, die universitäre Lehre mit digitalen Tools (Programme, Apps) für die Kommunikation, Kooperation und Kollaboration in Studium und Lehre zu unterstützen. 
Alle Tool-Empfehlungen basieren auf einer gründlichen Exploration der digitalen Tool-Landschaft mit Blick auf innovative Funktionalitäten, Nutzungskonzepte und sowie einer Bedarfserhebung von Lehrenden und Studierenden. Die Testphasen der Tools wurden in Absprache mit dem  Datenschutzmanagement der drei Verbundhochschulen durchgeführt und mit  Hilfe der Nutzungserfahrungen von Lehrenden und Studierenden evaluiert.
Bitte beachten Sie die Hinweise zur Lizenzierung der Tools an den einzelnen Verbundhochschulen. (Stand 06-2024)

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