Fab-Labs und Makerspaces als digitale Hochschulinfrastruktur – Potentiale offener Werkstätten für eine offene Hochschule

Fab-Labs und Makerspaces als digitale Hochschulinfrastruktur – Potentiale offener Werkstätten für eine offene Hochschule

29.10.19

Fab-Lab & Maker-Space.

„Für Hochschulen bietet digitales Prototyping und Experimentieren mit Hardware viele Potentiale: (interdisziplinäre) Forschung, (angewandte) Lehre, studentischen Projekte Raum für Weiterentwicklung bieten, Zusammenarbeit und Austausch mit Zivilgesellschaft und Unternehmen ebenso wie Kooperationen mit Schulen und öffentliche Einrichtungen die keine solche Infrastruktur betreiben können.“ Im Gastbeitrag setzt sich Melanie Stilz, vom BMBF geförderten Forschungsprojekt Fab101, mit Fab-Labs an Hochschulen auseinander.

Fab-Lab & Maker-Space.

Rapid Prototyping (oder: Modellbau mit digital gesteuerten Maschinen) hat unter dem Stichwort „Making“ schon seit einigen Jahren den Weg aus der Fertigungstechnik in Hobbykeller und Bastelstuben gefunden. Mit Hilfe digitaler Fabrikationsmaschinen wie 3D-Druckern oder Lasercuttern und dank immer günstigerer Mikroelektronik und Einplatinencomputern benötigt man für die Entwicklung digitaler Prototypen keine millionenschwere Infrastruktur mehr. Die offenen Werkstätten, die die dafür nötige Ausstattung und personale Expertise in Form ihrer Mitglieder bereitstellen, nennt man Fab-Labs, Repair Cafés, Hacker- oder Makerspace. Je nach Definition, was genau ein „Fab-Lab“ ausmacht gibt es weltweit zwischen 1700 und mehreren tausend solcher Orte. Maker Media, unter anderem Betreiber der „Maker Faires“ im deutschsprachigen Raum, verzeichnet für Deutschland etwa 250 Makerspaces, darunter auch viele öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken, Schulen und Hochschulen.3D-Drucker

Unter den genannten Bezeichnungen ist nur für Fab-Labs genauer definiert, was sie sind und tun. Zwar gibt es keine formalrechtliche Prüfung, ob man den Titel Fab-Lab führen darf oder nicht, aber Besucher, andere Fab-Labs und die weltweit koordiniernde Fab Foundation erwarten, dass man sich an die Fab Charter hält: ´Diese stellt einige Forderungen an das Fab-Lab und seine Nutzer, die wir als Orientierung auch für den Betrieb eines Hochschul-Fab-Labs oder Makerspaces empfehlen. Der Einfachheit halber und aufgrund seiner Nähe zur Wissenschaft wird daher im Folgenden der Begriff „Fab-Lab“ als Überbegriff verwendet, auch wenn nicht nur eingetragene Fab-Labs damit gemeint sind.

Das erste Fab-Lab an einer Hochschule

Um die Jahrtausendwende entschloss sich Prof. Dr. Neil Gershenfeld vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine hochgradig experimentelle Lehrveranstaltung anzubieten, die er How to Make Almost Anything (HTMAA), dt. „wie man fast alles herstellen kann“, nannte. Inhaltlich ging es ihm dabei um die Auseinandersetzung mit innovativen Fabrikationstechnologien, die von computergesteuerten Produktionsmaschinen (CNC) über (Mikro-)Elektronik bis hin zu traditionelleren, handwerklichen Verfahren reichte. Gershenfeld hatte ursprünglich einen kleinen, projektgetriebenen Kurs für besonders interessierte Studierende geplant, stieß jedoch auf große Resonanz aus allen Fakultäten. Der Kurs war nicht nur mehrfach überbucht, er nahm in den folgenden Jahren auch eine inhaltliche Tiefe und Breite an, mit der Gershenfeld nicht gerechnet hätte. HTMAA wird seitdem nicht nur kontinuierlich angeboten, sondern bildete gleichzeitig die Keimzelle zahlreicher weiterer Aktivitäten, unter anderem die Konzeptionierung und Gründung des ersten fabrication laboratory, kurz Fab-Lab am MIT 2001.

Die erste deutsche Hochschule mit eigenem Fab-Lab war 2009 die RWTH Aachen, in den folgenden Jahren kamen stetig weitere dazu. Von studentisch betriebenen Labs in Kellerräumen, die von freiwilligem Engagement und Spenden leben, bis zu zentralen Einrichtungen mit festem Kursangebot und Personal ist inzwischen alles dabei. Aktuell sind uns je nach Auslegung des Begriffs (Viele der als Fab-Lab bezeichneten Orte sind nur einer begrenzten Gruppe von Nutzern zugänglich, was nicht unserer Definition entspricht) 20 – 30 deutsche Hochschulen mit eigenem Fab-Lab bekannt. Viele weitere sind in Planung, beispielsweise gefördert durch die BMBF-Fördermaßnahme StartUpLab@FH, die in diesem Herbst startet.

Fab-Labs an deutschen Hochschulen

Im dem vom BMBF geförderten Forschungsprojekt Fab101 beschäftigen sich die Universität Siegen, die RWTH Aachen, die Universität Bremen und die Folkwang Universität der Künste seit 2017 mit Fab-Labs an Hochschulen.Forschungsprojekt Fab101

Für Hochschulen bietet digitales Prototyping und Experimentieren mit Hardware viele Potentiale: (interdisziplinäre) Forschung, (angewandte) Lehre, studentischen Projekte Raum für Weiterentwicklung bieten, Zusammenarbeit und Austausch mit Zivilgesellschaft und Unternehmen ebenso wie Kooperationen mit Schulen und öffentlichen Einrichtungen, die keine solche Infrastruktur betreiben können. Die Vielfalt dieser Einsatzszenarien spiegelt sich auch in den deutschen Hochschullabs wieder, die im Rahmen dieser Forschung kontaktiert und befragt wurden. Die gewonnenen Erkenntnisse beantworten in erster Linie zwei Fragen (Ausführlich beantworten wir diese und weitere Fragen in unserem 2020 erscheinenden „Fab-Lab-Handbuch“):

  1. Wenn das so eine tolle Sache ist – warum hat nicht längst jede Hochschule ein Fab-Lab? Und daran anschließend:
  2. Ok, maybe it‘s complicated – warum lohnt es sich trotzdem für Hochschulen sich über ein Fab-Lab als Infrastruktur Gedanken zu machen?

Fab-Labs: Was will ich?

Mit einem Hochschul-Fab-Lab sind gewisse Erwartungen verbunden, es leistet mehr als eine technische Infrastruktur. Nicht 3D-Drucker, Lasercutter und die CNC-Fräse machen ein Fab-Lab aus, sondern das Grundanliegen des gemeinsamen Lernens, die Offenheit und Zugänglichkeit sowie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und das Teilen von Wissen. Klassische Labore, Werkstätten oder Lehrwerkstätten, wie sie an den meisten Hochschulen zu finden sind, verfügen zwar oft über einen umfangreichen Maschinenpark, haben aber eine andere Aufgabe als Fab-Labs. Sie dienen entweder der Zuarbeit für Forschung und Lehre durch Fachpersonal, oder der Ausbildung einer ausgewählten Zielgruppe, beispielsweise im Rahmen einer Lehrveranstaltung. Freie Projektarbeit und Zugang für Externe, wie bei einem Fab-Lab üblich, ist in der Regel nicht vorgesehen.

Grundlegende Voraussetzung für den Betrieb eines Fab-Labs ist die Verfügbarkeit von Räumlichkeiten, die die nötige Belüftung, sowie Staub- und Lärmschutz ermöglichen und gleichzeitig gut erreichbar sind. Fehlt das Budget für umfangreiche Baumaßnahmen, kann es sich lohnen herauszufinden, welche Räumlichkeiten für andere Akteure unattraktiv sind – für ein Fab-Lab aber vielleicht ideal. Eine erweiterte Abstellkammer, ein ungenutztes Lager oder abgelegene Kellerräume können mit etwas Kreativität und ausreichend LEDs zum sozialen Mittelpunkt einer Hochschule werden. Eine vernünftige Kaffeemaschine und ein Kühlschrank mit Mate-Vorräten verstärken den Effekt. Als Alternative kann es sich auch lohnen, wie am Beispiel Siegen, leerstehende städtische Gebäude in oder nahe der Innenstadt anzufragen und das Fab-Lab außerhalb des Campus zu verlagern – solange das nicht die Nutzung durch Hochschulangehörige zu umständlich macht.Fab-Lab Siegen

Für den Betrieb eines Hochschul-Fab-Labs sollte man also die Vorteile in der Offenheit gegenüber einer gewöhnlichen Werkstatt sehen und den damit verbundenen Mehraufwand bereit sein zu leisten. Zur Belohnung können sich Projekte, Potentiale und Synergien entwickeln, für die ein geschlossener Rahmen keinen Raum zur Entfaltung bietet. Der bereits erwähnte Kurs „How To Make Almost Anything“ beispielsweise wurde zunächst für andere Fakultäten geöffnet, wenige Jahre später bildete er zusammen mit dem ersten Fab-Lab am MIT die Grundlage der Fab Academy, einem globalen Netzwerk von Fab-Labs an Hochschulen die mit dem Fab Diploma das inzwischen wichtigste Zertifikat für Maker anbieten.

Wer macht ein Fab-Lab?

Der Impuls, einen solchen offenen Ort zu ermöglichen, zu betreiben und dieses Vorhaben dann auch zur Umsetzung zu bringen, erwächst in den meisten Fällen dem Engagement Einzelner oder kleiner Gruppen: ein Lehrstuhl, engagierte Mitarbeiter, eine Gruppe Studierende. Zur Umsetzung werden Mitstreiter, Finanzierungsmöglichkeiten und Räumlichkeiten gesucht und mit etwas Glück und hohem Einsatz aller Beteiligten findet sich eine Lösung, die sich in Bezug auf Personal, Finanzierung und institutioneller Einbindung in einem ständigen Fluss befindet. Die Stellung eines Fab-Labs zwischen Lehre, Forschung, Service und Freizeit bietet bisher selten langfristige Sicherheit, aber ein hohes Maß an Unabhängigkeit, was in einer sonst nicht immer dynamischen Hochschulstruktur auch von Vorteil sein kann. Das regelmäßig wechselnde Personal muss zwar stets neu eingearbeitet werden, bringt aber auch neue Perspektiven und eine hohe Motivation mit ein. Mit der wachsenden Zahl an Fab-Labs in der deutschen Hochschullandschaft wächst jedoch auch die Notwendigkeit nachhaltige Lösungen zu finden und eine stärkere institutionelle Einbettung zu ermöglichen. Fab-Labs, die an Bibliotheken, Gründerzentren oder andere Zentraleinrichtungen angegliedert sind, bilden bisher noch die Ausnahme.

Universitäre Fab-Labs: Wer darf was?

Der Vorteil eines Fab-Labs in Angliederung an ein Zentralinstitut ist eine oft schon etablierte Zugangsregelung, wie Bibliotheksausweise oder andere Chipkartensysteme sowie Sichtbarkeit und barrierefreier Zugang. Es gibt verlässliche Öffnungszeiten und Angebote. Im Idealfall steht zumindest teilweise Personal zur Verfügung, das nicht mit den Zyklen der Drittmittelprojekte wechselt und neu eingearbeitet werden muss. Um eine solch zentrale Stellung zu erhalten, bedarf es jedoch ausreichend Vorlauf und politischer Überzeugungsarbeit an der Hochschule.

Unabhängig davon stehen die Fab-Labs in der Regel dem Hochschulpersonal und Studierenden zur Verfügung und können für Forschung oder Lehrveranstaltungen auch exklusiv genutzt werden. Für die harmonische Koproduktion haben manche eigene Buchungssysteme für Zugang, Maschinennutzung und Betreuung entwickelt. Das Engagement von Studierenden spielt für den Betrieb fast immer eine große Rolle, ein Fab-Lab bietet keine Dienstleistung im klassischen Sinne sondern lebt von der (studentischen) Community. Über sie definieren sich häufig auch Angebote und Öffnungszeiten. Die Einbindung von Studierenden als Tutoren, über Studienprojekte oder Abschlussarbeiten kann für sie den Ausschlag geben sich stärker mit dem Fab-Lab zu identifizieren und sich aus Eigeninitiative auch in ihrer Freizeit im Lab zu engagieren.

Für die Einbindung der Öffentlichkeit ist die gängigste Lösung der „Open Lab Day“. Ein fester Tag an dem die Nutzung des Fab-Labs unter Betreuung jedem offen steht. Durch individuelle Kooperationen gibt es in den meisten Fab-Labs aber auch zahlreiche weitere Schnittstellen für die Zusammenarbeit mit Externen, insbesondere mit Unternehmen, Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen.Werkbank im Fab-Lab Siegen

Was kostet ein Fab-Lab an einer Hochschule?

Viele Instituts-Fab-Labs entstehen aus günstigen Gelegenheiten: ein Forschungsprojekt hinterlässt eine CNC Fräse, es gibt Restmittel für einen 3D Drucker, ein Lasercutter als Dauerleihgabe und im Keller wurde gerade ein Raum frei – und mit etwas Glück stehen noch Berufungsgelder zur Verfügung. Eine solche Konstellation ist häufig die Ausgangslage oder ein erster Impuls für ein Fab-Lab, das von geringen finanziellen Mitteln aber viel persönlichem Engagement abhängt. Ist letzteres gegeben, fallen auf die Hochschule neben der grundsätzlichen Bereitschaft einen solchen Ort mitzutragen in erster Linie Räumlichkeiten und Betriebskosten zurück. Wie schon erwähnt spielt studentische Beteiligung eine große Rolle, für regelmäßige, qualifizierte Aufgaben im Bereich der Lehre, Maschinenbetreuung und Wartung sollte aber nicht auf professionelles Personal verzichtet werden. Auch die Frage der Ausstattung lässt einen gewissen Spielraum für Improvisation, was aber die Qualität und Zuverlässigkeit des Angebots beeinträchtigen kann. Ist die Ausgangslage nicht “kein Geld”, können bei der Gestaltung und Ausstattung beispielsweise die Empfehlungen der Fab Foundation Orientierung geben, die ein Budget von ca 100.000€ für die Grundausstattung an Maschinen und Materialien für ein Fab-Lab veranschlagen. Im konkreten Fall sind die Bedarfe aber selten identisch und die Liste sollte nicht zu wörtlich genommen werden, viel wichtiger ist eine eigene klare Vorstellung davon, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen und welche Synergien sich anbieten. So lohnt es sich frühzeitig anderen Fakultäten von den Plänen zu berichten, denn nicht selten stehen Geräte nach dem Ende eines Projekts oder Weggang eines Kollegen ungenutzt in einer Ecke und werden dankbar als Leihgabe weiter gereicht.

Wer hilft mir weiter?

Die hier nur kurz angerissenen Punkte so wie viele weitere Themen rund um Hochschul-Fab-Labs können ab Frühjahr 2020 ausführlich im „Fab-Lab-Handbuch“ nachgelesen werden, in dem die Ergebnisse des Forschungsprojekts Fab101 sowie der jährlichen Netzwerktreffen  Fab:UNIverse behandelt werden. Für Kurzentschlossene empfehlen wir die Teilnahme an der Fab:UNIverse 2019, die gleichzeitig die Abschlusskonferenz von Fab101 darstellt und am am 6.11.2019 im Einstein Center Digital Futures, in Berlin stattfindet. Wir freuen wir uns in diesem Jahr neben spannenden Inputs und Workshops unter anderem darauf “Das Fab-Lab-Handbuch” dort vorzustellen. Nähere Informationen zum Handbuch, zu kommenden Fab:UNIverse Netzwerktreffen und zur diesjährigen Abschlusstagung finden sie unter https://fab101.de/.

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