Schlüsselkompetenzen trainieren, entwickeln und einsetzen
Schlüsselkompetenzen trainieren, entwickeln und einsetzen
29.03.22Wie lassen sich digitale Kompetenzen von Studierenden stärken? Eine Frage, mit der sich gleich drei Lightning Talks auf dem University:Future Festival 2021 beschäftigt haben: Jana Steinbacher stellt das Konzept der „Individual Digital Readiness“ vor, das ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Bewältigung der digitalen Transformation sein kann. Karsten Morisse nutzt in seiner Lehre das Inverted Classroom Modell in Kombination mit Ideen aus Scrum, um nachhaltiges und selbstorganisiertes Lernen zu fördern. Johannes Schildgen und Sophie Schlecht stellen das Zusatzstudium „Digital Skills“ an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg vor, das die Etablierung digitaler Kompetenzen abseits der technischen Fächer zum Ziel hat.
‘Individual Digital Readiness’ als Schlüsselfaktor in der digitalen Hochschulbildung
von Jana Steinbacher
Wie können wir Lehr-/Lernerfolge und psychisches Wohlbefinden auch unter digitalen Bedingungen sicherstellen? Welchen Stellenwert nimmt die digitale Hochschulbildung in einer (post-)pandemischen Welt ein?
Mit Beginn der Corona-Pandemie gewann der Diskurs um die Digitalisierung in der Bildung an neuer Bedeutung. Erste Ergebnisse empirischer Untersuchungen an der PH Heidelberg im Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/21 zeigen, dass die Umstellung auf digitale Lehre neue Herausforderungen und Belastungen mit sich brachte. Ängste, Sorgen und Unsicherheiten betreffen nicht nur die sozialen Beziehungen zwischen Lehrenden und Studierenden oder den Kompetenzerwerb, sondern auch Hemmungen und Unsicherheit zur aktiven Teilnahme sowie die erhöhte Eigenverantwortung und Selbstorganisation der Studierenden. Aus den Befunden ergibt sich die Notwendigkeit von Handlungswissen, insbesondere auch für die Zeit nach der Pandemie, um den kompetenten Umgang mit digitalen Lehr-/Lernsituationen langfristig zu befördern. Voraussetzung dafür ist das Merkmal einer ‘Individual Digital Readiness’.
Der Begriff der ‘Digital Readiness’ findet sich bisher vor allem im Unternehmenskontext und beschreibt den digitalen Reifegrad einer Organisation bzw. den der Mitarbeiter:innen – das Merkmal gilt als Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Bewältigung der digitalen Transformation. Erfolgskritische Kompetenzen, die mit der ‘Digital Readiness’ verbunden werden, sind z. B. Lernbereitschaft, Offenheit für Veränderung sowie Agilität bzw. flexibles Anpassen an sich verändernde Situationen, aber auch digitale Selbstwirksamkeit, Begeisterungsfähigkeit, Kollaborationsbereitschaft und Vertrauensbereitschaft.
Auf der Ebene des Individuums, insbesondere im Bildungsbereich, hat sich das Konzept bisher noch nicht etabliert. Um den Herausforderungen digitaler Lehr-/Lernsituationen erfolgreich zu begegnen, müssen wir überlegen, wie wir die ‘Individual Digital Readiness’ messen bzw. erfassen und schließlich individuell fördern können.
Inverted Classroom trifft Scrum
von Karsten Morisse
Die Anforderungen an zukünftige Teilnehmende eines Arbeitsmarktes verändern sich. Das von Frithjof Bergmann begründete Prinzip der Neuen Arbeit (Bergmann, 2004) ist aktuell Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Debatten über aktuelle und zukünftige Arbeitswelten. Die sich daraus ergebenden Kompetenzanforderungen passen mit der Lehre in Hochschulen wenig zusammen. Zunehmend werden agile Lernszenarien diskutiert.
Das Inverted Classroom Modell (ICM) erfreut sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit in der Hochschullehre. Aus Studierendensicht ist die Teilnahme an einer ICM-Veranstaltung aber eine Herausforderung. Für ein erfolgreiches Lernen sind insbesondere personale Kompetenzen wie Selbstmotivation, Durchhaltevermögen und Selbstregulationskompetenz erforderlich (Pöpel & Morisse, 2019). Um diesem Umstand entgegenzuwirken, wurde vom Autor ICM mit Ideen aus Scrum für eine Informatik-Lehrveranstaltung kombiniert (siehe auch (Morisse & Heidemann, 2021)). Die Wirkung von Scrum kann sich nur entfalten, wenn die Arbeit in einzelne Sprints aufgeteilt wird und bei der Bearbeitung der Sprints auch die eigene Zusammenarbeit im Rahmen einer Retrospektive kritisch reflektiert wird. Zu diesem Zweck wird der gesamte Inhalt der Lehrveranstaltung in eine Anzahl von thematischen Blöcken aufgeteilt, die als Lehr- und Lerninhalte für die Lern-Sprints der Scrum-Umsetzung werden. Für jeden Themenblock müssen die theoretischen Inhalte erarbeitet sowie eine eigenständige Zusammenfassung formuliert werden. Ergänzend dazu wurde ein Software-Produkt definiert, in dessen Rahmen die theoretischen Inhalte einfließen konnten.
Die Durchführung eines Reviews und einer Retrospektive schließen bei Scrum einen Sprint ab. Genau dies lässt sich auch im Hochschulkontext sehr gut als Feedback-Instrument durchführen. Das Review bestand in der Inspektion der entwickelten Software. Mit der Retrospektive wird die eigene Zusammenarbeit im Team kritisch reflektiert. Ein besonderes Augenmerk verdient der kommunikative Stil zwischen Lehrenden und Studierenden. Bei einem Veranstaltungskonzept, welches getragen wird von Interaktion und Diskussion, kommt einer empathischen und wertschätzenden Kommunikation eine besondere Bedeutung zu. Das dies in der vorgestellten Veranstaltung scheinbar gelungen ist, zeigt das Zitat eines der teilnehmenden Studierenden „Ich freue mich immer auf die Review-Termine“. Zur Erinnerung: Das Review ist der Termin zur Vorstellung des erreichten Ergebnisses, also eher ein Prüfungs-Setting, bei dem Studierende ihre Arbeit präsentieren. Weitere positive Resonanzmerkmale durch die Studierenden waren die hoffnungsvollen Fragen, ob denn die Veranstaltungen im kommenden Semester auch nach ICMScrum organisiert sind.
Tipp! Zum Weiterlesen: Eine ausführliche Version des Beitrags finden Sie hier.
Digitalisierung für alle!
von Johannes Schildgen, Sophie Schlecht
Digitalisierung für alle! So lautet der Leitspruch des Projekts BeDiSc (Build Digital Competence and explore Digital Sciences), das an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg ein neues Zusatzstudium implementieren will. Das auf drei Jahre ausgelegte Projekt steht unter der Verantwortung von Prof. Ulrike Plach, Prof. Markus Heckner und Prof. Johannes Schildgen und ist Teil der Regensburg School of Digital Sciences. Das Zusatzstudium “Digital Skills” richtet sich an Studierende nicht technischer Fächer, die noch keine Erfahrung im Bereich Informatik haben. Ziel ist es, Digitalisierung für alle zu ermöglichen und Gelegenheiten zu bieten, Technik auszuprobieren. In den drei Semestern lernen die fachfremden Studierenden verschiedene Programmiersprachen wie Python oder JavaScript und erhalten Einblicke in den Aufbau und die Verwendung von Datenbanken, Data-Science und Web-Anwendungen.
Weitere Themenbereiche sind zudem digitale Ethik oder Data-Literacy. Zudem fungieren die Studierenden im zweiten Semester als Coach für neuen Erstsemester und können im dritten Semester auch Praxisprobleme aus dem Hauptstudium behandeln. Auf der für das Projekt entwickelten Lernplattform werden den Studierenden Videos und weitere Lernmaterialien sowie Übungsaufgaben zur Verfügung gestellt. Im Zentrum steht hier die Möglichkeit über interaktive Programmcode-Editoren sofortiges Feedback auf eingereichte Programmieraufgaben zu erhalten.
Komplementiert wird die Lernplattform durch eine Lernbox, welche die Studierenden erhalten. Darin enthalten ist ein Tablet, sowie ein Lego-Roboter und weitere Elemente, die eine kreative und haptische Aufgabenbearbeitung ermöglichen.
Nach Abschluss der Konzepterstellung, befinden sich die Lehrenden bei der Entwicklung interaktiver Lehrmaterialen und Lehrvideos. Eine Vormerkung für interessierte Studierende der OTH Regensburg ist bereits gestartet, sodass die ersten Teilnehmer im kommenden Wintersemester ihr Zusatzstudium “Digital Skills” beginnen können.
In dieser Reihe zum University:Future Festival 2021 veröffentlichen wir eine Auswahl der Festivalbeiträge als Artikel, die Sie auch gesammelt in einem Dossier finden. Die Autor:innen haben hierfür Ihre Vorträge noch einmal schriftlich festgehalten. Weitere Vorträge und Talks finden Sie auch auf YouTube.
Mit über 250 Veranstaltungen, 500 Speaker:innen und 3.850 Teilnehmer:innen fand das University:Future Festival 2021 vom 02.–04.11.2021 unter dem Titel „Open for Discussion“ statt. Hier finden Sie weitere Infos zum Festival.