Über „Digitale Souveränität“ im Sinne einer Beförderung der Selbstbestimmung und Mündigkeit aktiver Lehrender und Studierender an Hochschulen
Über „Digitale Souveränität“ im Sinne einer Beförderung der Selbstbestimmung und Mündigkeit aktiver Lehrender und Studierender an Hochschulen
13.07.23„Digitale Souveränität“ ist eine Gemeinschaftsaufgabe hin zu mehr Mündigkeit und Selbstbestimmung. Dafür müssen auf der Basis praktischer Arbeitsbedingungen entsprechende Rahmungen, Unterstützungsmaßnahmen und Handlungsspielräume gefördert werden, sagt Dr. Norbert Kleinefeld. In dem Verbundprojekt „Souver@nes digitales Lehren und Lernen in Niedersachsen“ haben sich acht Hochschulen zusammengetan, um diesem Anspruch nachzukommen.
Vorbemerkungen
Der Themenkomplex der „Digitalen Souveränität“ ist so weit gefächert wie vielschichtig. Naheliegende Erörterungen des Begriffs z. B. im staatsrechtlichen Kontext von Nationen oder auch im Kontext von technologischen Themenfeldern wie KI, Cloud Computing, Big Data sowie Datensicherheit wurden schon an anderen Stellen und in anderen Schriften vorgenommen. Auch in den bisherigen Gedanken- und Ideensammlungen von Herrn Metzner und der gesamten AG wird diese Vielschichtigkeit deutlich.
Bemerkenswert in Bezug auf die Aktualität des behandelten Themenkomplexes ist zu Beginn dieser Reflexionen festzustellen, dass in den kürzlich veröffentlichten Empfehlungen des Wissenschaftsrats dieser Themenkomplex im Zusammenhang mit der akademischen Bildung näher erwähnt und behandelt worden ist. So wird im Empfehlungspapier „Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre“ im Sinne einer Gemeinschaftsaufgabe auf die Aspekte Mündigkeit und Verantwortung eingegangen:
Die vielfältigen Herausforderungen in Studium und Lehre können systemweit dann am besten bewältigt werden, wenn sie als Gemeinschaftsaufgabe aller verantwortlichen Akteure wahrgenommen werden. Dafür ist gegenseitiges Vertrauen eine wesentliche Voraussetzung. Der Wissenschaftsrat empfiehlt, die Qualitätsvorgaben und Verfahren an der Mehrheit derer auszurichten, die ihre Freiräume sinnvoll nutzen wollen. Er vertraut darauf, dass die Mehrheit der Akteure mit diesem Vertrauensvorschuss verantwortungsvoll umgehen wird. Ebenso regt er dazu an, insbesondere Studierenden ein hohes Maß an Mündigkeit und Verantwortungsbewusstsein zuzutrauen und das erforderliche Maß an aktiver Mitgestaltung explizit zu machen. Dadurch prägt ein Studium genau jene Persönlichkeitsmerkmale, die sich Lehrende wünschen und welche die Gesellschaft von Hochschulabsolventinnen und -absolventen mit Recht erwartet. – Wissenschaftsrat 2022a, S. 8/9.
Im zweiten Empfehlungspapier „Empfehlungen zur Digitalisierung in Lehre und Studium“ geht es u. a. konkret um die Verbesserung der Auswirkungen der Digitalisierung auf das Studium u. a. im Sinne einer Kompetenzverbesserung:
Mit Blick auf die Qualitätssteigerung geht es um Qualifizierung und Kompetenzerwerb: den Erwerb fachbezogener Kompetenzen, die Ausprägung individueller digitaler Souveränität, die Schulung kommunikativer und sozialer Kompetenzen sowie den Erwerb interkultureller Kompetenzen durch die digitale Lehre. – Wissenschaftsrat 2022b, S. 59
Annäherung an den Themenkomplex
Wesentlich bleibt allerdings bei der Reflexion des Themenkomplexes der „Digitalen Souveränität“ anzumerken, dass die folgenden Facetten immer mitberücksichtigt werden müssen.
Da es sich hier um digitale Rahmung handelt (Souveränität im analogen Sinne wird anders konstituiert), muss eine technologische Einbettung der Lehr-/Lernsettings, der Tools und der Kommunikationsmöglichkeiten immer mitgedacht werden. Hier ist u. a. auf die Veröffentlichung von Cornelis Kater (HFD-Blog 2022) zu verweisen. In Bezug auf das Thema OER als m. E. wesentliches Element einer „Digitalen Souveränität“ kann auf das Arbeitspapier Nr. 64 von twillo (OER-Portal in Niedersachsen, twillo.de) / HFD verwiesen werden (HFD-Arbeitspapier Nr. 64/2022).
Im Kontext einer zu diskutierenden Daten-Souveränität spielen gesetzgeberische Aspekte eine große Rolle. Hier sind eine Vielzahl von Gesetzen, Verfügungen und andere Rechtsrahmen zu beachten. Das Ziel sollte hier weiterhin sein, dass jeder Bürger und jede Bürgerin uneingeschränkten Zugang zu den jeweiligen Personendaten erhalten soll. Hier hat ja die geltende DSGVO entsprechende Transparenz und Einblickmöglichkeiten ermöglicht.
Im gesamtgesellschaftlichen Kontext sollte es bei der Diskussion des Themenkomplexes der „Digitalen Souveränität“ um nichts weniger als die Beiträge zur Sicherung der Demokratie gehen. Im Sinne der Aufklärung sollten die öffentlichen Angebote weiterhin dazu beitragen, dass fachlich gesicherte Informationen zur Wissensbildung bereitgestellt und Fehlentwicklungen verhindert werden sollten. Eine abgesicherte Transparenz der Informationsquellen ist für souveräne Wissensbildung der Bürgerinnen und Bürger unerlässlich.
Zentrales Verständnis des Themenkomplexes der „Digitalen Souveränität“ im o. g. Sinne
Im Mittelpunkt dieses Beitrags soll aber die stetige Verbesserung der Kompetenzen der Akteure im Hochschulkontext stehen. Lehrende und Studierende sollten im Rahmen des Themenkomplexes der „Digitalen Souveränität“ als Adressaten entsprechender Unterstützungs- und Fortbildungsmaßnahmen verstanden werden. Hier gilt es, die Selbstbestimmung und Mündigkeit der Akteure auf der Basis praktischer Arbeitsbedingungen durch entsprechende Rahmungen, Unterstützungsmaßnahmen und Handlungsspielräume zu befördern. Es sollten Experimentieroptionen für Neuerungen in der Lehre, innovativen Medieneinsatz und didaktische Neukonzeptionen geschaffen werden. Im Sinne einer stetigen Qualitätsverbesserung der Lehre sollten wichtige Stakeholder der Hochschulen im regelmäßigen Diskurs über die Weiterentwicklungen abstimmen und entscheiden. Erfolgreiche Ansätze sollten verstetigt und nachhaltig implementiert werden. Gewiss gibt es auch hier vorgegebene Rahmenbedingungen (LVVO, KapVO, Forschungs- und Lehraufträge usw.), die nicht ohne Weiteres übergangen werden können. Aber gerade im Bildungssektor kann die stetige Qualitätsverbesserung der Lehre ein sinnvolles Ziel zur Verwirklichung der digitalen Souveränität der Akteure und der Hochschulen sein.
Praktischer Verbundansatz
Wie die digitale Souveränität an Hochschulen als Handlungsrahmen der o. g. agierenden Akteure aufgebaut und gelebt werden könnte, wird jetzt in einem Verbundprojekt von Projektpartnern in Niedersachsen praktisch erprobt, das von der „Stiftung Innovation in der Hochschullehre“ bis 2024 gefördert wird. Dazu schlossen sich im Rahmen des Verbundprojekts SOUVER@N („Souver@nes digitales Lehren und Lernen in Niedersachsen“) acht niedersächsische Universitäten und der ELAN e. V. zusammen, um ihre Expertise, Erfahrungen und Ressourcen auf koordinierte Weise zu bündeln. Ganz zentral soll dies zum einen der Förderung von souveränem, digital unterstützten Lehren und Lernen auf Seiten der Lehrenden und Studierenden zugutekommen. So sollen diese bei der lernzielorientierten, kompetenten und rechtssicheren Nutzung von digitalen Werkzeugen unterstützt und/oder auf die digitalisierte Welt vorbereitet werden. Zum anderen werden im Projekt digital angereicherte Lehr-/Lernkonzepte bzw. -inhalte gemeinsam entwickelt. Schließlich zielen die Projektmaßnahmen auf die Stärkung der digitalen Souveränität und der Literalität der Hochschulen als Institutionen.
Die so im Rahmen der Projektzusammenarbeit entstehenden Synergieeffekte betreffen die Felder IT, Services/Support, Content und Netzwerkstrukturen. Die Expertise und Kompetenzen finden entlang neu geschaffener Strukturen zueinander und bereits bestehende Kooperationen, etwa in der Vernetzung der IT-Dienste, werden deutlich intensiviert. Laut der Projektvision lassen sich die entstehenden Ergebnisse und Strukturen mittelfristig für den Aufbau eines landesweiten Netzwerks nutzen.
Ausblick
Wie immer bleiben bei komplexen Themenfeldern viele Fragen offen …
Mögen diese Gedanken dazu beitragen, den Themenkomplex der „Digitalen Souveränität“ zumindest aus der Sicht der Akteure an Hochschulen ein wenig aufzufächern. Die weitere Diskussion kann helfen, offenzulegen, welche Aspekte dies Themenkomplexes hier unter anderen Blickwinkeln noch bedacht werden müssten.