Chattest du nur oder lernst du auch? Lernen mit KI fördern

Chattest du nur oder lernst du auch? Lernen mit KI fördern

22.07.25

Foto von einem Studenten von hinten, der ChatGPT an seinem Laptop benutzt. Darunter der Text: Chattest du nur oder lernst du auch? Lernen mit KI fördern. Ein Blogbeitrag von Cassandra Gerber, Florian Lückenbach, Dr. André Biederbeck und Dr. Moritz Kohls

Generative KI nutzen kann jede:r – aber kann KI wirklich beim Lernen helfen? Zwei Hochschulkurse mit über 2000 Teilnehmenden zeigen: Der Schlüssel liegt nicht in der Technologie, sondern im bewussten Umgang mit ihr. Was passiert, wenn Studierende KI nicht als digitalen Ghostwriter, sondern als Lernpartner entdecken? Dieser Blogbeitrag über eine interinstitutionelle Kooperation zwischen der FernUniversität Hagen und der Hochschule Koblenz liefert spannende Erkenntnisse über effektives Lernen mit KI. 

Einleitung

Die Szene könnte bekannt sein: Studierende sitzen vor ihren Laptops, tippen hastig Fragen in ChatGPT und kopieren die Antworten direkt in ihre Hausarbeiten. KI wird zum digitalen Ghostwriter, zum schnellen Problemlöser, zum bequemen Abkürzungsweg. Aber nutzen wir damit wirklich das transformative Potenzial künstlicher Intelligenz für unser Lernen?

Diese Frage beschäftigt uns in unserer täglichen Arbeit an der Hochschule. Die Allgegenwärtigkeit der generativen künstlichen Intelligenz in der Hochschullandschaft erfordert neue Lernansätze, denken wir. Oder zumindest: Generative KI hat das Potenzial, Lernen zu verändern. Im positiven wie auch negativen Sinne. Ob KI beim Lernen eine Unterstützung sein kann, möchten wir anhand zweier Praxisbeispiele aus zwei digitalen Kursen an der FernUniversität Hagen und der Hochschule Koblenz zum Thema Lernen und KI diskutieren, die für alle Studierenden der jeweiligen Hochschulen offen sind und bisher über 2000 Teilnahmen verzeichnen können.

Durch die Verschränkung synchroner und asynchroner Elemente im Kursdesign und die begleitende Evaluation gewinnen wir über vorliegende Studien hinaus einen vertieften Einblick in die Art und Weise, wie Studierende KI für ihr Studium nutzen wollen und können. 

Unsere These: Der Schlüssel liegt im gemeinsamen Austausch über die vielfältigen Möglichkeiten, dem aktiven Bewusstsein, einen Lernprozess mit KI zu gestalten sowie die kritische Hinterfragung dessen, wie der eigene Lernprozess gestaltet werden kann. Die Kurse setzen genau hier an: Sie nutzen KI nicht als Ersatz für menschliche Interaktion und Denken, sondern als Katalysator für kollaboratives sowie individuelles Lernen. Studierende lernen nicht nur über KI, sondern entwickeln Strategien, wie sie KI für ihr individuelles Lernen sinnvoll einsetzen können.

Das Ergebnis: ein tieferer Austausch mit den eigenen Lernstrategien, eine bewusstere Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit des Lernens und letztendlich eine fundiertere Beschäftigung sowohl mit dem Lernstoff als auch mit generativer KI und deren Chancen, Risiken und Einschränkungen. Unsere interinstitutionelle Kooperation ermöglicht es uns, Gestaltungsprinzipien und Gelingensbedingungen für Lernangebote zu identifizieren, die Menschen zu einem kompetenten Umgang mit KI befähigen.

Die Ausgangslage: Warum eine Kooperation?

Unabhängig voneinander entwickelten beide Hochschulen Kurse zum Thema „Lernen mit KI“. 

An der Hochschule Koblenz entstand der Selbstlernkurs „Lernen mit KI“ im Rahmen des Projekts Kultur der Digitalität an der Hochschule Koblenz (KuDiKo). Das am Kompetenzzentrum Studium und Lehre angesiedelte Projekt wird seit 2021 von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert. In enger Zusammenarbeit zwischen der Teilkoordination „Digitale Lernkompetenz“ des Projekts KuDiKo und dem Team Studium des Kompetenzzentrums entwickeln wir ein umfassendes digitales Selbstlernangebot. Dazu gehört auch der Themenkomplex „Studieren mit KI“, der Studierenden praxisnahe Kompetenzen für den Einsatz künstlicher Intelligenz im Studium und darüber hinaus vermittelt.

An der FernUniversität ist der Kurs „Lernen mit KI“ vom Team Studienkompetenzen des Zentrums für Lernen und Innovation für alle Studierende aller Studiengänge als auch für Studieninteressierte entwickelt worden. Bei der Konzeption sowie auch bei der Weiterentwicklung erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem Schreibzentrum der FernUniversität. Der Kurs ist unter dem Dach von studyFIT – dem Angebotskanon zur Unterstützung von Studieneinstieg und Studierfähigkeit – angesiedelt, der Studierenden vielfältige Unterstützung und Lernangebote bereitstellt, beispielsweise auch zu Data Literacy und zum wissenschaftlichen Schreiben mit KI.    

Das Ziel der beiden Kurse war identisch: Studierenden einen reflektierten und kompetenten Umgang mit KI-Tools zu vermitteln. Beide Kurse griffen dabei die gleiche zentrale Herausforderung auf: Wie kann KI tatsächlich das Lernen fördern, anstatt es zu ersetzen?

Die wissenschaftliche Forschung zeigt die Komplexität dieser Frage deutlich auf: Wecks et al. (2024, Preprint) finden heraus, dass KI als „Krücke“ fungieren kann, die den Lernprozess behindern kann, weil wichtige kognitive Prozesse beim Lernen umgangen werden. Besonders leistungsstarke Studierende verzichten durch KI-Nutzung auf eigene Analysefähigkeiten und tiefere Auseinandersetzung mit dem Stoff. Auch eine Studie von Gerlich (2025) weist darauf hin, dass kritisches Denken durch die Nutzung von KI beeinträchtigt werden kann – dies liegt vor allem daran, dass Nutzerinnen und Nutzer sich abhängig von generativer KI machen können.

Gleichzeitig zeigt die Praxis an den Hochschulen ein anderes Bild: Laut einem aktuellen CHE-DatenCHECK (Befragung von 23.288 Studierenden im Wintersemester 2024/25) nutzen 25 % der Studierenden in Deutschland täglich Künstliche Intelligenz im Studium, weitere 40 % mindestens wöchentlich. Nur etwa 6 % haben KI noch nie eingesetzt. Die Nutzung variiert stark nach Fachbereich.

Als wir – Mitarbeitende an der Hochschule Koblenz und FernUniversität Hagen – voneinander erfuhren, brachten wir unterschiedliche Kurse mit: Während der eine Kurs verschiedene Lernszenarien mittels Prompts und Rollen der KI vermittelt, dient der andere Kurs zur praktischen Befähigung, verschiedene KI-Tools für spezifische Lerntechniken einzusetzen. Im Mittelpunkt steht dabei die Stärkung der Selbstlernkompetenz gepaart mit der Förderung von Selbstreflexion und kritischem Denken als zentrale Ressource.

Diese unterschiedlichen Vorgehensweisen um das gleiche Thema eröffneten uns eine einmalige Chance: Wir konnten die zentrale Frage „Wie kann und wie wird KI zum Lernen genutzt?“ aus verschiedenen Blickwinkeln erforschen. Dabei kombinierten wir qualitative und quantitative Forschungsansätze, um ein umfassendes Bild zu erhalten.

Beide Kurse sollen unter aktiver Einbindung von Studierenden weiterentwickelt werden – ein partizipativer Ansatz, der es uns ermöglicht, die tatsächlichen Bedürfnisse und Herausforderungen der Lernenden von Anfang an mitzudenken. Ein zentrales Motiv unserer Zusammenarbeit war die Exploration des Themas und des Effekts der Selbstlerneinheiten zu dem Thema „Lernen mit KI“.

Die Kooperation bot uns die Möglichkeit, Synergien zwischen unterschiedlichen Evaluationsdesigns zu nutzen. Durch gemeinsame Items in unseren Befragungen konnten wir nicht nur die Wirksamkeit unserer jeweiligen Ansätze messen, sondern auch übergreifende Erkenntnisse über erfolgreiches Lernen mit KI gewinnen.

Zwei Wege, ein Ziel: Die Kurskonzepte im Detail

Der lerntheoretische Ansatz der Hochschule Koblenz

Der Kurs der Hochschule Koblenz setzt auf einen stark reflexionsorientierten Zugang. Als Selbstlernkurs in OpenOlat konzipiert und in Kooperation mit der Firma „Lernhacks“ entwickelt, steht seit April 2025 ein asynchrones Lernangebot zur Verfügung, das theoretische Fundierung mit praktischer Anwendung verbindet. Die Kursinhalte fokussieren auf das Verstehen von Lernprozessen: Studierende setzen sich zunächst mit den Unterschieden zwischen menschlichem und maschinellem Lernen auseinander, bevor sie verschiedene KI-Rollen für unterschiedliche Lernanlässe kennenlernen. Ein umfangreicher Prompt-Katalog bietet dabei konkrete Hilfestellungen für den praktischen Einsatz.

Das Herzstück des Kurses bildet ein begleitendes Reflexionstagebuch, in dem Studierende ihre Erfahrungen mit den Prompts dokumentieren und reflektieren. Dieser Ansatz folgt der Überzeugung, dass nachhaltiges Lernen mit KI nur durch bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Lernprozessen gelingt.

Der anwendungsorientierte Ansatz der FernUniversität Hagen

Der Kurs der FernUniversität in Hagen legt den Fokus auf die praktische Vermittlung von Lernmethoden mit KI. Das Wissen wird in einem Blended-Learning-Format vermittelt, das einen flexiblen Selbstlernkurs auf der Lernplattform Moodle mit integrierten Online-Workshops verbindet. Diese bieten Austausch und Live-Support. Inhaltlich werden die Funktionsweise generativer KI, allgemeine Prompting-Tipps sowie ein Überblick über wichtige KI-Tools zum Lernen vermittelt. Dazu gehört auch die KI-Experimentierumgebung der FernUni mit darin enthaltenen Open-Source-LLM.

Zentraler Bestandteil des Kurses sind die unterschiedlichsten Lernszenarien, die anwendungsorientiert, beispielsweise in Form von Screencasts und KI-Chat-Historien, demonstriert werden. In Übungsaufgaben können die Studierenden die praktisch vermittelten Lernmethoden gleich selbst ausprobieren. Dazu gehört auch die Beantwortung von Reflexionsfragen, um den eigenen Lernprozess mit KI kritisch zu reflektieren und die Qualität der Outputs zu bewerten.

Unterschiedliche Evaluationsstrategien

Auch in der Evaluation spiegeln sich die verschiedenen Ansätze wider. Die Hochschule Koblenz nutzte qualitative Methoden mit Gesprächen in zwei leitfadengestützten Fokusgruppen mit jeweils fünf Studierenden.

Das erste Fokusgruppengespräch fand vor Kursbeginn statt und behandelte das Nutzungsverhalten, die Haltung und Motivation der Lehrenden sowie deren Herausforderungen und Akzeptanz im Kontext des Leitthemas „Lernen und KI“. Nach dem ersten Fokusgruppengespräch erhielten die Studierenden eine Woche Zeit zur Kursbearbeitung, einschließlich der Bearbeitung von Reflexionsaufgaben in Form des Reflexions-Tagebuchs. 

Im Anschluss an den Kursabschluss wurde das zweite Fokusgruppengespräch durchgeführt. Zentrale Diskussionspunkte waren die Erwartungserfüllung, der wahrgenommene Kompetenzerwerb sowie Veränderungen in Motivation, Einstellung und Bedenken zum Lernen mit KI durch den Kurs. Abschließend erfolgte eine Reflexion zur Erreichung der Lernziele. 

Die Datenauswertung basierte auf fünf Stunden Audiomaterial. Die Audiodaten wurden zunächst mit Whisper transkribiert, die Datenanalyse der Transkripte erfolgte mit Atlas.ti und AI Coding. Zusätzlich wurden Whiteboards, welche während der Fokusgruppengespräche beschriftet wurden, ebenfalls ausgewertet. Zudem wurden Reflexionstagebücher der Studierenden zusätzlich analysiert, die während sie den Selbstlernkurs absolviert haben, angefertigt worden sind. Dieser Ansatz ermöglicht tiefe Einblicke in die subjektiven Erfahrungen und Reflexionsprozesse der Studierenden.

Die FernUniversität Hagen kombiniert Workshops mit verpflichtenden Befragungen der Teilnehmenden zu Beginn und während des Kurses. Diese quantitative Herangehensweise erlaubt es, Veränderungen in Einstellungen und Kompetenzen systematisch zu messen.

Die erste Befragung findet gleich zu Beginn des Kurses statt. Die Studierenden müssen sie ausfüllen, bevor sie Zugriff auf die Lernmaterialien erhalten. Zunächst werden allgemeine demografische Angaben wie Fakultät, Studienabschnitt, Studienform, Fachsemester, Alter und Geschlecht erfragt. Daran schließt sich der Block A zu Einstellungen und Selbsteinschätzung bezüglich KI an. Er ist untergliedert in die Bereiche „Einstellungen” sowie „Herausforderungen und Bedenken“ zur KI-Nutzung im Lernen. Block B bietet die Möglichkeit, Rückmeldung zu den Kursinhalten zu geben. Dabei sollen die Studierenden einschätzen, welche der im Kurs behandelten Lernszenarien mit KI sie für sich selbst als relevant erachten und wie kompetent sie sich im Umgang damit fühlen.
Abschließend wird gefragt, welche weiteren KI-Anwendungen sie wie oft nutzen.

Der zweite Befragungszeitpunkt befindet sich in der Moodle-Kursumgebung unter der Kachel „Workshop“. Die Befragung ist für diejenigen Studierenden verpflichtend, die eine Teilnahmebescheinigung erhalten möchten. Ähnlich wie bei der ersten Befragung beginnt die zweite mit demografischen Angaben und Block A zu Einstellungen und Selbsteinschätzung bezüglich KI. Im Block B „Rückmeldungen zu den Kursinhalten“ werden die gleichen Items wie zum ersten Befragungszeitpunkt abgefragt, um durch die Kursbearbeitung hervorgerufene Veränderungen hinsichtlich der selbsteingeschätzten Kompetenz bei der Anwendung von Lernmethoden mit KI nachvollziehen zu können. Zusätzlich dazu enthält die zweite Befragung weitere Items, in denen die Studierenden beispielsweise reflektieren sollen, inwiefern sich ihre Nutzung generativer KI durch den Kurs gewandelt hat.
Die Studierenden können auch angeben, ob sie die thematisierten Lerninhalte hilfreich fanden und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Neben den Befragungen sind die Workshops wichtig für die Evaluation und die Identifizierung von Weiterentwicklungspotenzialen, ermöglichen sie doch eine unmittelbare Beobachtung des studentischen Nutzungsverhaltens sowie einen direkten Austausch mit den Studierenden über die Kursinhalte und das Kursdesign. In den Live-Veranstaltungen werden die Studierenden aktiv um Feedback gebeten, dabei werden die Befragungsergebnisse aufgegriffen. 

Diese methodische Vielfalt erweist sich als besonders bereichernd für unsere Kooperation: Während die qualitativen Fokusgruppen der Hochschule Koblenz tiefe Einblicke in die subjektiven Lernprozesse und Reflexionsmuster liefern, ermöglicht die quantitativen sowie qualitative Erhebung der FernUniversität Hagen eine breitere, statistisch abgesicherte Einschätzung von Kompetenzentwicklungen. Die Kombination beider Ansätze erlaubt es uns, sowohl das „Was“ als auch das „Wie“ und „Warum“ des Lernens mit KI zu verstehen.

Was haben wir gelernt? Erkenntnisse aus beiden Kursen

Nutzungsverhalten und Einstellungen der Studierenden

Die ersten Fokusgruppen an der Hochschule Koblenz und die Kurseingangsbefragung an der FernUniversität in Hagen zeigten ein klares Bild davon, wie Studierende KI bereits nutzen: hauptsächlich für die Themenrecherche und Strukturierung von Inhalten sowie als Ergänzung zu klassischen Suchmaschinen. Dabei überwiegt eine positive, aber vorsichtige Grundhaltung. Besonders bemerkenswert: KI fördert die Lernmotivation, insbesondere in Momenten der Überforderung.  

„Ich nutze eine KI ein bisschen wie eine flexiblere Erweiterung von Google“, fasste eine Teilnehmerin ihre Herangehensweise zusammen. Ein anderer ergänzte: „In den Momenten, wo vielleicht Überforderung auftritt, hilft die KI, diese Struktur zu finden“. An der FernUniversität haben 55 % das Gefühl, dass KI ihre Lernmotivation steigert, 37 % sehen keine Veränderung und nur 5 % sind in dieser Hinsicht skeptisch. 

Gleichzeitig zeigten sich – sowohl in den Fokusgruppen als auch in der Eingangsbefragung im Kurs der FernUniversität – deutliche Herausforderungen: Unsicherheit über sinnvolle Einsatzmöglichkeiten und Grenzen von KI sowie Bedenken wegen möglicher Fehlinformationen prägen das Nutzungsverhalten. Die Akzeptanz bei Lehrenden variiert stark je nach Fachbereich und individueller Erfahrung. 

In der Befragung der FernUniversität Hagen stimmen knapp 25 % der Studierenden der Aussage (eher) zu: „Ich sehe mich gezwungen, mit KI zu lernen, weil andere es auch tun und ich der Ansicht bin, nicht anders mithalten zu können.“ Zugleich erwartet die Mehrheit der Befragten keine negativen Folgen für das eigene kritische Denken. Nur etwa ein Viertel von ihnen befürchtet eine Abnahme der Fähigkeit, selbstständig zu denken. Auch die Gefahr von Prokrastination sehen nur wenige Studierende für sich. So teilte uns zum Beispiel ein:e Student:in mit: „Ich prokrastiniere nicht, aber ich tauche oft tiefer in die Recherche ein, als ich es mir anfänglich vorgenommen habe.“

Kompetenzentwicklung durch die Kurse

Nach der Kursteilnahme veränderte sich das Bild deutlich. Die zweiten Fokusgruppen zeigten: Der Kurs stärkt das kritische Verständnis im Umgang mit KI, auch wenn weiterhin Unsicherheiten im praktischen Einsatz bestehen. Die Fähigkeit, effektive Prompts zu formulieren, wird als zentral erkannt und aktiv weiterentwickelt.

Besonders bedeutsam: KI ermöglicht ein flexibleres, individuell angepasstes Lernen. „Ich habe mir zumindest schon mal einen Lernplan für eine Klausur erstellen lassen, der relativ umfangreich ist“, berichtete eine Studierende. Der Kurs hat das Lernverhalten sowie das Bewusstsein für Lernplanung und -reflexion nachhaltig verändert.

Eine Veränderung der Einstellung gegenüber KI wird besonders deutlich: Die KI-Rolle verändert sich von einem reinen Werkzeug zu einem Lernpartner. Unter den zehn von uns abgefragten Lernszenarien der FernUniversität Hagen ist der sokratische Dialog, das Lernszenario von dem sich die Studierenden – nach der Erstellung von Textzusammenfassungen und dem Finden weiterer Lernquellen – den drittgrößten Nutzen erhoffen. Über 60 % der Studierenden schreiben der KI als persönlichem Lernbegleiter einen hohen bis sehr hohen Nutzen für das eigene Lernen zu.  „Und ja, das ist eine ganz neue Richtung fürs Denken […] so ein Erforschen einfach von einer neuen Sache“, beschrieb ein Teilnehmer diese Entwicklung an der Hochschule Koblenz. Eine andere Studentin ließ uns in der Befragung der FernUniversität wissen: „Die Gespräche mit meiner KI über philosophische Themen helfen mir, Inhalte zu vertiefen und meine Gedanken zu vertiefen und Perspektiven zu ändern.“ 

Zugleich zeigen sich zwischen den Fakultäten Unterschiede hinsichtlich der selbstwahrgenommenen Kompetenz KI als Lernpartner zu nutzen. Studierende der Rechtswissenschaften schätzen sich selbst deutlich weniger kompetent ein als die Studierenden anderer Studienfächer. Ein Grund für uns, genauer hinzuschauen und mit den Fakultäten noch stärker darüber ins Gespräch zu kommen, welche Rolle KI in der jeweiligen Fachdisziplin spielt und wie sie in den fachlichen Kontexten effektiv zum Lernen genutzt werden kann.

Reflexion über die eigene Verantwortung

Trotz der positiven Entwicklungen bleiben wichtige Bedenken bestehen: Zweifel an der Verlässlichkeit KI-generierter Informationen, ethische Fragestellungen und die Betonung der Eigenverantwortung beim Lernen. „Es ist trotzdem meine Verantwortung. Ich kann halt niemals sagen, die Maschine hat es gesagt“, brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt.

Die Reflexionstagebücher erwiesen sich als methodisches Instrument zur Erfassung von Lernprozessen und Dokumentation der KI-Integration als Co-Learner. Sie ermöglichten eine tiefere Auseinandersetzung mit Prompt-Strategien, ethischen Fragen und der Verknüpfung mit beruflichen Zukunftsperspektiven. „Wenn ich weniger Administratives erledigen muss, kann ich mich vielmehr darauf konzentrieren, an meiner Qualifikation zu arbeiten“, schrieb eine Teilnehmerin über den Einsatz von KI bei administrativen Prozessen. Die im Kurs der Hochschule Koblenz dargelegte Unterscheidung zwischen „slow und fast learning“ erwies sich als besonders wertvoll für die Reflexion der eigenen Lernprozesse.

In der Kursverlaufsbefragung der FernUniversität gaben nahezu alle Studierenden an, dass sie durch die Kursteilnahme neue Lernmethoden mit KI kennengelernt, ihr eigenes Lernverhalten reflektiert haben und nun in der Lage sind, KI noch effektiver und effizienter für das eigene Lernen einzusetzen. Ein:e Teilnehmende:r fasste es so zusammen: „Der Kurs hat meinen Eindruck bestärkt, dass Künstliche Intelligenz ein wertvolles Werkzeug zum Lernen und für wissensbasierte Tätigkeiten sein kann, vorausgesetzt, man ist sich ihrer Grenzen bewusst. Methoden wie die ‚Chain-of-Verification‘-Methode können insbesondere dann hilfreich sein, wenn es auf Genauigkeit ankommt.“

Gelingensbedingungen und Handlungsempfehlungen

Aus den Erfahrungen beider Kurse lassen sich konkrete Gelingensbedingungen für erfolgreiches Lernen mit KI ableiten:

Strukturierte Orientierung bieten: Studierende wünschen sich eine kuratierte Übersicht über KI-Tools für verschiedene Anwendungsszenarien. Ein bereitgestellter Prompt-Katalog ermöglicht einen schnellen, praxisnahen Einstieg und wurde von den Teilnehmenden als besonders motivierend erlebt.

Reflexion systematisch fördern: Das Reflexionstagebuch fungiert als Lernanker und fördert die bewusste Auseinandersetzung mit dem KI-Einsatz. Es unterstützt den Lerntransfer nachhaltig und ermöglicht eine tiefere Beschäftigung mit ethischen Fragen.

Hands-on-Erfahrungen ermöglichen: Studierende müssen selbst in die Arbeit mit KI kommen, um für sich den Nutzen einschätzen lernen zu können. Reine Theorie reicht nicht aus – praktische Erprobung ist essentiell.

Schreibkompetenzen integrieren: Da häufige Fragen im Kontext wissenschaftlichen Arbeitens aufkommen, ist die Anbindung an Schreibangebote sinnvoll und notwendig. Die Verzahnung mit Schreibberatung und die Erweiterung von expliziten Angeboten zum wissenschaftlichen Schreiben hat sich als besonders wertvoll erwiesen.

Betreuung und Austausch sicherstellen: Betreuerinnen und Betreuer sind für Rückfragen essentiell, sei es zur Klärung technischer Fragen oder zur Weiterleitung an spezialisierte Angebote. Synchrone Workshops ermöglichen Selbstvergewisserung, Reflexion, Klärung offener Fragen und gegenseitige Inspiration zwischen Studierenden und Lehrenden.

Diese Erkenntnisse zeigen, dass erfolgreiches Lernen mit KI mehr erfordert als nur den Zugang zu Tools. Es braucht strukturierte Begleitung, Raum für Reflexion und die Möglichkeit zum praktischen Erproben – eingebettet in einen sozialen Lernkontext, der kritisches Denken und Eigenverantwortung fördert.

Ausblick

Unsere Kooperation zeigt exemplarisch, wie Hochschulen gemeinsam Antworten auf die Herausforderungen des KI-Zeitalters finden können. Doch dies ist erst der Anfang. Die nächsten Schritte sind bereits geplant: Beide Kurse werden auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse weiterentwickelt, wobei die erfolgreichen Elemente beider Ansätze stärker miteinander verzahnt werden sollen.

Uns hat diese Kooperation gezeigt, dass der Austausch zwischen verschiedenen Ansätzen und Institutionen bereichernd für die Entwicklung wirkungsvoller Lernkonzepte sein kann

Die Zukunft des Lernens wird nicht durch KI allein bestimmt, sondern durch unsere Fähigkeit, bewusst und reflektiert mit ihr umzugehen. Unsere Studierenden sind bereit dafür – wir müssen ihnen nur die richtigen Räume und Werkzeuge dafür bieten. Die Reise hat gerade erst begonnen!

Erklärung zum Einsatz von KI und KI-gestützten Technologien im Schreibprozess

Während der Vorbereitung dieses Blogbeitrags benutzten Autor*innen folgende Werkzeuge

für Paraphrasierungen und Textüberarbeitung:

  • Claude AI Pro

Nach der Verwendung dieser Dienste haben wir Autor*innen den Inhalt nach Bedarf überprüft und bearbeitet und übernehmen die volle Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung (in Anlehnung an die Vorgaben von Elsevier für das wissenschaftliche Schreiben: https://www.elsevier.com/about/policies-and-standards/the-use-of-generative-ai-and-ai-assisted-technologies-in-writing-for-elsevier, Aufruf: 26.06.2025).

Quellen

CHE Centrum für Hochschulentwicklung. (2025). DatenCHECK „KI-Nutzung im Studium“: Befragung Wintersemester 2024/25. https://www.che.de/2025/ein-viertel-der-studierenden-nutzt-taeglich-kuenstliche-intelligenz/

Gerlich, M. (2025). AI tools in society: Impacts on cognitive offloading and the future of critical thinking. Societies, 15(1), 6. https://doi.org/10.3390/soc15010006

Wecks, J. O., Voshaar, J., Plate, B. J., & Zimmermann, J. (2024). Generative AI usage and exam performance (arXiv:2404.19699). arXiv. https://doi.org/10.48550/arXiv.2404.19699

Autor:innen

Dr. Cassandra Gerber koordiniert im Projekt „Kultur der Digitalität an der Hochschule Koblenz“ (KuDiKo) den Bereich Digitale Lernkompetenz an der Hochschule Koblenz. Die promovierte Soziolinguistin hat in der Corona-Pandemie im Bereich Digitales Lehren und Lernen auf internationaler Ebene Erfahrungen gesammelt. Im Projekt ist sie gemeinsam mit dem Team Studium im Kompetenzzentrum Studium und Lehre für die Konzeption, Umsetzung sowie Evaluation digitaler Bildungsformate im Themenkomplex Digitalität und Schlüsselkompetenzen verantwortlich, mit besonderem Fokus auf Künstliche Intelligenz.

Florian Lückenbach ist Teamleiter Studium im Kompetenzzentrum Studium und Lehre der Hochschule Koblenz. Er konzipiert und realisiert (digitale) Lernformate zur Förderung von Schlüsselkompetenzen bei Studierenden. In seiner Lehre fokussiert er sich insbesondere auf die Bereiche Lernorganisation, Zeitmanagement und wissenschaftliches Arbeiten. Als Mitglied der Gesellschaft für Schlüsselkompetenzen und des Fachausschusses Future Skills fördert er den Austausch zu innovativer Hochschullehre.

Dr. André Biederbeck ist Mitglied der Geschäftsleitung des Zentrums für Lernen und Innovation sowie Koordinator des hochschulweiten Programms „studyFIT”. Dieses umfasst über 40 verschiedene Angebote zur Vermittlung allgemeiner und fachbezogener akademischer Kompetenzen. Zu seinen weiteren Aufgaben an der FernUniversität Hagen gehört die Entwicklung von Leitlinien für den Einsatz von KI in Lehre und Studium sowie die Erforschung und Umsetzung von KI-Anwendungen für diese Zwecke.

Dr. Moritz Kohls ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Lernen und Innovation der FernUniversität Hagen. Als Experte für Datenanalyse unterstützt er Studiumsanfänger:innen mit einer Reihe von onlinebasierten Formaten, die sich auf die erforderlichen mathematischen und statistischen Kompetenzen sowie auf Daten- und KI-Kompetenzen konzentrieren. Ein weiteres akademisches Interesse von ihm ist die Gamifizierung des Lernens, um die nachhaltige Motivation von Studierenden im Fernstudium zu fördern.

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