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Serious Games im Medizinstudium - nun lasst den Worten Daten folgen

Dr. med. Nikolai Schuelper
Dr. med. Nikolai Schuelper, 11.3.2019
Dieser Beitrag gehört zum Dossier:
Dossier

Gute Lehre

Gute Lehre ist das Kerngeschäft von Hochschulen. Digitale Werkzeuge können bei der Entwicklung und Etablierung studierendenzentrierter Methoden hilfreich sein.
Yes.

Den Ernstfall proben in möglichst realitätsnahen Umgebungen ohne logistische und ethische Bedenken - was in der Pilotenausbildung schon lange Standard ist, könnte auch das Medizinstudium verbessern. Welche Vorteile Serious Games für das Medizinstudium bieten und was bis zur Implementierung in der Breite noch passieren muss, schildern Dr. Nikolai Schuelper und Prof. Tobias Raupach in ihrem Gastbeitrag.

Super Nintendo ControllerSpielend lernen: Serious Games im Medizinstudium. Bild: [https://unsplash.com/photos/NPP4Z-3dJe8 Kamil S]

Serious Games sind Spiele, die primär für einen didaktischen Kontext entwickelt werden und somit in Lehrveranstaltungen und Curricula integriert werden können. Der zunehmende Grad an Technisierung und die deutlich gestiegenen Serverkapazitäten ermöglichen es seit einigen Jahren sogar aufwendige 3D-Simulationen nicht nur einzelnen Studierenden, sondern ganzen Semesterkohorten anbieten zu können. Hierbei können sowohl ein hoher Realitätsgrad zur besseren Immersion als auch Elemente der Gamification zur Motivationssteigerung gezielt didaktisch genutzt werden.

An der Universitätsmedizin Göttingen wird seit 2016 eine digitale Simulation einer Notaufnahme im Rahmen der Pflichtlehre eingesetzt. In Kleingruppensitzungen von 18 bis 50 Studierenden übernehmen die Teilnehmenden jeder für sich die ärztliche Tätigkeit in der virtuellen Notaufnahme. Es müssen hierbei bis zu zehn Patienten parallel behandelt werden. Die Termine werden von erfahrenen Ärztinnen und Ärzten begleitet, die einerseits für technische, andererseits – und vor allem – aber auch für inhaltliche Fragen zur Verfügung stehen. Die besonderen Stärken des Serious Games liegen unter anderem darin, dass die Studierenden lernen können, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, ohne echte Patienten zu gefährden. Zudem ermöglicht diese Innovation, den Umgang mit relevanten Krankheitsbildern standardisiert zu lehren und parallel mehr als eine Kasuistik zu bearbeiten. Dies ist im Rahmen des regulären Medizinstudiums in dieser Form bisher nur bedingt möglich. Insbesondere der Umgang mit Akutsituationen lässt sich in einem realen Kontext für die Lehre kaum nutzen, da die Notfallversorgung thematisch weder planbar ist, noch ganzen Semesterkohorten praxisnah ermöglicht werden kann – von ethischen Aspekten ganz abgesehen. Hier bieten Serious Games den bisher etablierten Lehrformtaten gegenüber eine große Chance. So lassen sich Kompetenzen trainieren, die bisher kaum explizit als Lernziele adressiert werden können, obwohl sie im späteren beruflichen Alltag in hohem Maße gefordert sind. Als Beispiele können hier die zeitgleiche Versorgung mehrerer Patienten sowie die Diagnosefindung ausgehend von einem Symptom genannt werden. Unabhängig davon ist anzumerken, dass bei Serious Games gewährleistet ist, dass tatsächlich jeder einzelne aktiv an dem Lernprozess teilnimmt, wohingegen bei Vorlesungen, Seminaren und Kleingruppenpraktika häufig nur einzelne in Interaktion mit den Dozierenden treten.

Interessanter Weise hat sich in den vergangenen Semestern gezeigt, dass der Einsatz des Serious Games durchaus im Rahmen der Präsenzlehre stattfinden sollte. Auch wenn prinzipiell angenommen werden könnte, dass digitale Lehr-Interventionen insbesondere auch für das Eigenstudium geeignet sind, so lässt sich zumindest für den Einsatz im Medizinstudium feststellen, dass die – wenn auch nur simulierte – Verantwortung für das Wohlergehen der Patienten einen nicht unerheblichen Stress und Leistungsdruck erzeugt, der unbedingt durch erfahre Dozierende begleitet und aufgefangen werden sollte. So kommt es durchaus auch vor, dass ein virtueller Patient verstirbt. Gerade dann sind ein professionelles Feedback und die gemeinsame Fehleranalyse von großer Bedeutung, damit auch aus solchen Situationen ein Lernerfolg generiert werden kann.

Menschliche Puppe mit sichtbaren inneren Organen.Noch Luft nach oben: Lehrende greifen vorwiegend auf traditionelle Methoden zurück. Bild: [https://unsplash.com/photos/QJHzMkfrJpI Samuel Zeller]

Ein weiteres Argument für die Verankerung eines Spiels im Präsenzunterricht besteht darin, dass gerade in hochgradig verschulten Studiengängen wie der Medizin freiwillige Veranstaltungen kaum noch realistisch im Studienalltag angenommen werden können. Lernziele, die daher nicht im Pflichtcurriculum thematisiert werden, kommen daher faktisch häufig viel zu kurz. Die von der Notaufnahme-Simulation angesprochenen Inhalte sind jedoch hochrelevant für den Arztberuf. Eine Integration des Spiels in die Präsenzlehre bringt allerdings auch einen gewissen Personalaufwand mit sich. Abgesehen von einer guten IT-Infrastruktur werden Dozierende benötigt, die nicht nur bereit sind, sich auf neue Lehrformate und Methoden einzulassen, sondern, die auch auf die spezielle Software geschult sind.

Auch wenn der Einsatz von Serious Games im Medizinstudium letztlich durchaus naheliegend erscheint und sich der Vergleich mit der Pilotenausbildung am Simulator geradezu aufdrängt, sind die publizierten Daten zu Erfahrungen im curricularen Einsatz bislang noch sehr begrenzt. In einer kürzlich publizierten Arbeit konnten wir zwar zeigen, dass der Einsatz des Serious Games anderen etablierten Lehrformaten gegenüber keineswegs unterlegen und in einigen Aspekten, wie zum Beispiel dem Vermitteln von Patientenmanagement, sogar überlegen ist. Dennoch ist die Studienlage insgesamt noch sehr überschaubar. Vor allem zur Effektivität und zur Langzeitwirkung des mit Serious Games erzielten Lernerfolges werden noch weitere Studiendaten benötigt. Und auch die Art und Weise der sinnvollen Implementierung im Curriculum ist letztlich noch weitgehend ungeklärt.

Die meisten vorliegenden Daten basieren in erster Linie rein auf der Zufriedenheit der Studierenden mit Serious Games – und das vornehmlich in außercurricularen, freiwilligen Veranstaltungen, die für besonders motivierte Studierende attraktiv sind, so dass die Studienpopulationen häufig vorselektiert sind. Für die Qualitätssicherung in der Lehre, aber auch im Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Rechnung sind methodisch ausgefeilte Studien mit relevanten Endpunkten von großer Bedeutung, da der Aufwand für die Entwicklung und die fortlaufende Aktualisierung eines Serious Games nicht unerheblich ist. Die wissenschaftliche Beweisführung des Nutzens, der konkreten Stärken sowie der sinnvollen Implementierung im Hochschulstudium sind insgesamt noch ausstehend. Hierfür sind insbesondere auch Studien nötig, die den Lernerfolg über eine Zeitspanne von mehreren Monaten hinweg untersuchen sowie komplexere kognitive Prozesse, wie in der Medizin zum Beispiel das sogenannte „Klinische Denken“, untersuchen.

Für eine breitere Akzeptanz und Verbreitung von Serious Games in der Hochschullehre scheint es derzeit wichtiger zu sein, die Lehrenden hiervon zu überzeugen als die Studierenden. Die Annahme des Angebotes durch die Studierenden ist sehr groß und die Kurse werden unserer Erfahrung nach extrem positiv evaluiert. Dennoch finden sich kaum Dozierende, die an diesen Lehrformaten aktiv teilnehmen. Möglicherweise wäre es hierfür auch hilfreich, wenn sich die Hochschulen klarer dafür aussprechen würden, dass auch E-Learning-Angebote wie Serious Games zur erforderten Lehrleistung zählen. Ein möglicher Anreiz könnte beispielsweise auch sein, Lehrangebote, die didaktisch und wissenschaftlich fundierte Innovationen integrieren, bei der Erfassung der Lehrleistung mit einem stärkeren Wichtungsfaktor zu werten. Unabhängig hiervon wäre es sinnvoll, Serious Games nicht nur als Lehrformat, sondern auch als Prüfungsformat weiterzuentwickeln und dies wissenschaftlich zu validieren, da Prüfungen das Lernverhalten entscheidend beeinflussen. Lehrinhalte, die mittels Serious Games vermittelt werden sollen, würden hierdurch besser messbar werden und eine angemessene Bedeutung erlangen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Serious Games eine vielversprechende Innovation im Bereich der Hochschullehre darstellen, die auch bei großen Semesterkohorten komplexe Lernziele abdecken können. Technische Weiterentwicklungen z.B. im Bereich der Spracherkennung und –Verarbeitung werden hierzu noch weiter beitragen können. Doch auch wenn die Begeisterung bei den Studierenden im Hinblick auf den Einsatz von Serious Games groß ist, werden gut durchdachte Studien und insbesondere auch Langzeiterhebungen benötigt, um die Effektivität besser beurteilen zu können und den Ressourcenaufwand zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund möchten wir alle, die zur Entwicklung und Verbreitung von Serious Games beitragen, dazu ermutigen, mittels wissenschaftlicher Datenerhebung diesen Entwicklungsprozess zu begleiten und voranzutreiben.

NIkolai Schuelper und Prof. Tobias RaupachDr. Nikolai Schuelper und Prof. Tobias Raupach

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Dr. med. Nikolai Schuelper
Dr. med. Nikolai Schuelper

Dr. med. Nikolai Schuelper, MME, ist als Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie an der Universitätsmedizin Göttingen tätig. Er hat den Masterstudiengang Medical Education absolviert und ist als Clinician Educator im Bereich Medizindidaktik und Ausbildungsforschung unter anderem mit der Entwicklung und Implementierung von Serious Games betraut.

Weitere Autor:innen:
Prof. Dr. med. Tobias Raupach
Prof. Dr. med. Tobias Raupach

Prof. Dr. med. Tobias Raupach, MME, ist Oberarzt in der Klinik für Kardiologie & Pneumologie und leitet den Bereich Medizindidaktik & Ausbildungsforschung der Universitätsmedizin Göttingen. Er führt Studien zu den Effekten summativer und formativer Prüfungen durch und befasst sich mit der Weiterentwicklung der Evaluation von Hochschullehre. Er hat das hier beschriebene Spiel inhaltlich konzipiert.

Kooperationspartner:

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Förderer:

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