Virtuelle Brücken bauen

Virtuelle Brücken bauen

21.02.17

University of Cape Coast

Foto Dan AgyapongBettina Schlass von D2L war 2016 im Rahmen einer Ghana-Reise und eines zweitägigen E-Learning-Workshops an der University of Cape Coast (UCC), bei dem auch die Arbeit des Hochschulforums Digitalisierung vorgestellt wurde. Dort traf sie Dr. Daniel Agyapong, Professor an der UCC School of Business und Leiter des Instituts für Marketing und Supply Chain Management, der sich zu einem Gespräch bereitgefunden hat. Er beantwortete Fragen zur Situation der Digitalisierung in der Lehre in Ghana und berichtete über ein Internationalisierungsprojekt, das die UCC School of Business bereits seit geraumer Zeit gemeinsam mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) durchführt, wobei Digitalisierung als Vehikel für Kooperationen, Internationalisierung und Kompetenzentwicklung genutzt wird (Bettina Schlass hat die Aussagen von Dr. Agyapong im Folgenden zu einem zusammenhängenden Text zusammengefasst).

 

Alltägliche Herausforderungen

„Die UCC hat über 80.000 Studierende, von denen weniger als die Hälfte traditionell auf dem Campus unterrichtet werden. Ungefähr 50.000 unserer Studierenden werden in 85 Studienzentren betreut, die über ganz Ghana verteilt sind. Jeden Freitag koordiniert das College of Distance Education den Transport unzähliger Dozenten der verschiedenen Fakultäten zu diesen Zentren, in denen an Samstagen dann Präsenzen gehalten werden. Hierfür unterhält die Universität eine Wagenflotte, da der Verkehr über die Straße in Ghana die effizienteste Art des Reisens darstellt. Die Anschaffung und Wartung der Fahrzeuge stellt eine substanzielle Investition für die Hochschule dar, deshalb suchen wir nach Möglichkeiten, E-Learning Aktivitäten zu intensivieren und zu verbessern. Derzeit experimentieren wir mit Flip-the-Classroom, indem wir Studierenden Lesematerial, Vorlesungsaufzeichnungen und andere Videos vorbereitend zur Verfügung stellen, damit die kostbaren, samstäglichen Präsenzzeiten für komplexere Diskussionen und Reflexion genutzt werden können und so an Mehrwert gewinnen.

Die meisten unserer Studierenden besitzen keine PCs oder Laptops, sondern nutzen mobile Endgeräte. Wir müssen unsere E-Learning-Aktivitäten dementsprechend mobil-freundlich gestalten. Zudem ist die WLan-Deckung eingeschränkt und mobiler Datenverkehr an individuelle Kosten gebunden, sodass synchrone E-Learning-Veranstaltungen nicht immer verlässlich abgehalten werden können. Bei der Gestaltung und Planung von Lehr-Lern-Szenarien müssen wir dies berücksichtigen.University of Cape Coast College of Distance Education

Unsere Dozenten unterrichten Kurse mit sehr vielen Teilnehmern; an meinem letzten Seminar haben 420 Studierende teilgenommen. Bei diesen Größenordnungen gerät die Qualität der Lehre in Bedrängnis. Damit sich alle Studenten aktiv beteiligen können, werden sie in Gruppen mit jeweils 10 Mitgliedern eingeteilt und geben Präsentationen. Trotzdem ist es unter diesen Umständen nicht möglich, alle Studierende wirklich kennenzulernen und intensiv zu betreuen. Es mangelt einerseits an Lehrpersonal, andererseits würde der Einsatz einer zentralen Lehrplattform es uns erlauben, unsere Lehre besser zu skalieren, operationelle Kosten zu drücken und die Qualität zu gewährleisten. Und wir brauchen niederschwellige Tools, mit denen Studierende kollaborieren und interagieren können.“

Internationaler Wettbewerb

„Durch die fragile Infrastruktur geraten sowohl die Präsenzstudien als auch die Fernlehre unter Druck. Ghana verfügt über ein stabiles Bildungssystem, das ein ungeheures Potenzial darstellt. Zu uns kommen Studierende aus ganz Westafrika: Nigeria, Ruanda, Liberia, sogar aus dem französischsprachigen Senegal. Wir investieren in die Campusentwicklung nicht nur in Cape Coast, auch in Accra, Kumasi und im Norden des Landes. Wenn wir auch die digitale Infrastruktur ausbauen, können wir die Betriebskosten für die Universität und in Folge die Studienkosten beherrschen und unsere Chancen besser nutzen. Dies ist dringend notwendig, denn derzeit lässt sich beobachten, dass wir Studierende an internationale Bildungsanbieter verlieren. Obwohl die UCC sich besonders in den Bildungswissenschaften und im Accounting erfolgreich profiliert hat, sehen wir Abwanderungen zu Online-Universitäten wie zum Beispiel die Open University Malaysia, die Open Online University UK, die indische Indira Gandhi National Open University und Institutionen aus Südafrika und den USA. Hier muss man sich strategisch entscheiden, den Weg der Digitalisierung auf allen relevanten Ebenen zu gehen. Ob wir Hardcopy oder e-Bücher anschaffen, in Gebäude oder Lernplattformen investieren und unsere Konnektivität und Kommunikationsmittel verbessern und erweitern, lässt sich dann logisch schlussfolgern. Wenn wir die Zukunft der ghanaischen Hochschulen mittel- und langfristig sichern und im internationalen Wettbewerb bestehen wollen, haben wir keine andere Wahl.“

Interkulturelle StudentenprojekteUniversity of Cape Coast

„2012 habe ich auf einer Konferenz der „German-African University Partnership Platform for the Development of Entrepreneurs and SMEs“ Regina Brautlacht kennengelernt, die am Sprachenzentrum der H-BRS als Fachleiterin für Englisch im Bereich Wirtschaftswissenschaften tätig ist. Sie hatte die Idee, Studierende ihrer Kurse Wirtschaftsenglisch und Studierende unserer Business School zusammenzubringen und gemeinsam an einem Projekt arbeiten zu lassen. So ist “Building Bridges Across Continents: An intercultural student project” entstanden. Wir wollen im Sinne des „competency based learning“ durch gemeinsame Online-Projektarbeit die Kompetenzen der Teilnehmer entwickeln. Die interkulturellen Aspekte der verschiedenen Herangehensweisen und Erledigung von bestimmten Aufgaben stehen im Vordergrund der gemeinsamen Lehre. Konkret geht es um Zeitmanagement, Kommunikationsmethoden und die Bewältigung von sprachlichen und technischen Barrieren. Studierende entwickeln aufgrund realer Aufgaben Verständnis von unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsweisen. So werden Grundvoraussetzungen geschaffen, sich auf dem globalen Arbeitsmarkt behaupten und international agieren zu können.

Da wir über keine gemeinsame Lernplattform verfügen, setzen wir freie Online-Tools ein. Facebook wird für die Kommunikation genutzt, da fast alle Studierenden bereits Accounts haben und wissen, wie es funktioniert. Skype wird für Echtzeit-Meetings eingesetzt und als Kollaborationstool nutzen wir ein Wiki. Schon während des ersten Durchgangs haben die Studierenden ihr digitales Werkzeug selbständig erweitert: man tauscht sich auch über E-Mail und WhatsApp aus und nutzt GoogleDocs.

Seit diesem Jahr beteiligen sich zwei weitere Hochschulen an unserem Projekt, die University of Nairobi in Kenia und die US-amerikanische Coastal Carolina University. Diese Ergänzungen hat das Projekt natürlich bereichert, die organisatorische Komplexität allerdings auch erhöht. Wir mussten beide neuen Partner in die Vorgehensweise und bestehende Arbeitsstrukturen einarbeiten, die Projektgruppeneinteilung anpassen und vor allem bei der Terminierung von Projektmeetings verschiedene Zeitzonen berücksichtigen. Trotz dieser zusätzlichen Herausforderungen möchten wir für „Building Bridges“ in Zukunft gerne noch eine asiatische Partnerhochschule gewinnen.“

Weitere Informationen:

https://www.h-brs.de/de/spz/intercultural-student-project-hbrs-and-ucc

https://www.h-brs.de/de/izne/german-african-university-partnership-platform-development-entrepreneurs-and-smallmedium-enterprises

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert