Das HFD auf Stimmenfang auf der Online Educa Berlin – OEB18
Das HFD auf Stimmenfang auf der Online Educa Berlin – OEB18
11.01.19Auf der diesjährigen Online Educa Berlin begab sich das HFD auf Stimmenfang. Besonders haben uns die vielen EdTech-bezogenen Veranstaltungen und Aussteller interessiert und so war es meine Aufgabe an diesem Tag Meinungen von den Gästen, Rednerinnen und Teilnehmenden zu Edtech-Strukturen einzuholen und sie zu ihren Vorstellungen nach der Zukunft der Hochschulbildung zu befragen.
Unter dem Slogan ‚Shaping the Future of Learning‘ versammelten sich in den weitläufigen Tagungs- und Empfangsräumen des InterContinental Hotels in Berlin-Mitte laut OEB-Angaben über 2500 Gäste aus über 70 Ländern. Den Gesprächsfetzen, die ich im Getümmel zwischendurch zuhören konnte, nahm ich insbesondere viele niederländische und skandinavische Gäste wahr. Mit globalen Lern- und Technologie-Marktführern sowie mit EdTech-Startups und klassischen Universitäten gab es über 100 Aussteller. Im Rahmen von Keynotes, Workshops und Panels sprachen über 300 internationale Redner(innen) und von Lehrenden bis hin zu Entrepreneuren war hier alles vertreten. Genau diese große Bandbreite veranlasste das HFD auf der OEB etwas FieldWork zu betreiben und auf Stimmenfang zu gehen.
Der anfängliche Trubel legte sich im Laufe des Tages und ich konnte gezielt jene Gesprächspartner(innen) finden, die für mein Anliegen, Einblicke in die Zukunft der Hochschulbildung zu erhalten, interessant sind.
Wilfred Rubens, ein unabhängiger Berater für Bildungs- und Lerntechnologien und Mitglied des OEB Advisory Boards, sieht die Problematik einer erfolgreichen Digitalisierung der Hochschulen an dem Umgang mit Lerntechnologien. Auch weil die Zeit der Dozierenden stark bemessen ist, besteht strukturell wenig Möglichkeit sich als Lehrender im Rahmen von Lerntechnologien professionell weiterzuentwickeln. Rubens kommt aus den Niederlanden, wo es seinem Eindruck nach mehr Mittel zu Eigeninitiative und weniger formelle Hürden für Dozierende gibt, die sich die Kompetenzen zur Nutzung digitaler Lerntechnologien aneignen möchten. Anders in Deutschland wo hierarchische “top-down”-Strukturen an Hochschulen vorherrschen und wo eine individuelle digitale Weiterbildung der Lehrenden eher durch formale Hürden versperrt wird.
Für die Zukunft wünscht sich Rubens eine richtige und umfangreichere Nutzung von Lerntechnologien. Seiner Meinung nach würde dies erheblich zur Qualität der Hochschulen und des Unterrichts beitragen.
Ebenfalls aus den Niederlanden angereist, sprach ich mit Mark Visser über öffentliche EdTech-Strukturen und die Förderung von EdTech-Startups. Visser, CEO des eLearning Anbieters HiHaHo, analysierte in unserem Gespräch die gegenwärtigen Strukturen sehr kritisch und sprach sich folgerichtig für utopischere und grundsätzlichere Herangehensweisen an die Zukunft der Hochschulbildung aus.
Sein Wunsch für die Zukunft ist, dass Hochschulbildung zeitlich dezentralisiert wird. Er wünscht sich ein lebenslanges Lernkonzept, nach welchem man Bildung in kleinen Block-Abschnitten bis zum Lebensende hin genießen kann. Man solle die Universität nicht nur vor dem Berufseintritt besuchen, da dies niemals auf eine komplette Berufslaufbahn vorbereiten kann. Stattdessen sollen Universitäten nach einem vorberuflichen “Crashkurs” vor allem als Weiterbildungsinstitute fungieren. Dies nennt Visser “agile learning”. Visser sieht außerdem große Hürden für EdTech-Unternehmen und Startups im bildungspolitischen Tagesgeschäft.
Das Problem liege nicht in den Ideen, sondern an einem Mangel an Expertise in der Umsetzung:
“A lot of people with great minds do not have great financial minds”
Dafür bedarf es, so Visser, einer guten öffentlichen Förderstruktur für EdTechs, denn bisher ist eine Förderung sehr schwierig. Er spricht sich dahingehend klar für ein Vouchersystem aus, nachdem der Staat jeder Bürgerin oder jedem Bürger einen “Rucksack voll mit Prämien und Geld gibt”, unabhängig von Alter. Der Staat soll so die Möglichkeiten schaffen, dass auch Leute älter als 25 ihre Ideen verwirklichen können, wenn die sich dazu bereit fühlen. Eine staatliche Anreizstruktur sieht er als zwingend notwendig, um Digitalisierung in der Hochschulbildung erfolgreich zu etablieren. Auch dies funktioniere, so Visser, in den Niederlanden zur Zeit besser.
Desweiteren fehlen Visser Bühnen und öffentlichkeitswirksame Schauplätze für Edtechs:
“EdTechs need a stage where they can present themselves and where they can be challenged with very difficult questions.”
Zur Zeit seien gute EdTechs gänzlich unbekannt und es bestehe eine große Hürde, um erfolgreich an Hochschulen herantreten zu können. Es seien nicht nur Learning Management Systeme nötig, sondern vor allem Austausch- und Kommunikationsplattformen zwischen Universitäten und EdTech-Startups.
Donald H. Taylor, Kurator der OEB 2018 und Vorsitzender des Learning & Performance Institute, unterstreicht die Rolle, mit der Deutschland den digitalen Wandel in der Bildung vorantreiben könnte. Auf Veränderungen vorbereitet zu sein ist dabei von besonderer Bedeutung, um nicht von der Geschwindigkeit, mit der sie eintritt, überwältigt zu werden. Schauen Sie hier unser Videointerview mit Donald Taylor von der OEB18:
Über EdTech-Strukturen kam ich auch mit Tobias Göcke, CEO der eLearning Plattform SupraTix ins Gespräch. Göcke stellt “Minimalforderungen” für einen erfolgreichen digitalen Wandel an Hochschulen: Zum einen müssten Budgets für digitale Inhalte platziert werden. EdTech-Plattformen im Speziellen müssten besser entlohnt werden. Zum anderen sei es nötig, ein positives Mindset gegenüber der Bildung zu erzeugen. Dies beinhalte unter anderem das erwähnte Empfinden gegenüber einer Wertschöpfung für Bildungsangebote. Aber auch Aufwand an sich muss entlohnt werden. Göcke fordert mehr Risikobereitschaft, um mit innovativen Startups zusammenzuarbeiten und zusammenarbeiten zu wollen. Er sieht ein Problem in der generellen Verschlossenheit der Hochschulen gegenüber neuen Medien und fordert dahingehend einen klaren Sinneswandel.
Die cloudbasierte EdTech-Plattform Nuadu möchte das Assessment, d.h. die Bewertung von Tests und die Notenvergabe, an Hochschulen vereinfachen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und OEB-Ausstellenden von Nuadu möchten lieber nicht namentlich genannt werden, doch waren sie bereit, mir einen kurzen Einblick in die Förderstrukturen zu geben, die es ihnen ermöglicht haben zu gründen und zu arbeiten.
Staatliche Strukturen hätten ihnen zwar geholfen, doch die mit Abstand meiste Förderung erhielten sie aus privater Hand, nämlich von Microsoft. Als größte Hürde, um digitale Strukturen wie eine cloudbasiertes Evaluationsplattform zu etablieren, erkannte Nuadu die fehlende digitale Infrastruktur an Hochschulen. Dieser bedarf es aber, damit ihr Produkt funktioniert. Und das sei wiederum eine öffentliche Aufgabe, der auch Microsoft in dem Umfang nicht nachkommen kann.
Trotz allem Realismus und fernen Utopien, denen ich in meinen Gesprächen begegnet bin, und trotz aller misslicher Umstände der aktuellen Lage der digitalen Hochschule, die viele Gesprächspartner(innen) zum Ausdruck brachten, konnte ich im Subtext oft eine andere Message heraushören, ja einen Determinismus der auf dieser Veranstaltung oft mitschwang. Katya Levchenko von dem Plagiats-Erkennungsdienst Turnitin fasste den Tag auf der OEB somit ganz passend mit den folgenden Worten zusammen:
“It’s just a matter of time when everything will be digital because that’s what our students need at the moment.”