Delegationsreise nach Estland: Vorab-Einblicke in moderne Bildungsansätze in der Cyber Security und digitalen Lehre
Delegationsreise nach Estland: Vorab-Einblicke in moderne Bildungsansätze in der Cyber Security und digitalen Lehre
14.04.25
Wie können Hochschulen Studierende praxisnah auf die Herausforderungen der Cyber-Security vorbereiten – und was lässt sich dabei von anderen Ländern lernen? Im Rahmen einer Delegationsreise nach Estland sucht der Cyber Campus NRW nach internationalen Impulsen für digitale Lehre, studentische Partizipation und kooperative Ausbildungsmodelle. Der Blogpost beleuchtet die Erwartungen an die Reise und ihre Relevanz für die deutsche Hochschullandschaft.
Der Cyber Campus NRW ist eine zukunftsorientierte Kooperation zwischen der Hochschule Niederrhein in Krefeld und Mönchengladbach sowie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin. Gemeinsam stellen Sie sich den Herausforderungen im Bereich der IT-Sicherheit und bereiten die Sicherheitsexperten von morgen vor. Dabei setzen sie auf praxisnahe Ausbildung, die nicht im Elfenbeinturm stattfindet, sondern stets in enger Verbindung zur realen Welt steht. Diese enge Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen, anderen Wissenschaftseinrichtungen, Unternehmen und der öffentlichen Hand ermöglicht es den Studierenden, sich auf die wachsenden Anforderungen der Cyber-Security-Branche optimal vorzubereiten und schon während ihres Studiums wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Damit diese Ziele kontinuierlich erreicht werden und die Qualität insgesamt verbessert wird, ist es wichtig, sich anzuschauen, wie andere Länder, Hochschulen und Verwaltungen die Herausforderungen adressieren und welchen Blickwinkel Studierende aus diesen Ländern einbringen können.
Im Rahmen einer bevorstehenden Delegationsreise nach Estland stehen deshalb zahlreiche wertvolle Impulse zur digitalen Lehre und der praxisorientierten Ausbildung in der Cyber Security auf dem Programm. Besonders werden die Fragestellungen rund um die Modelle der studentischen Partizipation, die praxisnahen Ansätze in der Cyber-Security-Ausbildung, der Weiterentwicklung der Kooperation zwischen den Hochschulen Bonn-Rhein-Sieg und Niederrhein, sowie der Erkenntnisse für die Hochschulverwaltung. In diesem Blogpost werfen wir einen Blick auf die erwarteten Erkenntnisse und deren mögliche Relevanz für die deutsche Hochschullandschaft.
Studierende als aktive Mitgestalter der Lehre
In den Hochschulen Niederrhein und Bonn-Rhein-Sieg kommen verschiedene Evaluations- und Feedback-Methoden zum Einsatz, um die digitale Lehre zu verbessern. Daher wird ein zentrales Thema der Reise die aktive Einbindung von Studierenden in die Gestaltung der Lehre sein und wie dies in Estland umgesetzt wird. Aus unserer Sicht bringen Studierende frische Perspektiven und neue Ideen mit, die den Lehrprozess bereichern können. Wir erwarten daher, dass wir in Estland bereits erfolgreich eingesetzte studentische Partizipationsmodelle kennenlernen, die es den Studierenden ermöglichen, sich nicht nur als passive Lernende zu verstehen, sondern als aktive Mitgestalter des Unterrichts. Dieser Ansatz kann helfen, die digitale Lehre stärker an die tatsächlichen Bedürfnisse und Anforderungen der Studierenden auszurichten.
Um diese Informationen zu bündeln und weiterzuentwickeln, werden wir die Einführung eines jährlichen Workshops vorschlagen, in dem Studierende und Lehrende gemeinsam die digitalen Lehrformate reflektieren und weiterentwickeln. Dies würde nicht nur zu einer stetigen Verbesserung der Lehrmethoden führen, sondern auch die Studierenden in ihrer Rolle als aktive Mitgestalter der Bildung stärken.
Realitätsnahe Cyber-Security-Übungen
Gerade für die Studierenden der Cyber Security und digitalen Forensik sind realitätsnahe Cyber-Security-Übungen eine integrale Anforderung an das Studium, damit sie sich auf echte Cyber-Angriffe vorbereiten können. Wir werden die Gelegenheit haben, in Estland an solchen Übungen teilzunehmen oder diese zu beobachten. Das Ziel ist es, Methoden und Ansätze zu entdecken, die in der eigenen Ausbildung Anwendung finden können, um Studierenden eine praxisnahe Vorbereitung auf echte Cyber-Bedrohungen zu bieten.
Ein Austausch mit estnischen Studierenden und Dozenten wird es uns ermöglichen, neue Methoden zu identifizieren, die für die eigene Ausbildung (z. B. dem digitalen Ersthelfer des BSI) von Nutzen sein könnten.
Perspektive eines Angreifers: Offensive Security und Ethical Hacking
Die meisten universitären Ausbildungsprogramme in der Cyber Security konzentrieren sich hauptsächlich auf defensive Maßnahmen. Um jedoch IT-Systeme effektiv zu schützen, müssen Studierende verstehen, wie Angreifer agieren. Wir werden uns mit den Lehrenden über spezielle Kurse zur offensiven IT-Security und des Ethical Hackings austauschen und hoffen, mit den Erkenntnissen die Strategien und Methoden von Angreifern den Studierenden näherzubringen.
Ethisches Handeln in der Cyber Security
Ein weiteres zentrales Thema, das in Estland behandelt wird, ist die Frage des ethischen Handelns in der Cyber Security. Die Grenze zwischen „guten“ und „bösen“ Cyber Security ist oft verschwommen, und viele Studierende sind sich nicht sicher, welche rechtlichen (europäischen) Rahmenbedingungen und ethischen Leitlinien es für Hacker und Sicherheitsexperten gibt. In Estland werden wir uns deshalb mit IT-Sicherheitsverantwortlichen, Dozenten und Juristen dazu austauschen.
Wir hoffen, dass wir durch diese Gespräche praktische ethische Dilemmas identifizieren können, die typisch für die Cyber Security sind, und diese Erkenntnisse in eigene Fachprojekte oder Hausarbeiten einfließen lassen können. Dazu gehören auch die Betrachtung von Simulationsübungen von Social Engineering in Unternehmen und Organisationen.
Open-Source-Programme und Hardware
In der Cyber-Security-Ausbildung stehen oft hohe Kosten für Hard- und Software im Raum, was für Studierende und Hochschulen eine große Herausforderung darstellt. In Estland werden Open-Source-Software und Standardhardware bereits erfolgreich in der digitalen Forensik-Ausbildung eingesetzt. Ziel unserer Reise ist es, herauszufinden, welche Open-Source-Tools auf Standardhardware wie eingesetzt werden können, um weitere praxisnahe Szenarien in der digitalen Forensik-Ausbildung umzusetzen. Wir hoffen, dass wir diese erfolgreich in unseren eigenen Studiengang integrieren können, um realitätsnahe Forensik-Fallbeispiele und angepasste Tools unseren Studierenden bereitzustellen.
Best Practices bei der Weiterentwicklung der Cyber-Security-Ausbildung
Die Cyber Security ist ein globales Thema, und die Ausbildung sollte es auch sein. In Zusammenarbeit mit den estnischen Hochschulen wollen wir Ideen zur länderübergreifenden Kooperation entwickeln. Wir planen, Gespräche mit estnischen Experten zu führen, um Best Practices zu identifizieren und eine erste gemeinsame Deutsch-Estnische Cyber Security Summer School zu entwickeln. Diese soll Fallstudien aus der Praxis beinhalten und eine interaktive Zusammenarbeit mit realen Unternehmen fördern.
Systematischer Vergleich digitaler Wissensvermittlung
Ein weiterer Fokus der Reise wird ein Vergleich der digitalen Lernumgebungen und Lehrmethoden zwischen deutschen und estnischen Hochschulen sein. Wir hoffen, durch diesen Vergleich konkrete, studentenzentrierte Verbesserungsvorschläge zu entwickeln, die wir dann in die Gestaltung unserer eigenen digitalen Lehrformate einfließen lassen können.
IT-Sicherheit in der Verwaltung und Forschung
Damit nicht nur die digitale Lehre in den Studiengängen der IT-Sicherheit und digitalen Forensik verbessert werden, sondern die anderen Organisationseinheiten der Hochschulen ebenfalls von der Reise profitieren, begleiten diese Reise Vertreter:innen der Hochschulverwaltung, um sich mit ihren estnischen Kollegen:innen über die Umsetzung und den Betrieb einer digitalen Hochschule und der digitalen Hochschulkooperation auszutauschen.
Durch die „Vereinbarung für Cybersicherheit“ sind die Anforderungen an Hochschulen mit Bezug auf die IT-Sicherheit klar formuliert und die Delegationsreise kann hier helfen, von den estnischen Erkenntnissen zu profitieren.
Fazit
Die bevorstehende Delegationsreise nach Estland verspricht spannende und wertvolle Einblicke in die moderne Cyber-Security-Ausbildung und die digitale Lehre. Wir erwarten, dass wir neue Methoden, Tools und Best Practices kennenlernen, die wir in unsere eigenen Bildungsansätze integrieren können und die uns dabei helfen, die Kooperation der Hochschulen Bonn-Rhein-Sieg und Niederrhein am Cyber Campus NRW auf der einen Seite weiterzuentwickeln, als auch die Kooperation mit den estnischen Hochschulen für den länderübergreifenden Austausch zu intensivieren.
Autor

Martin Grothe
Prof. Dr.-Ing. Martin Grothe wurde zum Sommersemester 2024 zum Professor für Angewandte Informatik im Fachbereich Elektrotechnik und Informatik der Hochschule Niederrhein berufen und ist auch am Cyber Management Campus der Hochschule in der Lehre tätig.