/imagine Resilienz – Hochschulen in stürmischen Zeiten
/imagine Resilienz – Hochschulen in stürmischen Zeiten
26.06.25
Hochschulen stehen unter Spannung. Sie agieren inmitten einer Welt, die von multiplen Krisen geprägt ist: Krieg, Klimawandel, Demokratiegefährdung, digitale Disruption – all das macht auch vor den Toren der Universitäten nicht halt. Dabei ist längst klar: Hochschulen sind keine isolierten Orte. Sie sind soziale Mikrokosmen und öffentliche Institutionen mit Verantwortung. Beim University:Future Festival 2025 wurde unter dem Leitthema /imagine ein Möglichkeitsraum für Zukunftsvisionen eröffnet. In mehreren Sessions rückte dabei ein Thema besonders in den Fokus: Resilienz. Was bedeutet es, eine resiliente Hochschule zu sein – und wie kann diese Resilienz gestaltet, gefördert, gelebt werden?
Hochschule als gesellschaftlicher Resonanzraum
Die Live-Podcast-Session „Die Welt brennt – können Hochschulen sie löschen?“ eröffnete den thematischen Raum. Hier wurde deutlich: Hochschulen befinden sich nicht am Rand der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern im Zentrum eines tiefgreifenden Wandels. Sie sind Bildungsorte, Arbeitsorte, Innovationsorte – aber auch Orte der ersten politischen und sozialen Selbstverortung junger Menschen. In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob Hochschulen sich angesichts globaler Herausforderungen aktiv als Akteurinnen der Transformation begreifen. Denn ob es um den Umgang mit Künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeit oder Demokratiebildung geht – Hochschulen verfügen über Potenzial, über Infrastruktur und über Know-how. Doch allzu oft fehlt es an strategischem Willen und mutiger Zielorientierung, dieses Potenzial auch konsequent zu entfalten. Die Session machte deutlich: Eine resiliente Hochschule ist nicht einfach robust gegenüber Veränderungen – sie gestaltet Wandel mit, indem sie klare Haltungen entwickelt und diese in Forschung, Lehre und Organisation spiegelt.
Wissenschaftskompetenz als demokratisches Fundament
In der Session „/imagine – Wissenschaftskompetenzen für die Demokratiebildung“ rückte die Rolle der Wissenschaftskompetenz für gesellschaftliche Resilienz in den Mittelpunkt. Es wurde diskutiert, wie Hochschulen dazu beitragen können, Demokratien widerstandsfähiger zu machen – nicht durch politischen Aktivismus, sondern durch die Stärkung von Urteilskraft, Diskursfähigkeit und Erkenntnisverständnis. Gerade angesichts wachsender Wissenschaftsskepsis wird deutlich, dass Hochschulen über ihren Bildungsauftrag hinaus eine zentrale Funktion für die Demokratieerhaltung erfüllen. Wer die Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens versteht – den Umgang mit Unsicherheit, mit Kritik, mit begründetem Wandel – ist auch besser gerüstet, um in gesellschaftlichen Konflikten fundiert Position zu beziehen. Die Session unterstrich: Demokratiebildung ist nicht nur eine Aufgabe der Schule. Sie setzt sich im Studium fort – und dort, wo sie gelingt, entsteht gesellschaftliche Resilienz.
Räume für Auseinandersetzung schaffen
Eine besonders drängende Frage stellte sich in der Podiumsdiskussion „Hochschulen am Limit: Wie viel Politik verträgt der Hörsaal?“. Gesellschaftliche Konflikte – etwa rund um den Nahostkonflikt, die Klimabewegung oder genderpolitische Fragen – wirken unmittelbar in den Hochschulalltag hinein. In der Session wurde deutlich: Hochschulen stehen vor der Herausforderung, Diskursräume zu schaffen, die Kontroverse aushalten, ohne demokratische Werte zu relativieren. Dabei geht es nicht um parteipolitische Positionierung, sondern um eine werteorientierte Haltung, die klare Grenzen gegen Diskriminierung zieht, aber Meinungsvielfalt zulässt. Auch strukturelle Fragen wurden thematisiert: Wie können Lehrende in ihrer Rolle gestärkt werden, mit politischen Themen kompetent umzugehen? Wie können Studierende beteiligt werden, ohne sich allein gelassen zu fühlen? Und wie kann akademische Freiheit gewahrt werden, ohne in Gleichgültigkeit zu verfallen? Resilienz zeigt sich hier als institutionelle Aushandlungskompetenz: die Fähigkeit, Spannungen produktiv zu verarbeiten und nicht durch Vermeidung zu neutralisieren.
Integrität, Transparenz und Vertrauen
Die Session „Wissenschaft im Gegenwind – Akademische Integrität als Anker in stürmischen Zeiten“ richtete den Blick auf eine weitere Dimension: das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. In einer Zeit, in der Wissenschaft unter Druck steht, wächst die Bedeutung von Integrität, Transparenz und Dialogfähigkeit. Die Diskussion betonte, dass Hochschulen nicht auf autoritative Wahrheitsansprüche setzen sollten – sondern auf eine dialogische Praxis. Wer wissenschaftliche Prozesse offenlegt, Unsicherheiten kommuniziert und Debatten nicht scheut, trägt zur Vertrauensbildung bei. Eine resiliente Hochschule stärkt damit nicht nur die akademische Kultur, sondern wirkt weit über den Campus hinaus – als Vermittlungsinstanz in einer zunehmend fragmentierten Öffentlichkeit.
Strukturelle Voraussetzungen gestalten
In der Session „Prioritäten für die neue Regierung – Was jetzt zu tun ist“ wurde deutlich: Resilienz ist nicht allein eine Frage innerer Haltung oder kultureller Stärke. Sie braucht strukturelle Voraussetzungen – und politische Gestaltung. Die Diskussion drehte sich um fehlende Planungssicherheit, chronisch unterfinanzierte Strukturen und unklare Steuerungsimpulse seitens der Politik. Hochschulen werden als Orte gesellschaftlicher Innovation erwartet, aber häufig mit kurzfristigen Projektlogiken konfrontiert, die nachhaltige Wirkung erschweren. Um tatsächlich resilient zu sein, benötigen Hochschulen institutionelle Verlässlichkeit, langfristige Entwicklungsperspektiven und Rahmenbedingungen, die Fehler zulassen und Innovation fördern. Ohne solche strukturellen Grundlagen bleibt die Forderung nach Resilienz ein rhetorisches Ideal – aber kein gelebter Zustand.
Fazit: Resilienz als Zukunftskompetenz der Hochschule
Die Sessions des University:Future Festival 2025 zeigenl: Resilienz ist weit mehr als ein Überlebensmechanismus. Sie ist ein Zukunftsprinzip – für Menschen ebenso wie für Organisationen. Für Hochschulen bedeutet das, sich nicht in Sicherheit zu wiegen, sondern Offenheit zu kultivieren. Resiliente Hochschulen stellen sich der gesellschaftlichen Realität. Sie halten Ambiguität aus, fördern kritisches Denken, schaffen Räume für Widerspruch und Veränderung. Sie tun das nicht im luftleeren Raum, sondern mit dem Anspruch, wirksam zu sein – im Diskurs, in der Region, in der Gesellschaft. /imagine Resilienz – das heißt: Hochschulen als Möglichkeitsräume begreifen, in denen nicht nur Wissen entsteht, sondern Zukunft.