Eindrücke von der EDUCAUSE Annual Conference 2024: Perspektiven einer europäischen Hochschulvertreterin
Eindrücke von der EDUCAUSE Annual Conference 2024: Perspektiven einer europäischen Hochschulvertreterin
05.12.24Als Vorstandsmitglied von EUNIS (European University Information Systems), einem europäischen Partnernetzwerk von EDUCAUSE und Mitarbeiterin im Digital Office am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hatte ich die Gelegenheit, an der diesjährigen EDUCAUSE Annual Conference in San Antonio, Texas, teilzunehmen. Diese Konferenz ist eine der führenden Veranstaltungen zur Digitalisierung in der Hochschulbildung und bot mir die Chance, spannende Einblicke in globale Trends zu gewinnen sowie den transatlantischen Austausch zu vertiefen.
EDUCAUSE Top 10 IT Issues 2024: Vertrauen als zentrales Thema
Eines der Hauptthemen der diesjährigen Konferenz war das Thema Vertrauen. Dieses Vertrauen steht im Mittelpunkt der Top 10 IT Issues 2024, einer jährlichen Liste, die EDUCAUSE als Orientierungshilfe für strategische Entscheidungen in der Hochschulbildung veröffentlicht. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war das Ergebnis der Wahlen noch nicht mal bekannt. Abgesehen von der Politik, kann in den Vereinigten Staaten ein schwindendes Vertrauen in die Technologie, Forschung, Institutionen und Bildung sowie Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden. Die dazugehörigen Zahlen haben mich erschreckt. Es geht dabei um technische Aspekte wie Cybersicherheit, Datenschutz, transparente Algorithmen, klare Kommunikationsstrategien aber insbesondere auch um die Frage, wie Hochschulen ihre Rolle als vertrauenswürdige Bildungsinstitutionen in einer Welt behaupten können, in der digitale Angebote zunehmend von privaten Unternehmen bereitgestellt werden. Studierende und Lehrende erwarten nicht nur niedrigschwelligen Zugang zu digitalen Tools, sondern auch die Gewissheit, dass diese Werkzeuge sicher, fair und nachhaltig eingesetzt werden. Besonders spannend finde ich die Diskussion darüber, ob die Gesellschaft Hochschulen weiterhin als zentrale Orte der Bildung betrachtet.
Was können wir lernen? Positiver Diskurs als Inspiration
Die Atmosphäre der EDUCAUSE war geprägt von Offenheit. Was mich besonders beeindruckt hat, war der positive Ton der Diskussionen. Statt sich auf die Risiken zu konzentrieren, wurde offen und konstruktiv darüber gesprochen, wie Lösungsansätze gefunden werden können. Diskussionen zu Themen wie Künstlicher Intelligenz, personalisiertem Lernen und institutionellen Veränderungen wurden lösungsorientiert geführt. Fehler wurden dabei nicht als Hindernis, sondern als Lernmöglichkeiten betrachtet. Im Vergleich zu vielen Diskussionen, insbesondere in Deutschland, habe ich diese Haltung als sehr inspirierend empfunden. Während bei uns oft die Risiken neuer Technologien im Vordergrund stehen, zeigt die EDUCAUSE, wie ein positiver Diskurs dazu beitragen kann, Herausforderungen anzugehen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Europäische Potenziale und transatlantischer Austausch: Verständigung und Zusammenarbeit
Ein weiterer wichtiger Punkt für mich war die Frage, wie europäische Netzwerke wie EUNIS mit globalen Akteuren wie EDUCAUSE stärker zusammenarbeiten können. Beide Organisationen teilen das Ziel, Hochschulen auf ihrem Weg der digitalen Transformation zu unterstützen, aber es gibt Unterschiede in den Perspektiven, Zielgruppen und Rahmenbedingungen. Europa hat das Potenzial, von der nordamerikanischen Experimentierfreude und Lösungsorientierung zu profitieren, während wir im Gegenzug unsere starken kulturellen Traditionen einbringen können. Europäische Hochschulen operieren oft in stark regulierten Umfeldern, was eine umfangreiche Expertise in der Entwicklung und Umsetzung von Standards mit sich bringt. Dieses Wissen kann für nordamerikanische Institutionen hilfreich sein, insbesondere angesichts der wachsenden globalen Anforderungen an Datenschutz, Sicherheit und Interoperabilität. Zudem profitieren Europäische Hochschulen von umfassender öffentlicher Unterstützung und einer ausgeprägten Kultur der Zusammenarbeit zwischen Bildung, Forschung und Wirtschaft. Dieses Modell kann Inspiration bieten, wie Bildungseinrichtungen gestärkt und Innovationen gemeinsam vorangetrieben werden können, ohne ausschließlich auf private Investitionen angewiesen zu sein. Also kann eine engere Zusammenarbeit uns helfen, die besten Ansätze beider Welten zu verbinden. So ist eine Folge meines Konferenzbesuches, dass EUNIS und EDUCAUSE ihre Zusammenarbeit weiter ausbauen und verschriftlichen werden. Der erste Termin dazu ist bereits für Januar 2025 eingeplant.
Was nehme ich mit?
Für beide Bildungseinrichtungen, die ich vertrete, stelle ich mir die Frage, wie wir in Europa von den Erkenntnissen der EDUCAUSE profitieren können. Die dort diskutierten Themen weichen gar nicht mal so stark von den unseren ab. Das Vertrauensthema, das in San Antonio im Mittelpunkt stand, wird meiner Einschätzung nach auch bei uns zunehmend in den Vordergrund rücken. Dies könnte einen wichtigen Impuls für unsere Arbeit in der digitalen Transformation geben. Die EDUCAUSE Annual Conference hat mir dabei deutlich gemacht, wie entscheidend ein offener und lösungsorientierter Diskurs dabei ist. Europa kann von der positiven Haltung und Experimentierfreude des Netzwerks viel lernen. Indem wir den Austausch mit internationalem Partnernetzwerken intensivieren und den Fokus auf konkrete Lösungen legen, können wir unsere Innovationskraft und Handlungsfähigkeit gezielt stärken. Falls ihr mehr über meine Erfahrungen oder die EDUCAUSE Top 10 IT Issues erfahren möchtet, freue ich mich über den Austausch. Denn letztlich ist es der Dialog, der uns alle weiterbringt – lokal wie global. Ich finde es spannend, diese Erkenntnisse weiterzugeben und den Austausch zwischen den verschiedenen Akteur:innen der Hochschulbildung aktiv zu fördern.
Autorin
Isabel Gallin verfügt über langjährige berufliche Erfahrung im Bereich der digitalen Transformation von Bildungseinrichtungen. Als Vizepräsidentin von EUNIS bringt sie ihre berufliche Expertise, ihr Engagement und ihr Netzwerk in die Mission von EUNIS ein, digitale Exzellenz, Nachhaltigkeit und Innovation an europäischen Hochschulen zu fördern.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist sie seit 2015 als Business Relationship Managerin im Digital Office des KIT tätig, wo sie die Digitalisierung in der Hochschulbildung vorantreibt und Schlüsselprojekte zur digitalen Transformation leitet.
Isabel Gallin ist promoviert in Rechtsgeschichte an der Juristischen Fakultät der Universität von Amsterdam (NL) und besitzt Masterabschlüsse in Philosophie, Germanistik und Geschichte der Universität von Amsterdam.