Am 22. Januar fand die Mapping OER Fachtagung in Berlin statt. Markus Deimann berichtet aus seiner Sicht über die Tagung, das Projekt und die politischen Maßnahmen mit Blick auf OER.
Geschlossene Gesellschaft: Beim Thema OER hat Deutschland Aufholbedarf Mit der Mapping OER-Fachtagung fand die vorletzte Etappe einer bemerkenswerten Entwicklung statt. Bemerkenswert ist zunächst, dass es überhaupt dazu gekommen ist mit dem Projekt Mapping OER, den Grad der „OERisierung“ in Deutschland zu bestimmen, d.h. eine Landkarte freier Bildungsmaterialien zu erstellen, bei der möglichst viele Sichtweisen aus den großen Bildungsbereichen (Schule, Hochschule, Aus- und Weiterbildung) vertreten sind.
Bislang ist Deutschland nämlich im internationalen Vergleich immer noch ein weitgehend blinder Fleck. Mit der Pariser Erklärung vom Juni 2012 bekam das Thema dann jedoch mehr und mehr Aufmerksamkeit. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Kultusministerkonferenz (KMK) starteten danach eine umfassende Aufarbeitungsphase, u.a. mit einer Expertenanhörung und drei in Auftrag gegebenen Studien: (1) Dossier: Offene Bildungsressourcen/Open Educational Resources – Handlungsfelder, Akteure, Entwicklungsoptionen in internationaler Perspektive, (2) Open Educational Resources (OER), Open-Content und Urheberrecht und (3) Metadaten für Open Educational Resources (OER). Eine Handreichung für die öffentliche Hand. Welche Maßnahmen sich daraus für die Bildungspolitik ableiteten, blieb jedoch unklar, derweil das Interesse für OER in Deutschland stieg (so gab es beispielsweise 2013 und 2014 jeweils eine große OER-Konferenz).
Als dann am 27.01.2015 der Bericht der Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Länder und des Bundes zu Open Educational Resources (OER) veröffentlicht wurde, schien es etwas klarer zu werden:
„Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe empfiehlt als vorrangige Maßnahme den Aufbau einer neuen bzw. die Unterstützung bereits bestehender Plattformen im Internet, auf der Verweise zu verschiedenen OER-Quellen und, falls sinnvoll, auch OER-Materialien gebündelt bereitgestellt, gefunden und heruntergeladen werden können. Flankierend dazu sollten weitere Maßnahmen angestoßen werden, die ineinander greifend das Thema befördern werden. Die Aktivitäten sollten dabei die Spezifika der unterschiedlichen Bildungsbereiche berücksichtigen und, falls sinnvoll, forschungsbegleitet angelegt sein, um Ergebnisse und Erfahrungen in den laufenden Prozess zu übertragen.“
Doch anstatt nun daran zu gehen, die empfohlenen Maßnahmen politisch auszukleiden und auf den Weg zu bringen, ging das BMBF in eine erneute Reflexionsschleife. Neben der Machbarkeitsstudie – Welche Infrastrukturen braucht Deutschland für freie Bildungsmedien? – wurde auch die oben schon erwähnte Studie Mapping OER beauftragt. So wichtig die Absicht auch ist, das Wissen zu und über OER systematisch aufzuarbeiten – im Mapping Projekt gab es dazu die Phasen Analyse, Dialog und Synthese – so führte das Timing doch zu etwas Irritation (siehe dazu den Talk „OER: Graswurzelbewegung trifft Bildungspolitik“). Außerdem lagen mit den Whitepapern für Schule, Weiterbildung und Hochchule (erstellt unter Koordinierung der Transferstelle für OER in Zusammenarbeit mit dem Co:llaboratory, der Bertelsmann Stiftung und dem Stifterverband) bereits umfangreiche Bestandsaufnahmen vor. Zu erwähnen ist hier auch noch der „Leitfaden zu Open Educational Resources in der Hochschulbildung“ von der Deutschen UNESCO-Kommission.
Somit gleicht die bildungspolitische Beschäftigung mit OER in Deutschland einem Sonderweg. Blickt man auf die internationale Entwicklung so ist eine deutlich konsequentere Handlungsweise, die zu sichtbaren Ergebnissen führt, erkennbar. Mit dem OER Research Hub, angesiedelt an der Open University UK, liegt beispielsweise ein seit mehreren Jahren aktives Portal vor, das u.a. mit der OER Impact Map und dem OER Evidence Report zentrale Herausforderungen von OER adressiert. Aus den USA bekannt ist eine Form des landestypischen politischen Lobbyismus, die in Bezug auf OER an einer radikalen Veränderung des Bildungssystems arbeitet. Auch gibt es landesweite Initiativen wie etwa Opening up Slovenia, die dem von der EU Kommission ausgegebenen Ziel des Opening Up Education folgen.
Deutschland muss – so scheint es – seine Position im internationalen OER-Diskurs noch finden, zu zögerlich und abwartend sind die bisherigen politischen Signale. Mit der am vorvergangenen Montag bekannt gewordenen Ausschreibung des BMBF Richtlinie zur Förderung von Offenen Bildungsmaterialien (Open Educational Resources – OERinfo – das wäre dann die letzte Etappe – bestätigt sich der Eindruck. Zwar ist die Maßnahme Informationsstelle OER als zentrale, gut sichtbare Referenz wichtig und richtig, könnte aber im Vergleich zum OER Research Hub deutlicher auf die für Deutschland typischen Problemlagen (Datenschutz etc.) fokussieren. Die zweite Maßnahme, Sensibilisierung, ist prinzipiell auch nicht zu bestreiten, damit hinkt man aber der internationalen Entwicklung hinterher. So könnte – wenn man das grundsätzliche Bekenntnis des BMBF und der KMK zu OER ernst nimmt – mit zielgerichteter Lobbyarbeit ein deutlicheres Signal gesendet werden.
Bild: Dennis Skley: Made in Germany! 47/365, CC BY-NC-ND 2.0 via flickr.com
Lieber Herr Deimann,
Besser Nachdenken als ein Strohfeuer!
Gerade, wenn uns OER wichtig ist, weil wir in OER eine wichtige bildungspolitische wie auch pädagogische Chance sehen, sollten wir froh sein, dass das Thema nicht mit einem kleinen, netten Förderprogramm verschossen wird. Wenn uns an OER gelegen ist, brauchen wir einen LANGEN Atem. Und wir müssen erkennen, dass - jenseits der OER-Szene - das Bewußtsein für und das Interesse an OER nicht weitreichend vorliegen. Auch sind die technischen / konzeptuellen / strukturellen Lösungen zur nachhaltigen Verankerung von OER keineswegs offensichtlich. Insofern bin ich froh, dass das BMBF mit seinen beiden Linien genau so und nicht anders vorgeht. Ich denke, mit dem absehbaren Wege der aktuellen Ausschreibungen auf Bundes- und Länderebene werden wir Schritt für Schritt weiterkommen. Es ist eine Illusion zu glauben, mit dem "einen großen Förderprogramm" werden sich OER etablieren, die einen Nutzen für die Bildungsarbeit eröffnen. Wir werden noch zu viel mehr Reflexion anregen müssen und noch mehr OER-Veranstaltungen brauchen, um einen weitreichenden Diskurs über die Anlage von Bildungsressorucen der Zukunft anzuregen.
Die Diskussion über OER scheint mir in jedem Land der Welt anders zu verlagen: Insofern haben wir keinen deutschen Sonderweg (weil es keinen "Standard" gibt"), sondern eine Diskussion unter den Bedignungen des deutschen Bildungswesens. Auch können wir erkennen, dass hinreichend OER-Initiativen (z.B. in NL) in der Vergangenheit erfolglos waren, alleine deswegen ist ein reflektiertes Vorgehen erforderlich, wenn wir den Erfolg in Deutschland wollen.
Mein - ok,ok nicht ganz ernst gemeinter - Vorschlag : Bringen Sie einen Antrag im Senat der FernUni Hagen durch, dass künftig alle Studienbriefe als OER publiziert werden! Das wäre mal ein klares Signal :-) Und genau hier sehen wir das Problem: Wir haben noch lange keine klare Akzeptanz und kein klares Verständniss darüber, warum und wie OER für die Bildung Vorteile mit sich bringen kann!
OER alleine sind am Ende keine Lösung. Wir brauchen Konzepte für besseres Lehren und Lernen MIT OER. Das Thema erscheint mir perspektivisch zu wichtig, als dass wir es mit einem Strohfeuer verbrennen. KMK und BMBF sind m.E. für Deutschland gut beraten mit dem bislang verfolgten - reflektierten - Weg!
Was bei diesem Thema auf die Dauer ein wenig irritiert, ist die Vielzahl der Debattenbeiträge und die geringe Anzahl nachweislich gelungener Projekte. #didacta2016 Stephan Fröhder 19.2.2016
Lieber Herr Kerres, danke für Ihren Kommentar, den ich gerne nochmals zurück spiele.
Grundsätzlich bin schon von meiner Ausbildung als Bildungswissenschaftler sehr für Nachdenken, gerade in unserer dynamischen "digitalen Zeit". Und so habe ich mir auch die OER-Entwicklung in den letzten 10 Jahren genau angeschaut und darüber nachgedacht: Ich gehe gar nicht von dem "großen Wurf" seitens des BMBF aus, wünsche mir aber eine etwas zugespitztere Ausrichtung des Förderprogramms. Denn die Arbeitsgruppe BMBF/KMK hat in den letzten Jahren sehr viel Expertenwissen zusammengetragen (was durch Teilnahme am internationalen OER-Diskurs noch weiter vertieft werden könnte), so dass die jetzige Ausschreibung, für mich, dem nicht ganz gerecht wird. Ich denke auch, dass mit der Ausschreibung der derzeitige OER-Diskussionsstand (der z.B. über die OER-Konferenzen und die OER-Whitepaper mitgestaltet wird) nicht ausreichend widergespiegelt wird.
Die Debatte geht in Deutschland mittlerweile rasch voran und es entsteht eine gewisse Erwartungshaltung, wie sich der Staat (BMBF) dazu bekennt. Hier kann man mit Blick auf das europäische Ausland (EU-Initiative "Opening up Education") zu der Einsicht kommen, dass dem im BMBF-KMK Papier geäußerten Bekenntnis zu OER etwas das Fleisch am Gerippe fehlt. An Ihrem Vorschlag für mehr OER an der FernUniversität arbeite ich schon lange und bohre dabei die ganz dicken Bretter:=) Doch gerade der wohl offensichtliche Weg der "OERisierung" der Studienbriefe ist der schwierigste, wovon Ihnen Herr Hoyer viel erzählen kann. Vielversprechender halte ich dafür den Ansatz, um die Cashcow Studienbriefe herum, OER zu installieren, z.B. als Brücken- und Vorbereitungskurse.
Und ja, OER wie auch Digitalisierung per se, sind natürlich keine Lösung, aber wichtige Werkzeuge, über die wir weiter nachdenken müssen. Hier wünsche ich mir auch eine "fortgeschrittenere" Diskussion zu den Themen Medienbildung und Open Educational Practices. Vielleicht kommen wir darüber ins Gespräch?
Herzliche Grüße, Markus Deimann
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