Barrierefreiheit in der Online-Lehre – Eine Handreichung

Barrierefreiheit in der Online-Lehre – Eine Handreichung

08.12.20

Schreibtisch neben einer Couch mit Pflanzen.

Wie können wir allen Studierenden ein Online-Lernangebot machen, das sie potenziell wahrnehmen können? Ramona Kaufmann, Pritima Chainani-Barta und Beate Hennenberg vom Netzwerk Gender und Diversity in der Lehre zeigt in dieser Handreichung zur Barrierefreiheit, welche Gruppen von Studierenden und Lehrende von inklusiven Angeboten profitieren. Mit einer umfassenden Linksammlung am Ende des Beitrags werden digitale Tools und Lösungen für die Umsetzung präsentiert. Diese Handreichung wendet sich an Lehrende, die im Online-Betrieb Gleichberechtigung und Teilhabekultur in der Lehre sicherstellen und barrierefreie Lehre gestalten möchten.

 

Netzwerk Gender und Diversity in der Lehre

Das Netzwerk Gender und Diversity in der Lehre ist ein autonomes Netzwerk von Personen, die strategisch, theoretisch und/oder operativ im Bereich Gender und Diversity in der Hochschullehre arbeiten und sich untereinander vernetzen und kontinuierlich zusammenarbeiten wollen. Das Netzwerk dient dem Informationsaustausch sowie der inhaltlichen und strategischen Zusammenarbeit .

Gender-/Diversitätsreflexivität

Gender-/Diversitätsreflexivität verstehen wir als Querschnittsaufgabe, als die systematische Wahrnehmung und Berücksichtigung unterschiedlicher Lebenssituationen und -bedingungen von Menschen. Gender-/diversitätsreflektierend zu lehren heißt, nicht von einem vermeintlichen „Normstudenten“ auszugehen, sondern von einer Vielzahl an unterschiedlich positionierten Personen, die sehr verschiedene Fähigkeiten, Ressourcen, Vorkenntnisse, Erfahrungen und Bedürfnisse mitbringen. Das hängt auch mit Erfahrungen von Diskriminierung und Privilegierung in gesellschaftlichen Ungleichheitsstrukturen zusammen. Diese strukturellen Ungleichheiten und individuellen Verschiedenheiten gilt es wahrzunehmen und sie in der Gestaltung der Lehre zu berücksichtigen. Es bedeutet auch, die Inhalte und Methoden der eigenen Lehre zu reflektieren und anzupassen, um allen Beteiligten die gleichen Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Neben der Forschung ist die Lehre die zentrale Aufgabe von Hochschulen und Universitäten. Lehre wird von vielen verschiedenen Personengruppen an Hochschulen und Universitäten angeboten. Bei den einzelnen Gruppen variieren die Anzahl der Semesterwochenstunden, die Prüfungs- und Beratungsaufgaben sowie die Breite der Themenfelder, die sie an und in der Lehre anbieten müssen. Auch das Lehrformat kann sich stark unterscheiden. Das Ziel, allen Studierenden ein Lernangebot zu machen, das sie potenziell wahrnehmen können, bleibt jedoch gleich. Und zwar unabhängig davon, ob die Lehre in Präsenz oder online stattfindet. Bei diesem Ziel wird der Aspekt der Barrierefreiheit relevant. Diese Handreichung wendet sich an Lehrende, die trotz des (spontanen, unvorbereiteten) Online-Betriebs weiterhin Werte wie Gleichberechtigung und Teilhabekultur in der Lehre aufrechterhalten und barrierefreie Lehre gestalten möchten.

1 Warum eigentlich Barrierefreiheit und diesen Beitrag?

Die Heterogenität der Studierendenschaft ist in den letzten Jahren zunehmend unter den Stichworten „Offene Hochschule“ und „Inklusion“ thematisiert worden. Das ist u.a. darauf zurückzuführen, dass Menschen mit Behinderung nach langen Kämpfen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe in allen öffentlichen Lebensbereichen rechtlich zugesichert wurde. In Deutschland trat die Rechtsverbindlichkeit der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 in Kraft. Damit verbindet sich der Auftrag strukturelle (Zugangs)Hürden umfassend abzubauen.

Der Umsetzung und Herstellung dieses rechtlich verankerten Anspruchs auf gleichberechtigten Zugangs werden vor allem durch die Herstellung von Barrierefreiheit an Hochschulen versucht, Rechnung zu tragen. Das 2016 verabschiedete Web-Zugänglichkeits-Gesetz (WZG bzw. WCAG 2.0) verpflichtet zudem alle öffentlichen bzw. Bildungseinrichtungen dazu, alle Informationen ihrer Websites (also auch der Lern-Management-Systeme usw.) barrierefrei zugänglich zu machen – somit auch in der Online-Lehre. Dementsprechend ist es der Auftrag der Hochschulen, Lehre barrierefrei zu gestalten. Eine knappe Zusammenstellung der gesetzlichen Verpflichtungen sind auch im Beitrag von Prof. Dr. Isabel Zorn zu finden.

Die plötzliche Umstellung im Sommersemester 2020 von Präsenz- auf Online Lehre schmälert nicht die Bedeutung von Teilhabe. Leider wurde durch den Lockdown der Fokus auf die möglichst schnelle Durchführung der Lehrveranstaltungen in einer Online Variante gelegt – mit dem Argument, dass das Semester für die Studierenden nicht verloren gehen darf. Doch auf wessen Kosten geht eine solch verkürzte Perspektive?

Eine Waage und ein Laptop stehen auf einem Schreibtisch.

2 Barrierefreiheit – für wen ist das wichtig? 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Studierende wie auch Lehrende profitieren können, wenn (Online-)Lehre barrierefrei gestaltet wird. Für einige Studierende ist es aber essenziell, um überhaupt an der Lehre teilnehmen zu können: für Studierende mit chronischen Erkrankungen und Beeinträchtigungen. Nicht bei jeder Beeinträchtigung hilft genau das Gleiche. Aber viele Maßnahmen, die für eine Studierendengruppe hilfreich sind, können es auch für andere sein. Manche Studierende würden auch im Studienalltag in der Präsenzlehre von der Nutzung diverser Techniken und Medien aus der Online Lehre profitieren; wieder andere erfahren durch die Online Lehre erst Barrieren, die ihnen zum Nachteil werden, welche in der Präsenzlehre nicht zum Tragen kommen. 

Zu den Bedarfen sowie Möglichkeiten deren Berücksichtigung folgen hier nun Beispiele:

Studierende mit Beeinträchtigung in der Mobilität

Studierende mit Gehhilfen, Rollstühlen, Prothesen oder anderen Hilfsmitteln sind in der Präsenzlehre, auf dem Campus und in den Hochschulgebäuden oft durch bauliche Barrieren beeinträchtigt. Diese Studierenden, die bspw. durch Fehlbildungen, Lähmungen, Gelenk- und/oder Muskelerkrankungen, neurologischen Erkrankungen oder Verlust von Gliedmaßen langfristig, aber auch durch einen Gips, eine Halskrause o.Ä. mittelfristig beeinträchtigt sind, können sich hingegen ihr Zuhause entsprechend Ihrer Bedürfnisse einrichten und so ggf. von der Online-Lehre auch profitieren. Allerdings kommen diese Mobilitätseinschränkungen häufig zusammen mit anderen Beeinträchtigungen – bspw. beeinträchtigt ein Gips am Arm die Nutzung der Tastatur.

Studierende mit feinmotorischen Schwierigkeiten/Schmerzen in den Händen

Für Studierende, die aufgrund einer Krankheit chronische Schmerzen in den Händen (und Gelenken) und/oder Schwierigkeiten in der Feinmotorik haben, können in der Präsenzlehre auf dem Campus ausgleichende und variierende Bewegungen machen, um an der Lehre teilzunehmen bzw. sich zu beteiligen etc. Bei der Umstellung auf Online-Lehre besteht die Schwierigkeit, dass vieles auf das Sitzen am Schreibtisch und monotone Bewegungsabläufe reduziert wurde. Wenn hauptsächlich mündlich-interaktive Lehrveranstaltungen nun auf schriftliche Beiträge (Forendiskussion, Chats, etc.) umgestellt werden bzw. nun plötzlich viel getippt/die Tastatur genutzt werden muss, kann es passieren, dass Studierende zwar grundsätzlich die Fähigkeit dazu hätten, sich zu beteiligen, in der konkreten Situation es aber nicht leisten können.

Studierende mit Sehbeeinträchtigung oder blinde Studierende 

Studierenden mit Sehbeeinträchtigung oder blinden Studierenden kann durch die Umstellung auf die Online-Lehre eine Barriere entstehen, wenn interaktive oder verbal vorgetragene Inhalte verstärkt in schriftliche oder grafische Darstellungen umgewandelt werden, ohne auf Barrierefreiheit zu achten. Dann ist es nicht oder nur schwer möglich, bspw. die Texte und Darstellungen durch Screenreader vorlesen zu lassen. Braille-Tastaturen können zwar unterstützen, selbst Dokumente zu erstellen, helfen aber wenig, wenn die zur Verfügung gestellten Dokumente nicht barrierefrei sind. Tipps, wie Dokumente barrierefrei erstellt werden können, sind in diesem Beitrag unter 4 sowie in dem Beitrag von Dr. Björn Fisseler zu finden.Eine Person sitzt am Schreibtisch und arbeitet.

Studierende mit Hörbeeinträchtigung oder Gehörlose Studierende

Durch die Umstellung auf Online-Lehre kann es für Gehörlose Studierende sowie Studierende mit Hörbeeinträchtigung in synchronen Videokonferenzen zu Barrieren kommen, insbesondere wenn die Sprechenden keine Kamera eingeschaltet haben und keine Möglichkeit der Live-Untertitelung erfolgt. Doch auch asynchrone Lernangebote können nicht immer gleichermaßen wahrgenommen werden. Vertonte Präsentationen sind für Gehörlose Studierende ungeeignet, sofern zu den Tonaufnahmen keine ergänzenden Mitschriften bereitgestellt werden.

Studierende mit Leseschwäche oder Konzentrationsstörungen

Wer mit der Schriftlichkeit Schwierigkeiten hat, kann im Regelbetrieb die mündliche Beteiligung in Lehrveranstaltungen als (Teil-)Kompensation nutzen. Wenn Online-Lehre weiterhin interaktiv gestaltet und mündliche Beteiligung ermöglicht ist, ändert sich nicht viel; Autokorrektur kann teilweise sogar unterstützen. Aber wenn Vorlesungen, interaktive und Diskussions-Veranstaltungen in rein schriftliche Inhalte und Aufgaben umgewandelt werden, stoßen diese Studierenden auf Barrieren: Sie brauchen wesentlich länger, um den gleichen Umfang an Stoff zu bewältigen. Das lange Sitzen und viele Lernen am Computer erfordert für eine weitaus größere Konzentration als Seminarsitzungen in Präsenz und kann eine weitere Hürde darstellen.

Internationale Studierende und Studierende mit Fluchtgeschichte

Internationale Studierende und Studierende mit Fluchtgeschichte haben aktuell noch schlechtere Rahmenbedingungen für die Sprachlern-Kurse. Einige Deutschkurse finden online statt, doch nicht alle Studierenden (mit Fluchtgeschichte) besitzen einen Laptop oder gar Standrechner. Sie sind dann auf Smartphones angewiesen. Das Bearbeiten von Aufgaben gelingt damit oftmals nicht so gut und durch fehlende Begegnungen sind die Möglichkeiten interaktiver Kommunikation mit z.B. Sprachtandems eingeschränkt. Wenn zudem die Lehre lediglich auf Deutsch stattfindet, stellt dies eine weitere Barriere dar.

Studierende mit Betreuungs- und/oder Pflegeaufgaben

Studierende mit Kind und/oder zu pflegenden Angehörigen sind auch in der Präsenzlehre eine Studierendengruppe, die nicht immer vor Ort sein können oder bei Gruppenarbeitsphasen nicht so flexibel sein können. Diese Mehrfachbelastung verbraucht zeitliche, emotionale aber auch finanzielle Ressourcen, die unter anderen Bedingungen in das Studium fließen könnten. Um diesen Studierenden trotzdem das Studium zu ermöglichen, bedarf es flexibler Lösungen und Materialien zum Selbststudium. Auch hochschuleigene Angebote zur Unterstützung bei Betreuungsverpflichtungen können entlasten und wirken sich positiv auf das Studium aus.

3 Wie kann in der Lehre die Barrierefreiheit berücksichtigt werden?

Neben grundsätzlichen Hinweisen auf der eigenen Website zu sich und der eigenen Lehre, kann auch ganz konkret für einzelne Lehrveranstaltungen im Semester etwas getan werden, um die Lehre möglichst barrierearm zu gestalten. Je nach Hochschule können diese Möglichkeiten sehr unterschiedlich ausgestaltet werden, daher folgen hier lediglich Beispiele:

3.1 … durch grundsätzliche Informationsweitergabe als Lehrperson

Ein Baustein, um Barrieren abzubauen, ist Transparenz. Ein Ort für Informationen kann Ihre eigene Website sein. Doch, welche Angaben können sinnvoll sein?

Nicht immer ist Studierenden bewusst, dass sie einen Anspruch auf Nachteilsausgleiche oder (technische) Unterstützung auch während des Semesters haben. Dazu kann es hilfreich sein, Informationen anzugeben sowie Beratungsstellen auf der eigenen Website zu verlinken. Zugleich hilft es Ihnen, als Lehrende, sich über Unterstützungsangebote an der eigenen Hochschule bewusst zu werden und ggf. auch selbst in den Austausch mit den entsprechenden Einrichtungen/Personen zu kommen. Im Idealfall arbeiten Sie zusammen und ergänzen sich in den verschiedenen Funktionen.

Insbesondere Studierende mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen, aber auch Studierende mit (familiärer) Migrationsgeschichte haben während der Schule/in ihrer bisherigen Bildungsbiographie oftmals Diskriminierungen erfahren und sind evtl. vorsichtig, wenn Situationen neu und unbekannt sind. Gerade Sprechstundensituationen an Hochschulen können zu solchen gehören. Daher sind deutlich formulierte Hinweise zu den Sprechstunden sowie den Rahmenbedingungen der eigenen Lehre hilfreich.

Als Beispiel für Hinweise auf der Website zur Sprechstunden:

„Meine Sprechstunde findet wöchentlich/immer montags von xx:xx Uhr bis xx:xx Uhr in meinem Büro statt. Die Raumnummer lautet: xxxx. Bitte tragen Sie sich dafür bei Stud.IP/im Moodle/über ILIAS/… [Link] ein oder melden sich vorab per E-Mail (Adresse) an. Des Weiteren biete ich immer dienstags/xxx und donnerstags/xxx eine offene Telefonsprechstunde (ohne Anmeldung) von xx:xx Uhr bis xx:xx Uhr an. Die Telefonnummer lautet: xxx. Sofern besetzt ist, rufen Sie bitte zu einem späteren Zeitpunkt oder Folgetermin erneut an. Anrufe außerhalb dieser Zeiten werden nicht entgegengenommen.“

Falls Ihre Hochschule einen Gebäudeplan zur barrierefreien Orientierung hat, verlinken Sie diesen idealerweise mit einer Raummarke bei Ihren Raumangaben. Ergänzend können Sie Angaben dazu machen, dass Vertrauenspersonen mit in die Sprechstunde kommen können und/oder Informationen aus den Sprechstunden vertraulich behandelt werden. 

Insbesondere mit der Umstellung auf Online-Lehre ist zu überlegen, in welchem Rahmen und unter welchen Bedingungen auch Online-Beratung stattfinden kann. Bedenken Sie dabei, dass in Beratungssituationen sensible Themen angesprochen werden könnten – hierbei ist der Datenschutz, resp. die Wahl des Konferenztools, umso wichtiger. Dabei gilt: Die zu beratende Person sollte die Wahl haben und nicht aus Alternativlosigkeit zu einer Online-Beratung implizit gezwungen werden.

Als Beispiel zur Transparenz der Rahmenbedingungen Ihrer Lehre:

„Gerne können Sie Ihre Dolmetscher*innen/Interpreter/Assistenzen mit in meine Seminare bringen. Wenn Sie mir das vorab mitteilen, kann ich mich darauf einstellen und besonders in der Lehrplanung berücksichtigen. Falls ich Ihren Bedarfen durch die Nutzung bestimmter Software/Mikrofone/Farbkombinationen o.Ä. besser gerecht werden kann, teilen Sie mir das bitte per E-Mail oder im Anschluss an die Sitzungen mit. Sofern Sie vor dem Semesterstart ein Gespräch bzgl. Nachteilsausgleichsregelungen oder auch barrierefreien Lehrmaterialien wünschen, schreiben sie mir bitte eine E-Mail mit Ihrem Anliegen, damit wir einen Termin vereinbaren können.“

All dies sind Informationen, die Sie relativ unabhängig von ihrer konkreten Lehre gut kommunizieren und damit die Rahmenbedingungen Ihrer Lehre transparent gestalten können. Falls Sie Anforderungen an Studierende haben, wie bspw. das Einhalten einer gewissen Ansprache, eines bestimmten Kommunikationsweges (bspw. E-Mail statt Telefon o.Ä.) oder das Verwenden bestimmter Dateiformate etc., kommunizieren Sie dies ebenfalls über Ihre Website sowie innerhalb Ihrer Lehrkontexte. Wenn Sie Studierende dazu anhalten und dabei unterstützen möchten, dass sie selbst barrierefreie Dokumente erstellen und/oder barrierefreie E-Mail-Kommunikation betreiben, lohnt es sich, Hinweise zu deren Erstellung und Nutzung auf der eigenen Website zu verlinken. Erste Tipps sowie Hinweise zu Dokumenten, die Sie verlinken können, finden Sie unter 4 in diesem Beitrag.

Was Sie alles in der konkreten Lehre berücksichtigen können, um möglichst barrierearme Lehr-Lern-Situationen zu schaffen, wird nun im Folgenden weiter anhand der chronologischen Planungsphasen ausgeführt.

3.2 … in der Planung einer Lehrveranstaltung

Viele Inhalte und Materialien werden Sie in der Planung und Vorbereitung Ihrer Veranstaltungen sowieso aufbereiten müssen. Wenn Sie dabei gleich Aspekte der Barrierefreiheit berücksichtigen, ersparen Sie sich später Zeit und vereinfachen Ihre eigenen Abläufe.Eine Sanduhr.

Zeitliche Gestaltung des Semesters

Bereits bei der Planung der Veranstaltung(en) für das nächste Semester sollte auf Barrierefreiheit geachtet werden. Dabei ist vor allem die Frage der synchronen und asynchronen Lehre relevant. Es lässt sich festhalten, dass asynchrone Lehre eine größere Chance für Barrierefreiheit bietet – doch auch in der synchronen Lehre kann darauf geachtet werden. Idealer Weise wird eine Veranstaltung als Hybrid aus synchronen und asynchronen Phasen geplant. Für alle Varianten gilt: Lernmaterialien sollten schon zu Semesterbeginn online zur Verfügung gestellt werden. Je nach digitaler Aufbereitung kann es sein, dass diese Studierenden zunächst eine Schriftumwandlung (o.a. Aufbereitung) aller Materialien benötigen (Hinweis: Nachteilsausgleich) – das ist ein Aufwand, den Studierende nicht erst in der konkreten Sitzung nebenbei leisten können.

Asynchrone Lehre

Bei der asynchronen Lehre werden i.d.R. Lernmaterialien wie Texte, Skripte, Folien, Videos usw. zum Selbststudium zur Verfügung gestellt. Es wird dabei kaum auf direkte Kommunikation gesetzt. Dies hat den Vorteil für Studierende mit Beeinträchtigungen, dass sie die Dokumente entsprechend ihrer Bedürfnisse studieren können. In der Regel ist dafür kein Zeitlimit oder ein fremdbestimmter, festgelegter Zeitpunkt gesetzt. Die Rahmenbedingungen des Lernens können Zuhause selbst arrangiert werden; benötige Hilfsmittel sind dort i.d.R. vorhanden. Sofern die Lernmaterialien barrierefrei zur Verfügung gestellt werden und eine asynchrone Kommunikation zwischen Studierenden/Dozierenden ermöglicht wird, kann auf diesem Wege eine Vielzahl an Bedürfnissen gerecht geworden werden – bspw. auch Studierenden mit Familien-/Betreuungsaufgaben. Um jedoch den Lernzyklus der Studierenden im Blick zu behalten und Verbindlichkeit zu sichern, sollten die Selbstlernphase durch im Semester verteilt stattfindende synchrone Sessions ergänzt werden. Auch dabei kann und sollte auf Barrierefreiheit geachtet werden.

Synchrone Lehre

Unter synchroner Lehre wird Präsenzlehre verstanden. Hierbei ist zu beachten, dass die Präsenzlehre aus Seminar- oder Vorlesungsräumen (oder gar Laboren) nicht 1:1 auf Online-Lehre mittels Konferenztool übertragen werden kann. Um synchron mit allen Studierenden eine Sitzung barrierefrei zu ermöglichen, sollte bereits vor der Sitzung darauf geachtet werden, dass barrierefreie Dokumente wie bspw. die Präsentation/das Skript o.Ä. zur Verfügung gestellt worden sind. Für einige Studierende, die nicht über einen Laptop verfügen, sind bestimmte digitale Tools nicht anwendbar, sodass ihnen die aktive Teilnahme an der Lehrveranstaltung erschwert wird. Das Aktive, also die Interaktion, die Diskussion oder das gemeinsame Anwenden von Erlerntem, sollte in der synchronen Lehr-Lern-Situation aber im Fokus stehen. Um digitale Müdigkeit bei synchronen Veranstaltungen zu vermeiden, planen Sie genügend Pausen ein. Nach 45 bis 60 Minuten sollte eine erste kurze Pause von ca. fünf Minuten eingeplant werden: Danach wird die Sitzung wieder deutlich produktiver. Alternativ kann die Sitzung in Einheiten mit gemeinsamen und Selbstlern-Phasen geteilt werden, sodass in den individuellen Arbeitsphasen selbstbestimmt kurze Pausen eingelegt werden können. Vor allem Studierende mit einer Sehschwäche werden eine Bildschirmpause brauchen – grundsätzlich hilft die Pause aber allen Studierenden, wieder konzentriert zu arbeiten.

Je nach Lehrformat, zu erbringenden Kompetenzen und (vorgegebener) Prüfungsform kann die eine oder andere Variante der zeitlichen Semestergestaltung sinnvoll sein. Insbesondere bei hybriden Varianten mit semesterbegleitenden Prüfungsformen ist für die zeitliche Gestaltung des Semesters wichtig, die Fristen zu beachten und diese transparent zu kommunizieren.

Verbindlichkeit und Transparenz der Fristen

Kommunizieren Sie bereits zu Beginn des Semesters,

  1. den Prüfungstermin/-zeitraum sowie den Termin für Wiederholungs-/Nachholprüfungen,
  2. ab wann und auf welchem Wege die An- und Abmeldung zur Prüfung möglich sowie
  3. wie das Prozedere bzgl. einer Nachteilsausgleichsregelung ist.

Insbesondere Studierende mit Beeinträchtigungen profitieren davon, wenn transparent kommuniziert wird, wie Fristverlängerungen möglich sind. Grundsätzlich sollte das Ziel sein, Prüfungen zu ermöglichen – zugleich sollte aber auch im Vorhinein deutlich kommuniziert werden, was die Konsequenzen von Fristversäumnissen sind. 

Die Fristen während der Vorlesungszeit sind besonders zu berücksichtigen. Kommunizieren Sie, wann Dokumente, Lösungen von Aufgaben, Präsentationen, Gruppenarbeitsergebnisse o. Ä. abgegeben werden sollen. Wenn Sie Feedbackschleifen eingeplant haben, teilen Sie transparent mit, bis wann Studierende mit Ihren Rückmeldungen rechnen können. Bei der asynchronen Lehre sind diese Fristen sowie deren Einhaltung essenziell, um Verbindlichkeit auf beiden Seiten zu garantieren.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass es hilfreich sein kann, gleich zu Beginn die Verantwortlichkeiten klar zu benennen: Bei welchen Punkten besteht eine Bring- und bei welchen eine Hol-Verpflichtung? Beispielsweise muss seitens der Dozierenden eine Prüfung im Semester angeboten werden – die Verantwortung, sich über Nachteilsausgleiche zu informieren, liegt hingegen bei den Studierenden. Die rechtzeitige Kommunikation der Zugangsdaten zum Konferenzraum liegt bei den Dozierenden; die Verantwortung, sich mit dem zu nutzenden Konferenzsystem auseinanderzusetzen, liegt hingegen auch bei den Studierenden. Daher: Schicken Sie Ihren Studierenden die Zugangsinformationen zum Online-Kurs/Konferenztool vorab – dies lässt sich auch gut vereinbaren mit Informationen zur Netiquette sowie rechtlichen Hinweisen bzgl. Datenschutz und Privatsphäre – und teilen Sie einen ergänzenden Kommunikationsweg mit für den Fall, dass Studierende an dem jeweiligen Termin technische Schwierigkeiten haben und sich in die Videokonferenz nicht einwählen können.

Anforderungen und Leistungen während des Semesters sowie passgenaue Prüfungen

Die Erfahrungen, Gewohnheiten und eigenen Techniken des Lernens kann bei Studierenden sehr unterschiedlich sein – je nach (Bildungs-)Biographie. Eventuell ist Hilfestellung nötig, um Wissenslücken zu füllen. Laden Sie die Studierenden ein, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, damit sie passgenaue Angebote von Ihnen erhalten und sich auf die Prüfungsleistung entsprechend vorbereiten können. Gerade in der Online-Kommunikation, wenn andere Kommunikationsebenen wie Gestik und Kontext nicht so deutlich hervortreten, liegt der Fokus auf dem lautsprachlichen Ausdrucksvermögen und dem Wissen um die jeweiligen Beteiligungskonventionen/-normen. Bedenken Sie, dass dies eine Hürde des Verständnisses, aber auch der aktiven Beteiligung sein kann. 

Um für alle Studierenden die Teilnahme in Ihren Veranstaltungen sowie das Bestehen der (Modul‑)Prüfung zu ermöglichen, machen Sie Ihre Anforderungen transparent und kommunizieren Sie, was Studierende machen können, wenn sie einzelne Anforderungen nicht oder nur verspätet erfüllen können. Orientieren Sie sich dabei an den an Ihrer Hochschule geltenden Prüfungsformen und -vorgaben. Dies bietet Ihnen wie den Studierenden stärkere Orientierung und Sicherheit. Sie können sich dabei auch auf alternative Prüfungsformen und/oder Methoden einlassen, sofern Sie diese ebenfalls klar kommunizieren. Dabei ist darauf zu achten, dass keine überzogenen oder unrealistischen Leistungsanforderungen an Studierende gestellt werden – bspw. indem die aktive Teilnahme in der Präsenzlehre durch das wöchentliche Schreiben eines Essays ersetzt wird. Gleiches gilt für Ersatzleistungen, wenn die Teilnahme an einer synchron stattfindenden Veranstaltung nicht möglich ist. Achten Sie dabei aber auf die Verhältnismäßigkeit sowie die Passgenauigkeit der damit zu zeigenden Kompetenzen.

Ein völliges Fernbleiben von der Veranstaltung kann keine Lösung sein. Gehen Sie stattdessen in den Austausch mit den jeweiligen Studierenden und lassen Sie diese Vorschläge machen, wie sie die zu erbringende Leistung für die Veranstaltung zeigen können. Gehen Sie davon aus, dass die Studierenden i.d.R. sehr wohl daran interessiert sind, zu lernen und Leistungen zu erbringen – lediglich die Rahmenbedingung lassen dies nicht immer zu. Manchmal ist dies mit einer bloßen Fristverlängerung zu lösen, manchmal mit einer anderen Darbietungsform, manchmal mit der Nutzung eines anderen Tools. Gehen Sie dazu in den Austausch und besprechen Sie die Wege des Nachteilsausgleiches. Bspw. kann es für Studierende, die motorische oder visuelle Beeinträchtigungen haben, zu Schwierigkeiten kommen, die in der Präsenzlehre bisher nicht auftraten. Durch die Umstellung auf die Online-Lehre mit den vielen Videokonferenzen in der synchronen Lehre bzw. der vielen schriftlichen Kommunikation und Ergebnispräsentationen in der asynchronen Lehre, können sich Beeinträchtigungen auch erst ergeben. Sofern es sich nicht explizit um eine Leistung der Schriftlichkeit handelt, ziehen Sie andere Darbietungsformen in Erwägung – Audioaufnahmen, Vlogs, Videos oder andere Formate. Wenn Sie dabei transparent machen, welche Anforderungen erfüllt werden müssen, kann dies eine gute Alternative für Studierende sein.

Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass nicht alle Kompetenzen online geprüft werden können. Hierbei ist abzuwägen, ob Teilprüfungen (erst ein online und ein späterer, praktischer Teil in Präsenz) angeboten werden oder wie auf andere Art die zu prüfenden Kompetenzen gezeigt werden können.

Auswahl der Lehr-Lern-Methoden

Überlegen Sie bereits zu Beginn des Semesters für den ganzen Verlauf Ihrer Lehrveranstaltung, welchen Lerninhalt Sie asynchron gestalten können und bei welchen Kompetenzzielen Sie eine synchrone Lernsituation benötigen. Eine Mischung von beiden Ansätzen im Laufe des Semesters ist ratsam. Wie für die analoge Lehre ist auch hier zu fragen:

  • Welche Inhalte benötigen die Studierenden zum welchem Zeitpunkt, welche bauen auf einander auf?
  • Welche Ziele möchte ich in welcher Lehreinheit, in welcher Sitzung erreichen?
  • Mit welchen Methoden kann ich diese Ziele unterstützen?
  • Wer kann bei welchen Methoden wie teilhaben? In Bezug auf Barrierefreiheit ist hier auch an Dolmetschende/Übersetzende zu denken.
  • Mit welchen Methoden kann ich welche Studierenden aktivieren?
  • Mit welchen Methoden kann ich wie zur Reflexion anregen?

Weitere Fragen sind im Beitrag „Reflexion – Theoretische Einführung und Praxisleitfaden zu einer Gender‐ und Diversitätssensiblen (digitalen) Lehre“ zu finden. Diese generellen Fragen stellen sich noch einmal spezifisch für die asynchrone und die synchrone Lehre.

Asynchrone Lehre ist vor allem geeignet für die Vermittlung und Darstellung von (theoretischen) Sachverhalten, z.B. über die Bereitstellung von Vorträgen, Präsentationen, Texten, Videos, Podcasts oder auch Übungen, an denen getestet werden kann, was von den Lerninhalten verstanden wurde und was ggf. noch einmal wiederholt werden muss. Da dies vor allem zeitlich unabhängig von den Lehrenden passiert – also kein direktes, individualisiertes Feedback ad hoc möglich ist – sollte für asynchrone Lehre vor allem der Fokus auf den Materialien liegen. Trotzdem sollte ein klar kommunizierter Zeitrahmen für Feedback eingeplant werden (siehe auch Verbindlichkeit). Für Studierende mit einer anderen Erstsprache als Deutsch kann asynchrones Lernen hilfreich sein, da sie die zur Verfügung gestellten Materialien in der eigenen Geschwindigkeit bearbeiten können – Tools zum Übersetzen, wie auch Wiederholungen/Stoppen von Videos/Tonaufnahmen sind individualisiert, nach eigenen Ressourcen und Bedarfen möglich. Ähnlich hilfreich kann es für Studierende mit Betreuungs- oder Pflegeaufgaben sein, die sich die Materialien flexibel anschauen und/oder zwischenzeitig pausieren müssen.

Des Weiteren eignet sich asynchrone Lehre gut für Reflexionsaufgaben oder kollaborative Textarbeit (bspw. von Wiki-Beiträgen o.ä.). Diskussionsforen können eingerichtet werden, damit Studierende sich austauschen können. Studierendende mit Sprachbarrieren profitieren sehr davon, denn sie haben auch die Möglichkeit ihre Beiträge sprachlich und stilistisch zu verbessern. Auch Lehrende können bei den Diskussionen im Forum ihren Beitrag leisten. Diskussionen sollten möglichst themenbezogen gestaltet werden. Also sollten die Lehrenden konkrete Fragen für die Diskussion in das Forum geben. Bei Diskussionsforen werden auch Studierende zur Teilnahme angeregt, die in einer Lehrveranstaltung recht zurückhaltend sind. Die Teilnahme am Forum können Studierende je nach zeitlichen Ressourcen und Netzverfügbarkeit eigenständig einteilen. Gehörlose Studierende oder Studierende mit Hörbeeinträchtigungen können in dieser Form i.d.R. selbstbestimmt ohne Dolmetschende an Diskussionen teilnehmen, sodass sie von dieser Art der Diskussion – gegenüber der synchronen Diskussion in der Videokonferenz – profitieren. Voraussetzung ist, dass die Plattform/das Forum barrierefrei gestaltet ist. Für Vorgaben zum barrierefreien Web siehe die Linkliste unter 4. Studierende mit Sehbehinderung oder mit feinmotorischen Einschränkungen können hingegen die ständige Benutzung der Tastatur bei Diskussionsforen als zusätzliche Belastung empfinden. Daher sollte dies nicht die einzige Methode zur Diskussion und Reflexion sein. Eigenständige digitale Portfolios mit unterschiedlichen Materialformen können ebenfalls eine Möglichkeit sein.

Synchrone Formate sind ideal für Diskussionen und Gruppenaktivitäten, also wenn die Sitzung interaktiv gestaltet wird und die Studierenden selbst etwas produzieren sollen. Bei der Einteilung in Gruppen sollte darauf geachtet werden, dass keine*r ausgeschlossen wird. Erfolgt die Zuteilung nach bestimmten Kriterien, sollten diese transparent gemacht werden. Problematisch wird es, wenn die Internetverbindung instabil ist und Studierenden während der Gruppenarbeit die Verbindung abbricht. Daher sollte zur Ergebnisdokumentation ein Tool verwendet werden, das eine Teilnahme ermöglicht, ohne bspw. in deiner Videokonferenz zu sein. Doch Diskussionen und Gruppenarbeiten können auch asynchron funktionieren. Insbesondere Studierenden, für die die digitale Lehre noch Hemmnisse aufwirft, kann damit die aktive Teilnahme ermöglicht werden. Bei synchroner Lehre kommt es also vor allem auf inklusive Kommunikationsweisen an sowie barrierefreie unterstützende Tools.

Aus Lerntheoretischen Gründen wie auch aus Gründen der Barrierefreiheit ist eine Variation der Methoden und der Materialien sowohl in der synchronen wie der asynchronen Lehre sinnvoll. Damit werden sowohl verschiedene Sinne angesprochen als auch verschiedene Bewegungen beansprucht.

Der zentrale Faktor: Die Kommunikation

Wie in diesem Kapitel schon deutlich wurde, ist ein wichtiger Punkt für barrierearme Lehre klare, transparente und wertschätzende Kommunikation. Da es sich dabei aber um ein komplexes Thema handelt, wird dies hier nicht weiter behandelt, sondern ausführlich in einem gesonderten Beitrag erläutert.

Bis hier standen die gesamte Lehrveranstaltung und die Semesterplanung im Fokus. Bei asynchroner Lehre können viele Aspekte von Barrierefreiheit bereits über die Bereitstellung von barrierefreien Materialien für die Selbstlernphasen erfüllt werden. In der synchronen Lehr-Lern-Situation ist es deutlich komplexer. Deswegen folgen jetzt zwei Abschnitte explizit zur synchronen Lehre – konkret zur Vorbereitung und Durchführung einer einzelnen Sitzung mittels Videokonferenz-Tool.

3.3 … in der Vorbereitung einer synchronen Sitzung

Innerhalb des Semesters muss jede Veranstaltung noch detailliert geplant und vorbereitet werden. Auch bei der Sitzungsplanung kann auf Barrierefreiheit geachtet werden. Im Folgenden werden einzelne Aspekte dazu näher vorgestellt.

Die zeitliche Planung einer Online-Sitzung

Wenn die Lern-Materialien vorab zur Verfügung gestellt wurden, ist eine inhaltliche Mitarbeit der Studierenden anhand dieser in Videokonferenzen zwar grundsätzlich gegeben, aber für die zeitliche Sitzungsplanung ist zu bedenken, dass die digitale Literacy der Studierenden – also die Fähigkeit, sich in der digitalen Welt problemlösungsorientiert zurecht zu finden (siehe u.a. PIAAC, ICILS oder D21) – nicht für selbstverständlich gehalten werden darfSchicken Sie daher zudem vorab Informationen zum Konferenz-Tool, Hinweise zu dessen Nutzung und Tipps zum Gelingen einer Videokonferenz sowie zur Netiquette an die Studierenden. Des Weiten kann es hilfreich sein, wenn Sie einen Testraum einrichten, in dem Studierende unabhängig von Ihrer konkreten Sitzung, das Videokonferenztool kennenlernen und ausprobieren können. So können Sie vermeiden, dass neue Modulinhalte und das Konferenztool gleichzeitig erlernt werden müssen und können sich stattdessen auf die Inhalte der eigentlichen Sitzung fokussieren. Lassen Sie in den ersten Sitzungen trotzdem Zeit für technische Fragen!

Außerdem sollten Sie in der Sitzung zusätzliche Zeitpuffer für

  1. detaillierte Anweisungen/Erklärungen bei der Verwendung von digitalen Tools sowie
  2. technisch und körperlich bedingte Latenz einplanen.

Insbesondere in einer Videokonferenz, in der nicht alle ein Kamerabild übertragen, fehlt die Möglichkeit mitzubekommen, wenn Studierende (technische oder motorische) Schwierigkeiten haben. Es kann also einen Moment dauern, bis alle Studierenden eine Verbindung haben und aktiv an der synchronen Veranstaltung teilnehmen können. Insbesondere wenn Ihre Studierenden in Gruppen arbeiten und von Breakout-Rooms wieder in den Hauptraum wechseln, sollten Sie das bedenken.

Das Material

Unter „Material“ wird alles gefasst, was zum Lehren und Lernen genutzt wird. Das kann zur Verfügung gestellte Literatur sein, aber auch Skripte, Zeilen an Code, Datenbanken, Baupläne, Präsentationen, Videos oder Filmausschnitte, Tonaufnahmen, Transkripte, Übungsaufgaben, Arbeitsblätter, Spielanleitungen, Informationen zur didaktischen Methode und Vieles mehr. Je nach Fach und Thema kann das variieren.

Grundsätzlich ist es das Ziel bei barrierefreien Dokumenten, dass sie von jeder adressierten Person auch genutzt werden können, folglich sowohl von Screenreadern vorgelesen werden können als auch so aufbereitet sind, dass Menschen mit Sehbeeinträchtigung alles erkennen können. Auch für Gehörlose Studierende sollten die Materialien aufbereitet sein. Dies sind Personengruppen, bei denen die besonderen Bedarfe offensichtlich sind, jedoch hilft es grundsätzlich allen Studierenden, wenn die Lernmaterialien barrierefrei zur Verfügung stehen. Des Weiteren sind die Materialien idealerweise didaktisch gut aufbereitet sowie ggf. mehrsprachig – hierzu folgen in diesem Abschnitt jedoch keine weiteren Hinweise. Anleitungen wie Sie konkret Ihre eigenen Word-Dokumente, Powerpoint-Präsentationen sowie die davon gespeicherten PDF-Dokumente barrierefrei gestalten können, finden Sie hingegen in diesem Beitrag unter Anleitungen. Ebenfalls finden Sie dort Hinweise für andere Programme wie bspw. LibreOffice oder OpenOffice. Auch zu barrierefreien Video- und Tonaufnahmen finden Sie dort erste Tipps technischer Art.

Hier folgen nun allgemeinere, vereinfachte Hinweise für typische Formate, in denen Lerninhalte präsentiert werden:

  • Texte sind dabei am einfachsten aufzubereiten, sofern sie durch Inhaltsverzeichnis, Formatvorlagen bspw. für Kapitelüberschriften strukturiert und maschinenlesbar formatiert sind. Idealerweise wird bei der Farbgestaltung (noch) auf Kontraste geachtet und Hervorhebungen durch Farben wie rot/grün bzw. Farbkombinationen, die bekanntlich von Sehbeeinträchtigten nicht gut erkennbar sind, vermieden. Was es beim Speichern der Texte zu beachten gibt und welche Formate sinnvoll sind, wird in den Anleitungen genauer erklärt und deswegen hier ausgespart. Wenn Sie bisher nicht digital vorhandene Materialien digitalisieren (lassen), achten Sie dabei ebenfalls auf die Qualität und Barrierefreiheit. Beispielsweise können eingescannte Texte durch OCR (optische Texterkennung – im Gegensatz zu einfachen Scans, die als Bildformat gespeichert werden) mit entsprechenden Formatierung von Kapitelmarken ebenfalls barrierefrei gestaltet werden. Weiterführende Links zum Scannen von Literatur gibt es hier.
  • Bilder (Diagramme, Fotografien, Grafiken und Zeichnungen) barrierefrei zur Verfügung zu stellen, wird schon komplexer: Dabei sollten zu jedem Bild auch eine textuelle Beschreibung sowie ein Alternativtext vorhanden sein. Wie das geht, können Sie unter 4 nachlesen. Sofern die Bilder selbstgestaltet werden, ist auch dabei auf das Farbschema und den Kontrast zu achten. Sofern Hintergründe keinen Informationsgehalten haben, sollten diese vermieden werden.
  • Bei Video- oder Tonaufnahmen gilt es, darauf zu achten, dass Sie alle Informationen, die Sie auf der Ton-/Bild-Ebene vermitteln, auch textuell darstellen. Wenn Sie also eine Audioaufnahme zur Verfügung stellen, fügen Sie das Transkript der Aufnahme dazu, das u.a. akustische Signale wie bspw. Türklingel, Straßenverkehr, das Bellen eines Hundes usw. transportiert. Wenn die Aufnahmen in ein Dokument eingebettet sind, stellen Sie diese zusätzlich separat zur Verfügung, sodass Studierende sie mit Programmen nach ihren eigenen Bedürfnissen öffnen können (bspw. für das Abspielen allein durch Tastenkürzel kann das hilfreich sein). Sofern Sie ein Format wählen, das Kapitelmarken/Lesezeichen zulässt, nutzen Sie diese. Bei Videos sollten Sie die Untertitelfunktionen nutzen. Personen mit Sehbeeinträchtigung benötigen andere vorlesbare Untertitel/Skripte als Personen, die hörbeeinträchtigt oder Gehörlos sind (geschlossene Untertitel, Closed Captions); Personen, die die Sprache nicht können, benötigen eine Übersetzung der sprachlichen Teile, aber nicht der Umgebungsgeräusche. Auch hier gilt: Stellen Sie das Videomaterial separat zur Verfügung und nutzen Sie ein Format, das Kapitelmarken zulässt. Hinweise finden Sie ebenfalls unter 4. Für Gehörlose wäre ideal, ein Video mit simultaner Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen – doch das ist im aktuellen Lehrkontext selten zu realisieren. Sofern ein Transkript vorliegt, das so aufbereitet ist, dass es sowohl von Screenreadern vorgelesen werden kann als auch alle akustischen Signale textuell einbindet, ist schon viel erreicht. Auch gibt es Möglichkeiten, automatisiert gesprochene Sprache in Schrift erstellen zu lassen. Noch sind die ziemlich schlecht und brauchen eine Überarbeitung – aber lieber so als gar keine Transkription! Hilfreiche Tipps gibt es auch im Beitrag von Dr. Björn Fisseler.
  • Bei der Erstellung eigener Lehr-Lern-Materialien ist ein wichtiger Faktor für Barrierefreiheit auch die technische Qualität. Alle Studierenden profitieren davon, wenn Sie bei eigenen Aufnahmen (Video, Ton, Bild/Scan usw.) auf Ton- oder Bildqualität achten, Studierende mit Beeinträchtigungen allerdings besonders. Beispielsweise können Sie bei eigenen Tonaufnahmen für die (asynchrone) Lehre darauf achten, dass bereits bei der Aufnahme möglichst wenig Hintergrundgeräusche auftauchen und diese bei der Nachbearbeitung noch entfernt werden. Mit einer leisen Umgebung und einem guten Mikrofon ist da schon schnell Abhilfe geschaffen. Bei Videoaufnahmen sollten Sie zudem darauf achten, dass Sie keinen ablenkenden Hintergrund haben. Dies lenkt vom eigentlichen Inhalt ab, was insbesondere für Studierende mit Konzentrationsschwierigkeiten problematisch ist. Nutzen Sie daher lieber die Zeit, sich zu überlegen, wann, wie und womit Sie aufnehmen, als im Nachhinein einzelne Versprecher o.ä. zu bearbeiten. Vereinzelte „ähms“ oder Verhaspler stören nicht, ein ständiges Rauschen im Hintergrund oder eine nicht erkennbare Grafik hingegen schon.

Didaktische Hinweise zu guten digitalen Lehr-Lern-Materialien finden Sie u.a. unter e-teaching.org hier, hier und hier

Schreibtisch neben einer Couch mit Pflanzen.

3.4 … in der Durchführung der synchronen Sitzung

Wenn alle Materialien vorab zur Verfügung gestellt, das Videokonferenztool eingeübt und die Kommunikationswege klar sind, steht die eigentliche Sitzung und die Interaktion der Teilnehmenden im Fokus. Das Schaffen eines lernförderlichen „Raumklimas“ und einer Atmosphäre, die alle Studierenden zur Partizipation einlädt, ist gar nicht so einfach. Daher folgen hier nun Hinweise, worauf geachtet werden kann:

Der Raum, der für alle da und trotzdem individuell zu gestalten ist

Wie in der Präsenzlehre auf dem Campus gilt es auch in der Online-Lehre, ein gutes Raumklima herzustellen. Bei der Online-Veranstaltung sind jedoch die Verantwortlichkeiten anders verteilt. Dozierende können zwar darauf hinweisen, dass die Rahmenbedingungen vor Ort berücksichtigt werden sollten, verantwortlich dafür, ob gelüftet ist, ob die Lichtverhältnisse stimmen (kein Gegenlicht), Lärm/Nebengeräusche vermieden werden, ob Studierende alle Hilfsmittel haben, die sie benötigen und dafür, dass sie etwas zu trinken vor Ort haben, sind jedoch die Studierenden selbst. Bei Ihnen liegt die Verantwortung für die konkreten Rahmenbedingungen bei sich zuhause bzw. dem Ort, von dem aus sie an der Veranstaltung teilnehmen.

Durch die Wahl des Konferenztools hingegen haben die Dozierenden klar die technische und materielle Gestaltungsmacht der Lernumgebung. Hochschulen und Universitäten sind im Zuge des Webzugänglichkeitsgesetzes (WCAG 2.0) dazu verpflichtet, alle Inhalte barrierearm einzupflegen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn es um Lerninhalte und Online-Lehrveranstaltungen geht. Folglich muss nicht nur ein Videokonferenztool genutzt werden, das barrierarm ist, sondern eben auch die zur Verfügung gestellten Materialien diesem Anspruch gerecht werden – wie in 3.2 beschrieben.

Technische Aspekte, die die Partizipation unterstützen

Da es in Online-Veranstaltungen viel um Kommunikation geht, greifen hier ebenfalls Mechanismen des direkten Gesprächs. Bspw. wird schnell von dem Erscheinen im digitalen Raum auf die eigene Professionalität geschlossen. Auch wenn Lehre nun Zuhause stattfindet, sollte auf eine sozialverträgliche Kleidung (lediglich im Nachthemd bekleidet würden Sie sonst auch nicht am Seminar teilnehmen) sowie eine neutrale/aufgeräumte Umgebung geachtet werden. Hier greifen zudem Überlegungen bzgl. der Privatsphäre und des Datenschutzes – siehe (den noch ausstehenden) Beitrag zum Datenschutz.

Wenn Gebärdensprachdolmetschende dabei sind, achten Sie darauf, dass diese stets ein gutes Bild haben; wenn (automatisierte) Untertitel zum Einsatz kommen, achten Sie darauf, dass diese keine wichtigen Lerninhalte überdecken. Für Studierende mit Sehbeeinträchtigungen empfiehlt es sich, die Anweisungen für Übungen und Aktivitäten laut vorzulesen. Bevor es in interaktive (Gruppen)Arbeitsphasen geht, sollten Lehrende von ihren Studierenden eine mündliche, digitale oder schriftliche Rückmeldung einholen, ob bzw. dass die Aufgabe verstanden wurde und auch in der geplanten Zeit durchführbar ist. Probleme, die auftauchen, z. B. instabile Internetverbindungen, Schwierigkeiten aufgrund von körperliche Beeinträchtigungen oder auch Pausebedürfnisse können dann offen angesprochen und gelöst werden. Bedenken Sie bei der Rückmeldung jedoch, dass die Reaktion von Studierenden mit chronischen Erkrankungen, Gelenkschmerzen, aber auch mit schlechter Internetverbindung ggf. bei Ihnen erst mit einer gewissen Latenz ankommt. Lassen Sie also genug Zeit zum Antworten, wenn Sie Rückmeldungen/Feedback/Antworten einfordern. Eine gelingende Interaktion und eine produktive Leistung der Studierenden stehen im Mittelpunkt der Sitzungen – behalten Sie das im Hinterkopf.

Um für möglichst viele Studierende in der Online-Veranstaltung die Teilnahme zu erleichtern, sollte darauf geachtet werden, dass ein Headset genutzt wird, denn das vermindert auch Störgeräusche und verbessert die Audioqualität. Ein einfacher Kopfhörer mit integriertem Mikrofon von einem Handy reicht vollkommen aus. Des Weiteren ist innerhalb der Gruppe zu besprechen, welche Netiquette vorherrschen soll und wie mit Nichtachtung umzugehen ist. Hier ist wichtig, dass die Studierenden ebenfalls Verantwortung für die Grundstimmung im digitalen Lernraum übernehmen – ein soziales Miteinander sollte das Ziel sein.

Moderation, die Verantwortungsübernahme fördert

Insbesondere da es im digitalen Raum schwieriger ist, alles im Blick zu haben und dabei den Überblick über die fachinhaltlichen sowie die sozialen Aspekte zu behalten, ist es sinnvoll für jede Sitzung bestimmte Aufgaben auf Studierende zu verteilen – im Idealfall nach einem gemeinsam vereinbarten Rotationsprinzip. Bspw. empfiehlt es sich, die Rollen der Co-Moderation sowie der Dokumentation an Studierende zu übergeben. Dadurch liegt die Last der Moderation und Koordination nicht nur bei den Lehrenden. Studierende sollten angeregt werden, den Chat zu benutzen bzw. die vorhandenen Tools zum Melden/Aufzeigen etc. zu nutzen. Co-Moderator*innen können dann die Lehrenden auch unterstützen, die Lehre barrierefrei zu gestalten. Es erleichtert die Aufgabe der Lehrenden über die Präsentation des Lernstoffs hinaus, auch den Chat im Blickfeld zu halten und unmittelbar darauf zu reagieren. Des Weiteren kann es sinnvoll sein, eine Person explizit für Technikschwierigkeiten oder -fragen auszumachen, sodass inhaltliche und die Online-Konferenz betreffende Technikfragen nicht durcheinander diskutiert werden. Die Rolle der Dokumentation ist wichtig, da es immer mal zu einem technischen Ausfall kommen kann, aber auch, um Studierenden, die gerade nicht dabei sein können, nachträglich Informationen weitergeben zu können. Für diese Aufgabe empfiehlt es sich jedoch, mehr als eine Person zu haben, die mitschreibt bzw. anschließend die Mitschrift zur Verfügung stellt. In vielen Konferenztools gibt es geteilte Notizen, die genutzt werden können. Im Sinne der Barrierefreiheit kann es jedoch sein, dass ein separates Tool zum kollaborativen Arbeiten zu bevorzugen ist.

3.5 … in der Nachbereitung und Reflexion

Im Nachgang an die synchrone Veranstaltung empfiehlt es sich, noch einen Moment im Raum zu bleiben, um ggf. für Rückfragen oder andere Bedarfe der Studierenden ansprechbar zu sein – insbesondere wenn Sie aus Kapazitätsgründen keine regelmäßige Sprechstunde anbieten können. Gerade zurückhaltende Studierende oder welche mit Angst vor großen Gruppen zu sprechen haben so noch einmal die Möglichkeit, auf Sie zuzukommen. Dies können auch Momente sein, in denen explizit ein gesonderter Gesprächstermin ausgemacht oder auf Beratungsstellen hingewiesen wird.

Des Weiten können die Arbeitsergebnisse in der Zeit gesichert werden – sofern Sie dafür die Verantwortung übernommen haben. Langfristig kann angestrebt werden, dass Studierende selbst Verantwortung dafür übernehmen und auch dabei gleich auf Aspekte der Barrierefreiheit achten. Bspw. Dokumente/Gruppenarbeitsergebnisse barrierefrei aufbereiten und im LMS allen zur Verfügung stellen.

4 Weitere Informationen und Tipps

Zur Begriffsklärung

Barrierefreies Internet

Anleitungen für Dokumente

Bezogen auf vielgenutzte Programme:

Microsoft Word: 

Microsoft Power Point:

OpenOffice/LibreOffice:

Barrierefreie PDFs:

Infos zu barrierefreien E-Books:

Neben Allgemeinem auch Infos zu barrierefreier Literatur und Scans:

  • Philipps-Universität Marburg: Servicestelle für behinderte Studierende (SBS). Leitfaden zur Erstellung barrierefreier Dokumente https://www.uni-marburg.de/de/studium/service/sbs/sbs_leitfaden_barrierefreie-dokumente_03-2019-1.pdf (abgerufen am 24.07.2020)

Barrierefreie Online-Videos:

Hinweise zu Untertiteln:

Zur Überprüfung

Didaktische Hinweise

Barrierefreie Lehre Allgemein – nicht nur Online-Lehre:

 

Herausgeber*innenschaft

AG-Handreichung des Netzwerks Gender und Diversity in der LehreMitglieder der AG Handreichung sind: Barbarino, Maria-Luisa; Belz, Lea; Bittner, Melanie; Böhm, Urte; Chainani-Barta, Pritima; Eckert, Lena; Garske, Pia; Götschel, Helene; Hausotter, Jette; Hennenberg, Beate; Hühne, Rylee; Kalmbach, Karolin; Kanbicak, Dilara; Kaufmann, Ramona; Meiwandi, Derya; Miketta, Katharina; Misch, Imke; Pantelmann, Heike; Saase, Sabrina; Spahn, Annika; Weidner, Mathias

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