Behind the Screens – mit Ludwig Lorenz
Behind the Screens – mit Ludwig Lorenz
08.11.24Das Hochschulforum Digitalisierung lebt von lebendigen Begegnungen, frischen Ideen und Menschen, die anpacken. Ohne die Community ist das HFD undenkbar. 10 Jahre HFD zu feiern, heißt also vor allem 10 Jahre Communitybeteiligung zu feiern! Deswegen stellen wir in dieser Porträtreihe Mitglieder aus der Community vor, die 10 Jahre HFD-Geschichte mitgeprägt haben. Dabei interessiert uns: Was ist ihr individueller Beitrag zur digitalen Transformation an Hochschulen? Welche besonderen Erkenntnisse ziehen sie aus ihrer Arbeit? Was motiviert sie?
In diesem Beitrag geht’s um Ludwig Lorenz. Er gehörte zur DigitalChangeMaker-Kohorte 2020/21 und war seitdem in zahlreichen HFD-Formaten aktiv, unter anderem in der Peer-to-Peer-Strategieberatung und beim University:Future Festival. Beim Digitalgipfel 2023 stand er als Vertreter des Common Grounds Forums auf der Bühne. Er studiert im Master Computer Science for Digital Media an der Bauhaus-Universität Weimar und arbeitet für die zentrale Einrichtung der Universitätsentwicklung als Assistenz für studentische Partizipation.
Wann und wie kamst du mit dem Hochschulforum Digitalisierung in Kontakt?
Das war im Jahr 2020, mitten in der Pandemie. Damals arbeitete ich als Tutor für das Modul in Komplexitätstheorie und habe mich gefragt, welche alternativen Lehrformate zur improvisierten Online-Lehre möglich wären. Mein Ziel war es, meine Mitstudierenden vom Bildschirm loszulösen, und so entstand die Idee, ein Hörspiel für unsere Übungen zu erstellen, das man auch beim Spazierengehen anhören konnte. Das Hörspiel stieß in der Universität auf viel positive Resonanz und führte dazu, dass ich es auf einem Vernetzungstreffen von e-teaching.org vorstellen sollte. Dort traf ich andere engagierte Studierende, die mir von der DigitalChangeMaker-Initiative des HFD erzählten. Das Interesse war sofort geweckt, ich bewarb mich und wurde Teil der Kohorte 2020/21.
Was motiviert dich besonders an der Digitalisierung im Hochschulbereich?
Digitalisierung in der Hochschule vereint zwei Aspekte, die mich in meinem Leben beschäftigen. Zum einen studiere ich Informatik, das Fach, das mich schon immer fasziniert hat, weil es darauf abzielt, aus der realen Welt Informationen zu extrahieren, sie zu neuen Erkenntnissen zu integrieren und uns durch Automatisierung das Leben einfacher zu machen. Gleichzeitig war ich aber auch in verschiedenen Gremien – sehr analog – an meiner Hochschule aktiv und konnte erleben, wie komplex und oft wenig durchsichtig Arbeitsabläufe im Hochschulalltag sind. Hier sehe ich das Potenzial der Digitalisierung: Hochschulen können schneller, transparenter und inklusiver gestaltet werden, sodass sich auch mehr Studierende aktiv beteiligen können.
Kannst du ein Beispiel nennen, wie Partizipation durch Digitalisierung gefördert werden kann?
Ein gutes Beispiel ist das Modell der randomisierten Auswahl, das ich über die HFD-Community kennengelernt habe. Gerade während der Pandemie war es oft schwierig, genügend engagierte Studierende für Gremien und Arbeitsgruppen zu finden. Das hat sich auch nach Corona nicht geändert. Statt sich auf freiwillige Meldungen zu verlassen, experimentieren wir in der Universitätsentwicklung damit, durch randomisierte Auswahl Studierende auszulosen und gezielt einzuladen, sich zu beteiligen. Das Besondere an diesem Ansatz ist, dass auch jene Studierende erreicht werden, die bisher nicht im Hochschulgeschehen aktiv waren. Interessanterweise zeigte sich, dass die Resonanz deutlich höher ist, wenn solche Einladungen von der Hochschulleitung selbst kommen. Dieser Ansatz hilft, die Vielfalt der Studierendenvertretungen zu erhöhen und verhindert, dass immer dieselben engagierten Personen überlastet werden.
Woran arbeitest Du derzeit und welches Thema im Bereich Digitalisierung/KI in Studium und Lehre beschäftigt Dich momentan besonders?
Wie kann Digitalisierung die Studierendenvertretung unterstützen? Im Gegensatz zu anderen Hochschulangehörigen sind Studierende nur wenige Jahre an der Hochschule, von denen sich wenige vielleicht ein oder zwei Jahre in der Studierendenvertretung engagieren. Kein Wunder, dass dort wichtige Informationen zwischen Legislaturen schnell verloren gehen. Ich entwickle eine Protokollsuchmaschine, die alle Gremienprotokolle an der Universität indiziert und einen Zeitstrahl zu einem Suchwort wie z. B. “Rahmenprüfungsordnung” generieren kann. In der nächsten Phase prüfe ich, ob so ein Zeitstrahl in wenigen Sätzen durch generative Textmodelle zusammengefasst werden kann. Das Ziel ist, dass Studierende jederzeit und zu jedem Universitätsthema ein schnelles Briefing erhalten, wie es in den vergangenen Jahren über die Gremien hinweg diskutiert wurde und was die aktuellen Argumente und Kritikpunkte sind. Durch das Schließen der Wissenslücke ermöglichen wir, dass es weniger Mut braucht, sich mit den eigenen Ideen zu Wort zu melden.
Welche Rolle spielt das HFD für dich bei dieser Arbeit?
Das HFD ist für mich ein „dritter Ort“ – ein neutraler Raum außerhalb des Unialltags, in dem ich als Studierender meine Beobachtungen und Ideen teilen und wertvolle Impulse für meine Hochschule mitnehmen kann. Bei den HFD-Veranstaltungen stoße ich auf eine Community von Menschen, die ähnliche Fragen und Herausforderungen haben. Es ist inspirierend, sich auszutauschen und andere Blickwinkel kennenzulernen, die ich dann an die Bauhaus-Universität Weimar zurückbringen kann.
Gibt es Themen oder Bereiche, in denen du dir vom HFD noch mehr Unterstützung wünschst?
Ja, definitiv das Thema Internationalität. Ich komme von einer Hochschule, an der etwa 30 % der Studierenden aus dem Ausland kommen, und das ist in Deutschland keine Seltenheit mehr. Trotzdem sehe ich wenig Angebote, die gezielt internationale Studierende ansprechen oder interkulturelle Kompetenzen fördern. Hier können beispielsweise digitale Technologien, wie etwa Übersetzungstools, eingesetzt werden, um auch jenen Studierenden, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, eine aktive Partizipation in Gremien und Entscheidungsprozessen zu ermöglichen. Digitalisierung kann Brücken bauen und helfen, die Barrieren für internationale Studierende zu senken. Das erfordert aber auch andere Prinzipien und Prioritäten in der hochschuleigenen Entscheidungskultur – einen Wandel, den das Hochschulforum Digitalisierung in Deutschland mental vorbereiten kann.
Was bedeutet für dich der HFD-Jubiläumsslogan „Hochschule von Morgen heute gestalten“?
Hochschulen sind für mich Orte der Demokratie und Partizipation. Die Bauhaus-Universität versteht sich als ein Ort, an dem die Kultur der Demokratie aktiv gelebt wird. In der Praxis gibt es jedoch oft Hürden: Entscheidungen werden manchmal über lange Zeiträume hinweg getroffen, und Studierende, die aktiv teilnehmen, sehen die Ergebnisse ihrer Bemühungen oft nicht mehr selbst. Für echte Beteiligung von Studierenden ist es wichtig, dass Hochschule nicht nur für übermorgen gestaltet wird. Damit wir fühlen, dass unser Beitrag einen Unterschied macht, müssen wir mutig sein, Veränderungen in die Hand zu nehmen, die schnell Wirkung zeigen.
Gibt es ein besonderes Highlight deiner Zeit beim HFD?
Das Team der DigitalChangeMaker hat uns auf viele großartige Gelegenheiten aufmerksam gemacht, unsere Ideen und Position der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine besondere Gelegenheit war das Common Grounds Forum der Gesellschaft für Informatik. Dort konnte ich die digitalpolitischen Diskussionen, die ich bereits im Bildungskontext geführt hatte, in einen breiteren gesellschaftlichen Dialog einbringen – zusammen mit vielen anderen jungen Menschen aus der ganzen Bundesrepublik. Gemeinsam haben wir Forderungen entwickelt, die den Blick der jungen Generation auf unsere digitale Lebensrealität widerspiegeln. Ich wurde dann als einer der Repräsentanten ausgewählt, die unsere Forderungen auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung vorstellten. Das hat unheimlich viel Spaß gemacht, war aber auch deswegen sehr interessant, weil wir dabei einen Blick hinter die Kulissen der politischen Konsensbildung werfen konnte. Gleichzeitig war es auffällig, wie wenig Einfluss die Zivilgesellschaft auf solchen Gipfeln hat, da nur wenige NGOs vertreten sind. Insofern wurden wir jungen Leute dort ein bisschen wie eine „außerirdische Spezies“ wahrgenommen, die sich auf den Digitalgipfel geschlichen hat. Und ich muss sagen, es hat mir Spaß gemacht, dort ein bisschen für Unruhe zu sorgen.
Das HFD ist im Jubiläumsjahr unter anderem mit verschiedenen Slogans (No brainer? fast forward? out of the box? win-win? state of the art?) unterwegs. Welchen findest du im Kontext der Digitalisierung an Hochschulen besonders passend und warum?
„Win-Win“ beschreibt den Charakter unserer Hochschulen sehr gut. Anders als in Bildungssystemen anderer Länder, die stark hierarchisch und marktorientiert sind, haben wir in Deutschland die Möglichkeit, alle Hochschulangehörigen in die Gestaltung ihrer Institution einzubinden. Wissenschaftliches Arbeiten vereint unterschiedliche und gegensätzliche Positionen und sucht nach Konsenslösungen, die alle Perspektiven angemessen berücksichtigt. Diesen Ansatz empfinde ich als wertvoll, und ich hoffe, dass alle Hochschulen den daraus ableitenden demokratischen Anspruch als Teil ihrer Identität erkennen.
Abschließend: Was motiviert dich, dich beim HFD zu engagieren?
Ich bin im Studium immer so ein bisschen zweigeteilt – zwischen dem Lernen der Fachinhalte und gleichzeitig dem Engagement und der Partizipation in der Studierendenvertretung. Für mich ist das Hochschulforum Digitalisierung im Prinzip die einzige Möglichkeit, über den Tellerrand unserer Hochschule hinauszuschauen und zu sehen, welche Lösungen anderswo funktionieren. Das bringt frische Ideen, die ich an die Bauhaus-Universität Weimar mitnehmen kann, um dort Ideen umzusetzen. Gleichzeitig gibt es für Studierende Probleme, die uns an allen Hochschulen beschäftigen, wie zum Beispiel schlecht umgesetzte Partizipationsmaßnahmen. Mit den anderen Studierenden der DigitalChangeMaker erarbeiten wir unsere gemeinsamen Standpunkte und Empfehlungen, die mit dem “Stempel” vom Hochschulforum besonderes Gewicht erhalten, wenn wir sie an unsere Hochschule zurückspielen. Praktisch.