Risiko Creative Commons? Don’t panic!

Risiko Creative Commons? Don’t panic!

04.01.19

Kein Ausbremsen: Einmal eingelesen erlauben die Creative Commons ein sicheres Navigieren durch verschiedene Lizen

Creative Commons-Lizenzen haben sich in den letzten Jahren weltweit etabliert und sind weiter auf dem Vormarsch. Auch wenn sie die Vergabe für Nutzungsrechte im Internet maßgeblich vereinfacht haben, gibt es nach wie vor einige Fallstricke, die viele Nutzer(innen) davon abhalten, geschossene Fotos, Videos oder andere Inhalte online zu teilen oder zu bearbeiten. Prof. Dr. Achim Förster von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt benennt in seinem Gastbeitrag die mit Creative Commons verbundenen Stolperfallen und gibt Einblicke in aktuelle Rechtsstreite – praktische Tipps inklusive!

Die Saat ist aufgegangen. Nach dem jährlich veröffentlichten Bericht zum “State of the Commons” stehen mittlerweile mehr als 1,4 Milliarden Werke unter einer zur Creative Commons-Familie gehörenden Lizenz. Für Open Educational Resources (OER) hat sich das seit 2001 konstant weiterentwickelte und mittlerweile weltweit verbreitete Lizenzsystem als Standard etabliert, und auch in weiteren mit öffentlichen Geldern finanzierten Bereichen – vielleicht bald auch bei Medien aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk – sind freie CC-Lizenzen auf dem Vormarsch. Gleichzeitig machen Meldungen die Runde, nach denen die Verwendung frei lizenzierter Medien mit Risiken verbunden sei: Vor allem bei Fotografien aus den Wikimedia Commons und aus Flickr – so die Befürchtung – drohe eine Abmahnung und im Ernstfall gar ein gerichtliches Verfahren. Was ist dran an diesen Meldungen? Welche Stolperfallen sind mit Creative Commons verbunden? Und nicht zuletzt: Wie ist das Risiko des Einsatzes von Creative Commons tatsächlich einzuschätzen und mit welchen Maßnahmen kann es minimiert werden? 

Kein Ausbremsen: Einmal eingelesen erlauben die Creative Commons ein sicheres Navigieren durch verschiedene Lizen

Stolperfalle Lizenzhinweis

Lizenztexte teilen das Schicksal allgemeiner Geschäftsbedingungen: Viele glauben den Inhalt zu kennen, nur wenige lesen den Text tatsächlich. Die Lektüre lohnt sich aber, denn gerade die Anforderungen an die erforderlichen Angaben zur Rechtsinhaberschaft und zu den Lizenzbedingungen sind komplexer, als es die Kurzzusammenfassungen der Lizenzen (“License Deed”) vermuten lassen. Zu allem Übel unterscheiden sich die notwendigen Angaben im Detail auch je nach eingesetzter Lizenzversion. Unsaubere und damit fehlerhafte Angaben passieren schnell, führen zum Erlöschen der Lizenz und lassen das Nutzungsrecht entfallen. Die fehlerhafte Nutzung von Creative Commons steht also einer Urheberrechtsverletzung gleich.

Auf diesen Umstand berufen sich seit etwa 2015 regelmäßig mehrere Fotografen und mahnen vermehrt Nutzerinnen und Nutzer ab, die ihre (meist in den Wikimedia Commons oder auf Flickr veröffentlichten) Werke unter Verstoß gegen die Lizenzbedingungen einsetzen. Konkret geht es dabei meist um fehlende oder fehlerhafte Autoren- oder Lizenzhinweise. Neben der bei Urheberrechtsverletzungen üblichen Unterlassung verlangen die Rechtsinhaber auch Schadensersatz – unter Berufung auf die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) häufig im Bereich von mehreren tausend Euro. Das Vorgehen der Fotografen irritiert: Dass die Bilder einerseits kostenfrei (und zwar auch für die kommerzielle Nutzung) zur Verfügung gestellt werden, andererseits bei Verletzungen der Lizenzbedingungen aber mit anwaltlicher Hilfe der volle Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird, wirkt – vorsichtig formuliert – widersprüchlich. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass fehlerhafte Lizenzen zu Urheberrechtsverletzungen führen.

Panik ist trotzdem nicht angebracht. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche haben zwar vor den Gerichten Bestand (und verursachen auch Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren), nicht jedoch die hohen Schadensersatzforderungen. Aktuell tendiert die Rechtsprechung dazu, bei der Bemessung des Schadensersatzes nicht auf die für die kommerzielle Nutzung üblichen MFM-Tabellen abzustellen. Stattdessen – so etwa jüngst das Landgericht Frankfurt a.M. (Urteil vom 16.8.2018, 2-03 O 32/17) – wird explizit berücksichtigt, dass das in Rede stehende Werk von Seiten des Rechtsinhabers oder der Rechtsinhaberin kostenfrei unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht worden ist. Dies bedeutet zwar nicht automatisch, dass überhaupt kein Schadensersatz zu leisten ist (beispielsweise kann das Entfernen der Urheberbezeichnung durchaus einen objektiven Wert haben und einen entsprechenden Schadensersatz begründen), die pauschale Forderung hoher Beträge ist aber nicht ohne Weiteres möglich. Rechtsinhaberinnen und Rechtsinhabern haben damit derzeit nur wenig Anreiz, Medien bewusst unter einer freien Lizenz zu veröffentlichen, um im Anschluss mit hohen Schadensersatzforderungen Lizenzumsätze zu generieren.

Im Übrigen – und auch insoweit kann eine Entwarnung erfolgen – sind die erforderlichen Hinweise zu Rechtsinhaberschaft und Lizenz zwar mitunter komplex, aber nach etwas Einarbeitung trotzdem gut handhabbar. Zahlreiche Tools und Hilfestellungen im Netz vereinfachen zudem die Arbeit. Neben dem bekannten “Lizenzhinweisgenerator” für Bilder aus der Wikipedia und den Wikimedia Commons sei dabei für den OER-Bereich insbesondere auf die Jointly-Broschüre zur Erstellung von Lizenzhinweisen hingewiesen.  

 

Fehlender Gutglaubensschutz und versteckte Rechtsverletzungen bei Personen- und Sachfotografie

Selbst wenn die Nutzung frei lizenzierter Medien augenscheinlich lizenzkonform erfolgt, kann sie dennoch eine Rechtsverletzung darstellen. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Lizenzgeber oder die Lizenzgeberin nicht über die erforderlichen Rechte verfügt und daher kein wirksames Nutzungsrecht einräumen kann. Denkbar ist dies nicht nur bei der Veröffentlichung von Plagiaten (also bei fremden Werken, die unter Anmaßung eigener Urheberschaft verwertet werden), sondern auch dann, wenn der Schöpfer oder die Schöpferin bereits früher jemand anderem (beispielsweise einem Verlag) ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat. In beiden Fällen fehlt d. Lizengeber*in die Verfügungsbefugnis über das Werk und die Einräumung des Nutzungsrechts geht ins Leere. Für die Nutzerinnen und Nutzer bedeutet dies, dass die Verwendung derartiger Werke eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann, und zwar auch dann, wenn die (im Ergebnis eben unwirksamen) Lizenzbedingungen eingehalten werden. Nutzerinnen und Nutzer können sich in derartigen Situationen auch nicht darauf berufen, sie hätten auf die Wirksamkeit des Nutzungsrechts vertraut. Ein Gutglaubensschutz besteht nicht.

Darüber hinaus kommt es immer wieder vor, dass freie Medien – insbesondere Fotografien – einen nicht auf den ersten Blick erkennbaren rechtsverletzenden Inhalt haben. Sind auf einer Fotografie Personen erkennbar abgebildet, ist deren Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG) zu beachten. Personenbildnisse dürfen danach nur verwertet werden, wenn entweder die Zustimmung der abgebildeten Person vorliegt (was bei freien Medien häufig nicht überprüft werden kann) oder eine der in § 23 KUG geregelten Ausnahmen greift (insbesondere bei Bildnissen “aus dem Bereich der Zeitgeschichte”). Die rechtliche Bewertung im Rahmen des § 23 KUG ist dabei stark einzelfall- und kontextabhängig; so ist es durchaus denkbar, dass die Verwendung eines Personenbildnisses im Rahmen eines Wikipedia-Artikels über ein historisches Ereignis zulässig ist, während der Einsatz des Bildes ohne den entsprechenden inhaltlichen Kontext eine Rechtsverletzung darstellt.

Auch Sachfotografien können rechtlich problematisch sein. Betritt ein Fotograf oder eine Fotografin ein Grundstück und fertigt von dort Aufnahmen von Gebäuden an, die sich auf diesem Grundstück befinden, so kann der Eigentümer oder die Eigentümerin darüber entscheiden, ob und wie die Fotografien verwertet werden dürfen. Denkbar ist beispielsweise, dass eine öffentlich-rechtliche Institution wie etwa die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg die kommerzielle Verwertung von derartigen Fotografien von einer (in aller Regel nur gegen Gebühr erteilten) Genehmigung abhängig macht. Nicht genehmigte Aufnahmen können nach Auffassung der Gerichte eine Eigentumsverletzung darstellen und einen Unterlassungsanspruch begründen (BGH Urt. v. 1. 3. 2013, V ZR 14/12 – Preußische Schlösser und Parkanlagen II). In der Rechtswissenschaft wird dieses Ergebnis weitgehend kritisiert, führt es doch faktisch zu einem Ausschließlichkeitsrecht des Grundstückseigentümers an Hausfassaden und Parkanlagen, obwohl diese – wie im Fall der Preußischen Schlösser – wegen Ablaufs der urheberrechtlichen Schutzfrist (§ 64 UrhG) keinen Schutz mehr genießen. Die Rechtsprechung bleibt von dieser Kritik allerdings bislang unbeeindruckt und hat jüngst in einem Rechtsstreit zwischen den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und einem ehrenamtlich für Wikimedia Commons tätigen Fotografen einen Unterlassungsanspruch auch in Bezug auf bewegliche Gegenstände – namentlich Museumsexponate – bejaht (Urteil vom 20. Dezember 2018 – I ZR 104/17 – Museumsfotos; zum Zeitpunkt der Abfassung des Blogbeitrags lag nur die zugehörige Pressemitteilung vor). Für die Praxis der Sachfotografie ist daher aktuell davon auszugehen, dass die Verwendung nicht genehmigter Fotografien (u.a.) aus Parkanlagen und Museen Unterlassungsansprüche begründen kann.

Auf der Suche nach dem neusten Schnappschüssen gibt es vermeidbare StolpersteineAuch hier gilt aber, dass zwar Vorsicht geboten, nicht aber Panik angebracht ist. Das Leben ist nun einmal voller Gefahren, und nichts anderes gilt für den Einsatz freier Medien. Die geschilderten versteckten Risiken mögen bei freien Medien zwar höher sein als bei kommerziell vertriebenen Inhalten, im Kern stecken sie jedoch in allen Einräumungen von Nutzungsrechten. Mit freien Medien muss daher letztlich ebenso sorgfältig gearbeitet werden wie mit anderen Medien auch. Wirklich hundertprozentige Sicherheit kann nur durch den vollständigen Verzicht auf fremde Medien erreicht werden – was aber weder im Interesse der Bildungseinrichtungen noch der Lehrenden liegt. Zur Beruhigung mag für die im Hochschulbereich beschäftigten Beamtinnen und Beamten außerdem beitragen, dass bei Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der ihnen übertragenen öffentlichen Lehrtätigkeit primär keine persönliche Haftung besteht, sondern die hinter der Hochschule stehende juristische Person einspringen muss; ein Rückgriff des Dienstherren auf die handelnden Personen kann nur im Falle von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit erfolgen (Art. 34 GG; BGH Urt. v. 20. 5. 2009, I ZR 239/06 – CAD-Software). Wer also im Hochschulbereich die ihm/ihr übertragenen Dienstgeschäfte – und hierzu gehört häufig gerade auch die Erstellung und der Einsatz freier Medien – gewissenhaft und sorgfältig erledigt, wird einerseits zwar kaum alle Fehler mit Sicherheit ausschließen können, muss aber andererseits nur im Ausnahmefall mit einer persönlichen Haftung rechnen.

 

 

 

Vier Empfehlungen zur Risikominimierung beim Einsatz von Creative Commons

Der Einsatz von Creative Commons ist zweifellos mit Risiken verbunden. Die im folgenden dargestellten vier Empfehlungen können dazu beitragen, diese Risiken in einem vertretbaren Bereich zu halten:

  • Angaben zu Rechtsinhaberschaft und zur verwendeten Lizenz sollten ernst genommen und müssen sauber wiedergegeben werden.
  • Der Wirksamkeit von Creative Commons-Lizenzen sollte kein blindes Vertrauen geschenkt werden. Vor allem bei unbekannten oder nur mit Pseudonym auftretenden Lizenzgeber*innen lohnt es sich, zumindest kurz darüber nachzudenken, ob die eingesetzte Lizenz plausibel ist.
  • Alleine aus der Tatsache, dass eine Fotografie unter einer freien Lizenz steht, kann nicht pauschal geschlossen werden, dass die abgebildeten Personen gezeigt werden dürfen. Aufgrund des Rechts am eigenen Bild ist in vielen Fällen ein zurückhaltender Umgang mit Personenabbildungen empfehlenswert.
  • Bei Sachfotografien, die ohne Genehmigung des Grundstückseigentümers oder der Grundstückseigentümerin erstellt worden sind, kann eine Eigentumsverletzung vorliegen. Im Zweifel – und sofern eine Wahlmöglichkeit besteht – kann es sinnvoll sein, auf Bilder zurückzugreifen, die erkennbar mit Zustimmung d. Grundstückseigentümer*in erstellt oder die von öffentlichem Grund aus angefertigt wurden.

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