KI in der Hochschulkommunikation: Von der Skepsis zur Praxis
KI in der Hochschulkommunikation: Von der Skepsis zur Praxis
17.09.24Generative KI verändert die Hochschulkommunikation. Eine neue Studie zeigt: Die Nutzung von KI-Tools hat seit 2023 stark zugenommen, besonders bei der Textgenerierung. Doch was bedeutet das für den Arbeitsalltag in Kommunikationsabteilungen? Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und mögliche Zukunftsszenarien.
Von der Skepsis zur Praxis – dieser Weg war für generative KI in der Hochschulkommunikation überraschend kurz. Noch vor circa einem Jahr betrachteten viele Kommunikationsabteilungen Tools wie ChatGPT mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis. Heute zeichnet unsere aktuelle Studie ein völlig anderes Bild: KI-Anwendungen sind für viele zum festen Bestandteil ihrer täglichen Arbeit geworden. Doch dieser rasante Wandel bringt nicht nur Effizienzgewinne, sondern stellt die Hochschulkommunikation auch vor neue Herausforderungen. Wie gestaltet sich dieser Balanceakt zwischen technologischem Fortschritt und bewährten Kommunikationspraktiken? Ein genauerer Blick auf die Zahlen und Stimmen aus den Hochschulen offenbart eine Branche im Umbruch.
Generative KI in der Hochschulkommunikation: Ein Game Changer?
Von der Skepsis zur Anwendung
Noch 2023 herrschte in vielen Kommunikationsabteilungen deutscher Hochschulen Zurückhaltung gegenüber KI-Tools. Das hat sich grundlegend geändert: Die Nutzung von Textgenerierungstools wie ChatGPT hat sich nahezu verdreifacht. Im Jahr 2024 nutzen 59% KI-Tools zur Textgenerierung regelmäßig in ihrer Arbeit. Übersetzungstools wie DeepL bleiben die trotzdem am häufigsten genutzten KI-Anwendungen mit 80% regelmäßiger Nutzung. Auch Werkzeuge zur Bildgeneration, Audiotranskription oder für Designs werden nun öfter genutzt. Interessanterweise zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Hochschulen: Private Einrichtungen setzen KI-Tools häufiger und vielfältiger ein. Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Was treibt diesen rasanten Anstieg? Und wie verändert er den Arbeitsalltag in den Kommunikationsabteilungen?
Zwischen Effizienz und Skepsis
Die Antwort liegt in der Effizienz. Zeiteinsparung und Prozessoptimierung sind die Hauptmotive für den KI-Einsatz. Eine Hochschule für Angewandte Wissenschaften bringt es auf den Punkt: „Wir sehen Chancen darin, ansonsten zeitfressende Standardaufgaben zügiger abzuwickeln“. Doch die Medaille hat zwei Seiten. Neben der Begeisterung für die neuen Möglichkeiten bleiben Bedenken bestehen, die schon im Vorjahr die Nutzung gehemmt haben. Faktentreue und Verlässlichkeit der KI-generierten Inhalte bereiten den Kommunikationsverantwortlichen die größten Sorgen, dicht gefolgt von Datenschutzbedenken. Eine öffentlich-rechtliche Hochschule fasst das Dilemma zusammen: „Ich erhoffe mir eine Erleichterung bei ‘Fleißaufgaben’, die durch KI übernommen werden können und dadurch mehr Fokussierung der Mitarbeitenden auf Faktenprüfung.“
Veränderte Arbeitswelten
Die Auswirkungen auf die tägliche Arbeit sind spürbar. Mehr als ein Drittel der Befragten berichtet von erheblichen Effizienzsteigerungen. Ebenso viele sehen eine erhöhte Anpassungsfähigkeit an verschiedene Kommunikationskanäle. Das klingt zunächst positiv, bringt aber neue Herausforderungen mit sich: Weiterhin melden viele der Befragten Bedarf an Know-how und Weiterbildung an, wenngleich das Angebot hier besser ist als noch im letzten Jahr. Bedeutsame Veränderungen der Rollen und Aufgaben in den Kommunikationsteams sind aktuell noch selten, werden aber durchaus erwartet – was übrigens auch für andere Berufe mit höher Qualifikation gilt. Eine der befragten Kunsthochschulen prognostiziert etwa: „Kommunikator:innen werden, sobald die Technik ausgereift genug ist, stärker zu Kurator:innen von Informationen werden denn zu Ersteller:innen“.
Generative KI als Thema in der Hochschule sichtbar machen
Die Diskussion über KI beschränkt sich nicht auf die Kommunikationsabteilungen. In mehr als der Hälfte der befragten Hochschulen wird das Thema regelmäßig in Gremien und Kommissionen diskutiert. Viele haben bereits Arbeitsgruppen eingerichtet. Die Bearbeitung des Themas führt in unterschiedlicher Ausprägung zur Entwicklung von Maßnahmen, wie z.B. der Entwicklung von Schulungsformaten, der Erstellung von Richtlinien oder der Bereitstellung bzw. Entwicklung von KI-Systemen für die Hochschulangehörigen. Wissen Sie, ob und welche dieser Maßnahmen an Ihrer Hochschule gerade entwickelt werden oder bereits umgesetzt wurden? Gerade hier können die Kommunikationsabteilungen eine wichtige Aufklärungsfunktion für die Hochschulangehörigen einnehmen: Informieren über aktuelle Entwicklungen und gute Praxis, über neue Tools und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie zu Partizipationsmöglichkeiten bei der Implementierung neuer Anwendungen in der Hochschule.
Zwischen Personalisierung und Uniformität
Der Blick in die Zukunft offenbart sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits sehen viele Befragte Potenzial für eine verbesserte Personalisierung und mehrsprachige Kommunikation. Andererseits wächst die Sorge vor einem Qualitätsverlust und einer Vereinheitlichung der Kommunikation. Einige Hochschulen warnen etwa, dass die Gefahr bestehe, dass „Universitäten ihre Individualität verlieren, weil eine KI keine eigene Persönlichkeit hat“. So entstünden Texte, die an „jeder Hochschule gleich klingen, weil der menschliche Aspekt nicht mehr einfließt“. Diese Befürchtung wirft eine zentrale Frage auf: Wie lässt sich die Effizienz der KI nutzen, ohne die Authentizität der Hochschulkommunikation zu gefährden?
KI als strategische Ressource nutzen
Die Studie zeichnet das Bild einer Hochschulkommunikation im Umbruch. KI-Tools sind gekommen, um zu bleiben – aber ihre Rolle ist noch nicht abschließend definiert. Die Herausforderung für Kommunikationsabteilungen besteht darin, einen Weg zu finden, der die Effizienzgewinne der KI nutzt, ohne die Qualität und Individualität der Kommunikation zu opfern. So wird ‚handgemachte’ Kommunikation an Wert für die Kommunikation gewinnen, da sie authentisch ist, sie wird relativ betrachtet aber auch teurer, weil sie zeitintensiv ist.
Mögliche Ansätze könnten sein, KI gezielt für Routineaufgaben einzusetzen und die gewonnene Zeit in kreative und strategische Aufgaben zu investieren. Gerade bei Routineaufgaben, etwa Pressemitteilungen entwerfen oder Anpassungen für diverse Social-Media-Kanäle, werden ‚quick wins‘ erzielt. Diese Zeitgewinne sollten aber nicht als Anreiz verstanden werden, nun einfach mehr Output zu produzieren. Stattdessen sollten sie genutzt werden, um Neues auszuprobieren und wirksamere Kommunikationsformen zu entwickeln. Die Entwicklung eigener, hochschulspezifischer KI-Lösungen, insbesondere eigene Chatbots, die keine Datenschutzprobleme verursachen, könnte dabei ebenfalls helfen. Dafür scheint es unerlässlich, in die Weiterbildung der Teams zu investieren, um Neugier zu wecken und das Potenzial der neuen Technologien auszuschöpfen. Dazu gehört auch Sensibilisierung für die gestiegene Verantwortung, denn menschliches Urteilsvermögen darüber, ob Inhalte ‚echt‘ oder ‚fake‘ sind, ob sie ethisch vertretbar sind, ob sie zur jeweils aktuellen Situation passen, wird künftig eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikation sein.
Eines wird deutlich: Die Zukunft der Hochschulkommunikation wird maßgeblich davon abhängen, wie geschickt es gelingt, KI als strategische Ressource zu nutzen und gleichzeitig sowohl Authentizität zu wahren als auch die menschliche Expertise zu stärken. Die nächsten Jahre versprechen, spannend zu werden.
Literatur
Justus Henke: Generative KI in der Hochschulkommunikation. Ergebnisse der 2. Welle – 2024 (HoF-Arbeitsbericht 126), Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg 2024, 42 S. ISBN 978-3-937573-95-3. https://www.hof.uni-halle.de/publikation/generative-ki-in-der-hochschulkommunikation-2024/
Autor:
Justus Henke
Justus Henke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hochschulforschung Halle‐Wittenberg (HoF). Er hat Volkswirtschaftslehre in Berlin, Wien und Lissabon studiert und promovierte 2019 in Oldenburg. Nach beruflichen Stationen in Wien und Berlin ist er seit 2012 am HoF tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Hochschulentwicklung, Digitalisierung, Bildungsfinanzierung sowie Third Mission von Hochschulen.