Innovationen in der Hochschullehre aus Studierenden-Perspektive heraus denken
Innovationen in der Hochschullehre aus Studierenden-Perspektive heraus denken
18.12.20Die neu gegründete Stiftung Innovation in der Hochschullehre gab vor kurzem ihre erste Förderbekanntmachung „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ heraus. Franz Vergöhl und die #DigitalChangeMaker Corinna Kalkowsky und Rene Rahrt interviewten Dr. Nicola Bünsch und Katrin Hovy zur Rolle der Studierenden in der Ausschreibung, Innovationen in der Lehre und der Studierendenbeteiligung innerhalb der Stiftung.
Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre aus Studierendenperspektive beleuchtet
Rene Rahrt: Was ist die Stiftung Innovation in der Hochschullehre und welche Ziele verfolgt sie?
Dr. Nicola Bünsch: Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre hat zum Ziel, die Erneuerungsfähigkeit der Hochschullehre kontinuierlich zu fördern. Wir tragen die Innovation sogar im Namen, was natürlich Erwartungen weckt. Für uns ist die Innovation kein Selbstzweck. Hochschullehre muss innovationsfähig sein, um sich in einer sich verändernden Welt an neue Bedarfe anpassen zu können. Am Ende steht das große Ziel, gute Lehr-Lern-Bedingungen zu schaffen und gutes Lernen zu ermöglichen. Dieses Ziel verfolgen wir auf drei Feldern: In der Projektförderung ermöglichen wir die Entwicklung und Umsetzung zukunftsweisender Projektvorhaben an den Hochschulen. Zweitens fördern wir Austausch und Vernetzung unter den Akteur*innen. Dafür wird es eigene Angebote der Stiftung geben, aber natürlich existieren auch schon Initiativen, Netzwerke und Kooperationen, die sich bewährt haben und gestärkt werden sollten. Der dritte Bereich ist der Wissenstransfer. Wir wollen schauen, wo gute Ideen und neues Wissen entstehen und wie wir beides für andere zugänglich und anschlussfähig machen können. Das sind also unsere spezifischen Aufgaben. Durch sie unterscheiden wir uns von anderen Bund-Länder-Initiativen, wie zum Beispiel dem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“.
Innovationen sind relativ
Rene Rahrt: Sie hatten das jetzt schon in ein, zwei Sätzen kurz adressiert, nämlich die Frage: Was sind eigentlich Innovationen? Vielleicht können Sie das noch einmal ein bisschen erläutern. Was versteht die Stiftung unter Innovation?
Dr. Nicola Bünsch: Natürlich diskutieren wir diesen Begriff auch für uns. Um ihn für unsere Arbeit zu operationalisieren, ist es wichtig, ihn im konkreten Kontext zu sehen. Generell setzen wir immer am Lernprozess der Studierenden und der Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden an: Wie können diese Lehr-Lern-Prozesse innovativ gestaltet werden? Wir sehen aber natürlich auch, dass wir für die Verstetigung guter Formate auch die strukturelle Ebene mitdenken müssen: Wie gelingt die strukturelle Verankerung? Außerdem gibt es den Aspekt der Infrastruktur, die erforderlich ist, damit Ideen realisiert und Lehrende wie Studierende von ihnen profitieren können.
Katrin Hovy: Dazu kommt, dass Innovation immer relativ ist. Was für die eine Hochschule innovativ ist, ist für eine andere Hochschule vielleicht schon state of the art. Wieder eine andere kann noch gar nicht darüber nachdenken, weil vorher noch drei Schritte passieren müssen. Deswegen haben wir in der ersten Förderbekanntmachung bewusst darauf gesetzt, dass jede Hochschule von ihrem eigenen Standpunkt aus eine für sie innovative Idee entwickeln kann. So berücksichtigen wir unterschiedliche Ausgangslagen.
Corinna Kalkowsky: Sie haben die Förderbekanntmachung gerade schon angesprochen. Da ist von einer „vorgezogenen“ Förderbekanntmachung die Rede. Inwiefern und warum wurde sie vorgezogen?
Dr. Nicola Bünsch: Als wir den Auftrag von Bund und Ländern bekommen haben, diese Organisation als Treuhandstiftung aufzubauen, war damit das Ziel verbunden, sie zum 1. Januar 2021 als handlungsfähig zu etablieren. Dieser Aufbau- und Gründungsprozess war in den letzten Monaten extrem komplex, zumal unter den aktuellen Pandemiebedingungen. Trotzdem wollten wir mit der ersten Ausschreibung nicht warten, bis der Aufbau der Stiftung komplett abgeschlossen ist. Denn das oberste Ziel war natürlich, dass die Hochschulen möglichst zeitnah von den bereitgestellten Mitteln profitieren. Zeitfenster für Antragstellung, Begutachtung und Projektauswahl mussten eingeplant werden und sind jetzt schon relativ sportlich gestaltet – für alle Beteiligten. Wir denken aber, dass wir den bestmöglichen Mittelweg gefunden haben, indem wir die erste Förderbekanntmachung schon ins Jahr 2020 vorgezogen haben. Nichtsdestotrotz ist bei uns noch vieles im Aufbau. Deswegen war uns diese Rahmung wichtig.
Partizipation und Studierendenbeteiligung
Corinna Kalkowsky: In der Förderbekanntmachung wird von „Studierendenzentrierung“ als wichtiges Querschnittsziel der zu fördernden Projekte gesprochen. Was versteht die Stiftung unter dem Begriff?
Katrin Hovy: Für uns steht der Lernprozess im Mittelpunkt. Am Ende sollen die Studierenden die Hochschulen so verlassen, dass sie gut gewappnet für ihre Zukunft sind – sowohl fachlich als auch persönlich. Bei der Hochschuldidaktik geht es immer um die Lehr-Lern-Interaktion. Die Studierendenzentrierung ist eigentlich die Basis dessen, was passieren soll. Man kann kein gutes Lehrkonzept entwickeln, das an den Studierenden vorbeigeht. Daher war es uns wichtig, die Studierendenzentrierung als Querschnittsziel aller unserer Aktivitäten zu definieren.
Dr. Nicola Bünsch: Gleichzeitig binden wir die Perspektive der Studierenden in alle Prozesse ein, die wir als Stiftung steuern können. Studierende sind in die Begutachtung der Projektanträge eingebunden und eine wichtige Akteur*innengruppe in unseren Veranstaltungen, für die wir aktiv Teilnehmer*innenplätze freihalten. Bei alldem sind wir darauf angewiesen, dass genügend Studierende Interesse haben mitzuwirken und sich einzubringen. Deswegen denken wir über Anreizsysteme nach und haben dafür gesorgt, dass wir studentischen Gutachter*innen eine Aufwandsentschädigung zahlen können. Auch das gehört unserer Meinung nach dazu, Studierendenzentrierung ernst zu nehmen.
Rene Rahrt: Wenn von Studierenden gesprochen wird, geschieht dies vor allem im Sinne von Lernenden und weniger als Mitglieder der Universitätsgemeinschaft. Wie thematisiert die Ausschreibung die Stärkung von Studierenden in der Strategieentwicklung und der Projektbegleitung in den Hochschulen?
Katrin Hovy: Es ist tatsächlich so, dass die Förderbekanntmachung keine konkreten Beispiele dafür bringt, wie die Hochschulen das Kriterium der Studierendenzentrierung umsetzen sollen. In unserer ersten Version der Förderbekanntmachung stand hinter jedem Schlüsselbegriff immer ein Beispiel, auch hinter „Studierendenzentrierung“. Wir haben uns entschieden, diese Beispiele zu streichen. Denn in dem Moment, in dem wir Beispiele nennen, engen wir unter Umständen das Denken der Hochschulen ein. Die Innovation soll aus den Hochschulen, aus dem Feld entstehen. Im Begutachtungsprozess ist es Aufgabe der Gutachtenden und der Ausschlussmitglieder, die Umsetzung dieses Kriteriums einzuschätzen und zu bewerten.
Mit Studierenden sprechen
Franz Vergöhl: Die Ausschreibung adressiert in Ansprache und Stil nicht die Studierenden. Sie sind weder antragsberechtigt noch wird eine Stellungnahme der Studierendenvertretung zu einem Antrag gefordert. Wie kann sichergestellt werden, dass für die Erstellung des Antrages in den Hochschulen nicht nur über, sondern auch mit den Studierenden gesprochen wird?
Dr. Nicola Bünsch: Das knüpft daran an, was Katrin Hovy eben sagte. Wir haben überlegt vorzugeben, dass zum Beispiel eine studentische Perspektive schon bei der Antragsstellung sichtbar gemacht werden muss. Letztlich haben wir uns gegen solche Vorgaben oder Checklisten entschieden, damit die antragstellenden Hochschulen die Möglichkeit haben, eigene Ideen einzubringen, die dann auch als solche positiv gewertet werden können.
Zur Frage, wer antragsberechtigt ist, muss man sagen, dass auch Lehrende, Fachbereiche oder Vertreter*innen des Third Space in dieser ersten Förderbekanntmachung nicht antragsberechtigt sind. Einzelne Hochschulen und Hochschulverbünde dürfen Anträge stellen. Das hat mit inhaltlichen Überlegungen zu tun, aber auch mit organisatorischen: Wer während der Gründungsphase eine vorgezogene Förderbekanntmachung veröffentlichen will, muss diese so gestalten, dass es handhabbar ist. Das heißt aber nicht, dass es in Zukunft bei diesen Bedingungen bleiben wird, ganz im Gegenteil. Es wird andere Formate und andere Förderbedingungen geben.
Franz Vergöhl: Hat die Stiftung Studierende bei dem Verfassen der Förderbekanntmachung eingebunden und wie sind Studierende bei der Auswahl geeigneter Projekte vertreten?
Katrin Hovy: Studierende wurden nicht unmittelbar beim Verfassen der Förderbekanntmachung einbezogen. Sie sind aber auf jeden Fall sehr stark bei der Auswahl der Projekte vertreten. Jeder Antrag wird dreifach begutachtet, einmal davon studentisch. Im Ausschuss zur Projektauswahl werden ebenfalls studentische Vertreter*innen dabei sein. Das ist ein Gremium, das sich aus verschiedenen Personen aus der Hochschullandschaft zusammensetzt und das die wissenschaftsgeleitete Projektauswahl durchführt.
Virtuelle Workshops und eine Veranstaltungsreihe mit Studierenden
Rene Rahrt: Wir würden uns jetzt von der konkreten Förderbekanntmachung lösen und uns mit dem Themenkomplex „Zukunft der Studierendenbeteiligung in der Stiftung“ auseinandersetzen. Wie planen Sie, Studierende in der Zukunft neben der Beteiligung im Ausschuss zur Projektauswahl noch innerhalb der Stiftung zu beteiligen?
Katrin Hovy: Dazu gibt es schon viele Ideen, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Um diese zu entwickeln und die Wünsche und Bedarfe der Studierenden einzubinden, haben wir einen virtuellen Workshop mit Studierenden ausgerichtet. Das war extrem spannend und wertvoll für uns. Was die konkrete Umsetzung angeht, haben wir uns zunächst auf die Förderbekanntmachung konzentriert. Außerdem wird im Februar 2021 eine Veranstaltungsreihe starten, die auch Studierende einbezieht. Darüber hinaus sind wir dabei, jene Ideen, die aus der Community schon an uns herangetragen wurden, aufzugreifen und weiterzudenken.
Dr. Nicola Bünsch: Im weiteren Sinne gehört auch dazu, dass wir uns früh darum gekümmert haben, für unser noch junges und wachsendes Team studentische Kolleg*innen zu finden. Das heißt, wir haben die Studierendenperspektive auch im eigenen Haus, und wir wollen sie auch konzeptionell nutzen. Außerdem möchten wir uns mit bestehenden Initiativen, Akteur*innen und Studierendenvertretungen vernetzen und Kooperationsmöglichkeiten ausloten. Denn es gibt ja schon Orte, an denen viel Gutes und Kreatives entsteht.
Corinna Kalkowsky: Können Sie sich Förderlinien vorstellen, die explizit an Studierende gerichtet sind und auch von den Studierenden, beispielsweise über die Studierendenvertretung, konzipiert und umgesetzt werden?
Katrin Hovy: Vorstellen können wir uns extrem viele, unterschiedliche Formate. Aber da sind wir derzeit noch mit keiner weiteren Förderbekanntmachung so weit im Denken, dass es dazu spruchreife Informationen gäbe. Insgesamt ist es eine enorme Chance, eine Stiftung aufzubauen, die langfristig und kontinuierlich Programme für Lehrinnovation aufsetzen kann. Das bietet auf lange Sicht Gestaltungsspielraum für eine große Vielfalt an Aktivitäten. Und auch dafür, neue Wege zu gehen. Noch stehen wir da ganz am Anfang.
Rene Rahrt: Vielen Dank Ihnen für das Interview!
Dr. Nicola Bünsch und Katrin Hovy: Sehr gerne, vielen Dank für die Anfrage.