Dokumentenpaket von KI:connect.nrw zur Einführung von KI-Diensten an Hochschulen
Dokumentenpaket von KI:connect.nrw zur Einführung von KI-Diensten an Hochschulen
21.08.24Generative KI-Systeme haben das Potenzial, Studium, Lehre und Verwaltungsprozesse an Hochschulen nachhaltig zu transformieren. Angesichts dieser dynamischen Entwicklungen ist es für Hochschulen entscheidend, sich zukunftsorientiert und gleichzeitig rechtssicher aufzustellen. Die RWTH Aachen stellt als ein erstes Ergebnis des Projekts KI:connect.nrw ein umfangreiches Dokumentenpaket zur reibungslosen Einführung generativer KI-Dienste an Hochschulen bereit. Die Dokumente sind aus der erfolgreichen Einführung von ChatGPT an der RWTH hervorgegangen. Sie bilden das Ergebnis eines hochschulweiten, gemeinschaftlichen Prozesses aller beteiligten Akteure aus Forschung, Lehre, Verwaltung und den hochschulischen Gremien.
Das Dokumentenpaket ist CC-0-lizenziert, womit eine freie Verwendung ohne Attribution ermöglicht wird. Es steht für alle Interessierten und insbesondere für die Hochschulen zum Download bereit.
Die Einführung generativer KI-Dienste an Hochschulen
Knapp zwei Jahre nach der Einführung von ChatGPT im November 2022 und dem unmittelbar geführten Diskurs über die Auswirkungen von KI auf Forschung, Lehre und Verwaltung, sind generative KI-Dienste aus dem Hochschulalltag inzwischen nicht mehr wegzudenken. Die hochdynamische Entwicklung ergreift alle Hochschulen in Deutschland gleichermaßen. Bevor allerdings die Potenziale geschöpft werden können, müssen rechtliche, budgetäre, technische, didaktische und strategische Fragestellungen im Umgang mit generativen KI-Diensten beantwortet werden.
Für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen wurde in einem Expertenteam ein Konzept zur Bereitstellung generativer KI ausgearbeitet. Im Ergebnis stellen sich mit mit KI:edu.nrw, OpenSource-KI.nrw und KI:connect.nrw drei landesgeförderte Projekte gemeinsam der Herausforderung, die an vielen Hochschulen des Landes vergleichbaren Bedarfe und Fragestellungen zum Umgang mit generativen KI-Diensten zu bündeln und zentrale Anlaufstellen zu bieten. Die Projekte fokussieren unterschiedliche Schwerpunkte, die sich komplementär ergänzen.
Das Projekt OpenSource-KI.nrw kümmert sich um die Bereitstellung von Open Source Large Language Modellen wie Mistral oder Llama auf der High Performance Computing Infrastruktur der Hochschulen. Es entwickelt PlugIns für Moodle und ILIAS, um generative Dienste unkompliziert in Lernräume einbinden zu können.
KI.connect.nrw unterstützt die Hochschulen beim Betrieb von kommerziellen KI-Diensten wie ChatGPT. Es entwickelt zusätzlich eine allgemeine Weboberfläche unter dem Namen Connect:UI, die auf die Bedarfe der Hochschulen des Landes zugeschnitten ist. Beide Projekte erproben gemeinsam Technologien zur Erhöhung der Faktentreue wie z.B. Retrieval Augmented Generation (RAG).
Die Projektaktivitäten in NRW werden durch das seit 2020 laufende Verbundprojekt KI:edu.nrw orchestriert. Neben Querschnittsthemen wie AI Literacy und digitaler Ethik steht insbesondere die Vernetzung und Informierung der Hochschulen in NRW im Mittelpunkt. Dazu gehören die jährliche Tagung für LearningAID Tagung für Learning Analytics, Artificial Intelligence und Data Mining in der Hochschulbildung sowie regelmäßige KI-Vernetzungstreffen in NRW.
Die integrativ angelegte Projektstruktur zahlt damit auf die hier beschriebenen Handlungsfelder ein. Als landesweite Kompetenzstellen sollen sie die Hochschulen bei der Beschaffung, Bereitstellung und Nutzung generativer KI-Dienste unterstützen.
Kommerzielle generative KI-Dienste als besondere Herausforderung
Insbesondere die Beschaffung kommerzieller KI-Dienste wie ChatGPT, Google Gemini, Anthropic Claude oder Aleph-Alpha ist an vielen Hochschulen und öffentlichen Einrichtungen ein hochkomplexer Prozess. Hochschulen müssen sich unter anderem mit datenschutzrechtlichen Fragen, Urheberrechtsfragen und dem Dienstrecht auseinandersetzen, bevor sie solche Dienste in Betrieb nehmen können. Hier setzt das von KI:connect.nrw zur Verfügung gestellte Dokumentenpaket an.
Dieses Dokumentenpaket wurde in einer multidisziplinären Arbeitsgruppe entwickelt und bietet eine wertvolle Orientierung für alle Beteiligten. Es ist in drei Kategorien unterteilt, die jeweils spezifische Aspekte der Nutzung generativer KI-Dienste abdecken. Alle Dokumente sind so formuliert und formatiert, dass sie mit möglichst geringem Aufwand auf die eigene Hochschule adaptiert werden können.
Das richtige Mindset
Die Einführung von IT-Systemen in Betrieben und Behörden erfordert in vielen Fällen eine Mitbestimmung. Für staatliche Hochschulen in Deutschland wird dieses Erfordernis üblicherweise in den Landespersonalvertretungsgesetzen der Bundesländer geregelt. Für das Land Nordrhein-Westfalen ist das beispielsweise das achte Kapitel mit den §§ 62 – 78 LPVG. Bei privaten Hochschulen ergeben sich vergleichbare Regelungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz des Bundes.
Grundsätzlich dient der Mitbestimmungsprozess dazu, die Beschäftigten in die Gestaltung und Verbesserung ihrer Arbeitswelt einzubeziehen. Bei IT-Systemen wird Mitbestimmung unter anderem deshalb notwendig, weil Arbeitgeber durch den Einsatz von IT-Systemen die Leistung und das Verhalten der Mitarbeitenden überwachen können. Entsprechend sind die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden vor den Risiken solcher Überwachungstechniken zu schützen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Hochschule ihre IT-Systeme tatsächlich zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle verwendet. Es reicht aus, dass die IT-Systeme prinzipiell für diesen Zweck genutzt werden könnten. Dies ist bereits gegeben, wenn Datensätze gespeichert und nachträglich einer bestimmten Person zugeordnet werden können.
Mitbestimmung als Chance
Gerade bei potenziell disruptiven IT-Systemen wie den KI-Diensten sind Hochschulen gut beraten, den Mitbestimmungsprozess als Chance wahrzunehmen, die Einführung von KI-Diensten als übergreifende Aufgabe zu verstehen, die alle Statusgruppen quer durch die gesamte Hochschule betrifft. Die Fakultäten, zentralen Einrichtungen, Verwaltung, Personalräte, Gruppenvertretungen und Gremien der Hochschule sind nicht nur Nutzende, sondern sie werden die Einführung in vielen Fällen aktiv begleiten. Entsprechend sollten alle am Prozess Beteiligten auf einen lösungsorientierten und kooperativen Prozess eingestimmt sein.
Selbst wenn alle beteiligten Akteure an einem Strang ziehen, erweist sich die Bereitstellung generativer KI-Dienste an vielen Hochschulen als höchst komplex. Die Website von KI:connect.nrw beschreibt deshalb einen Musterprozess, der an der RWTH Aachen in vertretbarer Zeit unter Einbeziehung aller Gremien und Statusgruppen zur erfolgreichen Einführung generativer KI-Dienste geführt hat. Beginnend mit einem Beschluss der Hochschulleitung und der Bildung von statusübergreifenden Teams zu Themen wie Technik, Recht, Didaktik und Öffentlichkeitsarbeit über die Vorstellung in den Ausschüssen bis hin zum Roll-Out werden Empfehlungen besprochen und Stolperfallen adressiert.
Informationen für die Hochschule
Einer der wesentlichen Schritte im Rahmen dieses Prozesses ist die Herstellung formal notwendiger Dokumente ebenso wie die Generierung allgemeinen Informationsmaterials. Das zum freien Download angebotene KI:connect.nrw Dokumentenpaket enthält drei Kategorien von Dokumenten, die nachfolgend näher beschrieben werden.
Kategorie 1: Rechtsfragen in der praktischen Nutzung von KI-Diensten
Die Nutzung generativer KI-Dienste wirft zwangsläufig rechtliche Fragen auf, sei es in Bezug auf kommerzielle Dienste wie ChatGPT oder Open Source KI-Modelle. KI:connect.nrw bietet Hochschulen hier eine strukturierte Unterstützung in Form von Leitfäden und Checklisten, die eine rechtssichere Nutzung dieser Dienste ermöglichen.
Eine praktische Checkliste zum Umgang mit generativen KI-Diensten hilft Nutzenden, die rechtlichen Anforderungen im Umgang mit KI-Diensten zu erfüllen und zeigt gleichzeitig auf, welche Praktiken vermieden werden sollten. Ein umfangreiches Dokument zu Allgemeinen Rechtsfragen beim Umgang mit generativen KI-Diensten behandelt etwa 20 zentrale Fragestellungen beim Einsatz generativer KI-Dienste im Hochschulkontext, darunter Urheberrecht, Verwertungsrechte, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz. Es bietet den Nutzenden eine fundierte Informationsbasis, um die rechtlichen Rahmenbedingungen der KI-Nutzung zu verstehen und anzuwenden.
Neben den allgemeinen Rechtsfragen werden auch prüfungsbezogene Fragen beim Umgang mit generativen KI-Diensten diskutiert. Das entsprechende Dokument befasst sich mit etwa 10 spezifischen Rechtsfragen, die bei der Nutzung von KI-Diensten im Prüfungskontext auftreten können. Hochschulen können dieses Dokument verwenden, um prüfungsrechtliche Herausforderungen rechtssicher zu meistern.
Kategorie 2: Datenschutz und Nutzungsbedingungen
Datenschutz ist ein zentrales Thema bei der Einführung und Nutzung generativer KI-Dienste. KI:connect.nrw bietet Hochschulen eine umfassende Sammlung an Dokumenten, die alle wesentlichen Datenschutzaspekte abdecken und gleichzeitig als Grundlage für die Mitbestimmung in den Gremien dienen.
Das Dokumentenpaket startet mit der Datenschutzerklärung. Jede Nutzung eines KI-Dienstes erfordert die Zustimmung zu einer Datenschutzerklärung, die detailliert über die Verarbeitung personenbezogener Daten informiert. Hier steht eine Vorlage bereit, die an die spezifischen Anforderungen der einzelnen Hochschulen angepasst werden kann.
Die Datenschutzerklärung wird ergänzt durch eine Vorlage mit Nutzungsbedingungen. Auch die Nutzungsbedingungen müssen von den Nutzenden zur Kenntnis genommen und bestätigt werden. Diese regeln die erlaubten und unerlaubten Nutzungen des KI-Dienstes und bieten eine rechtliche Absicherung für die Hochschulen.
Die DSGVO fordert für Softwaredienste eine umfassende Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA). KI:connect.nrw bietet eine ausführliche Vorlage mit weit über 50 Risikoquellen, zugehörigen Risikobewertungen und den Maßnahmen, die ergriffen werden können, um diese Risiken zu minimieren. Die Risikobewertungen in Form einer Tabelle werden durch ein Rahmendokument ergänzt, das die Risikobewertung laienverständlich aufbereitet und die Leser:innen durch die stärker technisch orientierten Aspekte einer Datenschutzfolgenabschätzung leitet.
Das Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (VVT) fasst schließlich die Arten der verarbeiteten Daten, ihre Rechtsgrundlagen und die Verantwortlichkeiten zusammen. Es dient als wichtiges Instrument zur Einhaltung der Datenschutzvorschriften.
Kategorie 3: Weitere Dokumente und hilfreiche Ressourcen
Neben den grundlegenden rechtlichen und organisatorischen Dokumenten bietet das Dokumentenpaket zusätzliche Ressourcen, die Hochschulen bei der Einführung generativer KI-Dienste unterstützen. Diese optionalen Dokumente haben sich in der Praxis als besonders hilfreich erwiesen.
Ein Szenarienkatalog zur Nutzung generativer KI-Dienste bietet konkrete Anwendungsbeispiele und rechtliche Bewertungen für verschiedene Nutzungsszenarien. Von der Erstellung von Lehrmaterialien über die Bewertung von Prüfungen bis hin zum Einsatz in der Verwaltung – der Szenarienkatalog liefert wertvolle Orientierungshilfen.
Am Abschluss steht ein FAQ-Katalog zur Nutzung der OpenAI Services. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass der Zugang zu ChatGPT und anderen OpenAI-Diensten eine der am häufigsten genutzten Optionen an nordrhein-westfälischen Hochschulen darstellt, die notwendigerweise – direkt oder indirekt – mit der Verwendung der Microsoft Azure Cloud verbunden ist. KI:connect.nrw bietet eine umfangreiche FAQ-Sammlung, die die häufigsten Fragen zur Datenverarbeitung und zum Datenschutz beantwortet. Diese Sammlung wird kontinuierlich erweitert und um weitere KI-Dienste ergänzt.
Die Ressourcen von KI:connect.nrw unterstützen Sie bei der Bereitstellung generativer KI-Dienste an Ihrer Hochschule.
Das an der RWTH Aachen durchgeführte Projekt KI:connect.nrw bietet Hochschulen in Nordrhein-Westfalen eine unverzichtbare Ressource für die Einführung und den Betrieb generativer KI-Dienste. Durch die zentrale Bereitstellung von Dokumenten und Informationen unterstützt das Projekt nicht nur die rechtliche und datenschutzrechtliche Absicherung, sondern auch die reibungslose Integration und Nutzung von KI-Diensten im Hochschulalltag. Besuchen Sie die Website von KI:connect.nrw, um Zugang zu den beschriebenen Ressourcen zu erhalten. Alle Materialien sind CC-0 lizenziert und damit frei nutzbar sowie auch ohne Attribution beliebig modifizierbar.
Autor
Dr. Malte Persike studierte Psychologie und ist derzeit als wissenschaftlicher Leiter des Center for Teaching and Learning Services (CLS) an der RWTH Aachen tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die evidenzbasierte Wirkungsforschung in der Hochschullehre und Learning Analytics zur Optimierung von Lehr-/Lernprozessen. Er ist Experte für digitales Lehren, Lernen und Testen sowie für die datengetriebene Verbesserung von Lernkontexten. Im Jahr 2012 wurde er mit dem ars legendi-Preis für herausragende Leistungen in der Lehre in den Sozialwissenschaften ausgezeichnet.