Lehrlabor³ – Eine teambasierte Ideenschmiede für die Lehrentwicklung
Lehrlabor³ – Eine teambasierte Ideenschmiede für die Lehrentwicklung
09.01.25Wie wird Lehrentwicklung zur gemeinsamen Mission? Das Programm Lehrlabor³ bietet inspirierende Einblicke: Mit interdisziplinärem Austausch, der innovativen EMPAMOS-Methodik und der aktiven Einbindung von Studierenden entstanden kreative Lösungen für die Hochschullehre der Zukunft. Beim Abschluss-Event #hingeschaut wurde deutlich, wie viel Potenzial in Zusammenarbeit und neuen Perspektiven steckt.
In der Forschung hat man das Potential von Vernetzung und gemeinsamer Ideengenerierung längst erkannt. Forschungsnetzwerke sind allgegenwärtig. Neben der Forschung erfährt Lehre aber oftmals nur stiefmütterliche Behandlung. Da wundert es nicht, dass in der Lehrentwicklung Kooperationen häufig nur eine Nebenrolle spielt. Folglich ist die Ausgestaltung der Lehre meistens an die einzelne Lehrperson gekoppelt und im Alleingang zu meistern.
Gleichzeitig zeigen Studien, dass Netzwerke auch in der Hochschullehre die Innovationsverbreitung erleichtern und Veränderungen fördern (Stasewitsch et al. 2022). Der interdisziplinäre Austausch hilft zudem Hierarchien zu überwinden (Pleschová et al. 2024).
Um Lehre als gemeinschaftliche Aufgabe zu stärken (Wissenschaftsrat, 2022) wurden und werden deshalb vielerorts hochschulübergreifende Vernetzungsstrukturen geschaffen, die Kooperation und Dialog fördern. Mit dem im Jahr 2022 ins Leben gerufenen Programm Lehrlabor³ haben wir ein neuartiges Format der teambasierten Lehrentwicklung erprobt. Eine Zusammenfassung des Projekts und seiner Grundidee finden Sie auch in Videoform. In diesem Beitrag stellen wir anlässlich des Abschlusses des zweiten Programmdurchlaufs im Oktober 2024 das Konzept vor.
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Ziele und Ablauf des Programms
Ziel des Programms war es, Lehrentwicklung als gemeinschaftliche und hochschulübergreifende Aufgabe zu fördern und Kommunikations- sowie Hierarchiebarrieren abzubauen. Hierfür wurden unterschiedliche
- Akteur:innen (Studierende, Lehrende, Didaktiker*innen /Wissenschaftliche Mitarbeitende)
- Disziplinen und
- Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs) sowie Technische Hochschulen (THs)
über vier mehrtägige Präsenzphasen an einen Tisch gebracht. Die asynchrone Begleitung fand über die Plattform des HFDnetzwerks mattermost statt.
Das vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (stmwk) und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) geförderte Programm richtete sich dabei an alle bayerischen Hochschulen und die Auswahl der Hochschulteams erfolgte über eine Bewerbung (kurze Projektskizze und Erläuterung der Motivation zur Teilnahme). Die Präsenzphasen fanden an den unterschiedlichen Hochschulstandorten der beteiligten Teams statt und bildeten das Herzstück des Programms.
Einen Überblick zum Ablauf zeigt die Lehrlabor³-Roadmap des zweite Programmdurchlaufs:
Ideen, Kommunikation und Ergebnisorientierung
Zentraler Fokus der Hochschulteams war die Überarbeitung des eigenen Lehrprojekts. Ideen für die Überarbeitung wurden inspiriert durch den kollaborativen Prozess der Hochschulteams untereinander und über die Hochschulen hinweg. Zentrales Analyse- und Kommunikationswerkzeug war hierfür EMPAMOS (s.u.).
Um die Ergebnisorientierung sicherzustellen, wurden die Hochschulteams von Beginn an durch Impulse und flankierende Begleitangebote zum Scholarship of Teaching and Learning (SoTL) dazu angeregt, ihre Lehrprojekte systematisch zu beforschen. Mittels einer Publikation (im aktuellen Programmdurchlauf in Form eines Sammelbandbeitrages) sowie im Rahmen einer von den Teilnehmenden mitorganisierten Abschlussveranstaltung wurden der Entwicklungsprozess vertiefend reflektiert und die Ergebnisse für die Fachöffentlichkeit nachvollziehbar dargelegt.
EMPAMOS: Eine Krealyse für die rollenübergreifende Ideenentwicklung
Wie lässt sich ein Raum schaffen, in dem unterschiedliche Hochschulakteur*innen in einen ehrlichen Dialog treten und ins Arbeiten kommen, ohne in Diskussionen festzustecken? Im Programm haben wir uns dazu entschlossen mit einer Perspektive auf Lerngelegenheiten zu blicken, die für alle nachvollziehbar und diskussionsfähig ist. Mithilfe der Ergebnisse des Forschungsprojekts EMPAMOS (www.empamos.de) luden wir die Hochschulteams dazu ein, das jeweilige Lehrprojekt als „kaputtes Spiel“ zu betrachten. EMPAMOS steht für empirische Analyse motivierender Spielelemente und lieferte das entsprechende Werkzeug, um Lerngelegenheiten in Einzelteile (Spielelemente) zu zerlegen und so gezielt und reflektiert weiterzuentwickeln. Einen Überblick dazu, wie wir Spiel und Lehre zusammendenken, finden Sie hier.
EMPAMOS bietet nicht nur die Möglichkeit Lerngelegenheiten in Einzelteile aufzusplitten, sondern hilft dabei, klar zu benennen, was (genau) in einer (Lern-)situation unmotivierend wirkt. Das Theoriefundament der Methodik basiert auf der Analyse von Gesellschaftsspielen (Voit et al. 2020) und der Anknüpfung an die motivationalen Bedürfnisse der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (2000).
Die Misfits in Spielsituationen geben den persönlichen Eindrücken von Teammitgliedern eine Sprache, um Schwierigkeiten auszudrücken, die sonst womöglich unter den Tisch fallen würden.
Mit der Nutzung von EMPAMOS konnten wir die Möglichkeit geben, alle Ideen und Bedenken offen einzubringen – unterstützt durch die Analogie des kaputten Spiels. Damit konnten:
- Problematiken aus dem Hochschulalltag (in EMPAMOS: Misfits) offen kommuniziert sowie
- gemeinsam Lösungen (in EMPAMOS: Spieldesignelemente und -netzwerke) entwickelt werden.
Im Fokus stand also die systematische Analyse und kreative Ideenentwicklung, kurz: die „Krealyse“. Dabei haben die Studierenden immer wieder eine Schlüsselrolle eingenommen, was auch in den folgenden beiden Statements zum Ausdruck kommt:
Für einen vertiefenden Einblick in die Lessons Learned sowie die Evaluation des Programms empfehlen wir den im Januar erscheinenden Artikel zum ersten Programmdurchlaufs (Zinger et al. 2025).
Ausblick: Das Community-Event und eine (spielbasierte) Community für Lehrentwicklung
Das Community-Event #hingeschaut Ende Oktober 2024 markierte den feierlichen Abschluss des zweiten Programmdurchlaufs von Lehrlabor³. Unterschiedliche Akteur*innen aus der Hochschulwelt kamen zusammen, um die von sechs Hochschulteams entwickelten Lösungen der Lehrprojekte zu erkunden.
Ein SCALE-UP-Raum im medizinischen Labor der Hochschule München, die Anwendung von Concept Maps in der Physik (Hochschule Coburg) und die Konzeption eines interdisziplinäres Modul zu Energiesystemen (TH Nürnberg) sind nur drei von insgesamt 6 Lehrprojekten.
Die Ergebnisse aller Projekte sowie weiterer Arbeiten mit EMPAMOS sind im Sammelband Hochschulbildung und Spiel. Lernen motivierend gestalten verankert, der im Frühjahr 2025 im transcript-Verlag erscheint. Weitere Informationen zu Projekten und Publikationen finden sie unter www.fidl.education/lehrlabor
Im Rahmen des Community-Events hatten Veranstaltungsteilnehmende außerdem die Möglichkeit die EMPAMOS-Methodik selbst auszuprobieren und in den kreativen Kommunikations- und Ideenfindungsprozess zu starten.
Eine Teilnehmerin des Events fasst ihre Eindrücke in einem LinkedIn-Post wie folgt zusammen
Literatur
Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The „what“ and „why“ of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry, 11, 227–268. http://dx.doi.org/10.1207/S15327965PLI1104_01
Pleschová, G., Roxå, T., Thomson, K.E. & Felten, P. (2021). Conversations that make meaningful change in teaching, teachers, and academic development. International Journal for Academic Development, 26(3), 201–209. https://doi.org/10.1080/1360144X.2021.1958446
Stasewitsch, E., Dokuka, S. & Kauffeld, S. (2022). Promoting educational innovations and change through networks between higher education teachers. Tert. Educ. Manag. 28, 61–79. https://doi.org/10.1007/s11233-021-09086-0
Voit, T., Schneider, A., & Kriegbaum, M. (2020). Towards an Empirically Based Gamification Pattern Language using Machine Learning Techniques. 2020 IEEE 32nd Conference on Software Engineering Education and Training (CSEE&T), 1–4. https://doi.org/10.1109/CSEET49119.2020.9206223
Wissenschaftsrat (2022). Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre. Wissenschaftsrat. https://doi.org/10.57674/Q1F4-G978
Zinger, B., Wester, A., Zitzmann, Chr., Weidel A. & Bauer M. (2025). Co-kreative Lehrentwicklung. Neue Wege in der Hochschulbildung. In U. Fahr & P. Riegler (Hrsg.), Digital gestützte Lehre: Innovative Konzepte zur digitalen und analogen Lehre an Hochschulen, Springer
Ein Sammelband über die Arbeiten mit EMPAMOS in der Hochschulbildung erscheint im Frühjahr 2025:
Zinger, B., Wester, A. & Bröker, T. (Hrsg.) (2025): Hochschulbildung und Spiel. Lernen motivierend gestalten. transcript
Autor:innen
Benjamin Zinger (Dr. phil.) arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungs- und Innovationslabor Digitale Lehre (fidl) an der Technischen Hochschule Nürnberg. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen in der teambasierten Lehr- und Hochschulentwicklung, dem Projektmanagement an Hochschulen und der Hochschuldidaktik.
Ann Marie Wester arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungs- und Innovationslabor Digitale Lehre (fidl) an der Technischen Hochschule Nürnberg. Ihr thematischer Schwerpunkt ist das Motivationserleben innerhalb kooperativer (Lern-)Prozesse.