Wikimedia Deutschland veröffentlicht Konzeptstudie „Werte und Strukturen der Nationalen Bildungsplattform“

Wikimedia Deutschland veröffentlicht Konzeptstudie „Werte und Strukturen der Nationalen Bildungsplattform“

09.11.22
Auf der linken Seite sind Illustrationen zu sehen. Rechts steht der Text: "Meldung: Wikimedia Deutschland: Konzeptstudie "Werte und Strukturen der Nationalen Bildungsplattform". Diskussion über implizite Bildungskonzepte digitaler Infrastrukturen."

Mit der „Nationalen Bildungsplattform“ plant die Bundesregierung ein Großprojekt, das sich zum Ziel setzt, eine umfassende Vernetzungsinfrastruktur für digitale Bildungsangebote in Deutschland bereitzustellen. Nach Beendigung der Evaluationsphase und dem Abschluss der Ausschreibung soll die Umsetzung des Projekts bis 2025 realisiert werden. Wikimedia Deutschland veröffentlichte am 08.11.2022 die Konzeptstudie „Werte und Strukturen der Nationalen Bildungsplattform“. Diese soll die bildungspolitische Dimensionen des Plattform-Konzepts kritisch untersuchen und diskutieren.

Auf der linken Seite sind Illustrationen zu sehen. Rechts steht der Text: "Meldung: Wikimedia Deutschland: Konzeptstudie "Werte und Strukturen der Nationalen Bildungsplattform". Diskussion über implizite Bildungskonzepte digitaler Infrastrukturen."

Die Stoßrichtung der Studie machte Felicitas Macgilchrist, eine der Autor:innen, zu Beginn der Studien-Vorstellung deutlich:

„Weltweit werden immer mehr Aspekte von Bildung über Plattformen vermittelt. Plattformen werden aber zumeist als neutrale Infrastrukturen gedacht. Sie sollen lediglich der Vernetzung und dem Austausch dienen oder ein effektives Lernen und gute Bildung ermöglichen. Aber was heißt ‘gute Bildung’? Wenn ich in diesem Raum, oder online, zehn Personen fragen würde, was gute Bildung heißt, würde ich wahrscheinlich zehn verschiedene Antworten erhalten. Gerade deswegen greifen wir in dieser Studie Ergebnisse aus der internationalen Forschung auf, die besagt: Auch Bildungsplattformen sind nie pädagogisch neutral, weil sie bestimmte Formen von Lernen und Bildung fördern und bevorzugen.“

Entsprechend setzt es sich die von Wikimedia Deutschland e.V. beauftragte Studie zum Ziel, die mit den technischen Setzungen der Plattform einhergehenden Vorstellungen und Vorannahmen in Bezug auf Bildung herauszuarbeiten und zu diskutieren. Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, „dass sich die in der Ausschreibung vorgeschlagenen Infrastrukturelemente an einem instrumentellen Verständnis von Bildung und Lernen orientieren, welches Lernen ‘output-orientiert’ konzipiert und unter Bildung vor allem ‘individuelle Aus- und Weiterbildung’ versteht“ (S. 3). Dem wollen sie alternative Bildungskonzepte gegenüberstellen, „die unter anderem einen deutlichen Akzent auf emanzipatorische, gemeinwohlorientierte und nicht formale Aspekte des Lernens legen. Sie sollen den Raum für eine Diskussion um eine zukunftsorientierte Idee von Bildung öffnen“ (ebd.).

Die Studie analysiert implizite bildungstheoretische Annahmen technischer Entscheidungen sowie Narrative und Sprachfiguren in der Kommunikation des Projekts und stellt entsprechende, bildungspolitische Weichenstellungen heraus. Grundlage der Studie waren Dokumente zur Nationalen Bildungsplattform, Anfragen, Vorträge, Publikationen und Interviews mit Projektbeteiligten. 

Das Ergebnis der Analyse: „Zentrale Bezugsgröße der Lern- und Bildungsprozesse ist der Erwerb individueller Kompetenzen, die idealerweise durch entsprechend verifizierte Zertifikate nachgewiesen werden können“ (S. 40). In diesem Zusammenhang äußern die Autor:innen die Befürchtung, dass ein Projekt für Bildungsinfrastruktur dieser Größenordnung zu einer „Zementierung dieser sehr verengten Vorstellung von Bildung führen“ (S. 3) könnte. Demgegenüber fordern sie, die Digitalisierung von Bildung als Anlass und Chance zu sehen, um zu diskutieren, „welche Art von Bildungspraktiken wir im Digitalen für notwendig oder hilfreich erachten, um die aktuelle Welt zu verstehen und die Zukunft mitzugestalten“ (S. 15). Insbesondere werden die Bedeutung kooperativen Lernens und die Ermöglichung von Teilhabe betont. Die Autor:innen fordern entsprechend, „die Entwicklung solcher Infrastrukturen auch als politische Projekte ernst zu nehmen und die Debatte darüber nicht zu scheuen“ (S. 80). Die Konzeptstudie soll „Aufschlag und Beitrag zu dieser Debatte“ (S. 2) sein, die Voraussetzung dafür sei „die Einbeziehung von Öffentlichkeit und Interessengruppen – allen voran Lernenden – in weitere Schritte der Planung, Entwicklung und des Betriebs“ (ebd.).

Im Anschluss an die Vorstellung der Studie fand eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Offen und gerecht – Wird die Nationale Bildungsplattform ihr Versprechen einlösen?“ statt:

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Die Studie „Werte und Strukturen der Nationalen Bildungsplattform können Sie hier lesen und herunterladen.

Sie wurde verfasst von:

  • Prof. Dr. Heidrun Allert, Professorin für Pädagogik, Schwerpunkt Medienpädagogik & Bildungsinformatik (Universität Kiel)
  • Jürgen Geuter, Netztheoretiker & Informatiker
  • Prof. Dr. Felicitas Macgilchrist, Leiterin Arbeitsbereich Medienforschung mit dem Schwerpunkt Bildungsmedien (Universität Göttingen)
  • Christoph Richter, wissenschaftlicher Mitarbeiter für  Medienpädagogik & Bildungsinformatik (Universität Kiel)
  • Dr. Michael Seemann, Kultur- & Medienwissenschaftler

Die Diskussion „Offen und gerecht – wird die Nationale Bildungsplattform ihr Versprechen einlösen?“ wurde geführt mit:

  • Saskia Esken, SPD-Vorsitzende
  • Marina Weisband, Beteiligungspädagogin und Diplompsychologin
  • Dr. Johanna Börsch-Supan, Abteilungsleiterin „Allgemeine und berufliche Bildung; Lebensbegleitendes Lernen“, Bundesministerium für Bildung und Forschung
  • Oliver Sachzse, Generalsekretär der Bundesschüler*innenkonferenz
  • Christian Humborg, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland e.V.
  • Moderatorin: Vera Linß