Die DigitalChangeMaker über KI: Digitale Teilhabe und Zugänge

Die DigitalChangeMaker über KI: Digitale Teilhabe und Zugänge

07.10.25

Dekorative Grafik, darunter der Text: Die DigitalChangeMaker über KI: Teil 3: Digitale Teilhabe und Zugänge. Ein Blogbeitrag von Inga Gostmann.

Es ist etwas mehr als ein Jahr her, dass wir im Rahmen eines Sprint-Prozesses studentische Forderungen zum Umgang mit KI an Hochschulen erarbeitet und veröffentlicht haben. Dabei haben wir damals explizit betont, dass diese Positionen einen Work-In-Progress darstellen, denn: Künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die sich rasant weiterentwickelt und somit auch die Hochschulen zu Veränderungen antreibt. Nach einem Jahr wollen wir daher unsere Positionen erneut aufgreifen, überarbeiten und schärfen: Was hat sich verändert? Wo stehen wir vor allem mit Blick auf die studentischen Forderungen, jetzt und mittelfristig? Wo können und müssen die Positionen geschärft werden? Unsere überarbeiteten Positionen werden wir in diesem und den drei folgenden Blogbeiträgen präsentieren. Bleibt gespannt auf neue Impulse, aber auch auf gestärkte Forderungen!

Von Dezember 2023 an haben wir Studierenden der Digital Change Maker-Initiative im Rahmen des KI-Sprints vom Hochschulforum Digitalisierung studentische Herausforderungen und Forderungen für den Umgang mit KI an Hochschulen erarbeitet. Eines unserer vier Themenfelder ist „Digitale Teilhabe und Zugänge“. Wir haben im Studienalltag schnell bemerkt, dass es „ein Bewusstsein für Barrieren, die durch KI entstehen können und Möglichkeiten, mithilfe von KI bestehende Barrieren zu minimieren“ (Zitat unserer Forderungen) braucht. Darüber hinaus haben wir festgehalten, dass Studierende KI-Zugänge benötigen, die ihnen (beispielsweise) von ihrer Hochschule bereitgestellt werden sollten. Ohne solche Zugänge sind es besonders die Studierenden, die sowieso bereits besser mit Hardware und Software ausgestattet sind, die sich jetzt einen weiteren Vorteil leisten können. „[D]urch KI dürfen keine Nachteile entstehen“ – das war und ist unsere Haltung und wir haben festgehalten, dass es für gleichberechtigte KI-Nutzung nicht nur Zugänge, sondern auch entsprechende Qualifizierungen braucht. Außerdem fanden wir, wer Studierenden Zugang zu einem so bias-anfälligen, unzuverlässigem und gerade im Hochschulkontext kontroversen Tool wie KI gibt, muss sie auch im Umgang damit kritisch schulen. Nur weil KI bereitgestellt wird, wissen nicht automatisch alle, wie sie KI zum Abbau von Barrieren nutzen können. Doch gerade das ist wichtig, denn letztendlich ging es uns darum, dass „KI-Tools größere Selbstständigkeit und Unabhängigkeit für benachteiligte Personen ermöglichen“ sollen.

Zusammenfassend haben wir gefordert:

  • Wir fordern Hochschulen, Bund und Länder auf, kostenlosen Zugang zu KI-Tools zu schaffen, um gleiche Voraussetzungen für alle Studierenden zu schaffen. Die Tools sollten Datenschutzrichtlinien berücksichtigen und mit entsprechenden Qualifizierungsangeboten zur kritischen Nutzung untersetzt werden.
  • Wir fordern, dass Hochschulen Arbeitsplätze für PC-und Geräteverleih weiter ausbauen, um die Nutzung von KI für Studierende nicht vom individuell unterschiedlichen Zugang zu Geräten abhängig zu machen.
  • Wir fordern alle Hochschulen auf, einen Maßnahmenplan zu definieren, wie KI-Technologien genutzt werden können, um etwaige Nachteile auszugleichen (z.B. Untertitelung, leichte Sprache, Übersetzung etc.).
  • Wir fordern Hochschulen dazu auf, systematisch Chancengerechtigkeit und Zugänglichkeit für alle Studierenden durch KI-Tools zu erhöhen.
  • Wir fordern Hochschulen auf, sich stetig um möglichst barrierefreie KI zu bemühen, also die bereitgestellte KI unter anderem nach Barrierefreiheit auszuwählen und immer wieder kritisch auf Barrierefreiheit zu prüfen.
  • Wir fordern Hochschulen auf, in der Schaffung von Zugängen weiterhin autonom zu bleiben und sich nicht zu stark von kommerziellen Partnern abhängig zu machen. Dazu fordern wir Bund und Länder auf, diese Bestrebungen entsprechend monetär zu untersetzen. KI-Tools sollten als ein Mittel von vielen und als Unterstützung und nicht als Ersatz für menschliche Interaktion gesehen werden.
  • Wir fordern Bund und Länder auf, eine Förderlinie zur partizipativer KI-Forschung mit und für benachteiligte Gruppen zu schaffen, um die Bedarfe dieser Gruppen mitzudenken und sie zu einer Nutzung zu ermutigen.

Ein Jahr später befinden wir uns zwar nicht in einer von KI unterstützen bildungsgerechten Utopie – aber ein paar Dinge haben sich doch geändert. So stellen einige Hochschulen ihren Studierenden tatsächlich mittlerweile unterschiedliche KI-Anwendungen bereit. An meiner Uni, der Universität Bielefeld, gibt es mit BIKI zum Beispiel Zugang zu unterschiedlichen Llama-, ChatGPT-, Qwen-, Codestral- und DeepSearch-Varianten. Auch die Ruhr-Universität Bochum stellt ihren Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden mit GPT@RUB einen Zugang zu KI im Hochschulalltag zur Verfügung. GPT@RUB ist ein Dialogsystem, welches auf verschiedenen ChatGPT-Versionen basiert und zur Lern- und Lehrunterstützung eingesetzt werden kann, wobei es einen datenschutzkonformen Zugang zu generativen KI-Modellen bietet. Ein weiteres Beispiel ist HAWKI, eine Online-Plattform der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim / Holzminden / Göttingen, die Hochschulangehörigen einen niedrigschwelligen und datenschutzkonformen Zugang zu generativen KI-Modellen wie ChatGPT ermöglicht. Die Plattform steht als Open Source Code auch anderen Hochschulen und Institutionen zur freien Nutzung und gemeinsam Weiterentwicklung zur Verfügung.

Das sind nur drei von mittlerweile zahlreichen Beispielen dafür, dass ein kostenloser Zugang zu Tools für Studierende ermöglicht werden kann. Dadurch ergeben sich allerdings weitere Fragen, zum Beispiel: Welche von den vielen unterschiedlichen KI-Tools sollten die Hochschulen bereitstellen? Das Budget ist vielerorts stark begrenzt und außerdem scheinen jeden Tag zehn neue KI-Tools auf den Markt zu kommen. Auch die Frage der Version stellt sich – muss es immer die neueste (und teuerste) ChatGPT-Variante sein, um gleichberechtigte Zugänge zu ermöglichen?

In Anbetracht der finanziellen Fragen tut sich ein zweiter Fragenkomplex auf: Welche Firmen unterstützen Hochschulen eigentlich durch das Einkaufen von KI-Tools? In welchen Ländern sitzen diese Firmen und haben wir vielleicht gute politische Gründe (oder werden sie bald haben) diese Firmen nicht mehr unterstützen zu wollen? Sollten wir auch die KI-Outputs stärker hinterfragen und auf eine politische Agenda hin untersuchen? Sollten Hochschulen versuchen, unabhängig von solchen Firmen zu bleiben (oder zu werden)? Braucht es eine „europäische KI“? Wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht, dann scheint es doch absurd, diese mit der Unterstützung einer unfairen und womöglich politisch voreingenommenen KI erreichen zu wollen.

Diese beiden Fragenkomplexe sind nicht insbesondere studentisch geprägt, aber dennoch kann es eine studentische Stimme dazu geben und Studierende sollten mitsprechen dürfen.

Zuerst einmal: Zu welcher KI brauchen wir Zugänge? Darauf kann dieser Beitrag keine abschließende Antwort liefern. An unterschiedlichen Hochschulen und mit unterschiedlichen Fächern können unterschiedliche Zugänge sinnvoll sein. Manche Studierende haben einen guten Überblick darüber, welche Tools es gibt und wie diese bei ihrem Studium helfen können. Warum also nicht Studierende mit in das Gremium der Hochschule holen, das entscheidet, welche Tools zur Verfügung gestellt werden? Da ein Anliegen Barrierefreiheit ist, könnte auch die Barrierearmut des Tools selbst zum Auswahlkriterium gemacht werden. In Gesprächen mit Studierenden oder auch durch Umfragen lässt sich außerdem herausfinden, wofür die Studierenden KI überhaupt benutzen und welche Funktionen für sie entscheidend sind – vielleicht sind das manchmal ganz simple Funktionen, für die es gar nicht immer das neueste Modell braucht.

Zusätzlich führen wir aus dem KI-Sprint vom HFD aktuell eine Umfrage unter Studierenden durch, in die wir genau diesen Fragenkomplex auch aufgenommen haben. Die Umfrageergebnisse werden wir hierzu untersuchen.

Grundsätzlich gilt aber: Nur weil eine Hilfestellung überraschend und neu ist, heißt das nicht automatisch, dass sie besser als konventionelle Unterstützungsangebote ist. Wir müssen nicht erst abwarten, auf welche Weise KI behinderte und nichtbehinderte Studierende in Zukunft unterstützen kann, wir können technische Hilfsmittel auch jetzt schon benutzen. Es empfehlen sich weiterhin ganz konventionelle Dinge:

KI ermöglicht beispielsweise Live-Untertitelung bei Präsentationen für Menschen mit Hörschwierigkeiten oder Synchronübersetzungen in leichte Sprache oder andere Sprachen. Weiterhin eröffnet KI die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Modalitäten zu wechseln (Texte vorlesen lassen, Gesprochenes mitschreiben, Handschriftliches in Getipptes umwandeln). Alternative Bildbeschreibungen können schnell mit KI geschrieben (und menschlich überprüft) werden. Diese Hilfsmittel sind vielen von uns bekannt, werden aber im Unialltag bisher kaum genutzt. Worauf warten wir? Ich empfehle, Live-Untertitelung einfach mal auszuprobieren und danach darüber zu sprechen. Von vielen Studierenden und Lehrenden habe ich gehört, dass es sie überrascht hat, wie gut das für alle war, nicht nur für behinderte Studierende. Erfahrungsgemäß kann die Untertitelung auch nichtbehinderten Studierenden mit Konzentration und Verständnis helfen – wir müssen nur damit beginnen.

Bei alldem darf man allerdings nicht vergessen: es muss weiterhin menschliche Unterstützung, zum Beispiel durch Gebärdensprachedolmetscher*innen und Begleitpersonen geben, wenn Menschen mit Behinderung das wünschen. Denn nur, weil es jetzt technische Hilfsmittel gibt, verliert menschliche Unterstützung nicht an Bedeutung. Wenn menschliche statt technischer Unterstützung gewünscht wird, sollte dies ohne weitere Begründung oder Nachfragen ermöglicht werden.

Menschliche Autonomie steht auch noch auf eine andere Weise im Fokus. Ethische Bedenken zu KI  kann und sollte man zahlreich und vielfältig haben. An vielen Hochschulen werden diese Themen noch nicht in der Breite angesprochen (teilweise sogar, obwohl KI bereitgestellt wird). Um Studierende dabei zu unterstützen, eine Haltung zu KI zu entwickeln und die Fähigkeit des kritischen Denkens zu trainieren statt zu verlieren, lohnt es sich aber, diese ethischen Fragen rund um KI zu besprechen. Wer aufgeklärt ist, kann bewusste Entscheidungen über die Nutzung bestimmter Tools treffen. Viele wollen zwar nichts mehr von KI hören, weil das Thema lästig ist und Ängste und Sorgen um die Zukunft auslösen kann, aber genau deswegen müssen wir jetzt darüber sprechen. Mein zweiter Appell: Sprecht mit Studierenden über die kritischen Aspekte von KI. Ich möchte es in meinem Studium nicht missen, in Diskussionen und Gesprächen etwas dazuzulernen, und das wünsche ich auch allen anderen Studierenden.

Autorin

Inga Gostmann studiert Gender Studies im Master an der Uni Bielefeld, nebenbei ist Inga Peer-Tutor:in und Hilfskraft am Zentrum für Lehren und Lernen der Uni Bielefeld und Mitglied der aktuellen DigitalChangeMaker Kohorte. Als DCM setzt sich Inga für Studierendenzentrierung, Student Mental Health und einen innovativen Umgang mit KI an Hochschulen ein. Außerdem ist Inga unter anderem im Verein Freigeist e.V. aktiv und setzt sich gegen Bildungsungerechtigkeit ein. Ingas Bachelorarbeit wurde 2023 mit dem Claudia-Huerkamp-Preis ausgezeichnet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert