New Work: Chancen und Herausforderungen für die Zukunft der Arbeitswelt
New Work: Chancen und Herausforderungen für die Zukunft der Arbeitswelt
28.11.24New Work wird oft als Hoffnungsträger gesehen, kann aber auch Ursache für Stress und Erschöpfung sein. Für Hochschulen sind viele der unter New Work zusammengefassten Maßnahmen eine Chance, um sich für die Zukunft der Arbeit gut aufzustellen. Wichtig ist jedoch, sowohl Vorteile als auch Schattenseiten der neuen Arbeit zu kennen, damit sich das Potenzial von New Work entfalten kann.
New Work – Neues Buzzword mit langer Tradition
New Work steht als Sammelbegriff für neue Trends in der Arbeitswelt. Dazu zählen Arbeitsformen wie Homeoffice, die Vier-Tage-Woche, agiles Arbeiten, Selbstorganisation, moderne Bürokonzepte oder neue Führung. Der Begriff ist mit der Hoffnung auf ein besseres Arbeiten verknüpft, welches mehr Autonomie, Zufriedenheit und Gesundheit verspricht.
Organisationen sehen darüber hinaus die Chance, mit New Work-Maßnahmen ihre Innovationsfähigkeit zu verbessern und für mehr Flexibilität in einem unsicheren und sich schnell verändernden Umfeld zu sorgen. Auch für den Fachkräftemangel werden neue Arbeitsformen als Lösung gesehen, um qualifizierte Mitarbeitende zu binden und die Eigenverantwortung zu stärken.
Der Begriff New Work wird mit dem Philosophen Frithjof Bergmann in Verbindung gebracht, der in seinem Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“ eine Utopie einer anderen Arbeitswelt beschrieb. Ihm ging es vor allem darum, dass die Arbeit dem Menschen dienen soll und ihm zu mehr Lebendigkeit durch Arbeit verhilft. Sein Konzept bezieht sich aber nicht auf Veränderungen in Organisationen. Es geht um ein breiteres Verständnis von Arbeit, wozu neben der Lohnarbeit auch andere Formen des Tätigseins zählen.
Heutzutage geht es bei New Work primär um Veränderungen in Organisationen, die auf eine Verbesserung der Arbeit zielen sollen. Mit dem Begriff sind viele Hoffnungen auf ein besseres Arbeiten verknüpft. Doch es gibt auch eine dunkle Seite der neuen Arbeit: Je nach Gestaltung können die neuen Arbeitsformen dazu beitragen, dass Beschäftigte überfordert sind und es zu mehr Stress und Erschöpfung kommt.
New Work Realtalk: Welche Verbesserung bringt die neue Arbeit wirklich?
Viele Ansätze der New Work basieren auf lange bekannten Erkenntnissen der Arbeitsforschung über gesundes und zufriedenes Arbeiten: Wenn man Gestaltungsspielräume in der Arbeit hat, zeitliche Flexibilität, und eine Aufgabe, die sinnvoll ist, trägt das neben Faktoren wie einem fairen Gehalt und Arbeitsplatzsicherheit zu einer guten Arbeit bei. New Work schließt hier an und ist damit an vielen Stellen gar nicht so neu, wie der Name suggeriert.
Um die Potenziale von New Work zu benennen, muss man sich vom Sammelbegriff distanzieren und die einzelnen Maßnahmen anschauen. Ob Vier-Tage-Woche, Homeoffice, agiles Arbeiten oder Coworking: Je nach Transformationsfeld gibt es eine unterschiedliche Forschungslage und es zeigen sich ganz unterschiedliche Evidenzen. Während beispielsweise zeitliche Flexibilität gut erforscht ist, weiß man über den langfristigen Nutzen konkreter Ansätze der Selbstorganisation, die auf eine Neustrukturierung oder Dezentralisierung von Führungsarbeit zielen, wie z.B. Soziokratie, Holakratie oder kollegiale Führung, bisher noch recht wenig. Insofern ist es problematisch, alle Ansätze über einen Kamm zu scheren.
New Work hat aber auch eine dunkle Seite. Diese zeigt sich beispielsweise, wenn Beschäftigte zwar flexibel ihre Arbeit organisieren können, aber mit unrealistischen Deadlines oder Zielvorgaben konfrontiert sind. Die zeitliche und räumliche Flexibilität, die z.B. im Homeoffice gegeben ist, wird dann durch Zeitdruck und Leistungsdruck untergraben. Problematisch ist auch, wenn Konzepte der Selbstorganisation primär mit dem Ziel eingeführt werden, die gleiche Arbeit auf weniger Schultern umzuverteilen.
Die Beispiele zeigen: New Work ist ambivalent. Nutzen und Nachteil der neuen Arbeit hängen stark davon ab, was konkret umgesetzt wird, wie es umgesetzt wird und was die eigentliche Intention hinter der Transformation ist. Es gibt allerdings einige Erfolgskriterien der Gestaltung der neuen Arbeit, die es wahrscheinlicher machen, dass alle Seiten von der Einführung profitieren.
So gelingt die New Work-Transformation
Aus der Forschung wie auch aus der Praxis der Organisationsberatung lassen sich mehrere Erfolgsfaktoren gelingender Veränderungen identifizieren. Hierzu zählen u.a. eine klare Kommunikation, ein iteratives Vorgehen und eine gute Begleitung und Evaluierung der Prozesse. Abschließend sollen vier Erfolgsfaktoren besonders hervorgehoben werden.
-
Warum machen wir das? Klare Vision und Strategie: Wenn Mitarbeitende und Führungskräfte das genaue Warum der Veränderung nicht kennen, sorgt das im Prozess für Irritationen, Unsicherheit und Unzufriedenheit. Deshalb ist es wichtig, sich für die initiale Klärung Zeit zu nehmen und klar zu kommunizieren. Beispielsweise kann man sich fragen: Geht es primär um die Förderung von Innovationskraft, Mitarbeiterbindung oder die Verbesserung des Wissensmanagements?
-
Partizipation und Mitbestimmung von Anfang an: Wenn Entscheidungen über das neue Arbeiten nur auf der Führungsebene getroffen werden, entkoppeln sie sich von den Arbeitsrealitäten der Mitarbeitenden. Insofern gelingt die Umsetzung von Maßnahmen dann, wenn gemeinsam überlegt wird, welche Veränderung man zu welchem Zweck einführen will.
-
Weiterbildung und Qualifizierung der Mitarbeitenden und Führungskräfte: Die Einführung von New Work ist oft voraussetzungsreich und geht mit vielen neuen Konzepten, Begriffen und Ansätzen einher. Es genügt aber nicht, einzelne Workshops zu einer spezifischen Methode zu machen. Führungskräfte und Mitarbeitende brauchen vielmehr eine innere New-Work-Landkarte, die ihnen hilft, Ansätze zu verstehen und diese in das Gesamtbild einzuordnen. Dabei geht es um Wissen über Evidenz sowie Praxisbeispiele. Erst dann kann eine echte Mitbestimmung bei der Gestaltung von New Work gelingen.
-
Zeit und Geduld: Nicht zu viele Dinge gleichzeitig verändern. In vielen Organisationen zeigen sich aktuell labyrinthische Polytransformationen, und vieles wird gleichzeitig verändert: Es gibt einen Wandel der Führungskultur, die Einführung neuer digitaler Tools, die Umsetzung von Desk-Sharing usw. Doch zu viele Veränderungen gleichzeitig sorgen für Unübersichtlichkeit, weshalb es sinnvoll ist, die Organisationen nicht mit zu vielen Veränderungen zu überfordern. Hier schließt der zweite Punkt an: Veränderung braucht Zeit. Gerade, wenn man lange eingeschliffene Routinen ändern möchte, gelingt dies nicht über Nacht. Deshalb sind genügend Zeit und Geduld grundlegend, um Veränderung zu schaffen und auch den Nutzen einer Maßnahme bewerten zu können.
New Work ist gekommen, um zu bleiben. Für die gelingende Gestaltung der Arbeit von morgen ist weitere Forschung aus unterschiedlichen Organisationen und Bereichen der Arbeitswelt notwendig. Auch an Hochschulen, an denen bereits flexibles Arbeiten, neue Formen der Führung wie Shared Leadership oder agiles Arbeiten in der Lehre, z.B. in Form von Design Thinking umgesetzt werden, gilt es, die neue Arbeit genauer zu verstehen. Aktuell experimentieren zahlreiche Hochschulen wie beispielsweise die Universität Bonn, die Technische Universität Nürnberg, die Universität Duisburg Essen oder die FH Münster insbesondere mit neuen Raumkonzepten wie Open Spaces. Hier gilt es, Erfahrungen mit den neuen Arbeitskonzepten zu sammeln, diese in ihrer Wirksamkeit zu evaluieren und Potenziale für weitere Entwicklungen anzustoßen. Durch eine solche Herangehensweise wird es möglich, die problematischen Effekte der New Work besser abzufedern und die positiven Seiten wie Innovationskraft und Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu stärken.
Quellen und Verweise
Zur Vertiefung: Hardering, Friedericke (2023): New-Workisierung von Arbeit. Zeitdiagnose zum Wandel der Arbeitswelt. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 73(46):29–34.
Autorin:
Prof. Dr. Friedericke Hardering, Professorin für Zukunft der Arbeit und Digitalisierung an der FH Münster, Arbeitsforscherin und Impulsgeberin für die Arbeitswelt von morgen.