Zukunftsfähigkeit Studierender für die digitale Transformation stärken!
Zukunftsfähigkeit Studierender für die digitale Transformation stärken!
25.07.18Zukunftskompetenzen können und sollten in den Lehrangeboten von Hochschulen etabliert werden. Einen Vorschlag machen Ingrid Schirmer und Kerstin Mayrberger.
Am 24. Mai 2018 ist die fünfte Ausgabe des Synergie Magazin der Universität Hamburg mit dem Schwerpunkt „Demokratie, Transparenz und Digitalisierung“ erschienen. Kerstin Mayrberger und Ingrid Schirmer verfassten darin diesen Artikel zur Weiterentwicklung des Studienangebots im Hinblick auf den Digitalen Wandel. Den Originalbeitrag aus dem Magazin finden Sie hier.
Der Beitrag nimmt die Teilhabe unter den Bedingungen der Digitalisierung in den Blick und greift dabei die vielfach artikulierte Forderung zur akademischen digitalen Bildung für Studierende aller Fachbereiche auf. Unter dem Stichwort „Digital Liberal Arts“ wird ein Vorschlag unterbreitet, wie interdisziplinäre und disziplininhärente Lernangebote in heutigen Studienangeboten etabliert werden und zugleich einen Beitrag zur Digitalen Transformation und Teilhabe Studierender leisten können.
Digitalisierung, Transparenz, Teilhabe und Demokratie
Digitalisierung wirkt sich in sehr unterschiedlichen Facetten auf unsere Demokratien aus. So lässt sich aufgrund der rasanten technischen Entwicklung und wirtschaftlichen Nutzung sowie der „Grenzenlosigkeit“ des internationalen digitalen Raumes die Frage stellen, inwieweit demokratische Staaten den Einfluss in diesem digitalen Raum verlieren. Gesetzgebung und ihre Durchsetzung erfordern detailliertes Wissen über innovative Technologien und deren Anwendungen; das Gelingen staatlicher Initiativen benötigt Managementerfahrungen weitreichender soziotechnischer Projekte. Regelbasierten Verordnungen und langsam voranschreitenden Gesetzgebungsprozessen steht ein Markt gegenüber, der rasch neue technische Potenziale absorbiert und diese in Geschäftsmodellen umsetzt. Die Ursachen für fehlende Wirksamkeit oder Scheitern staatlicher Initiativen (siehe z.B. el. Rezept im Rahmen der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bei Drews & Schirmer 2015, De-Mail oder Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises [1] bei Schirmer et al 2016) sind divers und zeigen auf, dass erweitere Kompetenzen in Politik und bei Behörden erforderlich sind. Aber auch die hohe Erwartungshaltung an den Staat bei gleichzeitigem Misstrauen durch Bürgerinnen und Bürger birgt Spannungsfelder. Beispiele dafür sind die Datenpreisgabe für kostenfreie personalisierte Services und akzeptierte digitale Lösungen mit nachgelagerter Sicherheit bei gleichzeitiger Erwartungshaltung von Bürgern und Bürgerinnen an wirksame Umsetzung von Datenschutz durch den Staat sowie Argwohn hinsichtlich Überwachungspotenzialen. Ähnlich lässt sich die Situation mit Blick auf (Medien-) Bildung unter den Bedingungen der Digitalisierung beschreiben, um als Mitglied der Gesellschaft handlungsfähig zu sein und politisch teilhaben zu können. Skepsis wie Misstrauen gegenüber den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung, die sich augenscheinlich vor allem im (persönlichen) Mediennutzungsverhalten wie auch in Industrie und Ausgestaltung von Arbeitsplätzen darstellen, aber auch eine Müdigkeit für den Fortschritt und den damit einhergehenden stetigen Wandel lassen sich gleichermaßen beobachten. Insofern wird in diesem Beitrag – auch vor dem Hintergrund der Hamburger Aktivitäten im Kontext von ahoi. digital [2] sowie der Hamburg Open Online University (HOOU) [3] – die Frage gestellt, inwieweit mehr Transparenz über die Digitalisierung und Verständnis für den aktuell stattfindenden Transformationsprozess durch Förderung diesbezüglicher Informationen, Kompetenzen und kritisch wie reflexiven Auseinandersetzungen zu einer (notwendigen) Teilhabe und damit Stärkung der Demokratie führen?
Konkreter geht es darum, hier zu überlegen und zugleich vorzuschlagen, wie sich unter dem Stichwort „Digital Liberal Arts“ in heutigen Studienangeboten systematisch disziplinübergreifende und disziplinspezifische Lernangebote zur Digitalen Transformation als Beitrag zur vielfach eingeforderten akademischen, digitalen Bildung für Studierende aller Fachbereiche etablieren lassen (siehe Abb. 1).
Nachfolgend werden hierzu zwei aufeinander aufbauende bzw. sich ergänzende Perspektiven vorgestellt, deren inhaltliche Argumentation sich aus der Perspektive der Informatik und Wirtschaftsinformatik sowie aus einer medienpädagogischen Perspektive ableiten lassen. Diese Überlegungen sind durchweg sicher nicht neu – auch angesichts des mittlerweile Jahrzehnte währenden Diskurses zwischen Medienbildung und informatischer Bildung in der Schule (Tulodziecki 2016). So vergleicht Herzig die Debatte mit einem „stückweit verminten“ und nicht zufriedenstellend vermessenen Gebiet (Herzig 2016, S.60), wenngleich es mittlerweile zunehmend zahlreiche konstruktive Beiträge (z.B. Rummler et al. 2016, Brinda et al. 2016) wie auch gemeinsame Initiativentwicklungen zur informatischen Bildung und Medienbildung aus der „Dagstuhl-Initiative“ [4] und „Keine Bildung ohne Medien!“-Initiative [5] heraus und aktuelle bildungspolitische Entwicklungen zu verzeichnen gibt, wie zuletzt das Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“ der KMK (2016). Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht allerdings die akademisch-universitäre Bildung.
Perspektive Informatik
In Abwandlung und Weiterführung der Dagstuhl-Erklärung, die eine technologische, gesellschaftlich-kulturelle und eine anwendungsbezogene Perspektive für digitale Bildung in der Schule formuliert, wird hier in der universitären Bildung für Studierende aller Fachrichtungen eine Erhöhung der Transparenz in drei Bereichen vorgeschlagen: Transparenz über
- die technische Entwicklung,
- die Dimensionen digitaler Transformation und
- den methodischen Wandel in den Wissenschaftsdisziplinen. Die jeweils damit verbundenen Kompetenzbereiche werden im Folgenden kurz umrissen.
Die jeweils damit verbundenen Kompetenzbereiche werden im Folgenden kurz umrissen.
Öffnen der „Blackbox“ der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)
Unter Transparenz von IKT verstehen wir, die „Blackbox“ der Technologie zu öffnen und Studierenden unterschiedlicher Fächer, die üblicherweise Nutzer von IKT sind, durch Hands-on-Angebote einen Blick „hinter“ innovative Anwendungen zu ermöglichen und durch den Rollenwechsel – vom Nutzer zum Entwickler, von der Nutzerin zur Entwicklerin – folgende Aspekte zu vermitteln: (1) Technikkompetenzen: das selbstständige Sich-Erschließen von Technologie (KMK 2016), das Erwerben von Programmierfertigkeiten und von Problemlösungsansätzen, Verstehen, was Algorithmen sind und Erkennen, dass die gleichen informatischen Konzepte in unterschiedlichsten Anwendungsfeldern einsetzbar sind. (2) Gestaltungskompetenzen: Begreifen der Gestaltbarkeit von Technologie und der unterschiedlichen Einschreibung und Zielsetzung technischer Artefakte sowie die Befassung mit je nach eingesetzter Technologie sehr unterschiedlichen Gestaltungsfragen. (3) Prozesskompetenzen: Erleben, dass die Entwicklung von IKT-Anwendungen ein hoch komplexer, kreativer und interdisziplinärer Prozess ist, der zur Teamarbeit, insbesondere der Zusammenarbeit zwischen Fachseite und Informatik in agilen Teams oder zur Co-Innovation in Creative Spaces, befähigt.
Auch wenn die meisten Studierenden nicht in die Entwicklung wechseln werden, werden entsprechende Bildungsangebote anspruchsvollere Nutzerinnen und Nutzer sowie Mitgestalterinnen und Mitgestalter hervorbringen, die sich in den innovativen Organisationssettings selbstbewusster einbringen können. Dies trägt gleichermaßen sowohl zur Persönlichkeitsentwicklung von Studierenden und ihrer digitalen Souveränität als Bürgerinnen und Bürger als auch zur Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt bei. Entsprechende Bildungsformate sind bereits in Angeboten im Rahmen des Studiums oder in Kooperation mit Schulen hinlänglich erprobt und inhaltlich je aktuell zu wählen.
Digitales Transformationswissen zur aktiven Teilhabe an Veränderungsgestaltung
Angesichts der rasanten Veränderungen verstehen wir Transparenz in diesem Themenfeld als Einblicke in aktuelle Entwicklungen, die auf unterschiedlichen Ebenen gesellschaftliche Kommunikation, digitale Dienste, Arbeitsplätze, Organisationen und ganze Domänen betreffen. Studierende sollen so frühzeitig das große Spektrum der sich abzeichnenden Veränderung, die sie mitgestalten werden, zusammen mit Hintergrundanalysen und Reflexionen vor Augen geführt bekommen. Zu vermittelnde Inhalte und anzueignende Kompetenzen umfassen die folgenden Aspekte: (1) Innovationstreiberkompetenz: Vermittlung sich abzeichnender innovativer Technologien, die in den unterschiedlichsten Branchen eingesetzt werden und diese grundlegend verändern, mit ihren unterschiedlichen Anwendungspotenzialen und möglichen Gefahren, insb. Vermittlung von Trends, die nur mit einem gewissen Maß an informatischem Konzeptwissen verstehbar sind (z.B. Blockchain-Technologie). (2) Digitale Transformationskompetenz: Wissen über ökonomische Gesetzmäßigkeiten des digitalen Raumes (von Web 1.0 bis Industrie 4.0), z.B. Daten als Währung, personalisierte Dienste und Datenauswertungsökosysteme, Grundlagen komplexer soziotechnischer Veränderungsprozesse und Wechselwirkungen sowie ihre Tragweite mit Blick auf Organisationen und Ökosysteme. (3) Ethische Kompetenz: Einschätzung der Entwicklungen, z.B. Auswirkungen auf Gesellschaft und Arbeitsplatzentwicklung, fehlende Souveränität über die eigenen Daten, Formen der Manipulierbarkeit und Möglichkeiten der Nachverfolgung und Kontrolle, Persönlichkeitsrechte, Sicherheitsgefahren, z.B. bei kritischen Infrastrukturen etc.
Zur Verdeutlichung sich abzeichnender Transformationen könnten sich Showrooms mit wechselnden Ausstellungen eignen oder Exkursionen zu entsprechenden Unternehmen oder Infrastrukturprojekten, z.B. zu Smart Cities oder Smart Factories.
Disziplinspezifische informatische Methodenangebote für den digitalen Wandel der Fachkulturen
Der digitale Wandel macht vor Wissenschaft und Fachdisziplinen selbst schon seit langem nicht halt. Transparenz soll verdeutlichen, welche informatischen Methoden, insbesondere der Datenanalyse und -simulation, verstärkt Eingang in die diversen Fachkulturen finden und diese profund transformieren. Dies gilt beispielsweise für Geisteswissenschaften (z.B. mit digitalen Bibliotheken und Archiven, Digital Humanities) ebenso wie in der Medizin (z.B. neue Bilderkennungsverfahren), den Rechtswissenschaften (z.B. Analyse bestehender Rechtslagen) oder in den MIN-Fächern als Big-Data-Produzenten par excellence. Sowohl die Nutzung der bereitgestellten Verfahren und Werkzeuge als auch deren notwendige Weiterentwicklung benö- tigt (Medien-)Bildung, die informatische Methodenkompetenzen umfasst. Als ein Beispiel für den Wandel sei der ChemieNobelpreis 2013 angeführt, der an Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel für die Simulation chemischer Prozesse mit Multiskalenmodellen (Kraftfeld und quantenchemische Berechnung), insbesondere von Biomolekülen und deren Interaktionen, vergeben wurde. Der Ansatzpunkt ist hier, (1) informatische Methodenkompetenzen (z.B. informatische Modellierung) zu vermitteln, die auf die entsprechenden Anwendungen in den Disziplinen je spezifisch auszuprägen sind. (2) Entsprechende Angebote sind möglichst in die Fachdisziplinen zu integrieren (z.B. Knobelsdorf & Sprenger 2017). Erfolgreiche Ansätze, die hierzu kontextbezogene Informatikdidaktik-Ansätze anwenden, liegen bereits vor (Knobelsdorf & Sprenger 2017). Dazu ist (3) eine große interdisziplinäre Anstrengung zwischen Informatik, den jeweiligen Fachwissenschaften und -didaktiken sowie der Medienpädagogik erforderlich, und ferner eine Heranbildung entsprechend interdisziplinär gebildeter Lehrender.
Perspektive Medienpädagogik
Das allgemeine Ziel der Hochschulen ist es, Studierende heute durch Ausbildung und Bildung für die (nächste) Gesellschaft unter den Bedingungen der Digitalisierung zu stärken. Neben domänenspezifischem Wissen und Können im Kontext von fachlichen Themenfeldern zur Digitalen Transformation betrifft dies in besonderer Weise disziplinübergreifende Kompetenzen, wie beispielsweise die Förderung von Kreativität, Problemlösefähigkeit, kritischem Denken sowie Kommunikation und Kollaborationsfähigkeit, damit die heutigen Studierenden knapp gesagt handlungsfähig bleiben können und auf die Ungewissheiten der Zukunft vorbereitet sind. Hierbei sollten die derzeitigen Bedingungen der Digitalisierung neben anderen großen Entwicklungen entsprechend im Sinne einer Kultur der Digitalität (siehe Allert & Richter 2016, Stalder 2016) gleichermaßen berücksichtigt werden. Dabei ist vor dem Hintergrund einer medienpädagogischen Perspektive zu betonen, dass eine zeitgemäße akademische Medienbildung ausdifferenzierte Vorstellungen von Medienkompetenz oder allgemeiner Kompetenzen in der digitalen Welt wie etwa von der KMK 2016 empfohlen [6] einschließt und auf den Hochschulkontext adaptiert. Akademische Medienbildung ist nicht allein mit dem Einsatz digitaler Medien in der Fachlehre im Sinne einer fachnahen Mediendidaktik oder auch allgemeiner Digitalisierung von Lehren und Lernen gleichzusetzen. Denn bei der Auseinandersetzung mit dem Prozess der Digitalisierung von Lehren und Lernen im Hochschulbereich unter Einbezug des gesamten je Fach möglichen Medienspektrums und damit der potenziellen Transformation von Lehr- und Lernformaten wie auch dem Lerngegenstand selbst, geht es darüber hinaus in besonderer Weise um eine umfassendere, kritische und in besonderer Weise reflexive Auseinandersetzung mit Bedingungen der Digitalisierung im Kontext von Studium und Lehre. Diese schließen im akademischen Kontext fachspezifische wie fachübergreifende Perspektiven auf die Ver- änderung von Lehren, Lernen und Forschen ein, um Studierende in Lern- und Bildungssituationen praktische Erfahrungen wie potenzielle Reflexionsräume zur Erprobung und Auseinandersetzung anzubieten, die sie auf ein Handeln mit Unbestimmtheiten in einer digitalen Kultur vorbereiten: „(Medien-)Bildung setzt in diesem Sinne immer auch kreative Praktiken voraus und bedarf eines Verständnisses von Kompetenz, das sich nicht in der Verfügbarkeit instrumenteller Fertigkeiten erschöpft. Kreative Praktiken als Form der Auseinandersetzung mit Unbestimmtheit (das umfasst auch, mit dem Algorithmus zu tinkern, ihn auszutricksen und damit herumspielen, um ihn zu erkennen), ist geradezu der prototypische Bildungsprozess in einer digitalen Kultur“ (Allert & Richter 2016, S.10).
Akademische Medienbildungsprozesse im Studium zu ermöglichen, beansprucht daher den (Lern- und Bildungs-)Raum über Fachkulturen finden und diese profund transformieren. Dies gilt beispielsweise für Geisteswissenschaften (z.B. mit digitalen Bibliotheken und Archiven, Digital Humanities) ebenso wie in der Medizin (z.B. neue Bilderkennungsverfahren), den Rechtswissenschaften (z.B. Analyse bestehender Rechtslagen) oder in den MIN-Fächern als Big-Data-Produzenten par excellence. Sowohl die Nutzung der bereitgestellten Verfahren und Werkzeuge als auch deren notwendige Weiterentwicklung benö- tigt (Medien-)Bildung, die informatische Methodenkompetenzen umfasst. Als ein Beispiel für den Wandel sei der ChemieNobelpreis 2013 angeführt, der an Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel für die Simulation chemischer Prozesse mit Multiskalenmodellen (Kraftfeld und quantenchemische Berechnung), insbesondere von Biomolekülen und deren Interaktionen, vergeben wurde. Der Ansatzpunkt ist hier, (1) informatische Methodenkompetenzen (z.B. informatische Modellierung) zu vermitteln, die auf die entsprechenden Anwendungen in den Disziplinen je spezifisch auszuprägen sind. (2) Entsprechende Angebote sind möglichst in die Fachdisziplinen zu integrieren (z.B. Knobelsdorf & Sprenger 2017). Erfolgreiche Ansätze, die hierzu kontextbezogene Informatikdidaktik-Ansätze anwenden, liegen bereits vor (Knobelsdorf & Sprenger 2017). Dazu ist (3) eine große interdisziplinäre Anstrengung zwischen Informatik, den jeweiligen Fachwissenschaften und -didaktiken sowie der Medienpädagogik erforderlich, und ferner eine Heranbildung entsprechend interdisziplinär gebildeter Lehrender.
PERSPEKTIVE MEDIENPÄDAGOGIK eine medienkompetenzorientierte Perspektive hinaus. Studierenden sollte ferner die Möglichkeit eingeräumt werden, eine reflexive Perspektive zwischen Subjekt und Welt einnehmen zu können, um daraus resultierende Transformationsprozesse wieder in Beziehung zur aktuellen und zukünftigen Situation zurücksetzen zu können. Eine akademische Medienbildung ließe sich aus medienpädagogischer Perspektive in starker Anlehnung an einer knappen, verständlichen (struktural-)bildungstheoretischen Umschreibung von Benjamin Jörissen (2013), die auf die umfassenden Ausführungen von Jörissen und Marotzki (2009) zurückgehen, wie folgt zusammenfassen: Medienbildung ist gleichbedeutend mit Bildung in einer von Medien durchzogenen und damit als mediatisiert geltenden Welt und geht deutlich über Medienkompetenzförderung (als Lernen und Bildung über Medien) und Mediendidaktik (als Lernen mit Medien bzw. Medien als Werkzeug für die Fachlehre) hinaus. Bildung bezeichnet Veränderungen in der Weise, wie Individuen die Welt (und sich selbst) sehen und wahrnehmen – und zwar so, dass sie in einer immer komplexeren Welt mit immer weniger vorhersehbaren Biographien und Karrieren zurechtkommen, Orientierung gewinnen und sich zu dieser Welt kritisch-partizipativ verhalten. […] Medienbildung ist also der Name dafür, dass die Welt- und Selbstverhältnisse von Menschen mit medial geprägten (oder konstituierten) kulturellen Welten entstehen, dass sie sich mit ihnen verändern – und vor allem auch dafür, dass Bildungsprozesse Neues hervorbringen können: neue Artikulationsformen, neue kulturelle/ individuelle Sichtweisen und nicht zuletzt neue mediale Strukturen. Diese Perspektive geht deutlich darüber hinaus, Medien, digitale Technologie und IKT allein als Gegenstand zu thematisieren, sondern erfordert, sich mit Medialität und Mediatisierung sowie einer Kultur der Digitalität und ihrem Verhältnis zum Subjekt und der Welt respektive der Gesellschaft mit ihren Strukturen auseinanderzusetzen (beispielsweise sei hier die Produktion von User Generated Content von Studierenden in Form von Open Educational Resources (OER) angeführt, die potenziell subjektive „Krisen“, quasi durch den praktizierten Wandel verursacht, auslösen können). Die aktuellen Entwicklungen im Bereich Open Education und konkreter Open Educational Resources (OER) und entsprechender Open Educational Practice (OEP) (und schließlich auch Open Science) bilden daher ein sehr gutes Beispiel für einen Ort, in dem akademische Medienbildung ermöglicht und spezifische akademische Medienkompetenz nötig wird. Aus internationaler Perspektive ist hier exemplarisch auf Martin Weller zu verweisen, der eine systematische Überlegung für die Transformation der akademischen Praktiken entlang von Netzwerken und Offenheit ausformuliert hat und vom (open) „Digital Scholar“ spricht (Weller 2011).
Ausblick: Ein Anliegen aus zwei Perspektiven
Der vorliegende Beitrag plädiert aus Perspektive von Informatik und Medienpä- dagogik dafür, Fragen zum Prozess der Digitalisierung aus soziotechnischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive als (integratives) Querschnittsthema maßgeblich interdisziplinär sowie disziplinär in der akademischen Lehre zu verankern. Wesentlich erscheint es mit Blick auf umfassende Kompetenzen für eine Digitale Transformation einschließlich Medienbildung und informatischer Bildung, dass sie integrativer Teil regulärer Studienprogramme werden und so flächendeckend in spezifischer Weise auch in der Hochschule gefördert sowie weiterentwickelt werden. Dieses kann beispielsweise im Sinne eines vorwiegend interdisziplinären Studienangebots in Form von „Digital Liberal Arts“ angegangen werden, dessen modulare Angebotsausgestaltung in Breite wie auch Tiefe als Beitrag zu einer allgemeinen Persönlichkeitsbildung sowie einer medienbezogenen Ausbildung unter Einbezug fachspezifischer Bezüge zur Digitalisierung beitragen (siehe ausführlicher Mayrberger 2018). Dabei werden informatische Bildung und Medienbildung im Zusammenspiel mit der Digitalen Transformation mit den Beiträgen aus den Fächern als integratives Konzept betrachtet. In der akademischen Bildung mögen sich dabei interdisziplinäre Angebote dieser zwei Perspektiven eher realisieren lassen als in bisheriger Schulbildung, wenngleich eine breite Umsetzung auch hier größere Anstrengungen in der inhaltlichen, organisatorischen und personellen Neuausrichtung erfordern (Oechtering, Petrikina, Schirmer, Schwabl & von Totth 2018). Es wurden in diesem Beitrag zwei unterschiedliche Perspektiven umrissen, die fachlich spezifisch motiviert sind, sich jedoch deutlich ergänzen und mit Blick auf das übergreifende Thema dasselbe Anliegen verfolgen: Studierenden systematisch eine kenntnisreiche, erfahrungsbasierte und reflektierte Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft unter den Bedingungen der Digitalisierung und Digitalität zu ermöglichen! Der nächste Schritt wird sein, erste Fakultäten für diese Ideen zu sensibilisieren und zu gewinnen.
Anmerkungen
[1] Siehe https://uhh.de/71yzv [16.03.2018] und https://uhh.de/vjqsk [16.03.2018]
[2] Siehe https://uhh.de/wnbpj [16.03.18]
[3] Vgl. https://uhh.de/vlyzf [16.03.2018] und konkret für die Universität Hamburg https://uhh.de/rv29i [16.03.2018]
[4] Vgl. https://uhh.de/v958m [16.03.2018]
[5] Vgl. https://uhh.de/v958m [16.03.2018]
[6] Siehe https://uhh.de/ictuz [16.03.2018]
Literatur
Allert, H. & Richter, C. (2016). Kultur der Digitalität statt digitaler Bildungsrevolution. Verfügbar unter: https://uhh.de/rp6jk [05.03.2018].
Brinda, T. (2016). Stellungnahme zum KMK-Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“. Verfügbar unter: https://uhh.de/rzo4j [06.03.2018].
Brinda,T., Diethelm, I., Gemulla, R., Romeike, R., Schöning, J. & Schulte, C. (2016). Bildung in der digitalen vernetzten Welt. Dagstuhl-Erklärung. Verfügbar unter: https://uhh.de/2j8kr [06.03.2018].
Drews, P. & Schirmer, I. (2015). The failed implementation of the electronic prescription in Germany – A case study. In: Proceedings of ECIS 2015. Verfügbar unter: https://uhh.de/3lh6r [08.03.2018].
Herzig, B. (2016). Medienbildung und Informatische Bildung – Interdisziplinäre Spurensuche. In: Rummler, K., Döbeli Honegger, B., Moser, H., Niesyto, H. Medienpädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. Themenheft Nr. 25: Medienbildung und informatische Bildung – quo vadis? Verfügbar unter: https://uhh.de/1pvqe [06.03.2018].
Jörissen, B. & Marotzki, W. (2009). Medienbildung – Eine Einführung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Jörissen, B. (2013). Medienbildung in 5 Sätzen. Verfügbar unter: https://uhh.de/wi7af [06.03.2018].
KMK – Kultusministerkonferenz (Hrsg.) (2016). Bildung in der digitalen Welt. Verfügbar unter: https://uhh.de/879uw [06.03.2018].
Knobelsdorf, M., Otto, J. & Sprenger, S. (2017). A Computing Education Approach for Geography Students in Context of GIS. In: 2017 IEEE Global Engineering Education Conference (EDUCON). S.1790–1796. Verfügbar unter: https://uhh.de/zj60k [06.03.2018].
Mayrberger, K. (2018). Digital Liberal Arts – Konzept für eine zeitgemäße integrierte akademische Medienbildung. In: Mayrberger, K. (Hrsg.). Universitätskolleg-Schriften Band 23. NEXD 17. November Expert Days 2017. Hamburg, Universität Hamburg. S.165–174. Verfügbar unter: https://uhh.de/uk-band023 [06.03.2018].
Oechtering, V., Petrikina, J., Schirmer, I., Schwabl, A. & von Totth, C. (2018). Analyse der Vermittlung von fachübergreifenden Technikkompetenzen, Projektbericht des BMBF-Verbundprojektes „Transferlabor zur Gewinnung neuer Zielgruppen für technische Studienbereiche”. April 2018.
Schirmer, I., Bartels, J., Burmeister, F., Jiokeng, S., Schultze, F. & Uhlig, J. (2016). Die Erfolgsfaktoren öffentlicher Interventionen – Zwei Studien, Vortrag, Omnisecure 2016, Berlin.
Stalder, F. (2016). Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp.
Tulodziecki, G. (2016). Konkurrenz oder Kooperation? Zur Entwicklung des Verhältnisses von Medienbildung und informatischer Bildung. In: Rummler, K., Döbeli Honegger, B., Moser, H., Niesyto, H. Medienpädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. Themenheft Nr. 25: Medienbildung und informatische Bildung – quo vadis? Verfügbar unter: https://uhh.de/x6e4t [06.03.2018].
Weller, M. (2011). The Digital Scholar: How Technology is Transforming Scholarly Practice. London: Bloomsbury Academic.