Digitale Hochschulen brauchen agile Strukturen

Digitale Hochschulen brauchen agile Strukturen

26.04.19

Wald

Die Digitale Transformation an Hochschulen benötigt Strukturen, die Agilität und die Zusammenarbeit zwischen Studierendenschaft, Mitarbeitenden und Lehrenden zulassen. In diesem Blogbeitrag berichtet René Rahrt, Student und ehemaliger ASta-Vorsitzender der Universität Göttingen, von den Erfahrungen des Poolressorts Digitalisierung des ASta seiner Hochschule. 

Digitale Transformation kann nur mit mentaler Transformation gelingen

Deutsche Hochschulen stehen im internationalen Vergleich bei der digitalen Transformation in Lehre und Verwaltung schlecht da. Zu diesem Schluss kommt die Expertenkommission für Forschung und Innovation (EFI) der Bundesregierung in ihrem aktuellen Jahresgutachten. Gerade einmal 14% der Hochschulen im Bundesgebiet können eine Digitalisierungsstrategie vorweisen und in der digitalen Lehre spielen deutsche Hochschulen international gesehen so gut wie keine Rolle. Und das, obwohl es von zukunftsweisender Wichtigkeit ist, den Studierenden Digital- und Datenkompetenzen zu vermitteln, um diese auf die Arbeitswelt 4.0 und Gesellschaft von morgen vorzubereiten.

Die Ursache dafür liegt vor allem auch in der institutionellen Trägheit der Hochschulen, die sich aus der Governance- und Verwaltungsstruktur ergibt. Strategie- und Entwicklungsprozesse sind oft zu langatmig und innovative Ideen von Studierenden und Mitarbeitenden finden in der Regel zu wenig Gehör. Hochschulen fehlt in diesem Sinne die Agilität!

Schlafendes Tier

Agilität und Zusammenarbeit als Voraussetzungen für eine digitale Hochschule

Offenheit für Veränderungen ist für Hochschulen allerdings unabdingbare Voraussetzung für die Digitalisierung in Lehre und Verwaltung. Denn die digitale Transformation benötigt zunächst einmal eine mentale Transformation aller universitären Stakeholder. Nur statusgruppenübergreifende Zusammenarbeit zwischen Hochschullehrenden, Mitarbeitenden und Studierenden in Strategie- und Projektteams kann Innovationen für Lehre, Forschung und Verwaltung sichern.

Wie ein solches Neudenken aussehen kann, soll der nachfolgende Erfahrungsbericht aus der Georg-August-Universität Göttingen zeigen. Vertreterinnen und Vertreter des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) setzten dort im vergangenen Jahr wesentliche Impulse für eine digitale Universität und Lehre, und entwickelten gemeinsam mit der Universität einen Mechanismus für mehr Agilität.

Erfahrungen des AStA der Universität Göttingen

WaldIm März 2018 richtete der AStA der Universität Göttingen im Hochschulreferat das sogenannte Poolressort Digitalisierung als agile Einheit ein. Im Poolressort sollten zwei studentische Mitarbeitende das digitale Studium und die digitale Universität vorantreiben. Ziel war es, aus der studentischen Selbstverwaltung heraus die vielen Aktivitäten der Universität im Bereich Digitalisierung zu unterstützen und den Fokus auf die Lehre und das Studium zu stärken. Unter der Leitung der Hochschulreferentin vernetzten sich dazu die Mitarbeitenden mit Interessierten aus der Studierendenschaft und kooperierten auf der Projektebene mit dem Team für digitales Lehren und Lernen der Universität, während ich zusammen mit der Universitätsleitung die Strategieentwicklung in diesem Bereich gestaltete. Das Leitbild für das Lehren und Lernen erklärt die Verzahnung aus Digitalisierung, Internationalisierung und Diversitätsorientierung zum Ziel für die forschungsorientierte Lehre der Universität.

Für das Engagement auf der operativen Ebene richteten die AStA-Mitarbeiter des Poolressorts das Forum Digitales ein, in dem sich alle interessierten Studierenden über Digitalisierungsprojekte der Universität informieren und austauschen können. Außerdem diente es dazu, Bedarfe der Fachschaften an eine digitale Lehrmethodik und Lerninfrastruktur abzufragen. Darüber hinaus veranstaltete der AStA die Veranstaltungsreihe „Buzzwords of Digitization“, mit der den Kommilitoninnen und Kommilitonen in Vorträgen von Expertinnen und Experten einige Begriffe der Digitalisierung wie z.B. „Disruption“, „Smart Mobility“ oder „Open Science“ einfach und verständlich nähergebracht werden sollten. Dem AStA war es wichtig, die digitale Transformation und ihre Implikationen für die Universität und Lehre niedrigschwellig in die Breite der Studierendenschaft hinein zu kommunizieren und mögliches Innovationspotenzial der Studentinnen und Studenten nutzenbringend in den universitären Diskurs einbringen zu können.

Darüber hinaus arbeiteten die AStA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen mit dem Team für digitales Lehren und Lernen an einer Reihe von Digitalisierungsprojekten: Beispielsweise unterstützten sie die Erarbeitung des Konzeptes „Daten Lesen Lernen“, das als neu konzipiertes Lehrmodul Datenkompetenz für alle Studierenden ermöglichen soll und für das die Universität Göttingen die Förderung durch das Programm Data Literacy Education des Stifterverbandes und der Heinz-Nixdorf-Stiftung erhalten hat. Ein anderes Projekt umfasste die Konzeption des Digital Creative Space als Coworking Space und Ausgestaltung zum räumlichen Nukleus des Göttingen Innovation Hub.

Der Think Tank Digitalisierung als offener Ideenraum

Als Beitrag für eine Strategie zur Digitalisierung der Universität im Allgemeinen sowie des Studiums und der Lehre im Speziellen verfasste der AStA das Konzeptpapier Digitalisierung. In diesem beschreiben die Studierenden ihre Sicht auf die digitale Transformation der Universität, stellen Forderungen für das digitale Lernen und Studieren auf und unterbreiten Vorschläge für Strukturen und Mechanismen zur Gestaltung des Prozesses. Das Konzeptpapier wurde innerhalb der akademischen Selbstverwaltung sehr positiv aufgenommen und ermöglichte den Studierenden eine gute Stellung für eine zukünftige Beteiligung.

Ein besonderer studentischer Vorschlag war der „Think Tank Digitalisierung in Studium und Lehre“. Der vorgestellte Think Tank könnte die nötige Agilität der Hochschule im Transformationsprozess sichern. Er soll zusätzlich zu den vorgeschriebenen Gremienstrukturen einen offenen Ideenraum der Universitätsgemeinschaft für die Digitalisierung der Lehre darstellen. Im Vordergrund steht der offene und ehrliche Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden. Der Think Tank ist daher als personell atmend konzipiert: Zusätzlich zum festen Team aus Lehrenden verschiedener Fachdisziplinen, den Studierenden aus AStA und Fachschaften, der Vizepräsidentin für Studium, Lehre und Chancengleichheit und dem Vizepräsidenten für Infrastruktur und Digitalisierung sowie Vertreterinnen und Vertreter aus dem Senat und den Serviceeinrichtungen, können je nach Thema verschiedene Expertinnen und Experten der Universität hinzugezogen werden. Der Think Tank funktioniert dabei nicht im Stil einer Gremiensitzung, sondern in einem kollaborativen Workshop-Format in Präsenz und ergänzend im digitalen Austausch. Zentral ist der ergebnisoffene Austausch der verschiedenen Interessengruppen, um Bedarfe ehrlich zu analysieren und gemeinsam Ziele zu definieren. Perspektivisch können für den Think Tank auch Methoden der Innovationsentwicklung im neu entstehenden Coworking Space genutzt werden. Der Think Tank soll Themen wie die curriculare Verankerung von generellen und fachspezifischen Digital- und Datenkompetenzen oder die Kommunikation der Bedeutsamkeit von digitaler Lehre bearbeiten und Empfehlungen an die Universitätsgremien verfassen, die dann die Implementierung der entwickelten Maßnahmen veranlassen.

Hängebrücke

Mehr Mut zur Beteiligung von Studierenden und Mitarbeitenden

An der Georg-August-Universität Göttingen konnte die mentale Transformation bei Lehrenden und Lernen erfolgreich angestoßen und die offene Innovationskultur für digitale Lehre ausgebaut werden. Darüber hinaus wird der „Think Tank Digitalisierung in Studium und Lehre“ die Agilität der Einrichtung sicherstellen. Des Weiteren zeigen die Erfahrungen des AStA, dass sich die Studentinnen und Studenten in der Regel sehr mit der Institution Hochschule identifizieren und ihnen daher auch die Weiterentwicklung in Lehre, Forschung und Verwaltung am Herzen liegt. Studierende sind darüber hinaus als viel besagte „digital natives“ vor allem Innovationsmotor für die Digitalisierung und verfügen über eine gewinnbringende Kreativität und Offenheit. Die Zusammenarbeit von Universität und Studierendenschaft ist ebenso wichtig, weil nur im bilateralen Miteinander von Lernenden und Lehrenden die Sicht auf die digitale Transformation an die jeweils andere Seite kommuniziert werden kann. Studierende sind auch in besonderem Maße Botschafter des digitalen Wandels in die Universitätsgemeinschaft.

Eine Veränderung der Mentalität hin zu mehr Partizipation und Innovationsoffenheit ist essentiell für die Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung in den Hochschulen. Die ehrliche und gleichberechtigte Beteiligung der gesamten Universitätsgemeinschaft ist fundamental. Universitätsleitungen müssen unbedingt Lehrende, Studierende und Mitarbeitende einbinden, nicht nur um die Transformation bedarfsgerecht durchzuführen, sondern auch und vor allem um das enorme Gestaltungspotenzial dieser großen Gruppen ausschöpfen zu können. Dazu muss die Hochschulleitung agile Strukturen einrichten, die zusätzlich zum ordnungsgemäßen Gremienkörper die flexible Adaptation an die schnellen Veränderungen möglich macht.

Ein grundlegender digitaler Wandel an den Hochschulen ist nur als gemeinsamer Kraftakt aller Stakeholder möglich. Hochschulen brauchen mehr Mut zur echten Partizipation von Studierenden und Mitarbeitenden bei der Entwicklung von Strategien und Projekten!

 

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