Das Lessons Learned Journal – Wissen über digitale Lehre weitergeben

Das Lessons Learned Journal – Wissen über digitale Lehre weitergeben

23.09.25

Grafik, die Laptops und Bücher zeigt. Darunter der Text: Das Lessons Learned Journal. Wissen über digitale Lehre weitergeben. Ein Blogbeitrag von Prof. Dr. Stefan Odenbach.

Als im Sommer 2020 das erste Corona-Semester zu Ende ging, hat man sich wohl an vielen Hochschulen gefragt, was aus all den Entwicklungen, die für die digitale Lehre gemacht werden mussten, eigentlich werden soll. So war es auch bei mir am Lehrstuhl zu dieser Zeit. Große Anstrengungen waren unternommen worden, um Veranstaltungen, von denen man nie gedacht hatte, dass sie ohne Präsenz möglich wären, durchzuführen und gleichzeitig die Studierenden zu motivieren, trotz der schwierigen Gesamtsituation am Ball zu bleiben und ihr Studium intensiv und erfolgreich weiterzuführen.

Aus dem Bestreben, die dabei erreichten Neuerungen in der Lehre zu bewahren und weiterzuentwickeln und – wie wir damals noch dachten – im folgenden Semester in die Präsenz zu überführen, entstand die Planung, im Herbst 2020 eine fakultätsinterne Konferenz an der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden durchzuführen, bei der es darum gehen sollte, Ideen, Konzepte und Tools, die im Sommersemester verwendet wurden, vorzustellen und zu diskutieren. Dabei sollte gezielt sowohl über positive wie auch über negative Erfahrungen berichtet werden, um allen die Möglichkeit zu geben, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, nicht jeden Fehler zu wiederholen und sich damit optimal auf das – wie sich dann ja herausstellte – wieder Corona-beschränkte Wintersemester vorzubereiten.

Dieser Grundgedanke und die nach dem Corona-Semester vorliegende extreme Bereitschaft, mit Fehlern und Unzulänglichkeiten in der noch neuen Erfahrung einer rein digitalen Lehre umzugehen, führten zu einer ganz besonderen Konferenzatmosphäre, in der es nicht darum ging, auf Hochglanz polierte Ergebnisse möglichst so zu präsentieren, dass gar keine Diskussion aufkommen kann, sondern offen und in aller Ehrlichkeit eben auch mit Problemen umzugehen. Das Ergebnis war, dass eigentlich alle Teilnehmenden aus dieser Konferenz neue Ideen für die Gestaltung des Wintersemesters mitgenommen hatten und dass gleichzeitig die Frage aufkam, wann denn die nächste entsprechende Austauschrunde stattfinden würde, denn „es stünde ja ein neues Corona-Semester bevor“.

Während der Corona-Zeit haben wir dann semesterweise die Lessons Learned-Konferenz durchgeführt. Der Name „Lessons Learned – Spin Offs eines digitalen Semesters“, so hieß die erste Konferenz, war Programm. Es ging um die Dinge, die wir in diesem Semester und dann auch in den folgenden Semestern gelernt hatten. Dabei entwickelte sich die Konferenz schon in ihrer zweiten Auflage zu einer wesentlich übergreifenderen Struktur, in der Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichsten Fachbereichen der TU Dresden vertreten waren.

Damit kam zu dem Lernen aus den neu geschaffenen digitalen Möglichkeiten das Lernen aus Verfahren und Methoden anderer Fachgebiete. Die Erkenntnis, dass man entsprechende Ansätze aus anderen Fachgebieten oftmals mit wenig Mühe auf das eigene Fachgebiet adaptieren kann, war für viele der vertretenen Lehrenden ebenso überraschend wie bereichernd.

Das „Book of Abstracts“, das für die erste Konferenz entstanden war, stellte quasi ein Nachschlagewerk über unterschiedlichste Methoden und Tools digitaler Lehre dar. Damit war es eigentlich zu schade, um einfach nur so in dem kleinen Kreis der Konferenzteilnehmenden bekannt zu sein. Der Versuch, ein Buch daraus zu machen, zeitigte erstaunliche Effekte: Alle Verlage, die ich in jener Zeit angesprochen habe, fanden das Thema unglaublich zeitgemäß und extrem spannend, stellten dann aber fest, dass sie in ihrem Portfolio kein entsprechendes Format hätten.

In dieser Situation bot sich die Möglichkeit, mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) und deren Open-Access-Strukturen zusammenzuarbeiten. Es entstand ein Journal, dessen Titel bereits dem Titel der zweiten Lessons Learned-Konferenz entsprach: Lessons Learned – Spin-offs digitaler Lehrerfahrungen. Das Journal (https://ll.publia.org/), von dem aktuell gerade der fünfte Jahrgang erscheint, ist als Diamond-Open-Access-Journal angelegt. Das heißt, weder Autorinnen und Autoren noch die Lesenden müssen in irgendeiner Weise für den Gebrauch des Journals bezahlen. Das Journal ist zweisprachig angelegt, und das heißt in diesem Falle, dass alle Artikel sowohl in Deutsch als auch in Englisch erscheinen. Dabei reichen die Autorinnen und Autoren ihre Artikel in einer Sprache ein, und seitens der Redaktion übernehmen wir die Übersetzung, die dann von den Autoren nur noch korrigiert werden muss. Gleichzeitig ist das Journal von Anfang an mit einer DOI versehen gewesen, und damit sind die Artikel, die hier erscheinen, vollständig zitierfähig.

Von Anfang an haben wir extrem hohe Downloadzahlen der Veröffentlichungen beobachtet. Mittlerweile sind die gut 80 Artikel, die bisher erschienen sind, in Summe über 40.000 Mal heruntergeladen worden. Ab dem zweiten Jahrgang wurden die Papers dann in den Web-of-Science-Profilen der Autorinnen und Autoren als „not indexed“ gelistet. Ein erstaunlich schneller Start in eine intensive Sichtbarkeit.

Mit dem Beginn des fünften Jahrgangs haben wir mit Unterstützung der SLUB den nächsten Schritt in der Entwicklung des Journals vorgenommen. Aktuell läuft die Eintragung ins Directory of Open Access Journals (DOAJ), die Voraussetzung ist für den Antrag, das Journal vom Web of Science in die Collection aufnehmen zu lassen. Dieser Antrag soll gegen Ende dieses Jahres gestellt werden, und ungefähr ein Jahr später werden wir wissen, wie weit wir in den Rankings des Web of Science aufsteigen können. Unsere Beraterinnen und Berater seitens der SLUB sind dabei optimistisch, dass es möglich sein sollte, die Stufe 3 zu erreichen, was bedeuten würde, dass das Journal einen sogenannten Emerging Sources Citation Index bekäme. Damit würden sowohl die folgenden als auch die bereits erschienenen Artikel noch einmal bezüglich ihrer Sichtbarkeit aufgewertet werden.

Parallel zur Entwicklung des Journals läuft auch die Konferenzreihe mittlerweile jährlich weiter, und die Teilnehmenden kommen inzwischen aus ganz Deutschland. Der Austausch ist unverändert intensiv, offen und konstruktiv. Wer mehr über die Konferenz erfahren will, kann dies unter https://bit.ly/Lessons-Learned-Konferenz tun, und alte Konferenzen kann man bei YouTube unter den im Anhang genannten Links noch ansehen.

Von daher kann ich an dieser Stelle nur herzlich dazu einladen, Lehrerfahrungen – seien sie digital, in Präsenz oder, was heute am häufigsten der Fall ist, in irgendeiner Weise hybrid oder in Präsenz mit digitaler Komponente – im Lessons Learned Journal zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung ist mittlerweile auch unabhängig von der Lessons Learned-Konferenz möglich, zu der ich nichtsdestoweniger für den kommenden Sommer ganz herzlich einladen möchte.

Autor

Prof. Dr. Stefan Odenbach studierte Physik in Köln und München und wechselte nach der Promotion in München über eine Postdoc Phase in Wuppertal ans ZARM in Bremen wo er in der Strömungsmechanik habilitierte. Seit 2005 ist er Professor für Magnetofluiddynamik, Mess- und Automatisierungstechnik an der Fakultät Maschinenwesen der TU Dresden und seit 2013 Studiendekan Maschinenbau. 2020 gründete er die Lessons Learned Konferenz und das gleichnamige Journal.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert